Far Away von Zuckerschnute ================================================================================ Kapitel 11: 11 -------------- Es war mitten in der Nacht und Siamun lag, mit hinter dem Kopf verschränkten Armen, auf seinem Bett. Er konnte hören, wie Etienne sich im Nebenzimmer hin und her warf, dabei murmelte sie unverständliches vor sich hin. Offenbar sorgten die Tropfen nur dafür, dass sie schlafen konnte. Ruhiger Schlaf sah anders aus. Dann erstarb das Gerede und nach einem letzten Knarren des Bettes war es still. Offenbar schlief sie jetzt ruhig. Er hatte geschworen, dass ihr so etwas nie wieder passieren würde. Nur wie sollte er das anstellen? Bei Alos und Esra war das kein Problem. Es gab genug Beweise, um beide Lebenslang wegzusperren. Aber Malika war da schon ein anderes Thema. Vielleicht sollte er sie einfach nach hause schicken? Sie schien sehr behütet aufgewachsen zu sein, folglich konnten ihre Eltern ihr bestimmt am besten helfen. Allerdings konnte das nur Malika. Vielleicht sollte er wirklich... Seine Gedanken wurden von tapsenden Schritten unterbrochen. Überrascht setzte er sich auf und sah, im Licht der Kerze die auf seinem Nachttisch stand, Etienne neben seinem Bett stehen. „Was ist denn los?“ Nachts war es eiskalt und sie bewegte sich auf der Stelle, um warm zu bleiben. „Ich kann nicht schlafen. Und wenn ich dann doch einschlafe bekomme ich Alpträume.“ „Willst du noch ein paar Tropfen?“ er griff nach dem Fläschchen, dass neben der Kerze stand. „Kann ich nicht bei euch schlafen?“ der Arm erstarrte mitten in der Bewegung und landete mit einem „pflaff“ wieder auf den Lacken. „Bitte?“ Ihre Augen flehten, aber sie schien nicht zu versuchen seinen Willen zu beeinflussen. Wenn sie weiter in dem Nachthemd, das Rhia ihr angezogen hatte, in der Kälte stand, würde sie noch krank werden. Deswegen, und nur deswegen, rutschte er zur Seite und hob die Decke an. „Komm!“ Sie rollte sich auf der Matratze zusammen und er deckte sie vorsichtig zu. Innerhalb von ein paar Minuten war sie eingeschlafen und er ertappte sich selbst dabei, dass er sie wie eine übervorsichtige Glucke beobachtete. Okay, er wollte ihr über die Sache hinweghelfen. Jetzt zufrieden? Er hatte es ja schließlich versprochen. Ganz zu schweigen davon, dass ihn der Gedanke, ihr könne etwas passieren, schon nach dem Messer unter seinem Kissen greifen lies. Mit einem frustriertem Schnauben lies er sich auf seine Seite des Kissens sinken und war kurz darauf eingeschlafen. Als Rhiannon am nächsten Morgen nach Etienne sehen wollte fand sie nur ein leeres Bett vor. Das schlimmste befürchtend und einer Panikattacke mehr als nur nah, stürzte sie aus dem Zimmer. Das einzige, dass sie davon abhielt laut loszubrüllen war Debah, der ihr mit einem honigkuchenpferdbreitem Grinsen bedeutete, still zu sein. Er wies mit dem Finger auf das Bett seines Herrn. Auf Zehenspitzen schlich die Hofdame heran und spürte, wie bei dem Anblick, der sich ihr bot, ihre Mundwinkel nach oben wanderten. Etienne und der Prinz lagen zusammen im Bett, eng aneinandergekuschelt, ihr Kopf an seiner Brust und seine Arme fest um sie geschlungen. In stiller Übereinkunft ließen die Beiden sie erst mal schlafen und zogen sich in eine Ecke zurück. Siamun wachte davon auf, dass es im Bett ungewöhnlich warm war. Außerdem roch es nach Pfirsich. Als er sich aufsetzten wollte bemerkte er, dass er einen weichen, angenehm warmen Körper an sich drückte. Ähm... waren sie nicht jeder auf einer Seite des Bettes eingeschlafen? Sein Versuch aufzustehen, ohne Etienne dabei zu wecken, wurde mit einem Prusten quittiert, was wiederum dafür sorgte, dass Etienne aufwachte und ihn aus verschlafenen Augen ansah. „Was ist den los?“ „Schlaf einfach weiter!“ Er hatte das Wort „einfach“ nicht mal halb ausgesprochen, da fiel ihr Kopf mit einem „Pflaff“ wieder aufs Kissen und sie befand sich im Reich der Träume. „Ist was?“ fragte er die beiden Diener, die in einer Ecke standen und ihn auf diese „Ich- weiß- etwas- das- du- nicht- weißt“ –Art angrinsten. Im Laufe dieser Woche wurden sowohl Alos als auch Esra zu lebenslanger Kerkerhaft verurteilt. Ein Problem weniger. Dafür hatte er um so mehr Zeit, sich um Etienne zu sorgen. Die junge Dame hatte nämlich aufgehört zu essen, war leichenblass und starrte einen grossteil des Tages die Wand an. Es war zum aus der Haut fahren. Da ging man als Prinz schon selbst in die Küche, um etwas zu essen zu holen und dann aß die Dame nichts davon. Und wenn doch, dann... blieb es... nicht lange drin. Schließlich wandte er sich hilfesuchend an Rhia, die ihn in die Küche schleifte. Innerhalb weniger Minuten hatte sie verschiedene Früchte und eine Schüssel sowie zwei Messer organisiert. „Helft mir bitte beim schälen!“ mit diesen Worten drückte sie ihm ein Messer in die Hand und machte sich selbst an die Arbeit. Ratlos starrte er auf das Messer und die Frucht. Dann versuchte er, Rhia nachzuahmen. So schwer konnte das ja nicht sein! „Aua!“ Blut lief an seinem Daumen hinunter. So viel zu den Thema! „Ihr wollt doch so nicht weiterschälen? Ihr verschmiert doch die ganze Frucht!“ bevor er irgendwas erwidern konnte packte sie ihn und begann, seinen Finger zu verbinden. Dann ging es weiter. Ein paar Früchte und einiges mehr an Schnitten später war endlich alles kleingeschnitten. Rhia packte alles in die Schüssel und gab ordentlich Honig darüber. „Wenn sie das nicht isst, dann weiß ich auch nicht weiter.“ Mit diesen Worten drückte sie ihm die Schüssel in die Arme. Etienne war weder in ihrem Zimmer, noch in seinem oder einem den Aufenthaltsräume. Blieb als letzte Möglichkeit noch der Garten. Und tatsächlich: Etienne hatte sich auf den, von der Sonne erwärmten, Fliesen der Terrasse zusammengerollt. Vorsichtig, damit sie nicht erschreckte, setzte er sich neben sie. Hmm, wirklich angenehm warm. Als er einige Zeit lang nichts sagte, hob sie den Kopf und sah ihn fragend an. „Ich hab dir was zu essen mitgebracht.“ „Danke!“ Sie schob sich ein Stück Orange in den Mund, kaute lange darauf herum und schluckte es schließlich hinunter. „Wollt ihr auch etwas?“ Sie schob ihn die Schüssel hin. Nach kurzem Zögern nahm er sich ein Stück Banane. Wirklich viel aß die Kleine ja nicht, aber wenigstens schien sie es diesmal bei sich behalten zu können. Mit aller Macht unterdrückte er ein zufriedenes Grinsen. Er stand wohl kurz davor, seinen Fehler von damals zu wiederholen. Der Gedankengang wurde unterbrochen, als sich ein Gewicht auf seine Oberschenkel senkte. Etienne hatte sich neben ihm ausgestreckt und ihren Kopf auf seinen Schoß gelegt. „Geht es dir inzwischen besser?“ Ihr Haar hatte im Licht einen leichten Rotschimmer. „Körperlich ja.“ Sie fuhr mit den Fingern über einen der grünlich schimmernden Flecken, die ihr Gesicht immer noch zierten. „Er hat ganz schön zugeschlagen!“ „Ich habe ihm in die Zunge gebissen!“ in ihrer Stimme schwang Stolz mit, was ihm zum lächeln brachte. „Gut gemacht!“ er ertappte sich selbst dabei wie er begann, mir den Fingern durch ihr Haar zu fahren. Schnell legte er die Hand wieder neben sich auf den Boden, was ihm einen leichten Klaps aufs Knie einbrachte. „Weitermachen!“ brummelte sie und er konnte ein lachen nicht unterdrücken. Sie war offenbar die reinste Schmusekatze. „Ich vermisse meine Familie.“ teilte sie ihm plötzlich zusammenhangslos mit. „Erzähl mir von ihnen.“ Er wurde ernst. Über ihre Vergangenheit wusste er so gut wie nichts. „Wir sind zu fünft. Papa, Mama, Julien, Kassy und ich. Ich bin die älteste, Kassy die jüngste und Julien liegt dazwischen.“ „Wart ihr euch ähnlich?“ „Nicht wirklich. Kassiopeia ist der Sturkopf der Familie, Julien der Chaot. Ich bin das Mäuschen, dass in der Ecke sitzt und Bücher liest.“ „Wie seit ihr miteinander ausgekommen?“ „Gar nicht.“ Sie lachte leise auf. „Bei uns sind regelmäßig die Fetzten geflogen. Meine Schwester und ich wollten beide nie nachgeben. Sie kann einfach nicht einsehen, wann sie unrecht hat und ich will immer das letzte Wort haben. Wir schaukeln uns quasi gegenseitig hoch.“ „Und dann?“ „Stürmt sie meist wutschnaubend aus dem Zimmer und ich werde auf diese „du- bist- doch- älter- kannst- du- nicht- nachgeben“ –Art angesehen. Mir fehl eben der Nesthäkchenbonus.“ sie zuckte mit den Schultern. „Julien dagegen ist viel zu gutmütig. Er geht in unseren Streitereien unter. Wie ist das bei dir? Du hast doch auch eine Schwester, oder?“ das sie ihn geduzt hatte ignorierte er einfach mal. Es gefiel ihm irgendwie. „Banu ist zwei Jahre älter als ich. Als Kind konnte sie mich leicht manipulieren. Sie wusste genau wie sie die Dinge drehen musste, damit ich tat was sie wollte. Wenn sie zum Beispiel wollte, dass ich Kekse für sie stibitzte und ich mich weigerte, sagte sie einfach, dass ich das sowieso nicht hinbekommen würde. Und ich musste dann natürlich das Gegenteil beweisen. Hinterher habe ich mir jedes mal ein Loch in den Bauch geärgert und bin beim nächsten mal doch wieder drauf reingefallen.“ „Ich habe noch eine Frage.“ sie drehte sich so, dass sie ihn ansehen konnte. „Wer ist Safiya?“ Er wurde stocksteif. „Das geht dich nichts an!“ mit diesen Worten stand er einfach auf und ging. Einen Tag später saß er seiner großen Schwester gegenüber. „Nur damit ich das richtig verstehe. Du willst wissen, was du tun kannst um Etienne zu helfen? Was ist los mit dir? Bist du krank?“ „Nein, bin ich nicht!“ verärgert funkelte Siamun seine Schwester an. „Der Tod von Kija und die Sache mit Alos waren einfach zu viel für sie. Ich wollte nur wissen was ich tun kann, um ihr darüber hinweg zu helfen.“ Banus bernsteinfarbene Augen funkelten amüsiert. „Gib ihr etwas zu tun. Je weniger sie darüber nachdenken kann desto besser.“ „Und was bitteschön?“ „Zeichnen, sticken, was weiß ich! Oder schenk ihr ein Haustier. Ein Kätzchen vielleicht oder ein Kaninchen. Streng deinen Grips an Brüderchen! Du bist doch sonst nicht auf den Kopf gefallen.“ Noch während er darüber nachdachte sprach sie weiter. „Sie scheint übrigens ein nettes Mädchen zu sein. Ich dachte ja zuerst, dass du den selben Fehler machen würdest wie damals, aber...“ „Hast du ihr etwa von Safiya erzählt?“ „Erzählt? Nein. Ich habe sie vielleicht kurz erwähnt, aber mehr nicht.“ „Lass es bitte einfach, in Ordnung?“ meinte er auf dem Weg zur Tür. „Das ist ewig her und ich habe daraus gelernt.“ Mit einem leisen „klack“ schloss er die Tür hinter sich. „Oder schenk ihr ein Haustier. Ein Kätzchen vielleicht oder ein Kaninchen.“ Diese Worte gingen ihm durch den Kopf, als er über den Marktplatz schlenderte. Er hatte sich für das Haustier entschieden. Gezeichnet hatte Etienne schon vorher und beim sticken würde sie sich wahrscheinlich selbst verletzen. Also schlenderte er von Stand zu Stand und sah sich unzählige Katzen, Kaninchen, Schlangen und Vögel an, bis er schließlich fündig wurde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)