Vollkornsprudel von DKelli ================================================================================ Kapitel 3: 3rd person jinx' my life ----------------------------------- Der Bus brummte als er anfuhr. „Also alles in allem war’s schon echt toll“, grinste Jakob in sich hinein. Ich konnte ihm nur einen kühlen Blick dafür schenken. „Sag mal, hast du heute Zeit? Wir können irgendwo was trinken gehen.“ „Ich bin auf dem Weg nach Hause…“, fing ich an eine Ausrede zu finden, doch Jakob merkte in seiner guten Laune nicht, dass ich mich nicht mit ihm unterhalten wollte. Er kramte in seinem Rucksack und nahm Stift und Papier, um mir seine Telefonnummer aufzuschreiben. „Gut, dann kannst du mich hier erreichen. Wir müssen das unbedingt machen!“ Ich gab nur ein halbherziges, zustimmendes Geräusch von mir. „Muss hier raus. Ruf mich an, okay?“, fragte er, während er schon halb ausgestiegen war und machte mit seiner Hand ein Handy, als die Tür schon wieder zu war und der Busfahrer anfuhr. Stirnrunzelnd musterte ich den Zettel in meiner Faust. Die Schrift immer noch so krakelig wie früher. Am liebsten hätte ich die Nummer zerknüllt und weggeworfen. Was sollte ich schon groß zu erzählen haben? Dass ich seitdem keine Beziehung länger als ein halbes Jahr führen konnte, weil ich Komplexe bekommen habe? Dass ich es soweit verarbeitet hatte, dass ich über das alles nicht mehr reden mochte, um die guten alten Zeiten in Erinnerung zu behalten? Mensch, ich redete schon wie ein alter Mann. Zuhause ließ ich meine Tasche neben mein Bett fallen und warf als allererstes die Telefonnummer in den Papierkorb. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt. Zwei Wochen später merkte ich, dass ich mich damit geirrt hatte. „Du bist eine treulose Tomate.“ Ich zuckte regelrecht zusammen, als ich die vertraute Stimme neben mir wahrnahm. Während ich gedankenverloren aus dem Fenster gestarrt hatte, hatte ich Jakob nicht gesehen. „Hattest du überhaupt vor, mal anzurufen?“ „Ich hab’ die Nummer aus Versehen mitgewaschen“, log ich ohne mit der Wimper zu zucken. „Und was tust du hier?“ Mir fiel auf, dass er sich den Bart abrasiert hatte, doch ich sprach ihn nicht darauf an. Er sah wieder genau so aus wie früher. Toll. Erstaunt musterte mich Jakob. Vielleicht wollte er so herausfinden, ob ich log oder nicht, doch er sagte nichts dergleichen, sondern grinste nur. „Ich stalke dich, was sonst?“ Jetzt war ich an der Reihe, erstaunt zu gucken. „… Bist du verrückt oder so?“, fragte ich, als ich meine Worte wieder fand. „Das ist ein Joke, oder?“ Ein Kopfschütteln. „Nö. Ich wollte dich eben wieder sehen. Und ich weiß, dass wir uns um diese Uhrzeit im Bus getroffen haben. Also bin ich jeden Tag mit dieser Buslinie gefahren.“ Ja, er war eindeutig verrückt. „Trottel.“ Ich wurde dieses Gefühl der Rührung nicht los. Verdammt. „Ja ja.“ „Das heißt: Leck mich am Arsch.“ „Kannst du auch, wenn du willst.“ Okay, STOPP. „Wie bitte?“ Jakob lächelte mich undurchsichtig an. „Was genau meinst du?“ Ich beäugte ihn. Ich wollte es gern wiederholen, aber nicht hier im Bus vor all den Leuten. „Schon okay. Ich habe mich wohl nur verhört.“ „Ich glaub auch. Und ich glaube, du hast deine Haltestelle verpasst.“ Fluchend drückte ich den Knopf und stieg an der nächsten Halte stelle aus – mit Jakob im Schlepptau. „Hättest du mir nicht früher Bescheid geben können?“, fuhr ich ihn wütend an. Zu allem Überfluss regnet es auch noch leicht. Ganz hervorragend. Fluchend ging ich einfach den Weg zurück, denn zum Glück war meine Wohnung nur ein paar Blocks weiter. „Ach was“, lächelte Jakob, „dann hätte ich sicher nicht mitkommen dürfen.“ Ich wollte Protest einlegen, doch er sprach einfach weiter: „Schließlich möchte ich meine Kamera wieder haben.“ Was war denn das für eine fadenscheinige Ausrede? Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht. „Keine Ahnung, ob ich die noch habe.“ „Suchen wir sie eben.“ Wütend, weil er so hartnäckig war, blieb ich stehen. „Kannst du es nicht einfach dabei belassen, dass ich dich nicht sehen will?“ Mit einem Mal war er ernst. „Nein, kann ich nicht. Keine Ahnung, was mit dir passiert ist in letzter Zeit, aber du hasst mich. Und das will ich aus dem Weg schaffen.“ „Ich hasse dich nicht“, stellte ich klar. „Ich möchte nur einfach nichts mehr mit dir zu tun haben!“ Mein dramatischer Abgang wurde von Jakobs Hand auf meiner Schulter vereitelt. „Ich aber nicht. Bist du wirklich so feige, dass du einfach wegrennst?“ Bei mir brannte etwas durch und ich schlug seine Hand grob weg, schubste ihn. „Wer war hier der kleine Schisser und hat damals nie auf meine Anrufe geantwortet?!“ Da Jakob keine Prügelei mitten auf der Straße anfangen wollte, waren wir nun wirklich in meiner Wohnung, die ich mit drei weiteren Kommilitoninnen teilte. Innerlich immer noch wütend, bot ich ihm nicht einmal etwas zu trinken an, sondern stand nur mit verschränkten Armen im Türrahmen der Küche und schwieg. „Wenn du dich so gern rächen willst, dann nur zu. Ich mach dich fertig“, meinte Jakob in einem Tonfall, der seiner Aussage Lügen strafte. Was sollte denn nun dieser Spruch? Da mich allein schon sein gelangweilter Blick fast zur Weißglut trieb, machte ich auf dem Absatz kehrt und verschwand in meinem Zimmer, um diesen vermaledeiten Fotoapparat zu suchen. Er war nicht auf meinem Regal, nicht in meinem Wust aus Lernzetteln, nicht auf oder im Schreibtisch. Mist, war das Teil nun etwa im Keller? Ich hörte, wie einige Türen auf und zu gingen; wahrscheinlich suchte Jakob die Tür zu meinem Zimmer. Prompt ging sie auf. „Ah, hier bist du.“ Er sah sich kurz um. „Nett hast du’s.“ Ich grunzte nur und schlug die Schublade ein wenig zu fest zu. „Ich find’ sie nicht mehr. Ich… ersetze sie dir.“ Der Blick, mit dem ich bedacht wurde, sprach Bände. Eher einen Band, der den Titel ‚Ach komm schon, wegen der dummen Kamera bin ich gar nicht hier und das weißt du auch’ trug. Verdammt, manchmal war ich wirklich naiv. „Ich wollte mit dir reden.“ … Es folgte das mitunter peinlichste Gespräch, was ich je führen musste. Ich glaube, das unangenehmste Gespräch war mit meiner Mutter, als sie im betrunkenen Zustand von meiner Zeugungsnacht erzählte. Alles endete damit, dass Jakob mit einem blauen Auge im Türrahmen der Wohnung stand und auf Wiedersehen sagte. Wenn da nicht meine wundervolle Nachbarskrähe Frau Lindner gewesen wäre, die just die Tür öffnete und uns ankeifte. „Junger Mann“, damit meinte sie wohl mich, denn sie beobachtete mich regelmäßig von ihrem Fenster, denn ich den Müll raus trug, „ich schaue mir Ihre gesellschaftsunfreundlichen Taten nun schon lange genug an. Dass Sie allein schon drei Freundinnen haben und diese armen Mädchen es auch tolerieren müssen, Rivalinnen zu sein, nur um Ihre Gunst zu erlangen, ist ungeheuerlich!“ Was redete die Alte da? Verwirrt sah mich Jakob an, doch ich kam nicht dazu, zu widersprechen. „Ihre Lebensweise bringt das ganze Haus in Verruf! Und nun schleppen Sie sich auch noch einen Lustknaben an, finden Sie nicht, es reicht langsam?“ Ihre wässrigen Augen fixierten mich wie ein Hai den Fisch. Stille. Plötzlich lachte Jakob laut los. „Entschuldigen Sie, werte Dame“, meinte er glucksend, als er sich wieder gefangen hatte, „aber es ist ganz bestimmt nicht, wie Sie denken. Sehen Sie das blaue Veilchen, das er mir hier verpasst hat?“ Frau Lindner beäugte die Verletzung. „Nun, dann wollten Sie wohl eines der Mädchen ausspannen?“, fragte sie lauernd. Keine Ahnung, in welchem Film die Frau lebte oder welche alten Groschenromane sie gelesen hatte, denn ihre Sprache war alles andere als aktuell. „Ganz sicher nicht“, versuchte ich zu erklären, „Diese Mädchen, die ebenfalls hier wohnen sind meine…“ Ich suchte nach einem mittelalterlichen Wort für Kommilitoninnen, doch mir fiel keines ein. „Also wir studieren alle zusammen an derselben Universität. Wir haben eine Wohngemeinschaft.“ Doch es schien die Alte nicht wirklich zu überzeugen. „Also kein Harem oder so etwas in der Art?“ „Hilfe, nein.“ Im Ernst: Was hatte die Frau für eine Vorstellung von ihren Nachbarn? Dann waren unsere Untermieter wohl vom KGB, oder was? „Hier geht alles sauber zu.“ „Kann ich bestätigen“, meinte Jakob und führte die Dame mit leichtem Druck auf die Schulter wieder in ihre Wohnung. „Machen Sie sich keine Sorgen. Wenn Sie etwas Seltsames hören sollten, rufen Sie einfach die Polizei, das ist sicherer.“ Frau Lidner drehte sich noch einmal zu mir um. „Ich habe ein Auge auf euch.“ Dann fiel die Tür hinter ihr ins Schloss. Es wurde ein fragender Blick ausgetauscht, dann sah ich wieder zu ihrer Tür. Sicherlich stand die Alte noch hinter ihr und beobachtete uns durch den Türspion. „Na dann, mach’s gut.“ „Kein Wiedersehen?“ Er klang verwundert. „Nun, ich glaub, ich muss das alles erst einmal verarbeiten. Ich war die ganze Zeit wirklich sauer auf dich. Aber… ich ruf’ bei Gelegenheit mal an.“ „Wie denn, ohne Nummer?“, lachte Jakob und ich schaute etwas peinlich berührt an die Wand. Erwischt. Seine Lippen berührten flüchtig meine Wange. Ich drehte mich zu ihm, doch er lief schon die Treppen hinab. „Ich stehe im Telefonbuch!“ „Idiot“, murmelte ich und ging wieder rein. Instinktiv wollte ich mir über die Wange wischen, ließ es dann aber doch sein. In meinem Zimmer überblickte ich das Chaos, was ich bei meiner Suchaktion hinterlassen hatte. Dort, mitten auf meinem Schreibtisch stand eine Flasche Bonaqua Apfel mit einem Post-It: „Vollkornsprudel macht nüchtern und hilft beim Lernen!“ Darunter eine Telefonnummer und eine Adresse. Ich nahm den Zettel und heftete ihn an die Pinnwand, als ich bemerkte, dass die Postleitzahl dieselbe war wie meine. Ein Schmunzeln bahnte sich den Weg auf mein Gesicht. „Idiot.“ [Fin.] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)