Far Away von Zuckerschnute ================================================================================ Kapitel 25: 25 -------------- Ziemlich planlos streifte ich durch den Palast. Ich hatte keine Lust Siamun, Rhia oder irgendjemand anderes zu sehen. Ich musste nachdenken und zwar alleine. Ich wusste einfach nicht, was ich tun sollte. Wie denn auch, wenn ich nicht mal wusste was ich wollte? Es war doch zum aus der Haut fahren! Eigentlich hatte ich ja geglaubt, ich wüsste wie meine Entscheidung ausfallen würde. Jetzt merkte ich, wie sehr mich die Tatsache dass ich keine Wahl gehabt hatte dabei beeinflusst hatte. Ich wurde abrupt aus meinen Gedanken gerissen, als ich beinahe gegen eine mit Ranken verzierte Säule lief. Verwirrt blinzelnd schaute ich mich um und bemerkte, dass ich mich verlaufen hatte. In diesem Teil des Palastes war ich noch nie gewesen. Das war mir schon länger nicht mehr passiert. Na so was aber auch! Da ich sowieso keinen Plan hatte wo ich war ging ich einfach auf gut Glück weiter, was zu Folge hatte, dass ich mich noch mehr verirrte. Irgendwann, nach unzähligen Kreuzungen, Gängen und verschlossenen Türen traf ich auf die Königinwitwe. Hoppla, ich war doch tatsächlich in einem ganz anderen Teil des Palastes gelandet! Sie hörte meiner Erklärung was ich hier tat zu und wies mich dann an, ihr zu folgen. Zu meinem Erstaunen führte sie mich nicht zurück, sondern zu einer großen reich verzierten Tür, vor der zwei Wachen vom selben Kaliber wie Horace standen, die ohne ein Wort zur Seite traten, als Sharina einen großen Schlüsselbund hervorholte und die Tür aufschloss. Das erste was ich sah als ich den dahinterliegenden Raum betrat war ein riesengroßer, wunderschöner Wandteppich, auf dem das Wappen des Landes abgebildet war. Ein wunderschöner Pfau mit glänzendem Gefieder, über dem ein Adler beschützend seine Schwingen ausgebreitet hatte. „Der Pfau ist das Wappen der Königin. Er steht für die Schönheit unserer Heimat. Der Adler, das Wappen des Königs, steht für den Stolz.“ Der Blick von Siamuns Mutter war während ihrer Erklärung auf den Teppich gerichtet gewesen, jetzt fiel er auf eine kleine Schatulle, die auf einem Tisch direkt darunter stand. Sie schloss sie mit einem kleineren Schlüssel auf und entnahm ihr ein goldenes Etwas, das mit grünen und blauen Edelsteinen besetzt war. „Das ist eine unserer ältesten Traditionen. Dieses Schmuckstück wird von der Königin oder der Kronprinzessin bei ihrer Hochzeit getragen. Oder in diesem Fall: die Braut des Königs.“ Also würde Siamuns Braut diese Kette tragen? Bei diesem Gedanken wurde mir plötzlich speiübel. Der Prinz musste irgendwann heiraten und wenn ich ging, dann war das ganz bestimmt nicht ich. Dabei wurde mir noch etwas anderes klar: Wenn ich schon auf den bloßen Gedanken an eine andere Frau so reagierte, was würde ich dann tun, wenn dieser Fall tatsächlich eintreten sollte? Die Kälte der Nacht kroch durch die kleinen Fenster und brachte mich zum Frösteln. Inzwischen war es komplett dunkel geworden und im Freien würde mein Atem wahrscheinlich weiße Wolken bilden. „Danke Hoheit, ihr habt mir sehr geholfen!“ ich hatte meine Entscheidung getroffen. „Genau das war meine Absicht!“ die schöne Frau lächelte mich an und mir wurde etwas leichter ums Herz. „Dann gibt es nur noch ein Problem!“ „Und das wäre?“ „Wie komme ich wieder in Siamuns Palast zurück?“ Einige Stunden früher: Siamun saß in seinem Arbeitszimmer, in der Hand einen dünnen Pinsel und starrte auf das Stück Papyrus vor ihm. Eigentlich hatte er ja arbeiten wollen, aber alles was er bis jetzt zustande gebrach hatte war ein Klecks Tinte, der sich immer weiter ausbreitete. Mit einem leisen Seufzen legte er den Pinsel bei Seite und fuhr sich mit den Händen durch das lange Haar. ‚Begnadige mich, und deine niedliche kleine Freundin darf nach Hause!’ Was Malika ihm vor ein paar Stunden gesagt hatte geisterte ihm seitdem im Kopf herum. Was in aller Götter Namen sollte er tun? Einerseits verdiente Etienne es nach Hause zurück zu dürfen, nach allem was sie durchgemacht hatte. Andererseits konnte er seine Cousine nach allem was sie getan hatte nicht einfach die Strafe erlassen. Das würde alles in Chaos stürzen. Gefangene mit geringeren Vergehen würde rebellieren, der Beraterstab würde Probleme machen und Malika würde einfach weitermachen wie bisher. Nicht zu vergessen die Tatsache, dass er Etienne nicht gehen lassen wollte. Vielleicht sollte er einfach jemanden fragen? „So ist das also!“ Banus bernsteinfarbene Augen blickten ernst. „Da sitzt du natürlich in einer Zwickmühle... Aber meinst du nicht, dass das Etiennes Entscheidung ist? Immerhin geht es um ihre Zukunft!“ Der Prinz schnitt eine Grimasse. Soweit war er auch schon gewesen. „Leichter gesagt als getan. Du weißt doch genau, dass ich Malika nicht einfach so gehen lassen kann!“ „Dann willst du sie zum Bleiben zwingen?“ „Nein, natürlich nicht!“ Siamun senkte den Kopf, sein schwarzes Haar fiel nach vorne und kitzelte dabei seine Arme. Als es dunkel wurde setzte sich der Prinz einen der etwa hüfthohen Simse, die an den Fenstern seines Aufenthaltsraumes vorbeiführten. Die untergehende Sonne färbte den Himmel blutrot, ein schöner Anblick. Er hing seinen Gedanken nach, während der Himmel sich dunkel färbte und es merklich kühler wurde. Als die Türe sich öffnete wurde er aus seinen Gedanken gerissen und drehte sich um. Etienne stand dort und zwirbelte eine Haarsträhne um ihre Finger. Zögerlich, als ob sie nicht wusste was sie tun sollte, kam sie näher und kletterte auf den Sims um sich neben ihn zu setzten. „Ich… ähm… Mailka…“ „Malika hat dir angeboten, dich nach Hause zu schicken, nicht wahr?“ schnitt er ihr das Wort ab. „Ja!“ sie schwieg. „Und? Wie hast du dich entschieden?“ fragte er, als er die Stille nicht mehr ertrug. „Ich.. ich möchte bleiben! Wenn ich kein Klotz am Bein oder sonstiges Ärgernis bin… bitte ich dich mich bei dir bleiben zu lassen!“ Siamun stieß zischend den Atem aus, von dem er gar nicht wusste, dass er ihn angehalten hatte. Etienne, die dieses Zischen falsch deutete sprang auf und wedelte erschrocken mit den Armen durch die Luft. „Aber ich kann… wenn ich störe…“ weiter kam sie nicht, weil er sie packte, an sich drückte und küsste, bis sie beinahe erstickte. „Himmel, ich hatte solche Angst du würdest gehen!“ Sie kuschelte sich an ihn, lehnte den Kopf an seine Brust und schloss die Augen. „Tja, du musst es wohl noch eine Weile mit mir aushalten! Und du auch!“ meinte sie, als Scharlatan schnurrend um ihre Beine strich. Die Hinrichtung war eine Woche später. Eigentlich hatte ich nicht dabei sein wollen, aber Siamun hatte darauf bestanden. „Wenn du nicht anwesend bist, könnte das zu Problemen führen.“ „Probleme? Wieso Probleme?“ „Du bist inzwischen zu bekannt, meine Kleine! Die Menschen bewundern dich dafür, dass du dich als Bürgerliche gegen eine Adlige gestellt und gewonnen hast. Wenn du nicht dabei bist, könnte das als Zeichen von Angst und Schwäche gesehen werden.“ „Ja und?“ ich legte den Kopf schief. „Außerdem habe ich mich nicht gegen Malika gestellt, sondern nur versucht mein Leben zu retten!“ „Aber bereits das ist mehr, als die meisten anderen wagen würden! Malika hat so vielen Menschen Leid zugefügt und keiner hat sich je gewehrt, weil sie es als Sinnlos betrachteten. Denke doch nur mal an Kija und Aziz‘s Schwester. Und dann kamst du…“ Mit einem Seufzen gab ich nach. „Na gut. Aber wenn ich mich vor all den Leuten übergeben muss, ist das deine schuld!“ Und so kam es, dass ich wie ein VIP auf weichen Kissen unter einem schattenspendenden Baldachin saß und ungehinderte Sicht auf den Galgen hatte, an dem Malika bald baumeln würde. Ich nippte an meinem Kelch mit Wasser und überlegte, ob ich nicht einfach wieder verschwinden könnte, als mein Blick auf einige bekannte Gesichter fiel. Da waren Daria und ihre Kinder, die Leute, die mich versteckt hatten, die Angehörigen von Malikas Opfern, die ich während der Gerichtsverhandlung gesehen hatte und sogar Aziz war gefesselt und mit einem Soldaten an seiner Seite erschienen um die Mörderin seiner Schwester hängen zu sehen. In ihren Blicken sah ich Hoffnung, freudige Erwartung und stellenweiße sogar so etwas wie Ehrfurcht und so blieb ich sitzen, brachte es nicht übers Herz diese Menschen zu enttäuschen. Malika wurde etwa eine halbe Stunde später hergeführt und ich spürte, wie sich alles in mir verkrampfte. Es war soweit! Ein mir unbekannter Scoahpriester nahm eine letzte Segnung vor und betete für einen sicheren Übergang in Scoahs Reich, wo all ihre Sünden vergeben sein und ihre Seele Frieden finden sollte. Dann wurde die ehemalige Prinzessin auf ein Podest geführt und der Henker legte ihr die Schlinge um den Hals. Ein letztes Mal richteten sich ihre harten schwarzen Augen auf mich und selbst auf diese Entfernung verursachte mir der Wahn in ihnen eine Gänsehaut. Die Klappe im Boden öffnete sich, Malika fiel und es war vorbei. Die leere in ihren konnte ich nicht ertragen, darum schloss ich die Augen und lehnte meine Stirn an Siamuns Schulter, während Tränen meine Wangen hinunterliefen. Das nächste größere Ereignis war Siamuns Krönung, was mir endlich Gelegenheit gab, mein blaues Seidenkleid mal anzuziehen anstelle es im Schrank versauern zu lassen. Aber irgendwie hatte ich mir eine Krönung anders vorgestellt. So richtig mit Zeremonie und so. Stattdessen gab es einfach nur ein Fest, auf dem jeder Essen und Trinken konnte so viel er wollte, für die Bewohner von Lin wurde sogar ein riesiges Buffet vor den Toren des Palastes aufgebaut. Das einzig halbwegs zeremonielle war gewesen, dass Siamun auf seinem Pferd einmal durch die Stadt geritten war, aber da hatte ich nicht dabei sein dürfen. Stattdessen hatte ich auf der Palastmauer gesessen und dem Spektakel von oben zugesehen, zusammen mit Rhia. Jetzt saß ich an einer der Tafeln und lauschte mit halbem Ohr den Unterhaltungen am Tisch. Ich schmollte ein bisschen, denn bis jetzt katte sich keiner der Senatoren für die falschen Anschuldigungen entschuldigt und vermutlich würden sie es auch nie tun, dazu waren die meisten viel zu aufgeblasen. „Und eure Majestät? Habt Ihr schon eine Braut ausgewählt?“ diese Frage erregte nun doch meine Aufmerksamkeit und so spitze ich die Ohren. Leider konnte ich nichts sehen, da ich einen Tisch weiter saß und in die andere Richtung blickte, ich hätte mich also umdrehen müssen. Blöde Etikette! Aber glücklicherweise schienen meine Tischnachbarn dieses Thema mindestens so interessant zu finden wie ich, denn die Gespräche in der näheren Umgebung verstummten. „Ja, ich habe jemanden im Auge!“ vor Schreck verschluckte ich mich beinahe an dem kleinen Gebäckstück, dass ich mir gerade in dem Mund geschoben hatte. Schnell trank ich einen Schluck Saft. „Wen denn?“ fragte eine der Frauen sie bei Siamun am Tisch saßen, vermutlich war sie mit einem der Senatsmitglieder verheiratet. Statt einer Antwort hörte man wie ein Stuhl verrückt wurde. Die Damen und Herren neben mir drehten sich allesamt auf ihren Plätzen herum und ich schloss mich ihnen an, wenn auch nicht aus Neugier. Ich würde dem Miststück die Augen auskratzen! ‚Beruhige sich Etienne! Noch hat die Dame nicht ja gesagt!‘ Na klar, als ob irgendjemand seinen Antrag ablehnen würde. Doch zu meiner Überraschung kam der neue König auf mich zu, ergriff meine Hand und zog mich zur großen Haupttafel hinüber. „Lady Etienne Allen dürfte den meisten von Ihnen bekannt sein!“ Unter anderen Umständen wären die fassungslosen Gesichter der zwanzig Senatsmitglieder wahnsinnig komisch gewesen, aber heute wurde ich erst kalkweiß und dann tomatenrot. „Das soll wohl ein Witz sein!“ Erjon wirkte alles andere als belustigt, aber das war klar. Er konnte mich nicht ausstehen, was allerdings auf Gegenseitigkeit beruhte. „Nein, das ist mein voller Ernst!“ meine Fingernägel gruben sich in Siamuns Unterarm, während ich versuchte den Blicken Stand zu halten. Himmel, ich hatte das Gefühl gleich zu streben! „Tja, der Apfel fällt wohl nicht weit vom Stamm!“ ein älterer Herr strich sich lächelnd mit der Hand über den Bart. „Erinnert Ihr euch noch an die Sache mit Atem und Sharina? Was wurde damals im Senat diskutiert, als sich der damalige Kronprinz einfach über die Entscheidung des Senats und seiner Eltern hinwegsetzte und seine Braut selbst auswählte!“ Neugierde überlagerte meine Nervosität. Stimmt. Siamuns Vater hatte nicht die ihm vorbestimmte Braut geheiratet, was zu dem ganzen Zirkus in den letzten Jahren geführt hatte. Sollte ich ihn dafür hassen oder lieben? „Und so eine schlechte Königin war ich doch nicht, oder?“ mischte sich nun auch die Königinwitwe ein. „Bei Euch war das etwas völlig anderes!“ warf der Vorsitzende sofort ein. „Ihr seid von adeligem Geblüt wohingegen dieses…“ er warf mir einen abschätzigen Blick zu „dieses Gör nicht einmal den Titel verdient den sie jetzt trägt!“ Ich spürte wie Siamun sich neben mir anspannte und legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm. Der Beraterstab unterhielt sich leise, ich verstand kaum was geredet wurde, in meinen Ohren rauschte es. „Was meint ihr dazu, eure Hoheit?“ wandte sich schließlich einer an Siamuns Mutter. „Nun… ich mag Etienne und ich möchte meinen Sohn glücklich sehen. Andererseits verstehe ich auch die Bedenken des Senats. Daher würde ich ihr gerne eine Aufgabe stellen.“ „Eine Ausgezeichnete Idee!“ meinte der Mann, von dem ich glaubte dass er Tamer hieß. „Wenn sie die besteht hat keiner von uns einen Grund die Wahl seiner Majestät anzuzweifeln. An was für eine Aufgabe habt Ihr denn gedacht?“ Sharina trank einen Schluck Wein. „Nun, dieses Jahr war, wie Sie alle wissen, sehr trocken, daher können viele ihre Steuern nicht zahlen. Etienns Aufgabe wird sein, dafür eine Lösung zu finden.“ Erschrocken schnappte ich nach Luft. „Nun, Lady Etienne, wollt ich euch an dieser Aufgabe… versuchen?“ Erjon grinste mich nur gehässig an, er war sich absolut sicher, dass ich scheitern würde. ‚Na warte Freundchen! Dir werde ich es zeigen!‘ „Es ist mir eine Ehre!“ antwortete ich mit einem kleinen Knicks und lächelte den Kerl mit der Spitzen Nase so gelassen an, wie es mir im Moment möglich war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)