A Heap of Broken Images von Leia_de_Flourite ================================================================================ Kapitel 1: Das Land ohne Regen ------------------------------ What are the roots that clutch, what branches grow Out of this stony rubbish? Son of man, You cannot say, or guess, for you know only A heap of broken images, where the sun beats T.S. Eliot – The Waste Land (I: THE BURIAL OF THE DEAD) Die Luft war weder zu trocken, noch zu feucht. Sie drückte nicht auf das Gemüt, kein Wind wehte. Die Stiefel des Jünglings machten keinerlei Geräusche auf dem eingetrockneten, gerissenen Boden als er seinen kleinen Erkundungsgang beendete. Keine Anzeichen menschlichen Lebens waren auf dem Bereich vor ihm zu sehen, nur ödes Land. Und Erde, die nach Wasser gierte – auf diesen Boden konnte schon länger kein Regen mehr gefallen sein. Die Bäume dieses Landes trugen totes, braunes Laub auf den missgestalteten, von schwarzbrauner Rinde überzogenen Ästen. Das alles konnte der Junge mit wenigen Blicken erfassen. Er war in seinem jungen Leben schon weit gereist, auch wenn er einen großen Teil dieser Zeit in Gefangenschaft verbracht hatte, doch profitierte er ebenso von den Erfahrungen seines anderen Ichs. Jene Erfahrungen, die sie sich nun teilen mussten. Ein namenloser Dichter aus Infinity hatte dereinst geschrieben: „Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust“ [1] und hatte so ohne es zu wissen das Schicksal des Jungen in einem Satz zusammengefasst. „Mokona?“ Der Junge schien die Fragen an keine bestimmte Person zu richten, als sich plötzlich das weiße hasenartige Wesen im Kragen seines Mantels regte. „Kannst du etwas auffälliges spüren?“ Die Zeiten, da das Manjuu ihnen bei dem Aufspüren von Prinzessin Sakuras Federn helfen musste, waren vorbei – das Ziel ihrer Reise hatte sich geändert – doch die Fähigkeiten von Mokona waren nach wie vor nützlich. Auch wenn keiner von ihnen genau sagen konnte, wonach sie suchten und was sie finden würden. Was sie finden mussten. Die kleine Kreatur war eine Weile lang still, dann zuckte sie zusammen. „Mokona fühlt eine große Kraft, aber sie liegt weit entfernt.“ „Ist sie gefährlich?“ „Mokona weiß es nicht genau. Dazu ist sie zu weit weg!“, piepste die weiße Kreatur und kuschelte sich enger an den Hals des jungen Mannes. „Können wir jetzt zurück gehen?“ Shaolan seufzte und versuchte, sich seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Sie waren gerade erst in dieser Welt angelangt und an einem Ort, der so unwirtlich war wie dieser, war es natürlich von größter Wichtigkeit, erst einmal einen Platz zum schlafen und etwas zu essen zu finden. Vielleicht würde sich ja später noch einmal die Gelegenheit ergeben hierher zurück zu gehen, in Begleitung von Fye-san. Vielleicht spürte der Magier ja etwas, das Mokona entgangen war. ~*+*~ Shaolan wusste nicht wie viele Tage vergangen waren, seit sie Clow Country in den Kleidern verlassen hatten, die Sakura ihnen gegeben hatte. Fye hätte darüber Auskunft geben können, er zählte, ja, vermutlich hatte der Magier sogar irgendwo ein Tagebuch oder ein Notizbuch versteckt. Es war ein merkwürdiges Hobby, immerhin hatte jede Welt in der sie sich aufhielten ihr eigenes Zeitgefüge, sodass für jene, die auf sie warteten die Zeit langsamer oder schneller verging. Für Shaolan und seine Gefährten waren es schon fast zwei Jahre, die sie reisten – ohne Heim, ohne Ziel. Das Ganze an einer genauen Zahl fest machen zu können gab vielleicht ein wenig Stabilität... Ihr letzter Stopp war der Laden der Wünsche gewesen und der Junge hatte erleichtert feststellen können, dass es Watanuki gut ging. Auch wenn für Yuukos Nachfolger bereits vier Jahre vergangen waren in denen er den Laden nicht verlassen hatte, war der schwarzhaarige Junge doch nicht so einsam wie Shaolan erwartet hatte. Und zwei weitere Gründe zur Freude gab es: Zum einen war Piffle Country eine der ersten Welten gewesen, die sie erneut bereist hatten und der Aufenthalt dort hatte sich über mehrere Monate hingezogen, sodass Kurogane einen neuen vollständigen Arm bekommen hatte – eine kleine anerkennende Geste von der Tomoyo dieser Welt. Da dieses Modell vollständig mit synthetischer Haut überzogen war, mussten sie sich jetzt keine Gedanken mehr darüber machen, in Welten wie Jade Country mit merkwürdigen Blicken bedacht zu werden. Die andere Sache ließ Shaolan ein wenig rot werden, wann immer man ihn darauf ansprach. Den Finger seiner rechten Hand zierte jetzt ein schlichter silberner Verlobungsring. [2] Warum nur hatte er dann ein so ungutes Gefühl? Seine Hand wanderte zu dem Ring und nervös drehte er daran. ~*+*~ Wie abgemacht trafen sie sich an der Weggabelung wieder, an der Mokona Modoki sie ausgespuckt hatte; an dem Wegweiser, der niemandem den Weg wies. Die drei Holzpfeile, die von der Metallstange ausgingen und die den Verlauf der Hauptstraßen aufzeigten, waren leer. Nur einige schwarze Schlieren auf der grauen Maserung verrieten, dass dort einst Namen von Ortschaften gestanden haben mussten, doch aus irgendeinem Grund hatte sich niemand die Mühe gemacht sie erneut aufzuschreiben, als der Regen die Schriftzüge verwischt hatte. Zu einer Zeit, da es noch Regen gegeben hatte. Als Shaolan und Mokona ankamen, erwarteten ihre Gefährten sie bereits. Fye-san hatte es sich auf einen umgestürzten Baum bequem gemacht und las in einem Buch, dessen Schriftzeichen denen aus Ceres ähnelten... was hieß, dass die anderen Beiden schon einer ganzen Weile vor Shaolan eingetroffen waren. Kurogane stand nur am Wegesrand, reglos wie ein Fels, die Arme vor der Brust verschränkt. Er nickte dem Jungen zu; grüßte ihn ohne auch nur ein Wort zu verlieren. Der Ninja hatte noch nie viel von überflüssigen Floskeln gehalten. Shaolan erwiderte die Geste. „Was gefunden?“, fragte der Schwarzhaarige. „Nichts außer ödes Land. Und ihr?“ „Das könnte man so sagen, ja“, erwiderte Fye glucksend und schlug sein Buch zu. Der Magier streckte seine Arme in einer anmutigen, fast katzenartigen Grazie und stand dann auf. „Willst du dich nicht vorstellen?“ Shaolan war nicht sicher, an wen die Frage gerichtet war. Es war niemand außer ihnen in Sicht… und dann verschränkte Fye die Arme hinter dem Rücken und beugte sich zu Kurogane herüber. Oder besser gesagt zu jemandem, der offensichtlich hinter dem Ninja stand. Der Stoff seines Mantels raschelte, als sich zwei zierliche Hände darin festkrallten und ein Schopf silberblonden Haars dahinter zum Vorschein kam. Piniengrüne Augen blinzelten Shaolan ganz kurz an, dann sahen sie fragend zu Kurogane. „Schon gut. Er gehört zu uns. Er wird dir nichts tun.“ Die Versicherung des Ninjas schien das Mädchen nicht nur zu beruhigen; sie stimmte es auch zuversichtlich. Sein ganzes Gesicht hellte sich auf, als es sein „Versteck“ verließ, seine Lippen umspielte ein ruhiges, offenes Lächeln. Es näherte sich dem Brünetten bis auf einige Schritte und machte einen kleinen Knicks, wobei es den Saum seines Kleidchens – oder das, was davon übrig geblieben war – ein wenig anhob. Sein Verhalten erinnerte an ein vierjähriges, verschüchtertes Kind aber sein Körper… dem Körper nach zu urteilen war es eine junge Frau, von vielleicht vierzehn Jahren. Shaolan überragte sie nur um wenige Zentimeter. Der Haarschnitt und die Statur der Fremden erinnerten ihn ein wenig an Yuzuriha-chan, die Oni-Jägerin der sie in Outou, dem Kirschblütenland, begegnet waren. Sie trug am Körper nichts weiter als ein einfaches ärmelloses Leinenkleid, das kaum mehr war als ein längeres Unterhemd, dessen Ränder braun und zerschlissen waren. Abgenutzt. Er versuchte nicht rot zu werden, scheiterte aber, da ihr Knicks einen ziemlich tiefen Einblick in ihr Dekolleté gewährte; eine Tatsache, der sie sich nicht mal bewusst zu sein schien. „Sue!“, rief sie aus und hielt ihm die Hand hin. Shaolan ergriff ihre Hand und durfte feststellen, dass die Blonde für ein Mädchen ihrer Statur einen enorm festen Händedruck hatte. Da sie nicht widersprach, nahm er die Geste einfach als „Ja“ hin. „Freut mich, dich kennen zu lernen, Sue. Ich bin Shaolan.“ „Und ich bin Mokona“, rief das weiße Fellknäuel aus und hüpfte auf Shaolans Schulter, um eine bessere Sicht auf Sue zu haben. Das Mädchen blinzelte irritiert. „Ein Kloß?“, fragte es und deutete auf das weiße Fellknäuel, welches zugegebenermaßen doch sehr Kloß-förmig war. „Kann man das essen?“ „Mokona kann man nicht essen, Mokona ist Mokona!“, verkündete das Manjuu. Das brachte Sue zum kichern. „Mokona, also“, wiederholte Sue artig und deutete auf das Wesen. Dann richtete sie ihren Finger auf die anderen Mitglieder der Reisegruppe und wiederholte ihre Namen um sie sich besser merken zu können. „Shaolan. Fye. Kuro-tan.“ Der Ninja grummelte bei der Erwähnung seines Spitznamens. Es war klar, wer Sue das beigebracht hatte. Er räusperte sich und deutete auf die Straße, die hinter ihm und dem Magier lag. „Dort können wir nicht weiter. Nach ungefähr einem Kilometer erreicht man den Rand einer riesigen Felsklippe.“ „Dieses Land scheint auf einer Art Plateau zu liegen“, ergänzte Fye, „Und ein Abstieg ist nicht möglich. Der Fels ist zu steil und man kann nicht einmal erahnen wie hoch wir liegen, weil die Sicht nach unten von einer Art Nebelwand versperrt ist.“ Fye und Kurogane warfen sich einen kurzen Blick zu. Einen Blick, wie ihn Eltern sich zuwarfen wenn sie sich darüber einig werden mussten, ob sie ihrem Kind das große Geheimnis mitteilen sollten oder nicht. „…und weiter?“, hakte Shaolan nach. Fye rieb sich den Nacken „Na ja, dieser Nebel erstreckt sich überall hin, er ist nicht lokal begrenzt und als wir etwas genauer hingesehen haben, mussten Kuro-pon und ich feststellen, dass es gar kein Nebel ist, sondern etwas… anderes.“ „Und was?“ „Wolken“, sagte Kurogane. „Wolken!“, wiederholte Sue und in ihre Augen trat ein Funken der Begeisterung. „Weiße, wattige Wolken.“ „Wie habt ihr sie gefunden?“, fragte Shaolan schließlich, als die kleine Prozession sich wieder in Bewegung gesetzt hatte. Kurogane hatte die Führung übernommen – nicht, dass es einer Führung bedurft hatte, jene dritte Straße war am besten erhalten, solide auf grauem Asphalt angelegt, was auf eine Zivilisation mit motorisierten Gefährten schließen ließ. Sie konnten quasi gar nicht vom Weg abkommen, aber der Schwertkämpfer bevorzugte es zu sehen was vor ihnen lag. Sue hielt sich stets hinter ihm, aus irgendeinem Grund schien sie sich in der Gegenwart des Ninjas am sichersten zu fühlen. Shaolan hatte ihr seinen Mantel geliehen, damit sie in ihrer spärlichen Kleidung nicht fror und in der grün gesäumten Kapuze saß nun Mokona und versuchte Sue aufzuheitern, indem sie ihr ein Lied beibrachte, das sie in Piffle Country gelernt hatte. “~Eins, Zwei, Drei Vier - Liebst du mich, komm sag es mir Schlaflos bei Nacht - hab' ich meine Jugend verbracht...“ Der Magier und der Junge bildeten also das Schlusslicht. „Hm…“, fing der Magier an und grübelte nach, wie er am besten beginnen sollte. „Das war eigentlich gar nicht so dramatisch. Kuro-pon und ich sind einfach der Straße gefolgt und auf dem Weg haben wir bemerkt, dass einige der Bäume verbogen und geborsten waren. Auf dem steinharten Boden waren Rußspuren und eine Art Rinne, als wäre dort irgendwas eingeschlagen. Und am Ende dieser Spuren war dieser Käfig.“ „~Alte Hoffnung erwacht an deiner Tür...“ „Ein Käfig?“, wiederholte der Brünette. Seine Augenbrauen zogen sich zu einem fragenden Stirnrunzeln zusammen. „Es war mehr wie eine Kugel aus milchigem Glas, aber sie war nicht durchgehend. In die Oberfläche waren Schriftzeichen eingraviert. Aber bevor ich dazu kam sie für dich abzuzeichnen, kam irgendjemand“, Fye hob die Stimme um sicher zu gehen, dass besagter irgendjemand es auch ganz sicher hörte, „auf die ganz und gar gloriose Idee den Käfig anzufassen.“ Fye grinste, auch wenn Kurogane sein Triezen nur mit einem dumpfen Grummeln kommentierte. „Den Rest kannst du dir vielleicht denken. Die Kugel leuchtete auf und verschwand und in dem Krater lag die kleine Sue. Zumindest glauben wir, dass sie Sue heißt, es war das erste Wort, das sie gesprochen hat. Und sie scheint einen richtigen Narren an Kuro-tan gefressen zu haben. Vielleicht, weil er das Erste war, das sie gesehen hat. Vermutlich hält sie ihn für ihre Mami.“ Der Gedanke ließ den Blonden nur noch mehr grinsen. “~Süßes Herz, bitt'res Herz Sind gleich in meinem großen Schmerz...“ Shaolan nickte. Er hatte gehört, dass frisch geschlüpfte Vögel auf das erste Lebewesen geprägt waren das sie sahen. „Würdest du die Zeichen wiedererkennen?“ „Bestimmt.“ „Gut. Dann hoffen wir mal, dass uns diese Straße zu einem Ort mit einer Bibliothek führt.“ „~Der Jugend Hoffnung, zu Tränen bewegt Hat lieber Furcht statt Lüge gehegt Oh, du weißt wer du bist Oh, doch dein Herz vergisst“ Als hätte das Plateau die Worte des Jungen gehört und beherzigt, war in der Ferne ein grauer Umriss zu erkennen, der mehr und mehr Form annahm als sie sich näherten. Die Gruppe war am frühen Vormittag in jener Welt angekommen; als die Stadt in Sicht kam, war es bereits fast Mittag. Die Sonne stand heiß und riesig in einem wolkenlosen Himmel – wobei diese Beschreibung nicht ganz korrekt war. Wolken gab es, nur waren sie außerhalb ihrer Reichweite, zu tief um Mensch und Tier vor der unerbittlichen Strahlung zu schützen. Schatten fanden sie nur unter ihren Kapuzen. Sie waren dem Verdursten nahe, als sie am Nachmittag in der Stadt ankamen. ~*+*~ Stibia – nicht mehr und nicht weniger. Dieser Name war alles, was auf dem Metallschild vor der Stadtgrenze eingraviert war. Häuser aus Backstein und Lehm reihten sich entlang der Hauptstraße auf, die zu einem verlassenen Marktplatz führte. Ein jedes war bewohnt, doch wiesen sie deutliche Mängel auf - zerbrochene Scheiben, fehlende Dachschindeln, bröckelnder Putz. Niemand schien sich großartig die Mühe zu machen all diese Schäden zu beheben, die mehr waren als nur simple Schönheitsfehler. Entweder, weil die Bewohner des Dorfes zu Reparaturen nicht in der Lage waren oder weil sie es nicht reparieren wollten. Letzteres bedeutete, dass es an Material und Arbeitskräften fehlte, um die nötigen Reparaturen durchzuführen – keine optimalen Bedingungen, um eine Gruppe Fremder bei sich aufzunehmen. Ein süßer Duft hing über der von Braun- und Grautönen dominierten Gegend, eine Mischung aus Zimt und überreifen Früchten, der der Nase nicht schmeichelte und ein Gefühl von Vergänglichkeit weckte. Die Größe der Ortschaft ließ sich schlecht einschätzen, da sie trichterförmig anwuchs. Häuserreihe um Häuserreihe fügte sich ins Bild, während der ebene Boden in eine Steigung überging. Auf einer Anhöhe hob sich die Silhouette eines Schlosses gegen den blauvioletten Himmel ab. Stibia mochte von enormer Größe sein, dazu geschaffen, so viele Menschen wie möglich zu beherbergen. Aber gemessen an den Menschen, die man auf der Straße antraf wurde ihre Einwohnerzahl der Größe nicht gerecht. „Ich kann fast nur Frauen und Kinder erkennen“, flüsterte Shaolan. „Stimmt. Die einzigen Männer hier sind Greise oder Knaben“, stellte Kurogane fest. Und jene Kinder die man sehen konnte, waren dem Krabbelalter längst entwachsen. „Scheint, als hätte es vor nicht allzu langer Zeit einen Krieg gegeben.“ Das brachte Fye zum grübeln. „Hm... aber müsste es dann nicht stärkere Schäden an den Gebäuden geben?“ Während die Blicke sämtlicher Passanten ihnen folgten, blieben die Reisenden in der Mitte des Marktplatzes stehen und warteten darauf, dass die Einwohner des Städtchens den ersten Schritt machten und sie ansprachen. Bereits ihre Kleidung wies die Vier (jetzt Fünf) als Fremde aus; in Stibia trug man ganz ähnliche Kleidung wie in der Republik Hanshin, nur fehlte es Stibia an Leben. Keine Autos, die durch die Straßen rasten, keine Händler, die plärrend ihre Ware anpriesen. Nur misstrauische Blicke. Und ein kleines Mädchen, das zu Füßen einer grünstichigen Kupferstatue saß und las. Die Lanze des bronzenen Herolds deutete genau auf sie, als wolle die Statue jeden Moment von ihrem Sockel aufspringen und das Kind aufspießen. Shaolan wollte gerade vorschlagen, dass sie sich nach einer Kneipe umsahen, weil niemand so gut über das Wesen einer Stadt Bescheid wusste wie die Wirte selbiger (wohlgemerkt abgesehen von den Klatschbasen), da stürmte der Magier schon davon. Lächelnd und mit einer bemerkenswerten Selbstverständlichkeit ließ er sich neben das Mädchen fallen. Es blickte nicht auf. „Großartig!“, knurrte Kurogane. Der Ninja rechnete damit, dass jederzeit die Mutter des Mädchens empört aufschrie und sich die Leute wie ein Mob zusammen schlossen... aber nichts dergleichen. Nur ein Tuscheln ging von Kopf zu Kopf, von Mund zu Ohr. „Ein gutes Buch?“, fragte der Blonde wie beiläufig und lugte herüber auf die Seiten, die mit Schriftzeichen überzogen waren die ihm nichts sagten. Fye suchte Shaolans Blick und schüttelte dann den Kopf – die Zeichen in dem Buch waren andere als die auf Sues Kugel. „M-hm“, erwiderte das Mädchen mit den schulterlangen braunen Haaren und schob seine Brille höher auf die Nasenwurzel. Die runden Gläser blitzten in der Sonne. „Worum geht‘s?“ „Einen Alchemisten der versucht, den Stein der Weisen herzustellen und stattdessen einen roten lebendigen Schleimbatzen herstellt, der daraufhin alle aufzufressen droht.“ „A~ha. Klingt ja spannend.“ Dafür erntete Fye einen wütenden Blick. „Das ist es überhaupt nicht! Die Handlung ist vorhersehbar, die Figuren eindimensional und dem Ganzen fehlt die Dramatik. Das ist Horror der plumpsten Sorte. Und es fehlt die Logik. Ich meine, wieso sollte sich ein Schleimbatzen ausgerechnet von Menschen ernähren? Das macht keinen Sinn! Er besitzt ja gar keine Zähne zum Zerkleinern und keine Verdauungsorgane.“ Sie sprang auf, hatte sich regelrecht in Rage geredet, „Es ist einfach zu kontrastär. Es gibt das Gute und das Böse; soziale und emotionale Konflikte existieren gar nicht.“ „Das ist natürlich betrüblich“, stimmte Fye ihr mit einem sanften Lächeln zu. „Aber warum liest du es dann?“ „Was ich angefangen habe, das beende ich auch. Und um guten Horror zu kennen, muss man nun mal wissen was schlechter Horror ist. Manchmal muss man eben über einen roten Schleimbatzen lachen um zu erkennen, dass die wahren Ungeheuer ein menschliches Gesicht tragen.“ Dem gab es nichts hinzuzufügen. Und aufgrund der fehlenden Erwiderung begann das Mädchen zum ersten Mal seit Beginn des Gesprächs auf denjenigen zu achten, der seine heftige Reaktion überhaupt erst geweckt hatte. Dann wanderte sein Blick zu dessen Gefährten. Und das kleine brünette Mädchen wurde rot, als ihm seine Unhöflichkeit bewusst wurde. „Oh weh! Ihr seid Fremde und ich hab' mich noch nicht einmal vorgestellt! Mein Name ist Naoko.“ „Ach, das ist schon okay, wir haben uns ja auch noch nicht vorgestellt. Ich bin Fye de Flourite“, sagte der blonde Magier und stand auf, klopfte sich den ziegelroten Staub von der weißen Hose. „Und das sind...“ „Kurogane!“, platzte der Ninja dazwischen, bevor sein Name verstümmelt werden konnte. Er hatte sich damit abgefunden, dass der Idiot ihn ständig mit Spitznamen bedachte aber das hieß noch lange nicht, dass er sich das von einem fremden kleinen Mädchen gefallen lassen musste. „Und ich bin Shaolan. Das Mädchen dort ist Sue.“ In Kuroganes Kapuze raschelte es und Mokona streckte ihren Kopf über den Rand. „Und ich bin Mokona!“ Die meisten Mädchen verfielen beim Anblick des weißen Maskottchens in helle Entzückung und wollten sofort mit ihm knuddeln. Aber Naoko machte einen Schritt zurück. „Ihr habt ein magisches Wesen bei euch?! Seid ihr... seid ihr etwa Magier?“ Etwas an ihrer Frage alarmierte Kurogane. Die Muskeln seines Körpers spannten sich an in Erwartung einer Bedrohung, deren Angesicht er nicht kannte. Hinzu kam, dass die meisten Einwohner sich schleunigst in ihre Häuser zurück zogen. Was stimmte nur nicht mit diesem Ort? „Nein, sind wir nicht“, log Shaolan. Seine Intuition sagte ihm, dass das fürs Erste das Beste war, zumindest so lange bis sie genauere Informationen über diesen Ort hatten. „Mokonas Besitzerin hat uns gegen unseren Willen hierher gezaubert, aber wir besitzen keine magischen Fähigkeiten.“ Naoko steckte sich ein paar Strähnen ihres Haars hinter das Ohr und zog die Nase kraus. „Schrecklich, diese Magier nicht? Da vertraut man ihnen, lebt jahrelang Seite an Seite mit ihnen und plötzlich bekommt man einen Fluch in den Rücken.“ „Ähm... Sicher.“ Das Dröhnen von Motorenlärm war in der Ferne zu hören. Das Geräusch schwoll an als sich drei Geländewagen näherten, deren Reifen auf dem knochenharten, teilweise asphaltierten Boden keinen Staub aufwirbelten. Die Gefährte kamen abrupt und quietschend zum stehen, hinterließen in der brütenden Luft den Geruch von verbranntem Gummi. Männer sprangen von den Ladeflächen. Sie schubsten Naoko beiseite und bevor die vier Reisenden und das Mädchen in ihrer Obhut es sich versahen, blickte jeder von ihnen in den Lauf von mindestens zwei automatischen Schusswaffen. Sue war verwirrt. Sie wusste nicht was vor sich ging, aber sie bekam Angst, als sie die ernsten Mienen ihrer Beschützer sah. Ihre Finger gruben sich in die weiche synthetische Haut von Kuroganes Arm, als sie sich so gut es ging hinter dem Ninja zu verstecken versuchte. „Hände hoch!“, brüllte der Älteste der Männer, dessen lockiges blondes Haar von silbernen Strähnen durchzogen war. Es gab seinem Gesicht eine sanfte Note, die gar nicht zu dem eckigen Kinn und dem unerbittlichen Gesichtsausdruck passen wollte. Die Ankömmlinge mussten eine Truppe von Soldaten sein; sie trugen Hosen mit Tarnmuster in sandigen Farben und olivfarbene T-Shirts. Abgesehen von dem Befehlshabenden waren es überwiegend junge Männer in Kuroganes Alter, die meisten mit Kurzhaarschnitt. Shaolan und Fye kamen dem Befehl nach. Sue weigerte sich, den Arm des Ninjas loszulassen. Kurogane konnte und wollte nicht Folge leisten; er hätte jetzt gern sein Schwert zur Hand gehabt, um diese freundliche Begrüßung zu erwidern. Und sei es nur um zu zeigen, dass er sich diese Behandlung nicht gefallen ließ. Shaolan, der in eine Welt hinein geboren worden war wo man täglich in den Nachrichten von Schießereien und Amokläufen berichtete wusste, dass kein Schwert der Welt gegen die Schnelligkeit einer Schusswaffe ankam, wenn der Mensch am anderen Ende des Laufs bereit war abzudrücken. „Wir sind nur Reisende“, versuchte er, die (Söldner? Soldaten?) Männer zu beschwichtigen. „Wir sind nicht darauf aus, irgendwelchen Ärger zu machen.“ Der Befehlshabende gab einen Warnschuss zu Füßen des Jungen ab. Shaolan und Fye zuckten zusammen. Sue kreischte und übertönte damit Mokonas ängstliches Quietschen. Kuroganes Hände ballten sich zu Fäusten; der Blick aus seinen tiefroten Augen war schärfer als die Klinge jedes Samuraischwertes. „Das war absolut unnötig“, murmelte Fye tonlos. „Nur eine kleine Ermahnung. Für den Fall, dass ihr uns noch einmal anlügt. In dieser Gegend gibt es keine Reisenden. Unser Plateau ist absolut isoliert und da ihr nicht von hier seid, könnt ihr nur Spione von denen sein. Und wir dulden in Stibia kein magisches Gesindel.“ „Wenn wir Spione wären, warum sollten wir dann ausgerechnet in eine Stadt gehen, wo man uns sofort als solche erkennt?“, fragte Fye. „Ich meine, wenn ich ein Magier wäre, wäre es dann nicht intelligenter mein Aussehen zu verändern damit ich aussehe wie ein Stadtbewohner?“ Das gab den Herren zu denken. „Hat ja auch keiner behauptet, dass ihr intelligent wärt, nich'?“, fragte der Kommandant. Sein Grinsen hatte etwas gieriges an sich. „Colonel Jones, Sir?“, fragte Naoko. Das Mädchen war nicht fortgelaufen und bahnte sich ihren Weg durch die Soldaten. Sie konnte sich dieses Verhalten erlauben; sie war die Patentochter des Colonels. „Sir, sie haben gesagt, dass eine Magierin sie gegen ihren Willen hierher gesandt hat.“ Der Mann verengte seine Augen und musterte erst das kleine Mädchen und dann die Fremden. „Ihr seid also von außerhalb, ja? Na, das wird sich noch zeigen. Jungs – ihr kennt das Protokoll.“ Ein Grinsen zeigte spitze Eckzähne in dem markanten Kiefer. __________ [1] Goethes „Faust I“ [2] Da ich mir nicht sicher war, auf welcher Seite man in Japan oder China Verlobungsringe trägt habe ich mich für Rechts entschieden, da wir in Deutschland mit Links eher die Ausnahme sind. …ich glaube, ich lasse die Story erst mal für sich sprechen… nur so viel, das Lied, das Mokona Sue beibringt, es sind Ausschnitte aus meiner Übersetzung (na ja, mehr eine sich reimende Adaption) von Feists „1 2 3 4“. Ich habe sogar versucht, die Silbenanzahl zu belassen, damit man es zu der Melodie singen kann. ^^ Wer also die vollständige Version will, sagt mir Bescheid. Kapitel 2: Philosophie der Tränen --------------------------------- Song: „Little Red“ von Kate Nash, übersetzt und in Reimform. Es wäre wichtig, dass ihr ihn euch vor dem Lesen anhört, wegen der Melodie. Großes Dankeschön: an Puffie-chan für unglaubliche Fantreue und faszinierende Minuten des Animexx-Chats und kreative Diskussionen und… alles, eben. ^^ Nothing but a dead scene - Product of a white dream I am not the singer that you wanted But a dancer; I refuse to answer Talk about the past, Sir Wrote it for the ones who want to get away My Chemical Romance, “Sing” Es gibt verschiedene Gründe, Tränen zu vergießen. Trauer. Scham. Freude. Wut. Schmerz. Oder einfach nur, weil ein Fremdkörper in unser Auge geraten ist, der wieder hinfort gespült werden muss. Aber abgesehen von ihrer biologischen und mimischen Funktion können sie auch ein Geschenk sein. Sie können genauso gut hinderlich sein, oder ermüdend. Man kann um sich selbst weinen, oder um andere. Manchmal vergießen wir sie, weil ein Anderer nicht dazu in der Lage ist. Eines sind sie jedoch immer. Salzig. In einer Stadt wie Stibia waren Tränen fast die einzige Flüssigkeit, die den Boden benetzte. ~*+*~ Wer je der Ansicht war, es gäbe nichts Erniedrigenderes als eine Untersuchung sämtlicher Körperöffnungen am Flughafen, der hatte noch nie die Freude gehabt, sich einer Dekontaminationsdusche unterziehen zu müssen. Nackt, mit gespreizten Beinen, die Arme vom Körper weg gestreckt und die Hände gegen die Wand gestemmt schrubben fremde Hände gnadenlos die eigene Haut wund, bis sie rosig und frei von alten Hautzellen ist. Der antiseptische Duft sticht ebenso in der Nase wie die Seife brennt, wenn sie mit einer offenen Wunde in Kontakt kommt. Der Wasserstrahl ist meist hart und prasselnd und ein wenig zu heiß eingestellt, um noch angenehm zu sein. Aber das Schlimmste ist die Art, wie man dabei behandelt wird und der Anblick der Menschen, die die Reinigung vollziehen: von Kopf bis Fuß in Schutzkleidung eingehüllt, wirken sie wenig menschlich. Distanziert gehen sie ihrer Arbeit nach, ohne groß darüber nachzudenken oder auf Proteste zu achten. Und wenn ihre in Gummihandschuhen steckenden Finger nach einem greifen als sei man ein tollwütiges Tier, dann kann man nicht anders als sich schmutzig zu fühlen. Eklig. Ansteckend. Es ist, als verlöre man sein Recht auf Menschlichkeit und wurde etwas anderes... … man wurde gefährliches Biomaterial. Ein Mädchen und drei junge Männer (nun ja, eher zwei junge Männer und ein sehr jung aussehender Magier) mussten das über sich ergehen lassen. Das weiße Wesen in ihrer Begleitung hatte es geschafft sich davon zu stehlen, bevor die Soldaten mit der Leibesvisitation begonnen hatten, sodass Mokona sich nun versteckt hielt. Und darauf wartete, dass es wieder sicher war zu ihrer Familie zurück zu kehren. Sues kleine Hände waren nicht gegen die eintönig graue Betonwand der Duschbaracke gepresst, weil Fye und Kurogane sie ergriffen hatten. Das war das Einzige, das sie für das Mädchen tun konnten, um ihm Trost zu spenden. Tränen der Scham rannen über seine brennenden Wangen und vermischten sich mit dem Wasser, das auf sein silberblondes Haar fiel. Sue verstand nicht, was vor sich ging; sie wollte es auch nicht verstehen. Sie wollte nur, dass es vorbei war. Das Einzige, das sie davon abhielt sich die Seele aus dem Leib zu schreien, war das Liedchen, das Mokona ihr beigebracht hatte. Sues Lippen formten die Worte abgehackt und holprig, ihr Schluchzen machte die Melodie zunichte, aber es hatte etwas Vertrautes aus dem man Sicherheit schöpfen konnte. Nach der Dekontamination reichte man ihnen neue Kleidung. Einfache braune Hosen und sandfarbene Shirts, dazu lederne Sandalen. Dann wurden sie in ein steriles weißes Plastikzelt geleitet, wo man sie anwies zu warten. Was sonst hätten sie auch tun sollen, wo es dort doch nichts anderes gab als stickige Luft? Die sich langsam senkende Nachmittagssonne zeichnete die Schatten von vier Soldaten gegen die Zeltwand und es war anzunehmen, dass an der Anderen (der Sonne abgewandten) Seite noch einmal so viele Männer standen. Oder Frauen – hatten sie auf dem Weg in den Militärstützpunkt doch das ein oder andere weibliche Gesicht zu sehen bekommen. Den Stützpunkt selbst konnte man am treffendsten als einen Ring aus Zelten und Baracken beschreiben; der letzte Verteidigungswall vor dem Schloss. Er teilte die Gesellschaft räumlich in drei Schichten – Stadtbewohner, Soldaten, Hofherren. Als die Tür des Zeltes sich wieder öffnete, stand Col. Jones wieder vor ihnen. „Ich habe mit dem Reinigungspersonal gesprochen. Da keiner von Ihnen das Merkmal trägt, sind Sie wohl tatsächlich keine Spione der Gilde. Da das so ist, muss ich mich bei Ihnen entschuldigen.“ Jones' Gesicht war nicht das eines Mannes, der sich gerne entschuldigte. Um ehrlich zu sein, Lieutenant Colonel Jones Helmoltz (den die meisten aufgrund seines komplizierten Nachnamens nur Col. Jones nannten) hatte sich in seinem ganzen Leben noch nie entschuldigt. „Ich habe Master Chambers, dem königlichen Sekretär, von Ihrer Ankunft berichtet. Alles Weitere liegt in seinen Händen. Der Waschprozess war eine notwendige Vorsichtsmaßnahme, weil wir sicher gehen müssen, dass Sie nichts einschleppen. Medizinisches Personal ist knapp heutzutage.“ Jones blickte maßregelnd von einem zum Anderen, um keinen Zweifel daran zu lassen, dass sie eine Last für die Einwohner von Stibia waren. „Major Fei wird Sie hinbringen. Sagen Sie, der Arm da“, er nickte in Kuroganes Richtung, eine ruckartige aber kontrollierte Geste, „der Linke ist synthetisch, nicht wahr?“ „Und wenn es so wäre?“, grollte der Ninja zurück. Er hatte entschieden, dass er diesen Jones-Typen nicht mochte und so schnell würde nichts, das der Andere sagte oder tat ihn wieder versöhnlich stimmen. Der Grund für seine Einstellung rieb sich gerade die immergrünen Augen und kuschelte sich in Fyes Arme. „Dachte ich mir schon. Die Nähte sind perfekt, quasi unsichtbar, aber die synthetische Haut ist ein wenig dunkler als die Angrenzende.“ Kurogane warf ihm einen giftigen Blick zu, verschränkte die Arme vor der Brust und sagte gar nichts. „Sie und der Major werden sich bestens verstehen.“ ~*+*~ Major Kazuhiko Ryu Fei war ein groß gewachsener Mann, fast so groß wie Kurogane und auch was das restliche Erscheinungsbild betraf, dem Ninja nicht unähnlich. Beide hatten dunkles schwarzes Haar – Kazuhiko trug seines kürzer, mit Ausnahme eines kleinen geflochtenen Zopfes, der von seinem Nacken aus wuchs. Beide besaßen sie eine abwehrende Ausstrahlung; bei Kurogane begründete sich diese auf seiner Bedrohlichkeit, während der Major eher reserviert war. Der Grund, warum Kurogane und Kazuhiko sich bestens verstehen müssten, war jedoch ein anderer als der, dass sie vom selben Schlag waren. Vielmehr hatte sich die spöttische Bemerkung von Jones Helmholtz auf das bezogen, was beiden fehlte: Auch Kazuhiko Ryu Feis linker Arm war künstlich; er hatte ihn an eine Sprengladung verloren. Seine lebensechte Prothese war noch nach dem Magitek-Verfahren hergestellt worden, enthielt sowohl fortschrittliche mechanische als auch magische Komponenten. Sie war ein Relikt aus jener alten Zeit, da die Magier noch die Freunde der Gewöhnlichen waren. Vor allem aber war sie eines: Eine nach außen hin ganz harmlos aussehende Waffe. Im Gegensatz zu seinem Vorgesetzten Colonel Jones war es einfacher, Vertrauen zu dem Major aufzubauen. Er sprach nicht viel und schon gar nicht aus eigenem Antrieb, aber wenn man ihm eine Frage stellte, dann beantwortete er sie gewissenhaft. Auf der kurzen Fahrt vom Lager bis zum Schloss – Shaolan durfte auf dem Beifahrersitz des Pick-ups sitzen, der Rest von Ihnen hatte es sich auf der Ladefläche bequem gemacht – erfuhren sie, dass Stibia die Hauptstadt und das Verwaltungszentrum von Lattice Country gewesen war, bis zu jenem Vorfall, der drei Monate zurück lag. Sie erfuhren keine Details aber an jenem Tag, als die Erde um das Schloss erbebt war und sich erhoben hatte, bis sie die Wolkendecke durchbrach, war der letzte Regen gefallen. Manche sagten, es sei eine Strafe der Götter gewesen, doch die meisten waren realistisch genug um zu erkennen, dass es sich um Magie gehandelt hatte. Und Stibia, das ursprünglich ein florierendes Hafenstädtchen gewesen war, welches Handel mit all den anderen großen Städten von Lattice Country und sogar mit dem Ausland betrieben hatte, dörrte aus. Das Militär, das nur aus Marineeinheiten bestanden hatte, musste sich neu organisieren; musste rekrutieren und ausbilden, um auf den nächsten Schlag vorbereitet zu sein. Die Einzigen mit Schlachterfahrungen zu Felde waren die Ritter des Hofes gewesen, aber diese hatte ein ganz anderes Schicksal ereilt... „Welches Schicksal?“, fragte Shaolan. Er musste seine Stimme erheben, um das Dröhnen des Motors zu übertönen und Sue zuckte zusammen. Die Augen drohten ihr zuzufallen. Die heruntergekommenen Stoßdämpfer ließen den Wagen ganz schön schaukeln und die monotone Bewegung hatte etwas Einschläferndes. Sie fuhren gerade die letzten gewundenen Straßen des Burghügels hinauf, doch bereits jetzt konnte man erkennen, dass das Schloss nicht aus solidem Stein erbaut war. Es hatte eine dunkle, anthrazitgraue Färbung, doch spiegelte sich an manchen Stellen das Licht, an wieder anderen glänzte es metallisch wie Hämatit. Geschwärztes Glas. „Das werdet ihr gleich sehen!“ Ein Tor aus Stahl, in eine Mauer aus Glimmer eingelassen, war der einzige Weg auf den riesigen Innenhof. Der Major brachte den Wagen kurz hinter dem Tor zum Stehen. Weiter hätten sie ohnehin nicht fahren können, über den Hof erstreckte sich ein Labyrinth aus steinernen Statuen. Nur waren es keine Statuen… Sie besaßen zu viele Details um aus Stein gehauen zu sein, die menschlichen Gesichter zierte der ein oder andere Makel, den Mutter Natur schuf um jeden einzelnen von uns einzigartig zu machen. Die meisten Gesichter waren dem Tor zugewandt, das Schloss im Rücken. Die faltenlosen, steinernen Mienen zeigten Angst, Kampfeswut… und mehr als einer hatte den Mund zu einem lautlosen Angriffsschrei aufgerissen. Darin war die raue Textur der Zunge zu erahnen… Es waren zu viele Details um Kunst zu sein. „Sind das…“ Menschen, wollte Shaolan sagen, aber das Wort saß auf seiner Zungenspitze und weigerte sich hinaus in die Realität zu rutschen, wo es nicht gebraucht wurde. Die Frage an sich war überflüssig, weil es ihnen allen klar war. „Das“, erklärte der Major, und es klang ein wenig, als wäre es ihm lästig es extra erläutern zu müssen, vielleicht hatte er es aber auch schon zu oft wiederholen müssen, „sind alle Mitglieder der königlichen Ritterrunde, die das Gefecht gegen die Gilde überlebt haben. Das heißt, falls man das Überleben nennen kann.“ „Das ist doch das Werk eines Zaubers, nicht?“, hakte Fye ganz unschuldig nach, während er zwischen den Versteinerten hindurch lief und seine Finger hin und wieder über eine der „Statuen“ gleiten, bis er vor dem Abbild einer jungen Frau stehen blieb. Shaolan wusste, dass der Magier den Zauber spüren konnte, ebenso wie er. Für den Jungen fühlte es sich wie ein schwaches, unterschwelliges Vibrieren an. Für Fye… nun, wer konnte das schon recht sagen? Magie machte sich für jene, die dafür empfänglich waren unterschiedlich bemerkbar und je nachdem, wie man sie wahrnahm konnte man mehr oder weniger Informationen über den Zauber gewinnen. „Natürlich ist es ein Zauber, was soll es sonst sein? Glauben Sie vielleicht, sie sind freiwillig in dieser Lage?“ „Nein, natürlich nicht…“ wisperte der Blonde. Diese junge Frau, diese Kriegerin… sie war anders als die Anderen. Nicht weil der Zauber in ihr anders wirkte oder weil sie hier die einzige Frau zu sein schien. Es waren ihre Gesichtszüge. Für eine Frau wirkten sie schon fast zu hart, unerbittlich, das Kinn war nicht spitz oder rund, eher ein wenig eckig. Die fein geschwungenen Augenbrauen (irgendwas sagte Fye, dass sie schwarz sein mussten, schwarz wie die Nacht) waren in Überraschung oder Schock gehoben und zwischen ihnen war eine kleine Falte. Der Mund, leicht geöffnet, hatte seinen letzten Satz noch nicht ausformuliert. Etwas an dem Anblick berührte Fye. Etwas an ihr ließ sie vertraut erscheinen, so sehr, dass er seinen Herzschlag dumpf in seinen Ohren hören konnte, dass seine Zunge schwer wurde und sich ein bleierner Geschmack darauf legte. Etwas an ihr hob die junge Frau von allen anderen ab. Und dann erkannte der Magier, was es war. Ihr Schwert, ein riesiges, gefährliches Ding mit gerader, zweischneidiger Klinge lag neben ihr, von dem Zauber nicht berührt. Die Hand, die es geführt hatte, musste es gerade erst los gelassen haben. Sie war stehen geblieben und hatte ihre Waffe fallen gelassen, mitten im Schlachtgetümmel. Aber nicht, weil sie verwundet worden war – an ihrem Körper ließ sich keine Verletzung ausmachen. Aber warum… „Hey! Bist du fertig mit Starren, wir haben nicht vor, den ganzen Tag hier rum zu stehen.“ Der Magier blinzelte, als die ach so freundliche Stimme von Kurogane ihn in das hier und jetzt zurück holte – wann auch immer „jetzt“ war, denn alles, was sie bis jetzt heraus gefunden hatten war das „hier“. Der Ninja trug das eingeschlummerte Mädchen mit sich, er hatte sich Sues schmale Gestalt über die Schulter geworfen. Schmunzelnd schloss Fye zu dem Rest seiner Gruppe auf, nur um seinen Freund zu necken, dass das nun wirklich keine Art und Weise war wie man eine junge Dame tragen sollte. Der wiederum ignorierte die blonde Nervensäge und wandte sich an ihren Führer: „Gibt es einen Ort, wo die Kleine schlafen kann?“ Major Fei blickte zu ihnen zurück und runzelte die Stirn. Er haderte mit sich, denn sein Befehl lautete, alle Neulinge zum königlichen Sekretär zu bringen... aber sie war ja noch ein Mädchen. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Chambers sonderliches Interesse an ihren Antworten haben könnte. „Sie kann in den Räumen der Dienstmägde schlafen“, entschied er und bedeutete ihnen mit einem Winken ihm zu folgen, als er sich in den Schatten des Schlosses zurück zog. ~*+*~ Geschwärztes Glas, unebenes Glas, das in Blöcken aufgestapelt war gab einem das Gefühl, sich in einem Palast aus schmutzigen Eis zu befinden. Tatsächlich spendeten die Gänge von Stibia Castle ein wenig kühle und frische Luft, die sich sofort bemerkbar machte sobald man die Schwelle übertrat. Das war aber auch das Einzige, was den Ort einigermaßen sympathisch machte. Ein Teppich in der Farbe von sattem grünem Gras spottete schon regelrecht den Zuständen, die außerhalb herrschten. Shaolan erinnerte er an eine Bibliothek. Die Fenster waren scheibenlose Öffnungen und das Licht, das durch sie einfiel, gab den Wänden ein nasses Glitzern, wodurch sie erst Recht wie Eis erschienen. Es gab auch keine Bilder daran, keine Porträts von früheren Herrschern und alles erschien ihm innerlich zu summen von der gewaltigen Ansammlung magischer Energie, die in dem Mauerwerk steckte. Ein lautes Knacken ertönte, als das Walkie-Talkie des Majors erwachte. Kazuhiko nahm es von seinem Gürtel und lauschte der vom Rauschen verzerrten Stimme seines Vorgesetzten, von der die Anderen nur ein paar undeutliche Wortfetzen verstehen konnten. Das Gerät erinnerte Shaolan daran, dass er auch kaputte Radios vor den Häusern gesehen hatte aber nirgends Strommasten. Elektrizität gab es in dieser Stadt wohl nur in Form von Batterien. Der Major drückte den Sprechknopf und gab seine Antwort in einer kurzen Aneinanderreihung von Nonsens-Wörtern von sich, die wohl zu einer Art Militärcode gehörten. Dann teilte er ihnen mit, dass man sie im Garten erwartete. Mit dem Orientierungsvermögen eines Mannes der schon auf einigen Flugzeugträgern stationiert worden war, lotste Kazuhiko die Reisenden durch ein Labyrinth von Gängen und Abkürzungen ohne einmal zu zögern, obwohl sie alle gleich aussahen, sah man von den mit Kreide notierten Zahlenkürzeln über den Türbogen ab. Sie passierten sogar die Küche, die den Geruch von gebratenem Gemüse verströmte. Und plötzlich, als sie sich gerade an den Gedanken gewöhnt hatten, dass es ewig so weiter gehen würde, dass man sie durch eine Endlos-Schleife von Gängen lotste, taumelten sie in das Licht. Grelles, gelbstichiges Licht, das durch eine riesige Glaskuppel fiel, die sich über die Gartenanlage von der Größe eines Parks erstreckte. Man konnte die Feuchtigkeit förmlich riechen, die sich hier angestaut hatte und wenn man doch noch an ihr zweifeln sollte, dann musste man sich nur die drei riesigen Springbrunnen ansehen, die fröhlich vor sich hin plätscherten. Hin und wieder trabten ein Gärtner oder eine Gärtnerin mit einer Gießkanne zum Brunnen, um dann irgendeines der zahlreichen bunten Obst- und Gemüsebeete zu bewässern. Es war… eine vollkommen andere Welt im Vergleich zu der braunen, tristen Einöde draußen. „Was zur Hölle!“, rief Kurogane aus und fasste damit zusammen, was sie alle dachten. In der Tat, was zur Hölle. Ein langer Tisch aus grauem Holz, die Beine mit Messing beschlagen, stand für sie bereit und daneben wartete ein Mann, dessen Aussehen so prächtig mit dem Tisch harmonierte, als wäre das Möbelstück nur ein Accessoire, eine kleine Ergänzung zu seiner Aufmachung. Das schulterlange Haar hatte eine aschgraue Farbe, wobei sich unmöglich sagen ließ ob es von jeher so aussah oder ob das Alter ihm diese Farbe gegeben hatte. Die seitlichen Strähnen, oberhalb der Ohren, waren abgefasst und am Hinterkopf mit einem bronzefarbenen Samtband zusammengebunden worden. Die kürbisorangefarbenen Augen hatten einen angenehmen Abstand zueinander und zwischen ihnen wurzelte eine viel zu gerade, in einen spitzen Höcker übergehende Nase. Sein Anzug hatte fast dieselbe Farbe wie sein Haar, vielleicht ein paar Nuancen heller und das weiße Hemd unter der Jackettjacke war bis zum Schlüsselbein aufgeknöpft. Er sah eher wie ein Zuhälter als ein Sekretär aus. Master Chambers empfing die Reisenden mit offenen Armen – im wörtlichen Sinne; er hatte sie zu einer eleganten Willkommensgeste ausgebreitet. „Ah, da sind die Herren ja. Mein Name ist Elden Chambers, Sekretär Ihrer Majestät, Prinzessin Roshana von Lattice und es ist mir eine außerordentliche Freude, Sie in Stibia Castle begrüßen zu dürfen.“ „Schleimer“, murmelte Kurogane, gerade laut genug, dass es nur Shaolan und Fye hören konnten. „Danke, dass Sie Sie hergebracht haben, Major Fei. Ihre Dienste werden nun nicht länger benötigt.“ Kazuhiko salutierte und trat dann ab. „Kommen Sie nur näher, setzen Sie sich. Ich muss mich im Namen der Stadt für die schreckliche Behandlung bei Ihrer Ankunft entschuldigen. Wir haben in letzter Zeit nicht viele Fremde in unserer kleinen Stadt gesehen und Sie haben sich nicht gerade die beste Zeit für einen Besuch hier ausgesucht. Nun kommen Sie doch, nur keine falsche Scheu.“ Chambers betont heiterer Ton sollte wohl so etwas wie Ungezwungenheit suggerieren und distanzierte Gemüter versöhnlich stimmen. Nun, letzteres hätte vielleicht funktioniert wenn Shaolan, Fye und Kurogane nicht immer noch die triste Einheitskleidung getragen hätten, die man ihnen nach der Dusche zugewiesen hatte und die sie aussehen ließ wie gewöhnliche Handwerker oder Gefolgsleute. Chambers beanspruchte den Platz an der Stirnseite des Tisches, während die Weggefährten alle an derselben Seite Platz nahmen. Der Magier hatte die zweifelhafte Ehre Chambers am nächsten zu sitzen, da er von den dreien der beste Diplomat war. Dann folgte Shaolan und dann der Schwertkämpfer. „Ich habe sogar dafür sorgen lassen, dass man unser Pianoforte in den Garten bringt, falls es den Herren nach ein wenig Musik verlangt.“ „Wie überaus freundlich und zuvorkommend von Ihnen“, erwiderte der Magier mit einem der höflichen Lächeln, die er zur Perfektion beherrschte. „Ich muss sagen, es ist schon erfrischend hier ein lebendiges Plätzchen inmitten der Ödnis zu finden.“ „Ja, glücklicherweise. Es ist das letzte grüne Fleckchen in der ganzen Stadt. Sehen Sie, all das Gemüse und das Obst, das wir hier anbauen muss ausreichen, um die ganze Stadt zu versorgen. Ebenso wie das Wasser. Aber bevor Sie mich zum Prahlen verleiten... dürfte ich vielleicht Ihre Namen erfahren?“ Diesmal übernahm Shaolan es, sie alle vorzustellen. Auch Sue ließ er nicht aus, nur Mokona beschrieb er als „gute Freundin“, die ihnen „im Laufe einer ersten Stadterkundung abhanden gekommen“ war. „Wir kommen aus Clow Country“, fügte der Junge hinzu und es war genau genommen nicht einmal eine Lüge, „Einem hübschen Wüstenreich. Auch wir haben ein Problem mit der Wasserversorgung, weshalb mir dieser Raum wirklich... bemerkenswert vorkommt. Wie schaffen Sie es, dass dieser Raum nicht vertrocknet oder ihre Wasservorräte einfach im Boden versickern?“ Der junge Archäologe war genau wie Fye begabt darin, Menschen für sich einzunehmen. Er hatte bei der ein oder anderen Ausgrabungsstätte hart mit den dort Ansässigen verhandeln müssen und gerade in jenem Moment schaffte er es, seine Neugier als rein berufliches Interesse zu tarnen. Er wollte nur ungern lügen – zu schnell konnte einem die Flunkerei und ihre Auswirkungen auf die Füße fallen, aber mit jedem Wort, das Chambers sprach, wuchs seine Abneigung für diesen Mann. Er konnte sich selbst nicht einmal erklären, warum. Elden Chambers war einfach einer jener Männer, die man ohne Grund nicht ausstehen konnte. Er hatte etwas an sich, was die Menschen (oder zumindest die Erfahrenen unter ihnen) stutzig werden ließ, auf eine unangenehme Art. Aber was genau es war, das seine Alarmbereitschaft kitzelte, das hätte Shaolan nicht zu sagen vermocht. Dabei war die Antwort ganz simpel: Master Chambers fehlte etwas. Wie bereits fest gehalten wurde, haben Tränen eine biologische und eine psychologische Funktion, aber es gibt noch etwas Faszinierendes über sie zu sagen: sie machen uns menschlich. Wenn wir weinen sind wir alle gleich; wir zeigen unsere Verletzbarkeit oder unsere Schwäche. Bei Chambers hingegen fiel es schwer sich vorzustellen, dass er jemals auch nur eine Träne vergossen hatte. Tatsächlich war er aufgrund einer Drüsen-Fehlfunktion nicht dazu in der Lage zu weinen und der törichte Elden hatte in seiner Jugend den Fehler gemacht, das als Zeichen von Stärke zu deuten. Natürlich war das nicht mehr so imposant wenn man wusste, dass der Mann alle zwei Stunden Augentropfen nehmen musste, damit seine Hornhaut nicht vertrocknete. So viel also dazu. „Dieses Schloss wurde von Magiern und Menschen gleichermaßen gebaut. In den Wänden stecken mächtige Zauber, die es vor Angriffen schützen und die dafür sorgen, dass alles, was man hierher bringt, gedeiht. Das gilt sowohl für verwelkte Pflanzen als auch für kranke Menschen. Niemand weiß genau wie es geschieht, aber das Wasser ist einfach da. Oh!“ Chambers merkte auf, als eine Gruppe junger Kammerzofen auf den Hof trat, ihre Arme beladen mit verschiedenen kalten Platten – Brot mit Frischkäse und Gemüse belegt, kleine Marmeladentöpfchen, verschiedenste Obstsorten, dampfende Kartoffeln und gekochtes Gemüse. Es gab sogar Nudelbrühe und... Sushi. Fye verzog das Gesicht bei dem Anblick. Die letzten beiden Damen trugen Besteck, Teller und eine Kanne mit heißem Tee heran, sowie gläserne Trinkbecher. „Leider können wir Ihnen kein Fleisch und keinen Fisch anbieten. Man hat uns sämtliche Tiere gestohlen. Das heißt, bis auf die Schafe, aber wir können sie nicht schlachten weil sie uns mit Wolle und Milch versorgen. Auch das Sushi ist vegetarisch, da wir aufgrund unserer momentanen Lage – ich nehme an Sie wissen, dass wir uns auf einem Plateau befinden? - seit Monaten keinen Fisch mehr fangen konnten.“ „Gottseidank.“ Fyes Seufzer ließ die Worte zu einem verschmelzen. Chambers wirkte irritiert. „Wie meinen?“ „Oh, gar nichts.“ Der Magier winkte ab. „Was ist diese verdammte Gilde?“, platzte Kurogane dazwischen. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und starrte feindselig auf ein Gewächs, bei dem nicht ganz eindeutig war ob es sich nun um eine Frucht oder ein Gemüse handelte. Er hatte bis jetzt beharrlich geschwiegen, weil er sich für das höfliche Geplänkel und die Floskeln nicht interessierte, aber langsam ging es ihm auf die Nerven. Er wollte kein Geschwafel, er wollte wissen was mit diesem Ort nicht stimmte und zwar klipp und klar. Elden verzog gekränkt das Gesicht. „Formulieren Sie Ihre Fragen immer so unhöflich?“ Fye und Shaolan musterten den Ninja leicht besorgt. Sie hofften, ihm mit Blicken klar zu machen, dass er ja nichts Unüberlegtes sagen sollte. Als ob er darauf gehört hätte. „Jetzt hören Sie mal, Mister, in dieser Stadt gibt es mehr Soldaten als Einwohner; im Hof ist eine ganze versteinerte Armee und man hätte uns beinahe erschossen, weil man uns für Spione hielt. Also hören Sie auf so zu tun, als gäbe es hier keine Bedrohung.“ Kurogane fühlte sich für den Schutz ihrer kleinen Familie verantwortlich. Wenn es eine Bedrohung gab, dann wollte er wissen was es war und wie man am besten dagegen vorging. Es war ihm egal, wie unhöflich er dabei war – wenn einem von ihnen was zustieß, nur weil der Kerl das Image seiner Stadt beschützen wollte, dann würde der Sekretär ihn erst recht kennen lernen. „Die Gilde“, erwiderte Chambers steif, „...ist ein Verband aus Magiern, der, soweit wir wissen, für unsere momentane Lage verantwortlich ist. Es gibt schon seit Jahren kleinere Auseinandersetzungen mit ihnen und wir haben im Stadtarchiv Dokumente gefunden die belegen, dass sie bereits seit der Stadtgründung vor 100 Jahren Unruhe gestiftet haben. Stibia, benannt nach seinem Gründer Frances Stibium, dessen Denkmal Sie vielleicht auf dem Marktplatz gesehen haben, war eine friedliche Hafenstadt und eine Zuflucht für Flüchtlinge, die von den östlichen Kontinenten übers Meer gesegelt kamen. Es waren überwiegend Gewöhnliche, während Lattice Country einen großen Anteil an magischer Bevölkerung aufwies. Es gibt sogar ein kleines Liedchen, das anlässlich dieses Ereignisses komponiert wurde.“ Master Chambers klatschte in die Hände, woraufhin ein junges Dienstmädchen angelaufen kam. Einige Strähnen seines kastanienbraunen Haars lugten unter dem weißen Häubchen hervor und auf seinen Wangen waren rosa Flecken, die sich sicher immer dann zeigten, wenn es in Eile war. „Was wünscht Ihr, Master?“ Sein Atem ging hektisch, aber es stammelte nicht. Kurogane und Shaolan musterten es mit halbem Interesse, während Fye den Hündchen und sich Tee eingoss. „Bring den Hofmusiker her, Tini.“ Sie blinzelte mit ihren schüchternen Rehaugen und druckte herum. „Aber… Sir, das ist nicht möglich. Colonel Helmholtz hat ihn vor ungefähr einer Woche erschossen.“ „Wieso das denn?“ Chambers wirkte weder geschockt noch überrascht. Sein Tonfall sagte eher ’Nicht schon wieder’! „Er hat es gewagt, die verbotenen Zeilen zu singen.“ Der Sekretär schnalzte mit der Zunge. Grübelte. „Was ist mit dem Hutmacher? Ich hörte, er komponiert?“ „Sir, aber ich weiß nicht wie es um seine Singstimme bestellt ist…“, gab Tini zu bedenken… aber als sie den Blick aus diesen kürbisfarbenen Augen begegnete, fügte sie hastig hinzu: „Aber ich werde ihn gleich holen gehen.“ Und damit eilte sie davon. Chambers seufzte. „Nun, das ist mir jetzt etwas peinlich. Seit unser Städtchen von der Außenwelt abgeschnitten wurde, drehen einige unserer Einwohner etwas durch, sodass wir gezwungen sind härter durchzugreifen. Die Meisten – insbesondere die bei Hofe – weigern sich zu akzeptieren, dass sie ihre Ansprüche etwas zurückschrauben müssen für das Wohl aller. Nun, bevor die liebe Tini zurückkommt, kann ich auch erklären, wie es denn zu unserer momentanen Situation kam… Das ganze fing ungefähr vor einem Jahr an, als die Gilde darauf bestand, ihre Jugendlichen ebenfalls bei der Marine ausbilden zu dürfen. Und so faszinierend unsere Prinzessin die Idee auch fand, so war sie absolut nicht durchführbar. Nicht nur, dass die meisten Magier kaum in der Lage gewesen wären die physischen Strapazen durchzustehen, nein, sie hätten auch jederzeit mit ihrer Magie schummeln können, um die Aufnahmetests der Marineakademie zu bestehen. Wenn wir Magier eingesetzt haben, dann meistens nur als Heiler, da es mit der medizinischen Versorgung im Einsatz immer so eine Sache ist…“ „Haben Sie denn viele Auseinandersetzungen mit den Nachbarländern gehabt?“, platzte Shaolan dazwischen. Und erntete dafür einen verächtlichen Blick, als wäre das die dümmste Frage gewesen, die je ein Mensch gestellt hatte. „Natürlich nicht. Wir hatten lediglich ein paar kleine… Meinungsverschiedenheiten mit dem Pays de Lys gehabt, aber nichts, das sich nicht durch eine politische Heirat hätte lösen lassen. Aber das ist nicht der Punkt. Es war auch mehr die Piraterie, um die wir uns Sorgen machen mussten.“ Er warf Shaolan noch einen kurzen, geringschätzigen Blick zu bevor er fortfuhr. „Die Gilde war natürlich nicht gerade erfreut, aber was hätten sie tun sollen, es war ja nicht gerade so, als ob sie sich sonderlich an der Gesellschaft beteiligt hätten, deshalb hatten sie auch keine Gewerkschaftsvertreter. Sie gingen also in keinen organisierten Streik über, sie weigerten sich einfach, die kleinen magischen Aufgaben zu erfüllen, die sie manchmal von dem Hofe aufgetragen bekamen. Die Prinzessin wandte sich also an einen der Paladin-Ritter, um mit der Gilde zu verhandeln. Der Titel Paladin wird nur wenigen verliehen, meistens sind es Magier, die später den Ritterschlag erhalten haben. Karuso Cherry war sein Name; die Prinzessin hielt ihn für vertrauenswürdig, weil sie seit der Kinderstube befreundet waren. Er war sozusagen so etwas wie ihr bester Mann. Wir haben ja nicht ahnen können, dass er schon bald mit der Gilde sympathisieren würde. Neue Forderungen wurden laut, Forderungen nach der Gleichheit von Magiern und Gewöhnlichen, dabei waren sie es ursprünglich gewesen, welche die Gewöhnlichen nicht in ihrer Siedlung akzeptieren wollten. Unruhen brachen aus. Und dann, vor dreieinhalb Monaten, wagten sie es in die Gemächer der Prinzessin einzudringen und sie mit einem Fluch zu belegen. Daraufhin erklärten wir ihnen den Krieg. Jeder, der der Gilde angehörte oder Mitglieder der Gilde unterstützte, wurde des Hofes verwiesen. Zum Schluss versuchten sie sogar das Schloss zu stürmen, angeführt von niemand anderem als Karuso Cherry. Es wäre ihnen fast gelungen, wenn wir nicht die meisten unserer Marine-Truppen zurückbeordert hätten. Als die Magier sahen, dass sie in der Unterzahl waren, zogen sie sich zurück. Aber bevor sie verschwanden, sprachen sie einen Zauber, der ihre Gegner versteinern ließ. Nun... das Resultat jenes Zaubers haben Sie sicher alle gesehen.“ Master Chambers nahm sich die Zeit, jeden von ihnen noch einmal eindringlich anzusehen. Das Weiß seiner Augen färbte sich langsam rosa (die Zeit, da er sie benetzen musste, rückte näher) und gab seinem Blick etwas kränkliches, surreales. „Die Marine schaffte es, sie bis in den Wald der vergessenen Träume zu lotsen, ein verderbter Ort und jene, die sich dorthin verirren kehren für gewöhnlich nicht zurück. Nicht einmal einen Tag später bebte die Erde. Das Meer schäumte auf, unnatürlich laut, und als der Boden sich zu heben begann, warf es so hohe Wellen, dass die Schiffe im Hafen kenterten. Es gibt keinen Zweifel daran, dass dieser Vorfall auf das Konto der Gilde geht.“ „Und wie, wenn sie in diesem Wald verloren gegangen sind?“, grummelte Kurogane. Die drei Reisenden hatten sich während der Erzählung Essen aufgetan, und auch schon reichlich verdrückt (aber nicht zu viel, aus Rücksichtnahme vor der Ressourcenknappheit, die Stibia erleiden musste), nur Kurogane hatte kaum etwas von seinem Sushi angerührt. Das lag daran, dass er dem königlichen Sekretär kein Wort glaubte, ohne dabei den Grund für sein Misstrauen nennen zu können. Es war nur so, dass Kurogane einen guten Geschichtenerzähler von einem Schlechten unterscheiden konnte. Prinzessin Tomoyo und ihre Schwester Amaterasu gehörten zu Ersteren und seit Kurogane in Schloss Shirasagi aufgenommen worden war, hatte er sich ihre Geistergeschichten angehört. Auch wenn er nie zu den Ninja gehört hatte, die schreiend oder heulend weggelaufen waren, so waren ihm diese Gruselgeschichten bis unter die Haut gefahren, hatten sich in sein Blut geschlichen und seine Nerven erstarren lassen. Ein guter Geschichtenerzähler nahm einen bei der Hand; seine Stimme zeichnete den Weg, malte die Landschaften und die Figuren und sorgte dafür, dass seine eigenen Worte die Menschen vergessen ließen, dass er da war. Wenn Elden Chambers sprach, dann bettelte er förmlich um Verständnis und seiner Stimme fehlte es an Eleganz. Das machte sie zu einem schlechten Werkzeug und Chambers zu einem mittelmäßigen Erzähler. Was nicht hieß, dass Kurogane ihn für einen Lügner hielt. Er würde es nur als das ansehen, was es war – eine Geschichte – bis Fakten sie untermauerten. „Ah, da ist ja endlich der Hutmacher“, rief Chambers erfreut aus. Und tatsächlich kehrte Tini in Begleitung eines großen Mannes zurück, der seinem Namen alle Ehre machte und einen reich verzierten Zylinder trug; bordeauxrot, mit einem violetten Seidenband darum gespannt und einer weißen Rose auf der Krempe. Sein Anzug war elegant, und doch bescheiden; er erinnerte ein wenig an den Frack eines Butlers. Die Farbwahl war perfekt auf den Hut abgestimmt, als wäre der Anschnitt geschneidert worden, um den Zylinder zu ergänzen und nicht anders herum. Mit dem Hut war er ungefähr so groß wie Kurogane, gleichzeitig barg die Kopfbedeckung sein Gesicht in Schatten. Shaolan bemerkte zuerst die Strähnen des blonden Haares, das dem Herannahenden bis auf die Schultern fiel. Bei jedem Schritt strichen sie über die Wangen des Mannes als ob sie ihm Trost spenden wollten, doch vergeblich: die Lippen waren zu einem freudlosen Lächeln erstarrt, dem Lächeln eines Mannes der mit Kompromissen lebte. Der Junge war der Erste, dem die ungeheure Ähnlichkeit auffiel, seine „Pflegeeltern“ waren ganz auf sich fixiert. Denn Fye hatte, um Kuro-tan aufzuheitern und um die abwesende Mokona zu vertreten, versucht ein wenig von Kuroganes Sushi zu stibitzen, woraufhin der sich lauthals beschwerte, dass noch genug da sei und dass der „Idiot“ sich selber welches nehmen könne und zwar nicht von Kurogane und überhaupt würde der Blonde ja gar kein Sushi mögen. Dass dieser Streit in einem Essstäbchenkampf endete, muss wohl nicht extra erwähnt werden, oder? Erst als der Hutmacher sich vor Chambers verneigte und dem Älteren mit den Worten „Zu Euren Diensten, Sir“ begrüßte, erstarrten der Magier und der Ninja in ihrer Bewegung und wandten gleichzeitig ihre Köpfe zu dem Blonden. Fye ließ die Stäbchen fallen, die noch kurz zuvor Kuroganes Wange gepiekt hatten. Das war... Das konnte doch nicht... „Darf ich vorstellen, Yuui de Fleur, königlicher Hofmacher und Komponist. Das heißt, eigentlich haben wir ihn unseren Nachbarn in Lillichalice gestohlen. Ich vermute, König Hagbart de Lys vermisst seine Talente sehr.“ Yuuis Augenfarbe ließ sich nicht erkennen, da sein Gesicht noch immer in dieser gezwungen höflichen Maske gefangen war. „Nun, mein Weg hierher ist mir befohlen worden, doch geblieben bin ich freiwillig. Ich bezweifle, dass Le Roi ernsthaft einen Abtrünnigen in seinem Hause empfangen würde“, scherzte Yuui und warf dann den Fremden einen kurzen Blick zu. Für einen kurzen Moment bekam die höfliche Maske Risse und enthüllte Verwirrung und Schock. Dieselben Emotionen, die auch Fye im Angesicht seines Spiegelbildes erstarren ließen. Chambers bemerkte es gar nicht, aber Shaolan jagte es einen Schauder über den Rücken. Wir haben es alle gewusst, nicht?, fragte er sich selbst, Dass wir eines Tages in irgendeiner Welt unseren Gegenstücken begegnen würden. Aber erst wenn es passierte, begriff man es richtig. Yuui fing sich rasch wieder, nur seine Stimme zitterte leicht. „Es ist schön, mal wieder ein paar neue Gesichter zu sehen. Mit welchem Lied kann ich unseren werten Gästen denn eine Freude machen?“ „Das Gründerlied“, wies Chambers an. „Sehr wohl.“ Es folgte noch eine kleine Verbeugung, bis Yuui sich an das Pianoforte zurück zog. Dann jagten seine Finger über die Tasten, in einer einzigen flüssigen Bewegung, als würde er den ganzen Tag nichts anderes machen. Er entlockte dem Instrument eine Folge von Tönen, die etwas wirr und linkisch, aber auf ihre Art charmant waren. Sie schwirrten auf und nieder wie die Insekten auf einer Blütenwiese und wurden langsamer, stockender… bis eine energische Note das Intro beendete. Wenn man genau hinhörte bemerkte man, dass das Piano anfangs kaum zum Einsatz kam. Eine Geschichte wurde erzählt, mit einer simplen und doch schwermütigen Melodie, wobei einzelne Worte durch das Klavier hervorgehoben wurden. Ein wenig abgehackt und losgelöst. Yuuis Stimme mochte in seiner Jugend ein angenehmer Alt gewesen sein, der zu einem melancholischen Bariton gereift war. „~Jeder nahm sich alles, das er konnte, sei es grob oder fein. Und sie schufen eine kleine Stadt aus Stock und aus Stein. Und sie nahmen Knetgummi und formten einen König klein. Und sie warfen die Regeln hinfort, doch sperrten die Weisheit ein. Und all die Vögel und die Bienen sie lebten so... einträchtig. Und all die Babies, sie schliefen so... sanftmütig. Bis…” Er ließ den Ton ausklingen und begann eine raschere Folge, aus zwei Tönen, hoch und tief in alternierendem Wechselspiel. Sie erinnerte an einen verzweifelten Herzschlag. „~Little Red, Little Red, Little Red An ihre Tür klopfte.“ Die Verzweiflung wich auch in der zweiten Strophe nicht. Das Intro wurde dazu wieder aufgegriffen, doch waren die Noten… flüssiger. Was zu Beginn für sich selbst gestanden hatte, wurde zu einer Schwingung, gleich der wippenden Bewegung eines Betenden. „~Kleiner Garten, wie bringe ich den Kreis Deiner Blumen zum wachsen? Ich tue doch schon alles, was ich weiß. Ich bringe dir Regen und ich bringe dir Sonnenschein, aber noch immer gehst du ein All die anderen Gärten erblühen in Pracht Farbenfroh, ja, doch ich arbeite am Tag und in der Nacht Um auch dir diese Schönheit zu geben Und doch gehst du ein.“ Das Bitten wich der Monotonie, die Worte wurden je nach ihrer Bedeutung entweder leblos dahin geworfen oder an den Vokalen so heftig gezerrt, dass man ihrem Schmerz nachfühlen konnte.[1] „~Klopf, Klopf, Klopf Kratz Klopf, Klopf, Klopf Kratz“ Das Lied reizte seinen Stimmumfang bis zur höchsten Note aus und Yuui war daher erleichtert, als er zu singen aufhören konnte. Die Letzte blieb unschlüssig in der Luft hängen und verlangte nach einer Fortsetzung der Melodie, sodass Yuui noch einmal die erste Zeile einer Strophe anspielte und sie langsam ausklingen ließ. Er lehnte sich zurück und blickte zu dem königlichen Sekretär, der nur anerkennend nickte und in eine lange, ausschweifende Rede verfiel. Dass Little Red die Koseform von Rotkäppchen [2] war… und dass man die Hohepriesterinnen der Gilde als Rotkäppchen bezeichnete wegen der langen roten Kapuzenumhänge, die das Statussymbol ihres Standes waren. Dass der König aus Knetgummi das Laticianische Adelsgeschlecht repräsentierte, welches mehr die Funktion eines Hüters besaß denn der eines strengen Regenten. Der verdorrende Garten war eine Metapher für den Aufwand den man hatte betreiben müssen, um den Boden auf dem Stibia gegründet worden war, fruchtbar zu machen. Und war es nicht ironisch, dass die Stadt sich nun wieder in derselben Lage befand? Shaolan fiel es schwer, zuzuhören; er versuchte noch, die Wirkung der Melodie weg zu blinzeln. Für einen Moment hatte er ganz vergessen, wo er war. Er sah aus den Augenwinkeln, wie Fye abrupt aufstand und erst da fiel ihm auf, wie blass sein Freund geworden war. „Entschuldigung, ich... ich schätze mein Magen ist nicht gut auf das Sushi zu sprechen“, stammelte der Magier, bevor er davon stürzte ohne zu fragen, wo denn das Klosett sei. Yuuis Augen folgten ihm mit einer Mischung aus Faszination und Verträumtheit. „Wieso nimmt ihn das denn so mit?“, flüsterte der Junge dem Ninja zu. „Ich kann ja verstehen, dass es irritierend ist, sich selbst zu begegnen-“ „Das ist er nicht.“ Shaolan blinzelte. „Wie?“ Sein Lehrmeister seufzte ärgerlich. „Da hab’ ich dich schon trainiert und trotzdem lässt du dich von deinen Augen täuschen.“ Gemaßregelt setzte der Brünette sich etwas gerader hin und blickte zu Yuui hinüber und schloss dann die Augen. Es sah aus als grübelte er, aber in Wirklichkeit versuchte der Junge, seine Umgebung zu antizipieren. Er konnte verschwommen den Tisch fühlen, eine leblose Barriere vor ihm und dahinter... „Noch ein Lied, Sir?“, fragte Yuui und seine Stimme ließ den Jungen erahnen, wie groß die Distanz zwischen ihm und dem Blonden war. Die Schwärze hinter Shaolans Lidern gewann an Räumlichkeit und Schattierungen. Yuui war ein ruhiger Schatten aus anthrazit, klar definiert wie seine Stimme, ein steter Charakter. Anders als Fye, dessen Gemüt aufsteigen, flackern und wieder in sich zusammensinken konnte. Fye zu begreifen war ungefähr so simpel, als wollte man die Gestalt tanzender Schneeflocken in einem Sturm begreifen. Und als der Chinese dann die Augen aufschlug, fielen ihm auch körperliche Unterschiede auf. Yuui de Fleurs Augen waren nicht ganz so intensiv, ein leicht ausgewaschener Blauton und sein Haar war von einem kalten Blond, hatte eine silbrige Note. Fyes Haar hingegen besaß die Farbe von Honig und seine Augen hatten, je nach Lichteinfall, einen kleinen Grünschimmer. Der Hutmacher war nicht Fyes anderes Ich, er war sicher das Äquivalent seines Zwillings. Dem echten Fye, der in Valeria sein Leben verloren hatte. Das war... kompliziert und in höchstem Maße verwirrend. Länger darüber nachzudenken hätte ihm Kopfschmerzen bereitet. Aber es erklärte die Reaktion des Magiers. Die Beiden sollten nur zum Teil Recht haben. Der Magier floh weil er nicht wusste, wie lange er das irrsinnige Lachen noch für sich behalten konnte, das seine Kehle kitzelte. Wenn er versuchte es herunter zu schlucken, dann stieg es wieder auf, denn es saß auf dem Scheitel der Panik die in ihm anschwoll. Das war alles zu verrückt, um wahr zu sein. Dabei war es nicht einmal sein Zwilling der ihm Angst machte, es war das Gesamtbild... Es war absurd, absurd, absurd. Seine Nerven schrieen das Wort mit jedem Schritt. Wie oft hatte er sich gewünscht, seinem Bruder wieder zu begegnen? Wie oft hatte er sich ausgemalt, welches Leben Fye jetzt führen könnte wenn er überlebt hätte? Wenn sie beide dem Tal entkommen wären? Der Magier hatte sich nichts als Glück für den Anderen gewünscht und ihn hier zu sehen, in diesem trostlosen Land und mit anhören zu müssen, wie Yuui ein altes valerianisches Kinderlied so zusammen stutzte, dass es als Propaganda für diese Stadt verwendet werden konnte war einfach zu viel für ihn. Und dass das andere Ich seines Zwillings auch noch den Namen trug den Fye in Valeria zurück gelassen hatte, war das Sahnehäubchen auf dem Irrsinn. Er ließ sich blind von seinen Füßen tragen, in den nächstbesten menschenleeren Raum – ein Besenschrank. Dort setzte der Blonde sich zwischen Besenstiele und Wischmopps und... lachte aus vollem Halse. Fye lachte hemmungslos, wie ein Wahnsinniger und es war ihm egal, wer ihn hören konnte oder dass er eher betroffen sein müsste. Er lachte, bis sein Zwerchfell schmerzte und die Tränen seine Wangen herunter rollten. Wenn wir Tränen vergießen während wir lachen, heißt das nicht zwangsläufig, dass wir glücklich sind. Manchmal bedeutet es nicht mehr, als dass wir in unserem Leben schon zu viel Scheiße durchgemacht haben, um uns von dieser Verdrehtheit herunter ziehen zu lassen. ~*+*~ Auch Sue rührte es zu Tränen, das zweite Mal an jenem Tag. Diesmal nicht aus Scham, nein, diese zwei salzigen Tropfen schlüpften zwischen ihren Lidern hervor als sie herzhaft gähnte. Das Mädchen rieb sich die Augen, desorientiert. Das Letzte, woran sie sich erinnerte, war das „sanfte“ Schaukeln des Pick-ups das sie in die Welt der Träume geführt hatte, zusammen mit der Wärme von Kuroganes Anwesenheit. Irgendetwas an diesen muskulösen Armen, die viel zu oft verschränkt vor seiner Brust lagen, weckte die Sehnsucht nach Geborgenheit; ein Urinstinkt, der wie ein Fluch mit der weiblichen Natur einherzugehen schien. Was nicht hieß, dass sie romantische Gefühle für den Ninja hegte – sie wusste, dass sie nicht für ihn bestimmt war und er nicht für sie. Das vermochte sie ebenso zu sagen, wie das sein Herz bereits einer anderen Person gehörte. Aber für den Moment war es schön sich in der Freundlichkeit zu sonnen, die hinter der schroffen Fassade lauerte. Sicher wussten nur wenige davon, Eingeweihte, aber Sue konnte sie erkennen, weil sie ein besonderes Mädchen war. Es steckte auch viel Freundlichkeit in Fye-san und Shaolan-kun, aber Shaolan-kuns Wärme wurde hin und wieder von Sorge und Betrübnis verdeckt und Fye-sans Emotionen waren wirr und schwer zu verstehen und meist hatten sie einen bittersüßen Beigeschmack.[3] Und nun? Nun war niemand da, der über ihren Schlaf wachte, weder Freund noch Fremder. Aber es haftete noch ein Rest Emotionen in dem Raum, Sue konnte sie wispern hören. Sie schwang ihre Beine aus dem Bett, in das sie gelegt worden war und machte sich auf die Suche; dem Weg folgend, den ihre Füße ihr vorgaben. Kein Medium eignet sich so gut zum Speichern von menschlichen Emotionen wie ein Haus; egal, in welcher Gestalt es auch erscheinen mochte. Stibia Castle war da keine Ausnahme – die nackten Wände versprachen ihr Geschichten von Gier und Intrige, von Liebe und Hass und Freundschaft, wenn sie denn nur lange genug stehen bliebe... aber der Blonden war es ein wenig unheimlich, was sich hier angestaut hatte. Und doch kam ihr dieser Ort seltsam vertraut vor. Aber das Schloss war nicht ihr Freund, ebenso wenig wie ihre Füße es waren. Beide schickten sie auf Irrwege. Auch Mokona hatte sich verlaufen. Das kleine weiße Fellknäuel war dem Geländewagen gefolgt, so gut es konnte – Mokona war schnell, aber ihre Kondition grauenhaft, deshalb hatte sie nach einigen hundert Metern aufgeben müssen und war ihnen langsamer hinterher getrottet; immer Fyes Energiesignatur folgend. Das hatte sie zum Schloss geführt und an den Statuen vorbei und ganz sicher hätte sie so auch den Garten entdeckt, wenn die Anordnung der Gänge in diesem Gebäude irgendeiner Logik folgen würde. Aber auf Abzweigung folgte Abzweigung, dann eine Leiter nach oben, dann Abzweigungen, dann wieder eine herunter, bis man endlich... ja, genau, bis man vor einer Sackgasse landete. Und dann hieß es zurück und das Spiel begann von vorn. Zweimal war das flauschige Wesen schon an der Küche vorbei gekommen; Zweimal hatte es den falschen Weg gewählt. Und es war auch gar nicht so einfach, sich zu merken wo es entlang gekommen war, da es sich hin und wieder in Vasen, Töpfen und Besenkammern verstecken musste, wenn eine der Mägde über den Gang eilte. Man konnte es Soel (denn das war ihr Vorname, eines der wenigen Dinge die sie nicht mit ihrem schwarzen Seelenpartner teilte) also nicht verdenken, dass sie verzweifelt war. Denn nichts macht uns – seien wir nun ein Mensch oder ein magisches Wesen – mehr Angst als Orientierungslosigkeit. Wir brauchen etwas oder jemanden, an dem wir uns festhalten können; ein Minimum an Stabilität. Und Mokona war gerade dabei ihre Familie zu verlieren, nur weil sie ihr nicht schnell genug hatte folgen können. Sie fing an zu weinen. Wie ein kleines Kind. Tränen reinigen, heißt es. Niemand weiß wie, doch sie scheinen Verzweiflung und Panik mit der Zeit auszuwaschen. Und wenn die Zeit kommt, da man des Weinens müde wird bemerkt man, wie albern man sich eigentlich auch benimmt und atmet tief durch. Mokona erinnerte sich an ihre Aufgabe und daran, wer sie war: die große Schwester. Und als solche hatte sie ein Vorbild zu sein. Okay, das vergaß sie nur zu gern. Aber sie war es, die andere tröstete, nicht umgekehrt. Und Kuro-daddy würde sicher schimpfen, wenn er sie hier heulend erwischte. Das Geräusch von Schritten erinnerte sie, dass sie sich ja eigentlich verstecken musste – nur ausgerechnet dieser Gang war leer und ohne Vasen. Haken schlagend, wie ein Hase auf der Flucht, wollte sie davon huschen aber da war es schon zu spät. „Mokona?“ Zum Glück war es nur Sue. „Sue-chan!!“, quiekte das weiße Fellknäuel und hüpfte zu dem jungen Mädchen, das es gleich in die Arme nahm. „Wenigstens einen hab' ich wieder gefunden. Wo sind denn die Anderen?“ „Ich weiß nicht. Ich bin im Auto eingeschlafen und hier wieder aufgewacht. Ich wollte sie auch gerade suchen.“ „Oh.“ Mokona war ein wenig enttäuscht. „Du kennst nicht zufällig den Weg, oder?“ „Ich weiß es nicht.“, gab Sue ehrlich zu. Die letzten Minuten war sie einer Spur gefolgt... einer klaren, willensstarken Emotion, die sie an Shaolan erinnerte aber wenn er es war, wieso spürte sie dann nicht auch Fye-san und Kurogane? Und doch, ein klares Ziel war besser als gar keines, auch wenn es sich als das Falsche erwies. Sie ging weiter, das Manjuu wie ein Plüschtier an ihre Brust gepresst. Weiter durch das Labyrinth, diesmal zielstrebiger als zuvor, bis die Spur sie zu einer großen Flügeltür führte, hoch genug, dass ein Mann doppelt so groß wie Kurogane hindurch passte und aus hartem, dunkelgrauen Holz. Die Türen sahen schwer aus, waren jedoch ganz leicht aufzustoßen und gaben den Blick frei auf einen langen Saal mit schwarzem marmornem Boden (so dunkel und glatt, dass er wirkte wie ein erstarrter See aus Tinte, auf dessen Oberfläche man sein Spiegelbild sehen konnte). Der Raum mochte zum Tanzen geschaffen sein; Tische flankierten zu beiden Seiten die Wände, während die Mitte ungenutzt und unberührt blieb. Aber wer mochte in so einem merkwürdigen und irreführenden Schloss schon tanzen? Zu einem war der Raum jedenfalls nicht geeignet: Zum leben. Es war kein Ort, den man einfach so aufsuchte und die Beiden fühlten sich langsam unwohl über ihr unerlaubtes Eindringen. Aber... gleichzeitig wurde Sue angezogen von dem, was am Ende des Raumes lag, der Tür direkt gegenüber, damit jeder, der eintrat seine Augen zuerst auf dieses Objekt richtete. Auf einem gläsernen Podest stand ein gewaltiger Thron aus Bronze, beschlagen mit dunkelgrünem Samt. Er wirkte zu wuchtig für die Person, die darauf saß und ließ sie aussehen wie eine Puppe, die man hingelegt und übers Spielen vergessen hatte. Eine Puppe in einem hübschen, pastellvioletten Kleid mit Rüschen und Spitze; regungslos und zerbrechlich stand sie im Kontrast zu den scharfen Linien der Thronornamente. „Das ist...“, fing Mokona an, den Mund zu einem überraschen „O“ geöffnet... dann brach sie in mädchenhaftes Kichern aus. „Das ist nicht Shaolan“, stellte Sue fest. Eine überflüssige Kundgebung, niemand hätte diese junge Schönheit mit dem wallenden brünetten Haar mit dem Jungen verwechseln können und doch fühlte sie sich ganz nach Shaolan an und ihre Gesichtszüge... Ihre Augenbrauen waren feiner, aber man konnte sehen, dass sie kastanienbraun waren welches sich nach außen zu einem helleren, nussigen Braunton verlief. Auch am Scheitelansatz konnte man das dunkle Braun sehen (sicher auch im Nacken, vermutete Mokona), aber mit zunehmender Länge hatte die Sonne es aufgehellt. Das hieß, dass sie viel Zeit außerhalb des Schlosses verbracht haben musste. Sie... sie hätte Shaolans ältere Schwester sein können, wenn er eine gehabt hätte. Mokona kicherte noch. Sie mussten unbedingt die Anderen holen. Sie konnte es gar nicht erwarten ihre Gesichter zu sehen, wenn sie erfuhren, dass der Shaolan dieser Welt ein Mädchen war! Vom Gang wurde der Klang einer fremden Stimme zu dem Mädchen und dem Wesen herangetragen. „... freut mich, dass es Ihnen wieder besser zu gehen scheint.“ Sue wirbelte herum; sie war sich gar nicht sicher, ob sie diesen Bereich des Schlosses überhaupt betreten durfte. Nicht, dass es ihre Schuld war, sie hatte sich ja verlaufen... doch hieß es nicht ’Unwissenheit schützt vor Strafe nicht’? Und sie hatten die Türen offen gelassen, man würde also sofort erkennen... „Nur eine kleine Magenverstimmung, nichts weiter“, erwiderte eine vertrautere Stimme auf die Erste. Fye-san. „Sie kennen das vielleicht; kaum ist man den Übeltäter los geworden, geht es einem schon wieder bestens.“ Mokona hörte auf zu lachen und verharrte still in Sues Griff. „Äh... sicher. Nun ja, was Ihre Anfrage betrifft: Ich kann Sie zu ihr bringen, aber es wird wenig Sinn haben. Wir gehen davon aus, dass Sie hören kann was um sie herum gesagt wird, aber ihr Zustand erlaubt es ihr nicht zu antworten, geschweige denn zu essen. Wir müssen sie regelmäßig mit Nährstoff-Infusionen versorgen.“ „Trotzdem gehört es sich, dass wir uns ihr vorstellen.“ Shaolan. Sie kamen in Sicht – der Junge, seine zwei „Erziehungsberechtigten“ und der Fremde, der graues Haar hatte, das schimmerte wie rostfreier Stahl. Er hielt irritiert inne als er Sue sah, doch noch bevor er etwas sagen konnte, kam sie schon auf ihre Freunde zugelaufen. „Kuro-tan! Fye! Shaolan! Da seid ihr ja, den Göttern sei Dank! Wir haben uns verlaufen und...“ „Wir?“, hakte der Grauhaarige nach und sah Sue auf eine Art an, die ihr gar nicht gefiel. Sie konnte sein Misstrauen und seine Abneigung spüren, die auf ihrer Haut kribbelten wie verdünnte Salzsäure. „Mein Stofftier und ich. Sie heißt Mokona“, erwiderte das Mädchen und presste Soel stärker an ihren Körper, weil dem Mann durchaus zuzutrauen war, dass er ihr das Wesen wegnahm. „Ein Stofftier, soso. Schön zu sehen, dass du aus einem Land stammst wo man sich solche Kindereien erlauben kann, junge Dame.“ Hätte Kurogane ihr nicht eine Hand auf ihre Schulter gelegt, wäre Sue rot geworden über so viel Unfreundlichkeit. „Sue-chan, das ist Master Elden Chambers, königlicher Sekretär“, stellte Fye den Mann vor, in einem Plauderton der nicht verriet, was der Blonde von Chambers hielt. Sie konnte aber fühlen, dass seine Sympathie ihr galt. Anstatt einer geheuchelten Begrüßung begann sie gleich drauf los zu fragen: „Wieso bewegt sich das Mädchen nicht? Sie ist nicht tot, aber man kann sie auch nicht atmen hören.“ „Weil sie mit einem Fluch belegt wurde.“ Der Wortwechsel brachte auch die Dimensionsreisenden dazu, die Frau auf dem Metallthron anzusehen. Zunächst war in allen drei Gesichtern Erkennen zu lesen, dann Irritation. Dann begannen sich individuell neue Emotionen heraus zu kristallisieren. Die Lippen des Magiers kräuselte sich zu einem neuen Lächeln (seine und Mokonas Bemerkungen würden später am Abend Shaolans Nerven und seine Männlichkeit auf eine harte Probe stellen); Der Ninja sah so perplex aus, wie man ihn sonst nur angesichts einer absurden Forderung der Hexe der Dimensionen erlebte und Shaolan... blinzelte. Er hatte das Gefühl, in einem schlechten Traum gefangen zu sein; einer, den er schon längst abgeschüttelt haben müsste. Es war noch gar nicht so lang her, da hatte er sein Ebenbild bekämpfen müssen um das Mädchen zu retten, das eigentlich gar nicht zu ihm gehörte. Nein, er hatte bis jetzt keine guten Erfahrungen mit Doppelgängern gemacht. Es heißt, Gegensätze ziehen sich an – in dem Falle war es die Ähnlichkeit, die Shaolan näher zu ihr trieb. Kurogane räusperte sich. „Das ist die Prinzessin?“, fragte er, was nichts anderes hieß als ’Sieht noch jemand, was ich sehe?’ Chambers zeigte wie bereits beim Zusammentreffen von Fye und Yuui keine Regung. Als wäre es eine Laune der Natur, die seine Aufmerksamkeit nicht verdiente. „Ja, das ist Roshana von Lattice, Thronprinzessin und offizielle Regentin von Stibia. In ein paar Wochen wird sie zweiundzwanzig und dann steht ihre Krönung zur Königin an. Ist das zu fassen? Bisher weiß das Volk nur, dass sie krank ist aber spätestens bei der Zeremonie wird das ganze Ausmaß ihres Zustandes nicht mehr zu verbergen sein.“ „Was für eine Art von Fluch soll das sein?“, knurrte Kurogane. Chambers drehte sich nicht einmal um (und das war verdammtes Glück, denn so bemerkte nur Shaolan, dass zwischen seinem Lehrer und dem Magier wieder einer dieser stummen Wortwechsel erfolgte [4], die nicht mal er verstand obwohl er Tag für Tag mit den beiden Männern zusammen lebte). „Das wissen wir nicht, es befinden sich natürlich keine Magier mehr bei Hofe. Aber alle Versuche unserer Ärzte sie zu wecken, blieben erfolglos. Also muss die Ursache magischer Natur sein.“ Fluch oder nicht Fluch, war es das, was Kurogane hatte wissen wollen? Shaolan selbst konnte keinen Unterschied feststellen zwischen der Magie, die in den Wänden steckte und der, die von dem Thron ausging aber seine Ausbildung hatte sich auch überwiegend auf Angriffszauber erstreckt. Er meinte ein leises Rascheln zu hören, Stoff, der sanft über Stoff glitt. Spürte einen Blick im Nacken. Aber als er wieder zu der Prinzessin blickte, die ihm so ähnlich sah, waren ihre Augen noch immer geschlossen. „Haben Sie es schon mal mit der wahren Liebe Kuss versucht?“, fragte Fye und man konnte das Grinsen aus seinen Worten heraushören. Kurogane sagte dem Magier, er solle nicht so einen Stuss von sich geben. Fye nannte Kurogane einen Spielverderber und schmollte. Shaolans Blick war auf die Prinzessin vertieft. Waren ihre Lippen vorhin auch schon leicht geöffnet gewesen? Und die Augen, die hinter diesen geschlossenen Lidern lagen... hatten sie dieselbe Farbe wie seine? Ein Zucken ihrer Mundwinkel. Ein so subtiles Lebenszeichen, dass er es sich auch eingebildet haben konnte, aber er musste dem trotzdem nachgehen. „Was tun Sie da, junger Mann?“, tadelte der Sekretär ihn, als der Brünette auf das Podest kletterte auf dem der Thron stand. „Würden Sie bitte etwas Abstand halten?“ Er dachte nicht einmal daran. Die Frau vor ihm hatte vielleicht dieselbe Seele wie er, wer konnte schon sagen ob sie ihm nicht auf seiner Reise weiterhelfen konnte? Ihm seinem Ziel näher bringen, den Erinnerungen seines anderen Ichs einen neuen Körper zu geben? Und selbst wenn nicht, dann konnte er ihr zumindest ein wenig Zuversicht spenden. Roshanas Hände waren in ihrem Schoß gefaltet und als Shaolan sie ergriff, spürte er sein Herz rasen. In seinen Ohren konnte er ein entferntes Schluchzen hören. Die Welt verschmolz zu einem Meer aus Farben, als der Thronsaal... Der Thronsaal ist leer und verlassen, bis auf die junge Prinzessin, die an der Tür steht welche zu (jemandes) Sharons Gemächern führt. Sie ist vierzehn, trägt kaum mehr als ein Nachthemd mit blutigem Saum und presst ein zappelndes und schreiendes Bündel an ihren zitternden Körper. Das Baby, sorgsam in Handtücher gepackt, ist ihre Nichte und ihr Plärren erinnert (Shaolan) Roshana daran, wie ihre große Schwester geschrieen hatte, als sie das Kind zur Welt gebracht hatte. Sharons verschwitztes, aber entzücktes Gesicht als die Hebamme den Säugling mit Tüchern auffing und verkündete, dass es ein Mädchen sei. Die Nabelschnur hatte man mit einer rosa Klammer abgeklemmt, um sie durchschneiden zu können. Als das Blut – viel zu viel Blut für eine Nachgeburt – begann den Boden zu benetzen, flatterten Sharons Lider plötzlich. Während der Wehen hatte sich der Griff der Königin wie ein Schraubstock angefühlt; umso schockierter war ihre Schwester, als Sharons Finger den ihren langsam entglitten. Die Hebammen wuselten herum, das Neugeborene fing an zu schreien aber die Prinzessin achtete nur auf ihre Schwester. Sie rief ihren Namen, schüttelte sie durch, egal ob das medizinisch gesehen falsch war oder nicht doch sie wollte nicht, dass Sharon die Augen schloss; aus Angst, sie würde sie sonst nie mehr öffnen. „Roshana?“, murmelte die Königin, als das Lidflattern endlich aufhörte. Sie sah ihre kleine Schwester direkt an und das gab (Shaolan) Roshana die Hoffnung, dass vielleicht doch noch nicht alles verloren war. Dann zerstörte Sharon diese Hoffnung mit zwei simplen Sätzen. „Du wirst doch auf sie aufpassen, nicht? Versprich mir, dass du nicht zulässt, dass meinem kleinen Mädchen etwas passiert.“ Die Prinzessin spürte Tränen in sich aufsteigen und umklammerte die schwächer werdenden Finger ihrer großen Schwester – die für sie Königin, Mutter und beste Freundin in einem gewesen war. Es konnte doch nicht enden, nicht so, nicht für Sharon. „Ich verspreche es.“ „Gut.“ Sharon brachte ein Lächeln zustande, das sie etwas weniger erschöpft aussehen ließ aber es war nichts von der Schalkhaftigkeit darin zu sehen, mit der sie immer Master Chambers an den Rand der Verzweiflung gebracht hatte. „Sag meinem Mann, dass ich ihn liebe.“ Hände griffen nach der Prinzessin, zerrten sie vom Kindbett weg damit sie den Ärzten nicht im Weg stand, ungeachtet ihrer Proteste, ihres Flehens Sharon möge doch um Himmels Willen sagen wer der Vater des Kindes sei, damit sie die Worte überbringen konnte. Aber vergebens, man schob sie zur Tür heraus. Und hier steht sie nun. Eine Stunde nach dem Tod ihrer Schwester trägt sie noch immer das blutbefleckte Nachthemd. Sharons Blut. Dasselbe Blut, das auch durch die Adern der noch namenlosen Prinzessin fließt die sie aus ihrem Kindbett gestohlen hat. Sie hat geschworen dieses Kind zu beschützen, aber sie kann nicht. Nicht hier. Was, wenn das Kind genauso wird wie Sharon? Wagemutig und unerschrocken offen ihre Meinung zu sagen? Langsamen Schrittes geht (Shaolan) Roshana auf den Thron zu und setzt sich davor, nicht hinein. Er ist zu groß für sie und sie bezweifelt, dass sie je hinein wachsen wird. Sich in diesen Thron zu setzen bedeutet Kompromisse zu schmieden, nicht das zu tun, was richtig ist. Und sie will das tun, was richtig ist. Sie schaukelt das Kind vorsichtig in den Schlaf, auch wenn es sich langsam in ihren Armen anfühlt wie ein dicker, schwerer Stein. Sie wiegt das Kind in den Schlaf und wartet auf die einzigen Menschen, denen sie wirklich trauen kann. Es dauert eine Weile, bis zwei Jungritter auftauchen, ein Junge und ein Mädchen, beide in dem gleichen Alter wie die Prinzessin, doch im Gegensatz zu ihr sind sie ihrer Position gemäß bekleidet. Nichtsdestotrotz verbeugen sie sich vor ihrer neuen Regentin und gerade als sie zu sprechen ansetzen, schüttelt die Prinzessin den Kopf. „Ich weiß, dass ihr meine Schwester fast genauso geliebt habt wie ich, also bitte, erspart mir euer Beileid, denn sie würde nicht wollen, dass wir ihretwegen traurig sind.“ Nicht, dass sich das vermeiden ließe, denn in den Augen des Jungen glitzern Tränen und seine Freundin versteckt ihre Traurigkeit hinter einer Maske grimmiger Entschlossenheit. „Wo ist Faye?“, fragt die Prinzessin und blickt von einem zum anderen. Ihr Blick bleibt jedoch an der jungen Frau hängen, deren rabenschwarzes Haar nicht wie sonst elegant geflochten ist; stattdessen fällt es ihr zottelig bis auf die Schultern. Der Grund dafür ist nicht etwa Nachlässigkeit, sondern hängt in der Tat mit der Abwesenheit der erwähnten Faye zusammen. „Magnolia? Sie folgt dir doch sonst auch überallhin wie ein Schatten.“ „Sie hat sich geweigert ihren Bruder allein zu lassen. Es geht ihm nicht gut, meint sie“, erwidert Magnolia knapp und ohne die höfischen Floskeln, die sie ohnehin für überflüssig hält (was ihr auch schon einiges an Ärger eingebracht hat). Die Stimme der Prinzessin klingt matt, als sie nach kurzem Grübeln erzählt: „Vor ungefähr einer Woche hat ein Bauer meiner Schwester berichtet, dass er gesehen hat wie sein gesamter Kartoffelacker zu blühen begann, einen Tag nachdem Faye dort die kranke Mutter ebenjenes Bauern besucht hat.“ „Ja und?“, erwidert Magnolia, aber ihr Körper spannt sich an. „Wir haben Febbraio, Magnolia. Der Frühling ist noch fern.“ Daraufhin erwidert sie gar nichts und starrt ihre Prinzessin nur an. In den roten Augen funkelt der Trotz. Magnolia würde nie einen Kameraden oder eine Kameradin verraten, nicht einmal ihren Freunden gegenüber. Hat man einmal ihr Vertrauen gewonnen, ist sie treu wie ein Hund... und manchmal auch so bissig. „Bitte...“ (Shaolans) Roshanas Tonfall wird flehend, sie schnieft kurz, „... ihr müsst etwas für mich erledigen, aber für diese Aufgabe braucht es jemanden der Magie beherrscht. Ich würde ja Karuso schicken-“ der Blick der Prinzessin wandert zu dem jungen Mann, der jetzt, da sein Name endlich ins Spiel kommt etwas enttäuscht darüber wirkt, dass er nicht von Nutzen sein kann. „-aber er ist ein Paladin-Anwärter und du weißt ja, wie genau man die Magier bei Hofe beobachtet. Wenn du eine Nacht fortbleibst oder vielleicht auch zwei wird keiner Fragen stellen. Deshalb frage ich dich noch einmal, diesmal direkt: trägt Faye das Merkmal?“ „Verdammt, sie kann Blumen aus der Erde singen, na und? Sie hat keine Ahnung vom kämpfen und sie reitet auf einem Pferd wie andere auf einem Schwein! Ich werde sie ganz bestimmt nicht mitnehmen, wenn-“ „Es geht um das Leben meiner Nichte.“ Es ist ein Flehen, kein Befehlston. Roshana von Lattice ist nicht eines jener Mädchen (und sie wird auch nie eine jener Frauen sein), die andere herum scheuchen, doch in ihrem Blick liegt eine solch tiefsitzende Aufrichtigkeit und Demut, dass eine Bitte von ihr mehr Wirkung zeigt als jedes Kommando. Magnolia kann nur zu Boden blicken, beschämt. „Verzeiht mir, Majestät. Ich habe mich vergessen. Was kann ich für Euch tun?“ „Ich möchte, dass du das Kind zur Gilde schaffst.“ Karuso atmet scharf ein; Magnolia hebt den Blick und blinzelt verwirrt. Aber (Shaolans) Roshanas Aufmerksamkeit gilt der neugeborenen Prinzessin mit ihrer rosafarbenen Runzelhaut. Der winzige Mund gleicht einer Rosenknospe und obwohl es ihre Pflicht ist, das Kind zu umsorgen kann sie doch nicht die Liebe aufbringen, die eine Mutter ihm geschenkt hätte. „Ich möchte, dass ihr die Magier der Gilde darum bittet die Prinzessin in die Obhut der Göttin des Mondes zu übergeben. Soweit ich weiß, ist sie die Schutzbefohlene der Waisen und vaterlosen Kinder. Die Gilde duldet keine Fremden in ihrer Mitte, aber wenn Faye das Merkmal trägt, dann wird man sie aufnehmen. Deine Aufgabe ist es, sie beide zu beschützen.“ „Prinzessin...“, Karuso tritt näher an den Thron heran. Wie immer wenn er nervös ist, zwirbelt er eine Haarsträhne zwischen seinen Fingern. „Seid Ihr sicher, dass ihr das wollt?“ „Ich bin mir sicher, dass ich um ihr Leben bangen würde wenn sie hier bleibt. Die Wände dieses Schlosses sind nicht mehr sicher für Magier oder die, die ihre Freunde sind.“ Der junge Paladin-Anwärter nickt, wobei ihm die Strähnen seines Ponys fast in die Augen fallen (sein fuchsbraunes Haar ist zu einem Bob geschnitten, eine Frisur, die sein freundliches, weiches Wesen noch betont). „Wenn das so ist, dann braucht die Prinzessin einen Namen. Für die Taufe.“ Eine Prinzessin von Stibia, mit den Riten der Magier getauft – das hat es noch nie gegeben in der Geschichte der Stadt. „Dann... dann möchte ich, dass ihr Name Susannah ist. Das war der Name von Sharons Lieblingsroman. Sie... sie hat ihre Bücher immer so geliebt, als wären es ihre Kinder.“ Die Unterlippe der viel zu jungen Regentin zittert aber sie verbietet es sich zu weinen. „Ich denke, das hätte ihr gefallen.“ Mit diesen Worten übergibt sie das Kind an Magnolia, die es mit einer Mischung aus Widerwillen und Unsicherheit entgegen nimmt. Sie ist es nicht gewohnt, solch zerbrechliche Wesen zu halten, ihre Hände umklammern die meiste Zeit den Griff eines Schwertes. Aber sie wird diese Aufgabe erfüllen. Ohne ein weiteres Wort zu verschwenden schenkt sie erst der Prinzessin, dann Karuso ein anerkennendes Nicken bevor sie sich zum gehen anschickt. Kaum sind ihre Schritte – gedämpft durch den dicken Teppich in den Gängen – nicht mehr zu hören, lässt er seine weiße Jacke von den Schultern gleiten und legt sie über die Füße der Prinzessin. „Ihr werdet Euch noch erkälten, Mylady“, tadelt er, doch auf seinen Lippen liegt ein warmes Lächeln. Zum ersten Mal bemerkt (Shaolan) Roshana, dass der Stoff, mit dem der Thron beschlagen ist dieselbe Farbe hat wie Karusos Augen. „Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du nicht so förmlich sein sollst wenn du mit mir sprichst? Ich habe einen Namen, aber Faye ist wohl die Einzige, die ihn kennt.“ „Aber nicht doch, Pr... Rosha-chan.“ Er mustert sie eine Weile still, bevor er ihre Hand ergreift. Es ist eine forsche Geste und ja, er wird rot dabei, aber (Shaolan) Roshana wird etwas leichter ums Herz. So lange es Menschen gibt wie Karuso Cherry, ist die Welt doch nicht so finster, wie sie ihr jetzt erscheint. „Es ist in Ordnung. Wir sind unter uns. Ihr... Du darfst ruhig weinen, wenn du magst. Es ist okay; das heißt nicht, dass du schwach bist.“ Sie überrumpelt ihn, indem sie ihm um den Hals fällt und ihr Gesicht an seiner Schulter verbirgt. „Keine Sorge, Prinzessin“, flüstert er und streicht ihr, nachdem die erste Befangenheit verflogen ist, beruhigend über den Rücken. „Solange Ihr über die Stadt wacht, wird alles gut werden.“ ~*+*~ Shaolan sollte erst eine Stunde nach seinem Blackout wieder aufwachen, in einer Militärpritsche und mit bandagiertem, vor Schmerzen hämmerndem Kopf. Und unter den besorgten Blicken seiner... „Familie“. Bevor sie Fragen stellen konnten, erzählte er ihnen alles was er gesehen hatte, solange die Details noch frisch waren. Er wählte seine Worte dabei sorgfältig und ohne Hast, damit Kurogane, Fye und Mokona auch wirklich alles verstanden. Er hatte das Gefühl, dass sie noch eine ganze Weile in diesem Land bleiben würden. __________ [1] Hört es euch an. Das Kratzen könnte man eher „Scra-a-a-a-ach“ schreiben und das „Knock“ klingt leicht hohl, eben wie Fingerknöchel auf einer Holztür. Großartige Lautmalung. [2] engl.: Little Red Riding Hood [3] Ich weiß, dass Fyes Fröhlichkeit zum Ende des Mangas aufrichtig ist und dass die Zeit seiner suizidalen Anwandlungen vorüber ist. Ich glaube auch, dass er überwiegend mit seiner Vergangenheit abgeschlossen hat, aber das heißt nicht, dass sie nicht noch ein wenig schmerzt wie alte Narben an regnerischen Tagen… [4] Ein schönes Beispiel hierfür sich in Band 21, S. 138 In diesem Kapitel habe ich so etwas wie einen Cameo. Was sinngemäß so eine Art Hintergrundauftritt ist. Das ist aber keine Self-Insert Geschichte, schließlich handelt es sich dabei ja nicht um mich sondern um eine alternative Version von mir, die in dieser Welt lebt und unerheblich für die Story ist. Wenn ihr mich nicht gefunden habt, müsst ihr das ganze Kapitel noch einmal lesen, haha. XD Tipp: Sucht die Geschichte mal bei Fanfiktion.de und achtet auf meinen Nicknamen dort. ;) Kapitel 3: Blut und Tinte und Stein ----------------------------------- Song: „Turn to Stone“ von Ingrid Michaelson. Frei übersetzt und ergänzt. I don’t want to be the first to let it go But I know, I know, I know If you have the last hands that I want to hold Then I know I’ve got to let them go Ingrid Michaelson, “Maybe” Zwei Wochen gingen rasch ins Land, wenn es doch in Stibia noch so viel zu entdecken gab. Einfache Regeln des Zusammenlebens, soziale Strukturen, Machtverteilungen... all die kleinen Rädchen, die die Stadt trotz allem am Leben erhielten. Und da es keinen anderen Ort gab, wo sie hingehen konnten und Mokonas Ohrring nicht aufleuchtete, hatten Shaolan, Kurogane und Fye versucht, sich so gut wie möglich einzufügen. ~Lasst uns einmal genauer hinsehen, über die Seiten der Bücher hinweg... Und wir lernen, dass unsere Seelen alles sind, was wir besitzen. Bevor wir zu Stein werden. Es waren die Abende in Stibia, die den schönsten Anblick boten. Wenn die Sonne nicht mehr direkt auf das Plateau schien und die Luft langsam abkühlte. Der Himmel war dann noch lange dunkelblau und die am Tag so lästige Wärme strählte vom Boden und von den Wänden der Gebäude ab – Naoko ging zu dieser Zeit des Tages gern barfuss herum, bevor sie zu der ihres Patenonkels zurück kehrte. Sogar die patrouillierenden Militärs, die ebenso zum Anblick der Stadt gehörten wie die beschädigten Häusersilhouetten, verlangsamten ihren Schritt etwas. Nach Sonnenuntergang würde sich ihre Anzahl verdoppeln. Die Patrouillen dienten nur einem Zweck: Die Bewohner zu beschützen, sei es vor den Magiern oder sich selbst. Meist jedoch... meist trugen sie nur ihre Waffen spazieren. Keiner war töricht genug, die Soldaten zu verärgern oder gar anzugreifen. Und was die Magier betraf... sie waren ungreifbar wie Schatten und dass sie überhaupt einen Fuß in die Stadt gesetzt hatten bemerkte man erst, wenn sie wieder fort waren. ~Lasst uns mit klarerem Gemüt schlafen gehen. Und mit Herzen, die zu groß sind, als dass sie in unsere kleinen Betten passen würden. Und vielleicht fühlen wir uns dann nicht ganz so allein... bevor wir werden zu Stein. Shaolan kehrte an jenem Abend müde und erschöpft vom Küchendienst heim. Wie viele Marinemitglieder Stibia beherbergte wurde einem erst dann richtig klar, wenn man eine Wagenladung Kartoffeln für sie schälen musste. Sein Rücken schmerzte von den Stunden, die er auf dem harten Schemel gesessen hatte; seine Hände hatten Schwielen und Schnittwunden und wenn er versuchte seine Finger auszustrecken, knackten die Knöchel und die Nervenenden taten ihre Empörung durch Schmerz kund. Es war am Besten, wenn er sie in einer klauenartigen Haltung ließ, als hätte er den Schäler noch in der Hand. Er schlurfte in das Schlafquartier, das er sich mit dem Rest seiner Gefährten teilen musste. Ein winziger Raum in einem der äußeren Bungalows der Siedlung. Die Räumlichkeiten, die man ihnen zugewiesen hatte, waren dieselben, die auch den anderen Rekruten zustehen würden. Die Betten waren nicht mehr als die Fächer eines besonders breiten Regals, in das man Matratzen gelegt hatte; niedrige Öffnungen in der Wand. Wer an Alpträumen litt und des Nachts aus dem Schlaf schreckte, stieß sich sofort den Kopf an. Unter jeder Nische gab es ein Schubfach, in dem man seine gesamte persönliche Habe verstauen konnte. Ansonsten gab es in dem Raum nur noch die drei Spinde, in denen ihre Arbeitskleidung hing. Keine Tische, kein Bad. Dafür gab es Gemeinschaftsduschen und Toilettenbaracken außerhalb des Wohnbungalows. Nur die kleine Sue hatten sie in dem Schloss unterbringen dürfen, aber jeder von ihnen besuchte sie mindestens einmal am Tag, sowie es ihre unterschiedlichen Dienstpläne zuließen. Als Shaolan wie ein Zombie in dem Raum torkelte, warf er Kurogane nur einen kurzen Blick zu, in seiner Müdigkeit reichte es nicht mal mehr zu einem „Hey“ als Begrüßung. Der Ninja zog sich gerade für seine Schicht um; er würde die Nachtwache übernehmen. „Hey, wo ist der M... Fye?“, fragte Kurogane und starrte auf seine Schnürsenkel. Es machte ihm immer noch Schwierigkeiten, Fye nicht mehr „den Magier“ nennen zu können, aber seinen Vornamen auszusprechen erschien ihn sogar noch schwieriger. „Küche. Immer noch.“ Da die gesamte Energie seines körpereigenen Zuckerspeichers aufgebraucht war, brachte der Junge einfach keine vollständigen Satz zusammen. Er stöhnte auf, als ihm wieder einfiel, dass sein Bett das oberste war. Und Shaolan war gar nicht nach Klettern zumute. Eher nach zusammenbrechen und auf dem Boden schlafen, wenn es sein musste. „Du kannst in meinem schlafen“, bot der Ninja an, als hätte er die Gedanken seines Schülers gelesen. Aber ihm waren nur die Schatten unter den braunen Augen und die verkrampfte Haltung von Shaolans Hand aufgefallen. „Danke.“ „Ach was.“ Der Schwarzhaarige ließ ein Taschenmesser in seinem Stiefel verschwinden. Sie trugen alle ein Messer bei sich; das gehörte zu den zahlreichen Regeln des Lebens hier. „Ich bin morgen früh wieder da, falls der Idiot fragt.“ „Hm...“, brummte der Brünette, schlüpfte aus seinen Schuhen und kroch auf die Matratze, ohne sich auszuziehen. Die Tür fiel ins Schloss, als sein Kopf den rauen Stoff des Kissens berührte. Keine Minute später war er weggenickt und fiel in einen tiefen, traumlosen Schlaf... ...bis eine Stimme nach ihm rief. Süß... vertraut... Er schlug die Augen auf, zumindest glaubte er, dass er das tat, als plötzlich ein großer Kirschbaum seine Sicht einnahm. Er – der Baum – schwebte in dimensionsloser Schwärze, wurzelte im Nichts. Zwischen den rosa Blüten lugte hin und wieder der Zipfel eines weißen Gewandes hervor. „Sakura?“ Ein Kichern sagte ihm, dass er richtig lag. Wer sonst sollte sonst seine Träume heimsuchen? Lautlos – denn Hintergrundgeräusche gab es selten in Träumen – bewegten sich die Blüten, als die Prinzessin von Clow Country aufstand und von dem Ast sprang. Ihr Fall war langsam, elegant und widersprach den Gesetzen der Schwerkraft, weshalb Shaolan auch nicht von der Umarmung seiner Liebsten umgerissen wurde. In jener Welt galten die Gesetze der Wissenschaft nicht, was zählte war die Phantasie und die Stärke des Geistes. Als Shaolan seinerseits die Arme um Sakura legte, konnte er sie spüren. Nicht auf sensorische Art; seine Finger waren taub für die Textur ihrer Haut, die weichen Härchen an ihrem Oberarm. Weil es nicht ihre Körper waren, die sich berührten, sondern ihre Seelen. Das war es, was er fühlte; Sakuras Wärme und Freundlichkeit, sein Ansporn für alles, was er getan hatte. Sein Antrieb, sein Licht. Es war der Teil, der Sakura unweigerlich zu Sakura machte, egal ob sie all ihre Erinnerungen besaß oder in einer anderen Welt geboren war. Sie war die Zuversicht. „Ich hab' dich vermisst“, murmelte die Prinzessin, als sie ein Stück zurück trat, um ihm besser ins Gesicht sehen zu können.“Es ist viel zu viel Zeit seit unseren letzten Treffen vergangen.“ Natürlich war es nur einige Monate her, dass sie sich zuletzt privat getroffen hatten, aber Sakura hatte die Zeit zwischen ihren Abschieden stets sinnvoll verbracht. Sie hatte sich von ihrer Mutter und Yukito-san weiter in der fortgeschrittenen Meditation unterweisen lassen, damit sie ihren Körper in einen Zustand der Ruhe und Gelassenheit versetzen und ihren Geist öffnen konnte. Die perfekten Voraussetzungen für eine Traumwanderung. Und solange auch Shaolans Geist vor dem Einschlafen entspannt und frei von wirren Fragen war, konnten sie sich treffen. Dann und nur dann war sein Verstand offen und Sakura konnte ihn finden, durch die karmische Verbindung, die sie teilten. Und für zwei Verlobte, die so die Möglichkeit bekamen, sich öfter zu sprechen, war eine plötzliche Sendepause schmerzlich. „Du warst in den letzten Wochen etwas blockiert, nicht?“, hakte sie nach, in ihrem Gesicht machte sich leichte Besorgnis breit. „Es ist doch nicht, weil euch etwas passiert ist, oder?“ „Nein, nein. Uns geht es soweit gut, ich hatte nur etwas viel um die Ohren“, gab Shaolan zu, obwohl er fand, dass es ziemlich lahm klang. Aber es stimmte – Stibia schien sein Hirn mit neuen Informationen zu fluten: zu viele Informationen, Unstimmigkeiten und Regeln, die es zu merken, entdecken und befolgen gab. Es war nicht einfach, dann den Kopf am Abend wieder frei zu kriegen. Ganz und gar nicht. Sakura legte ihre Hand an seine Wange und lächelte. „Du machst dir einfach zu viele Sorgen!“, tadelte sie, aber es lag liebevolle Nachsicht darin. Irgendwie beruhigte es Shaolan, sehen zu können, dass Sakuras Augen eine andere Grünschattierung besaßen als die von Sue. Sakura's Augen waren heller und die Farbe etwas intensiver. „Das sagt Fye auch immer.“ Neben anderen Dingen wie 'Du schläfst zu wenig' und 'Du isst nicht genug'. Aber das würde er Sakura ganz sicher nicht erzählen. „Aber es stimmt. Du machst dir immer Sorgen über irgendetwas.“ „Im Moment gilt meine einzige Sorge allein meiner wunderhübschen Verlobten“, erwiderte Shaolan mit einem galanten Lächeln und nahm ihre Hände in die seinen, nur um einen dezenten Kuss auf ihren Handrücken zu hauchen, auch wenn er selber darüber rot wurde. Auch Sakura errötete und entzog sich seinem Griff. „Warum bringst du mich nicht woandershin?“, schlug die sie ihrem zukünftigen Gemahl vor. „Ich möchte den Ort sehen, an dem ihr gelandet seid.“ Er nahm all seine Gedanken zusammen, um sich den Garten von Stibia Castle vorzustellen, mit seinen zahlreichen Beeten und den drei Brunnen. Es gab Rüben dort und kurios geformte Kürbisse, Avocados und Nüsse, Pomelos... und natürlich Kartoffeln. Nachdem Stibias letzte Reisvorräte langsam zur Neige gingen und auch keine Hühner mehr vorhanden waren, aus deren Eier man Nudeln herstellen konnte, waren Kartoffeln und Getreide das Hauptnahrungsmittel Nummer eins - Buchweizen war gerade der Renner und wurde bei allem aufgetischt, zu dem es sonst Reis gegeben hätte. Weiteres limitiertes Gut war, vom Fleisch und Fisch mal abgesehen, das Salz. Anders als die meisten Gewürze ließ es sich nicht einfach anbauen und als Küstenstadt war Stibia früher auch Exporteur für Meeressalz gewesen. Das hieß, einen geringen Vorrat gab es noch, aber so lange sich keine Anzeichen für Mangelernährung im Volk breit machte, würde man es nicht hergeben. Aber wie immer stand die Schönheit dieses Ortes im Kontrast zur harten Wahrheit. „Das ist der einzige grüne Ort auf den Plateau, ist das zu fassen? Mit Ausnahme des verlassenen Waldes, aber dorthin traut sich niemand und auch wir waren noch nicht mal an der Grenze. Wir hatten nicht die Zeit dazu.“ Sakura legte ihre Hand in Shaolans und gemeinsam liefen sie zu den Brunnen, um sich an den Rand zu setzen. Er ließ Kleeblüten zu ihren Füßen wachsen, weil er wusste, dass Sakura die mochte. Es erinnerte sie immer an ihre erste Begegnung. Jener Tag erschien ihm gerade unendlich lang her. „Die Stadt ist... ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll, aber es ist, als hätten die Leute keine Lust mehr. Sie reparieren ihre Häuser nicht, sie gammeln eigentlich die meiste Zeit herum... Vielleicht tun sie es ja auch nur, um Energie zu sparen und weniger Essen zu benötigen, was weiß ich. Weil die Stadt keinen Handel mehr betreiben kann, kommen die meisten Berufe ohnehin zum erliegen, aber... es ist, als würden sie einfach nur darauf warten, dass alles wieder so wir wie es vorher war.“ „Das hört sich ja schrecklich an...“, murmelte die Prinzessin. Sie ließ ihren Kopf auf seine Schultern sinken und vergrub die nackten Füße im Klee. „gibt es denn nichts, was man da tun kann?“ „Das ist es ja! Möglicherweise könnte man die Stadt mit Magie wieder senken, aber sie wollen nichts mit Magiern zu tun haben. Allein der Gedanke, einen Unterhändler dorthin zu schicken, macht ihnen Angst.“ Unterhändler. Etwas an diesem Wort sagte Shaolan, dass er sich an etwas erinnern sollte, aber er konnte nicht einordnen, wieso. Diese irrationale Furcht vor Magie... es war nicht nur Chambers oder Naoko-chan oder Colonel Helmholtz. Man konnte es im Gesicht jedes Bürgers von Stibia sehen; an dem Misstrauen in ihrem Blick, wenn einer von ihnen Fremden die Straße entlanglief. Nur Roshana, die Prinzessin, war anderer Ansicht gewesen. Aber sie war ja nicht in der Lage, ihr Land zur Besinnung zu rufen. Shaolan wollte sich gar nicht ausmalen, was wohl in dem Rest von Lattice Country los sein mochte, der seiner Prinzessin gänzlich beraubt war. Er glaubte auch nicht, dass er das herausfinden würde, in der Zeit, in der sie hier waren. „Sie beschuldigen sogar die Magier, ihr Schlachtvieh gestohlen zu haben... und ihre Kinder.“ „Die Kinder? Wieso?“ „Ich weiß nicht. Dafür hat keiner eine Erklärung. Aber das ist der Grund, warum die Marine Tag und Nacht durch die Straßen patrouilliert.“ Nicht, dass das eine Effekt hätte. Erst drei Tage zuvor war eine hochschwangere junge Frau – ein Petty Officer sogar – verschwunden. Aber das würde er Sakura nicht erzählen. Sie machte jetzt schon ein so betrübtes Gesicht. Er musste seiner liebreizende Verlobten doch nicht jede seiner eigenen Sorgen aufbürden. Ihr Daumen strich beruhigend über seinen Handrücken und obwohl er es sensorisch gesehen nicht spürte, wusste er, dass sie es tat. Weil man manches in Träumen einfach wusste und weil er ihre Anteilnahme spüren konnte. „Mach dir keine Sorgen... ich bin sicher, alles wird gut werden. Ihr findet schon eine Lösung, die findet ihr immer.“ Sie blickte zu ihm hoch, aus ihren hübschen grünen Augen, die dieselbe grüne Farbe wie die satten Kleeblätter zwischen ihren Zehen hatten und ihr ganzes Wesen strahlte. Und es war wieder da, das Gefühl, dass er sich an etwas erinnern musste. Ausgelöst durch das, was Sakura gesagt hatte. „Solange Ihr über die Stadt wacht, wird alles gut werden...“, murmelte der brünette Junge... und Sakura blinzelte. „Wie?“ „Das waren die Worte dieses Jungen...“ Karuso Cherry. Vertrauter der Prinzessin. Der Unterhändler, den man zu der Gilde gesandt hatte. Der Verräter. Der angebliche Verräter. Warum nur war es ihm nicht schon früher aufgefallen? „Sakura, ich muss dir noch etwas zeigen. Hab ich dir schon erzählt, dass ich meinem Alter Ego hier begegnet bin?“ ~*+*~ Sie hatte das Warten satt. Seit mehreren Wochen beobachtete sie nun schon die Stadt, in der Hoffnung irgendeine Neuigkeit zu erfahren, dass die Prinzessin zurück gekehrt war, doch keine Neuigkeiten drangen an ihr Ohr. Keine Auffälligkeiten gab es zu beobachten. Es war immer dasselbe – die Menschen redeten, patrouillierten, aßen und schliefen miteinander. Immer dieselbe Routine. Aber etwas musste passiert sein. Sie hatte gefühlt, wie jemand ihren Zauber ausgelöst hatte. Jemand hatte die Nachricht bekommen, jemand, der vom selben Blut war wie Roshana. Und seit Sharons Tod gab es da nur Prinzessin Susannah, auf die das zutraf. Es sei denn, jemand hatte einen Fehler gemacht, aber da sie selbst den Zauber gewirkt hatte, war das unmöglich. Die junge Frau gab einen lautlosen Seufzer von sich und zog ihre Mütze etwas tiefer ins Gesicht. Sie hatte sich von Yuzuriha-san und Arashi-san mit genügend Vertrauenszaubern belegen lassen, um eine ganze Armee wohlgesinnt zu stimmen und so lange sie nicht zu lang am selben Ort blieb und dem Marinelager nicht zu nahe kam, dürfte nicht viel schiefgehen. Trotzdem spielten ihre Finger nervös mit dem geflochtenen Zopf, in dem sie ihr Haar stets trug (sie hatte ein wenig Dreck hinein gerieben, damit seine helle, schimmernde Farbe nicht so sehr auffiel), als sie durch die Seitenstraßen bis auf den Markt schlenderte. Das Zwielicht der Abenddämmerung gab der Bronzestatue in der Mitte des Platzes eine merkwürdiges rotes Leuchten; sie sah fast so aus als würde sie glühen. Die Frau blieb davor stehen, ihre Finger strichen über den Sockel, zeichneten die Worte nach, an denen sie Tag für Tag vorbei gegangen war ohne sie je richtig zu bemerken. „Das Blut, das uns verbindet, ist unserem Herz Motor Die Tinte, die unsere Geschichte schreibt, schwärzt unsere Tränen Die Erde, aus der wir geboren, setzt sich in den Rillen unserer Finger fest“ Niemand wusste genau, was Frances Stibium der Nachwelt mit seinem einzigen Gedicht hatte sagen wollen. Einige erkannten die Wahrheit darin. Andere den Alkohol. Aber auch wenn es nur das Gefasel eines alten Mannes war, der zu tief in die Destille geschaut hatte; einige Menschen hatte es inspiriert. Blut und Tinte und Erde... für die junge Frau sprach das eine andere Sprache. Es klang ganz, als hätte der gute alte Frances das ein oder andere alchemistische Werk gewälzt. Und nicht die über Alltagsexperimente. Nein, es schien als hätte Frances eine Schwäche für die düstere, fragwürdige Materie gehabt. Wie der ehrenwerte Mr. Chambers wohl gucken mochte, wenn man das bekannt gab? „Hey, Kleine!“ Das Kommando einer Stimme, die zu erkennen die junge Frau gelernt hatte. Sie zuckte zusammen und ihr Herz fiel ein paar Stockwerte tiefer, wo es rumpelnd an der Magenwand abprallte. Ihr Götter! Von all den Marinemitgliedern, die es in der Stadt gab, musste es ausgerechnet er sein? Es schien, als würde sie doch nicht so glimpflich davon kommen. „Etwas spät, um noch draußen herum zu spazieren, nicht?“ Ihre Hand wanderte in die Tasche ihrer abgenutzten Jeans und ihre Finger tasteten vorsichtig nach einem Artefakt... einer Rauchkugel oder einem kleinen Schlafpuder. Irgendwas. „Hallo?“ Noch war er nicht misstrauisch, aber er würde es bald werden, wenn sie nicht antwortete. Aber sie wollte nicht mit ihm reden, hätte es auch gar nicht gekonnt. Hätte es denn nicht wenigstens der brünette Junge oder der blonde Mann sein können? Warum ausgerechnet er? Dieser Fremde machte sie nervös. Alles an ihm – seine Art zu sprechen, die scheinbar gleichgültige Art mit den Schultern zu zucken und vor allem diese Augen – erinnerte sie an You-chan. Ihre You-chan, die man mit diesem blöden Zauber belegt hatte und wenn es nicht ausdrücklich gegen Arashi-donos Anweisung gewesen wäre, dann wäre die Magierin schon längst in das Schloss gestürmt, um diesen lächerlichen Zauber aufzuheben, den irgendein Amateur gewirkt hatte. „Ich rede mit dir!“ Sie mochte den Fremden nicht. Sie hatte zu viel Zeit damit verbracht, ihn zu beobachten und er weckte... Bedürfnisse in ihr, die den Gefühlen spotteten, die sie für You-chan empfand. Ja, sie mochte ihn nicht, weil sie ihn begehrte, wo ihr Herz doch jemand anderem gehörte (und sie hielt an dieser Liebe fest, so närrisch und hoffnungslos sie auch sein mochte). Eine Hand legte sich auf ihre Schulter und in dem Moment stellte sie fest, dass er sogar roch wie ihre Freundin. Das war absolut unmöglich. „Bist du taub, oder was?“ War sie nicht, doch es war der Wahrheit näher, als man glauben mochte. Ihre Hand schloss sich um ein Objekt in ihrer Tasche – sie hatte ihre Wahl getroffen. Sie ließ es fallen, als sie sich unter seiner Hand hindurch duckte, den Mann anrempelte und dann davon lief wie der Blitz. Ganz kurz erhaschte sie ein Blick auf sein Gesicht – so wie er einen auf ihres – und sie konnte sehen, wie diese faszinierenden roten Augen sich überrascht weiteten. Sie blickte nicht noch einmal zurück, aus Angst, es könnte ihn dazu bewegen ihr zu folgen. Aber er würde ihr nicht folgen. Er hätte ihr nicht mal dann folgen können, wenn er es gewollt hätte, denn mal ehrlich: wer konnte mit diesen blöden, klobigen Maschinengewehren unter dem Arm schon rennen? Kurogane stand neben der Bronzestatue und fuhr sich mit der Hand durch die Haare, während sein Blick der Richtung folgte, in der die Kleine verschwunden war. Dabei war sie nicht einmal besonders klein gewesen, vielleicht einen Kopf kleiner als er und... ziemlich vertraut. Jetzt sah er schon Gespenster. Nein, jetzt sah er schon Magier, wenn keine da waren. Mal ganz abgesehen davon, dass sie das falsche Geschlecht hatte; der Idiot war noch immer beim Küchendienst. Der Ninja verdrängte den Gedanken mit einem „Tche“ und bückte sich nach dem kleinen glitzernden Etwas, das die Frau fallen gelassen hatte. Es war ein silberne Halskette mit einem Blutstein daran; ein dunkelgrau-metallisch schimmernder Halbedelstein. Er glaubte nicht, dass sie es hatte zurück lassen wollen (welche Frau gab schon gern ihren Schmuck her?), daher steckte er die Kette vorerst in seine Hosentasche. Vielleicht kam sie ja zurück, um die Kette zu suchen. Und vielleicht würde er dann ja ein paar Antworten bekommen. Für Kuroganes Geschmack waren das schon zu viele 'Vielleichts', aber so war eben alles in dieser Stadt. So vieles warf Fragen auf und wenn man einer nachgehen wollte, stieß man auf Unsicherheiten und Widersprüche und Eventualitäten... es ging ihm einfach nur auf die Nerven. Das waren nicht die Dinge, mit denen er sich gern beschäftigte; der Ninja brauchte eine klare Aufgabe, der er nachgehen konnte. Deshalb zuckte er mit den Schultern und setzte seine Patrouille fort. ~*+*~ Warum nur war es ihm nicht schon eher aufgefallen? Shaolan versuchte wirklich, sich nicht selbst einen Narren zu schimpfen, aber jetzt, da die Puzzleteile direkt nebeneinander lagen, war es nicht mehr zu leugnen, dass sie ineinander passten. Er hatte für Sakura noch einmal die Erinnerung aus Prinzessin Roshanas Vergangenheit herauf beschworen und dieses Mal hatte er das Ganze etwas distanzierter betrachten können. Diesmal hatte er sich nicht so gefühlt, als würde er das alles selbst durchmachen. Er hatte heraus gefunden, dass er, solange er träumte, die Erinnerung beliebig abrufen und anhalten konnte und gerade jetzt stand das Bild in dem Thronsaal still. Roshana saß emotionslos wie eine Puppe auf dem Thron und der Anblick hatte so irritierende Ähnlichkeit mit dem Zustand, in dem die Prinzessin sich jetzt befand. Magnolia war am gehen, die neugeborene Prinzessin in dem Armen. Aber es war Karuso, der Shaolans ganze Aufmerksamkeit hatte. Karuso Cherry. Wie die Kirsche. Karuso und Sakura. Sie hatten die gleichen Augen, den gleichen Haarschnitt, dasselbe Urvertrauen in das Gute des Menschen und die Gabe, denen, die sie liebten, Zuversicht zu spenden. Während der Shaolan dieser Welt eine junge hübsche Prinzessin war, war die Sakura jener Welt der Ritter an ihrer Seite. Es war merkwürdig, ihre Rollen so vertauscht zu sehen und doch brachte es Shaolan zum lächeln. Das war die Kraft von Hitsuzen – dass zwei, die zueinander gehörten, immer der wichtigste Mensch im Leben des Anderen waren, ganz egal in welche Welt sie hinein geboren wurden. Und während der Junge dabei zusah, wie Sakura neugierig ihr männliches Spiegelbild musterte, wurde ihm etwas klar. Es war unmöglich, dass Karuso seine Prinzessin betrogen haben sollte. Er wusste, wie Sakura war: Bösartigkeit und andere zu täuschen lag ihr fern und wenn Karuso Cherry sich mit der Gilde der Magier verbündet hatte, dann kann es dafür nur zwei Gründe gegeben haben. Die Erste war, dass er auf das Geheiß der Prinzessin gehandelt hatte; der Zweite, dass er davon überzeugt gewesen sein musste, dass das Bündnis für Frieden sorgen würde und dafür, dass alle glücklich wurden. Er hätte ganz sicher nicht gewollt, dass man die Prinzessin mit einem Fluch belegte, aber das bedeutete... „Man hat uns herein gelegt“, sagte Shaolan und Sakura, die gerade eine von Karusos Strähnen durch ihre Finger gleiten ließ, um sich zu vergewissern, dass der Farbton seiner Haare das gleiche rötliche Braun wie ihres hatte, hielt inne. „Was meinst du damit?“ „Uns oder diese Beiden. Die Geschichte, die Master Chambers uns erzählt hat; wenn sie wahr ist, dann bedeutet es, dass die Gilde wirklich ein Haufen skrupelloser Magier ist, die kein Interesse an einer friedlichen Lösung hatten. Wenn Roshana Karuso als Mittler geschickt hat, wieso wandten sich die Magier dann gegen sie? Entweder hat die Gilde die Beiden hinters Licht geführt oder...“ Sakura ließ ihre Hand sinken und blickte zu Prinzessin Roshana, dann zu Magnolia. „Du meinst, dass Roshana mit ihrer Befürchtung Recht hatte? Dass die eigentliche Gefahr bei Hofe liegt?“ Der Brünette nickte. „Fye hat mir gesagt, dass er keinen Fluch über der Prinzessin spüren konnte. Er sagte auch, wenn es einen Fluch gibt, dann muss er mit einem Verschleierungszauber maskiert worden sein. Aber auch Verschleierungszauber können aufgespürt werden, wenn die eigenen magischen Fähigkeiten stärker sind als die des Zauberers, der ihn gewirkt hat. Und wenn die Gilde tatsächlich einen Zauberer in ihren Reihen haben sollte, dessen Kräfte die von Fye übersteigen, dann hätte es ihn nur einen Wimpernschlag gekostet, sich die ganze Stadt untertan zu machen.“ Shaolan musste daran zurückdenken, wie der blonde Magier in Ruval Castle fast den ganzen Saal in die Luft gesprengt hatte und da hatte er nur über die Hälfte seiner Kräfte verfügen können. Nein. Wenn die Gilde tatsächlich so jemanden in ihren Reihen gehabt hätte, dann müssten sie sich nicht mit Versteinerungen aufhalten. „Also ist es gar kein Fluch. Aber was dann? Eine Krankheit?“ „Vielleicht.“ Eine Krankheit, die man der Gilde in die Schuhe geschoben hatte, wie man seit Jahren alle Schuld auf die Gilde abwälzte. Das war eine Möglichkeit. Aber Möglichkeiten gab es genug, was sie brauchten waren Beweise. „Sakura?“ „Ja?“ „Angenommen, Karuso Cherry lebt noch; meinst du, du könntest ihn finden? Und mit ihm reden?“ „Ich... ich weiß es nicht. Ich müsste es versuchen. Aber die andere Sakura, die deren Erinnerungen ich ihn mir trage, besaß diesen magischen Stab, den ihr die Sakura einer anderen Welt gegeben hatte. Es ist also möglich. Du möchtest, dass ich ihn frage, was wirklich passiert ist, nicht?“ „Ja. Ich muss wissen, ob man der Gilde vertrauen kann und ob er noch bei ihnen ist.“ Shaolan ließ die Umgebung verschwimmen und rief sich die Kreuzung in Erinnerung, an der sie gelandet waren. Der eine Weg führte nach Stibia, der Andere ins Nichts und der Letzte führte nach diversen Meilen des Ödlands zum Wald der verlassenen Träume, den man aus Bequemlichkeit meist nur den vergessenen Wald nannte. Sakura sah nicht glücklich aus. Sie schlang die Arme um ihren Oberkörper als fröstelte es sie. „Es wird gefährlich, nicht?“ „...vielleicht.“ Es war sogar ziemlich wahrscheinlich, aber er wollte seine Liebste nicht unnötig beunruhigen. Von ihnen beiden hatte sie das schlimmere Los gezogen; sie war zwar in Sicherheit, aber ständig zu warten und darauf zu hoffen, dass die nächsten Neuigkeiten gute waren, war sicher nicht einfach. „Aber deshalb möchte ich ja, dass du mit ihm redest. Wenn sich herausstellt, dass die Gilde tatsächlich die Übeltäter sind, zu denen sie gemacht werden, dann sollten wir so weiter machen wie bisher. Aber wenn sie freundlich sind... und wenn sie etwas bewirken könnten...“ Sakura stoppte seinen Redefluss, indem sie seine beiden Hände ergriff. „Ich weiß. Ich weiß, warum du das tun willst und warum du glaubst, das tun zu müssen. Das ist einer der Wesenszüge an dir, die ich so mag.“ Sie brachte ein schwaches Lächeln zustande, das doch von Sorgen gekennzeichnet war. „Aber Shaolan, du kannst nicht immer alle retten. Manchmal müssen wir akzeptieren, dass wir nichts bewirken können. Ich bin die Letzte, die möchte, dass irgendjemand leiden muss, aber du – oder besser dein Ich in dieser Welt – ist schon daran gescheitert. Und dabei ist sie hier aufgewachsen. Du bist ein Fremder in dieser Welt und ich möchte nicht, dass dir dasselbe passiert wie ihr. Ich... ich werde es versuchen. Ich werde versuchen, Karuso ausfindig zu machen, aber ganz egal wie das ausgeht, bitte versprich mir, dass du nichts tust, was euch irgendwie in ernsthafte Gefahr bringen kann.“ Dabei hatten sie ein Talent in Situationen hinein zu geraten, die tödlich enden konnten. „Ich verspreche es. Glaub mir, ich vergesse nicht, was mein eigentliches Ziel ist. Zu dir zurück zu kehren.“ Er wünschte, er wäre nie in dieses Land gekommen. Möglicherweise reichte es ja aus, Roshana zu retten, um sie in die nächste Welt zu befördern. Falls es irgendeinen karmischen Plan gab, den sie erfüllen mussten. Aber wenn Stibia noch lange isoliert war, dann würden bald viele Menschen sterben. Wenn die Unzufriedenheit nur lange genug in ihnen gärte und sie eines Tages doch beschlossen, dass apathisch auf der Couch zu sitzen nichts änderte, dann würde das restliche Volk sich mit Beschwerden an das Schloss wenden. Und wenn es Unruhen gab, dann hatte die Marine endlich eine Ausrede um die Waffen zu benutzen, die sie ungenutzt mit sich trugen. Die Stadt war ein Pulverfass, das nur darauf wartete, hoch zu gehen. ~*+*~ „Kuro-chan.“ Das Flüstern drang nur an den Rand seines Bewusstseins. Er war ein Ninja und als solcher immer aufmerksam, wenn er schlief, aber dieses Geräusch war vertraut und als harmlos eingestuft, daher ließ er sich davon nicht wecken. Er war erst spät ins Bett gekommen und seine innere Uhr sagte ihm, dass es zu früh war, um aufzustehen. Andererseits hatte ein Tag in Stibia 28 Stunden, also... „Kuro-chan!“ Das Flüstern wurde eindringlicher. Er wollte es aber gar nicht hören und brummte abwehrend. Nicht, dass die Nervensäge, die seinen Schlaf störte, ihm da eine Wahl ließ. „Wach auf, Shaolan ist verschwunden!“ Sofort schlug Kurogane die Augen auf und drehte sich von der Wand weg, nur um in ein schier entzücktes Gesicht zu blicken. Kurogane fragte sich, wieso er nicht tiefer lag. Müsste der Magier nicht neben seinem Bett kauern, anstatt davor zu stehen und von oben herab zu grinsen? Ah ja, richtig, er hatte mit dem Jungen getauscht. „Der Bengel ist weg?“ „Ah, du bist ja doch wach! Nein, der schläft friedlich und mit einem Lächeln auf den Lippen.“ „Natürlich bin ich wach, du hast mich ja grade geweckt, du Idiot. Moment...“ Er musterte den Blonden. Als Kurogane von seiner Schicht zurück gekommen war, weit nach Mitternacht, war der Magier nirgends zu sehen gewesen und es hatte auch kein Anzeichen gegeben, dass er zwischendurch das Zimmer betreten hatte. Und jetzt stand er auf einmal da – dem Sonnenstand nach musste es fünf Uhr morgens sein – in der Kleidung, die er gestern noch getragen hatte. Zumindest klebte an dem schwarzen Shirt noch ein winziges Stück Möhrenschale. Das ließ die Frage offen... „Wo warst du letzte Nacht?“ „Wieso? Ist Kuro-wanwan etwa eifersüchtig?“ Früher hätte die Aussage dazu geführt, dass der Ninja den Magier mit seinem Schwert durch den ganzen Raum gejagt hätte, ohne ihn zu erwischen. Aber jetzt, nachdem der Bastard, der Schuld an all dem war, endlich tot war, gab es eigentlich keinen Grund mehr für den Magier, mit einem halbernsten Flirten vom Thema abzulenken[1]. Und es gefiel Kurogane gar nicht, dass der Idiot in alte Muster zurück verfiel... „Ich war bei Yuui. Wir haben uns unterhalten, ein wenig Wein getrunken und darüber die Zeit vergessen. Wusstest du, dass er so gut wie gar nichts verträgt? Und er wird ganz schön geschwätzig, wenn er beschwipst ist!“ Okay, vielleicht war die Befürchtung etwas voreilig. Der Idiot hatte also doch nicht das Thema wechseln wollen. Aber er hatte ein anderes Problem auf den Tisch gebracht. Und so stellte Kurogane eine Frage, die er die letzten Wochen ziemlich oft gestellt hatte. „Dir ist aber klar, dass er nicht dein richtiger Bruder ist, ja?“ Man konnte mit ansehen, wie der Magier sich mehr und mehr mit dem anderen Ich seines Zwillings einließ und der Ninja wusste nicht, ob ihm das gefiel. Er wusste auch nicht, wie er reagieren würde, wenn er an Fyes Stelle wäre. Er wusste nur, was für eine Antwort er bekommen würde. Fye schmetterte die versteckte Kritik mit einem sanftmütigen „ja, ja“ ab und wie immer glaubte Kurogane ihm kein Wort. Es war die Art unbedeutende Erwiderung, mit der Erwachsene kleine Kinder abwimmelten. Und es kotzte ihn tierisch an, wie ein Kind behandelt zu werden, scheißegal dass der Andere drei Mal so alt war wie er. Da war ihm ja das „-mommy“ und „-daddy“ Gefasel lieber, denn das bedeutete immer noch, dass der Magier akzeptierte, dass sie gleichwertig waren. Trotzdem verkniff der Schwarzhaarige sich einen Kommentar. Diese verfickte Stadt trieb sie schon jetzt immer weiter auseinander und er würde den Teufel tun und ihr dabei helfen. Es wurde Zeit, dass sie von hier verschwanden. Er warf die Decke zurück und hievte sich aus der Box, die sie hier Bett nannten. „Und warum hast du mich jetzt geweckt?“ Fyes Augen hellten sich auf bei der Frage, auch wenn das die Müdigkeit nicht ganz aus ihnen verbannen konnte. „Ich habe endlich herausgefunden, wer sie ist!“ „Wer?“ „Magnolia!“ „Wer?“ Fye rollte ungeduldig mit den Augen. „Nie hörst du zu, Kuro-rin! Die junge Ritterin, die in Shaolans Erinnerung vorkommt. Die, die dazu beauftragt wurde, das Baby weg zu bringen.“ Seine Stimme ging schon automatisch in ein Flüstern über, wie immer, wenn sie in Stibia Themen ansprachen, die auch nur im Entferntesten mit Magie zu tun hatten. „Shaolan hat doch gesagt, dass er sie unter den Statuen wieder erkannt hat.“ Es dauerte eine Weile, bis sein müder Geist die Informationen zu einem Ganzen zusammen gefügt hatte. Und bis ihm wieder einfiel, dass mit den Statuen die versteinerten Menschen im Schlosshof gemeint waren. Wenn er an ihnen vorbei ging, ignorierte er sie meistens, das war besser so. Sie konnten eh nichts für sie tun. „Und was hat das mit mir zu tun?“ „Das will ich dir ja zeigen.“ ~*+*~ ~Und wenn du auf die Hand eines Anderen wartest, wirst du sicher hinfallen. Wenn du darauf wartest, dass ein Anderer deine Hand ergreift, wirst du fallen. Du wirst fallen. Sechs Uhr morgens, mehr oder weniger auf die Minute genau, trafen ein Magier und ein Schwertkämpfer im Schlosshof ein. Der Eine genervt, der Andere noch immer aufgekratzt vom Schlafmangel bahnten sie sich ihren Weg durch die versteinerten Statuen, bis sie vor der einen standen, die Fye schon beim ersten Mal aufgefallen war. Erwartend blickte er von der jungen Frau zu Kurogane und wieder zurück. „Und? Fällt dir denn gar nichts auf?“ Der Schwarzhaarige verschränkte die Arme vor der Brust und verengte die roten Augen zu schmalen Schlitzen. Er war nicht den ganzen Hügel hinauf gelatscht um zu erraten, was er nicht sah. Oder um sich belehren zu lassen. „Nichts, was du mir nicht schon beim ersten Mal erzählt hättest.“ Ja, sie hatte ihr Schwert fallen lassen. Ja, sie schien keine Wunden zu haben, wegen denen sich der Griff um ihre Waffe gelockert hätte, aber welche Rolle spielte das schon? Sie wussten nicht, was passiert war und es gab keinen Weg es herauszufinden, warum sollten sie sich also den Kopf darüber zerbrechen? „Du siehst es wirklich nicht, was? Shaolan hat uns beschrieben, dass ihr Haar schwarz ist. Und ihre Augen sind rot. Rot, Kuro-pon. Erinnert dich das nicht an jemanden?“ „An die Hexe.“ Fye seufzte. Kurogane mochte ein fabelhaftes Gedächtnis haben und ein gefährlicher Ninja sein und er hatte ein Gespür dafür, was Andere brauchten oder wie es ihnen ging... aber manchmal sah er die simpelsten Zusammenhänge nicht. Vor allem nicht, wenn es um ihn selbst ging. „Nein, nichts was wir über Magnolia wissen, deutet darauf hin, dass sie irgendwelche magischen Fähigkeiten besitzt.“ Du redest, als wäre sie noch am Leben. Du redest, als wäre sie nicht irgendein Ding, das die Landschaft verziert. Kurogane konnte nichts tun gegen das bittere Gefühl, das von ihm Besitz ergriff. Es schien, als würde der Magier sich mit jedem anfreunden wollen – Yuui, die kleine Brillenschlange und nun auch noch diese Statue – nur vergaß er dabei ganz, wer seine eigentlichen Freude waren. Fye, der von diesen finsteren Gedanken nichts ahnte, plauderte munter weiter. „Ihr vollständiger Name lautet Magnolia Hawking und Yuui hat mir gestern Abend erzählt, dass sie die ranghöchste Ritterin im königlichen Orden war. Und sie war auch mit Abstand die beste Schwertkämpferin von ihnen. Besser noch als Karuso Cherry, dem übrigens eher das Fechten lag. Wegen ihrer unnachgiebigen und energischen Art hat man ihr allerdings den Spitznamen 'Die Magnolie aus schwarzem Stahl' gegeben.“ Langsam dämmerte es dem Ninja, woraufhin der Ältere hinaus wollte. Schwarzer Stahl. Kurogane, auf Japanisch. „Nein. Vergiss es.“ Er erntete dafür ein belustigtes Grinsen. „Wieso? Widerstrebt dir der Gedanke etwa so sehr, dass dein anderes Ich eine Frau sein könnte? Du solltest dir ein Beispiel an Shaolan nehmen, er hat sich auch damit abgefunden.“ „Tsk. Das ist gar nicht das Problem. Ich werde sie nicht anfassen, nur damit du zusehen kann, ob mir dasselbe passiert wie dem Jungen.“ „Hyuu! Kuro-chan ist so vorausschauend“, frohlockte der Magier und warf die Arme in die Luft. Kurogane fand, dass er ins Bett gehörte und zwar schleunigst. „Außerdem ist das nicht... das bin nicht ich, klar? Das mit dem Namen muss ein Zufall sein.“ Er fühlte nichts von dem inneren Bedürfnis, auf sie zuzugehen und ihr zu helfen, das der Junge beschrieben hatte. Unmöglich, dass er zu der Statue stand wie Shaolan zu der Prinzessin. „Es gibt keine Zufälle. Regel Nummer 39, Kuro-chan.“ „Oh, hör' mir bloß mit diesen verfluchten Regeln auf, oder siehst du einen der Marine-Typen hier? Ich nicht.“ „Aber Yuuko-san hat das auch immer gesagt. Und was spricht dagegen, es zu versuchen? Was ist mit Regel Nummer 8: Nimm nie etwas als gegeben hin? Vielleicht passiert nichts, aber das weißt du nicht, wenn du es nicht zumindest versuchst.“ Das war ja wohl die Höhe! Jetzt wurde er noch dazu animiert, mehr zu riskieren und das von einem Mann, der fast sein ganzes Leben lang weg gelaufen war und sich nicht einmal selbst eine Chance gegeben hatte. Gegenfrage, Idiot: was ist mit Regel Nummer 3? Regel Nummer 10? Regel Nummer 15? Was ist damit? Sei nie unerreichbar.[2] Lass dich nie persönlich in einen Fall verwickeln. Arbeitet immer als Team. Der Magier hatte alle drei von ihnen gebrochen. Und auch wenn es Kurogane gar nicht passte, er machte sich mitschuldig, weil er es zuließ. Der Junge konnte dabei nicht helfen, er hatte den Kopf schon voll genug. Aber Kurogane konnte ja auch nicht immer da sein und den Blonden auf den Weg zurück zerren, wenn der sich verrannte. „Warum ziehst du nicht los und suchst dein Anderes Ich, wenn du so scharf darauf bist, etwas in Erfahrung zu bringen?“ „Weil sie tot ist, Kuro-rin.“ W... Das hatte der Magier bis jetzt verschwiegen. Kurogane fiel seine Begegnung am vorigen Abend wieder ein. Das Mädchen, das kein Wort gesagt hatte. Das Mädchen, dass Fye so ähnlich gesehen hatte. „Bist du sicher?“ Der Blonde nickte und strich sich eine Strähne hinter die Ohren, die sofort wieder an ihren Platz zurück fiel. „Faye, die Magierin, die in Shaolans Erinnerung erwähnt wird, ist Yuuis jüngere Schwester gewesen. Sie würde bei dem Gefecht getötet, bei dem auch die Ritter versteinert wurden. Und ich glaube nicht, dass Yuui lügen würde, was das betrifft. Nicht bei dem Ausdruck, den er in seinen Augen hatte, als er von ihr sprach. Vielleicht lässt Yuui mich deshalb so nah an sich ran, weil ich ihn an Faye erinnere.“ Kurogane erkannte das Lächeln auf Fyes Lippen, dieser wehmütige Ausdruck, der nichts anderes besagte als 'Ich bringe den Menschen nur Kummer, nicht?'. Der Ninja biss sich auf die Unterlippe und verkniff sich einen Kommentar. Nichts, das er hätte sagen können, hätte jetzt geholfen. Er hätte wie ein Heuchler angehört, weil vermutlich niemand nachvollziehen konnte, was für ein Gefühl das sein musste. Damit blieb wirklich nur noch er und sein anderes Ich übrig. Falls diese Frau wirklich sein anderes Ich sein sollte, was er noch immer bezweifelte. „Okay, ich versuch's.“ Was konnte schon schief gehen? Im schlimmsten Fall war er ein paar Minuten weggetreten, im besten Fall passierte gar nichts. Und er musste das ganze Theater auch nur ein Mal durchmachen, soweit sie wussten fand der Erinnerungsaustausch nur beim ersten Mal statt. Zumindest hatte der Junge es noch mehrmals probiert, aber die Prinzessin hatte auf keine weitere Berührung reagiert. (Kurogane erinnerte sich noch sehr genau an das flammend rote Gesicht des Jungen, als der Magier gemeint hatte: „Vielleicht berührst du sie ja nur nicht an der richtigen Stelle!“ … Er hatte dem blonden Idioten dafür eine Kopfnuss verpasst.) Er streckte die Hand aus... und zögerte. „Und... wo soll ich sie berühren?“ Der Magier blinzelte. Tippte sich mit dem Finger gegen das Kinn und grübelte. „Hm...“ „Jetzt mach schon, ich hab' keine Lust, dass uns hier einer entdeckt!“ Glücklicherweise standen die meisten Bewohner des Schlosses erst am späten Vormittag auf. „Shaolan hat ihre Hände ergriffen. Beide Hände. Also vielleicht solltest du dasselbe tun.“ Also stand er da und hielt Händchen. Mit einer Statue. Die angeblich ihn darstellen sollte, als Frau. Es gab Tage, da wünschte Kurogane sich, er hätte Schloss Shirasagi nie verlassen. Er hielt es ganze zehn Sekunden aus, bevor es ihm zu blöd wurde. „Siehst du? Es passiert nichts! Rein gar nichts.“ Und dann spürte er das Kribbeln an seinem Bein. Und die sich ausbreitende Wärme. Es war nicht direkt an seinem Bein, es war... Kurogane vergrub die Hand in der Hosentasche. Seine Finger schlossen sich um ein rundes Objekt. Es war warm und pulsierend. Lebendig. „Kuro-chan... was hast du da?“ Er hörte den alarmierten Ton des Blonden. Und holte den Gegenstand hervor; die Kette mit dem Blutstein, den das Mädchen vom vorigen Abend fallen gelassen hatte. Er starrte das Schmuckstück an – es sah noch genauso aus wie zuvor, wieso also fühlte es sich so merkwürdig an? Und wieso gerade jetzt? „Was hat das-“ zu bedeuten, wollte der Schwarzhaarige ergänzen, doch der Stein leuchtete plötzlich von innen auf und seine Welt wurde Rot. Das Licht, das durch die dicken Vorhänge fällt, wird zu einem angenehmen dunkelroten Ton gedämpft. Magnolia sitzt lustlos an ihrem Schminktisch, die Stirn auf der Handfläche abgestützt und wünscht sich, dass dieser sinnlose Tag einfach nur vorüber geht. Dabei hat er noch nicht mal richtig angefangen. Sie verzieht das Gesicht, als die Vorhänge aufgerissen wurden und das grelle Sonnenlicht ihr in die Auge sticht. „Verflucht, Faye! Muss das sein?“ „Aber You-chan, wie soll ich dir den sonst die Haare machen, wenn ich nichts sehen kann?“ You-chan. Sie weiß nicht, ob sie diesen Spitznamen besser oder schlimmer finden soll, als den, den ihr die Truppe verpasst hat. Vermutlich schon. Er ist verräterisch. Er ist... nun ja, Nihongo ist die Sprache der Einheimischen, die Sprache der Gilde. Da auch Magnolias Mutter einst ein Rotkäppchen war, beherrscht die junge Ritterin sie perfekt. Sie weiß, dass You Falke bedeutet und dass Faye ihn von ihrem Nachnamen Hawking abgeleitet hat. Aber Faye ist keine der Einheimischen, sie stammt aus einer Adelsfamilie aus Lillichalice, der Hauptstadt vom Pays de Lys, ihrem Nachbarland. Und dass sie diese Sprache ebenfalls fließend spricht, macht sie verdächtig, zumindest in den Augen derer, die die Gilde fürs einen avantgardistischen Geheimbund halten. Aber Magnolia ist eine der wenigen, die mit Gewissheit wissen, dass das Mädchen tatsächlich der Gilde angehört. Sie wurde vor über zwei Jahren bei ihnen aufgenommen, an jenem Tag, über den sie nicht sprechen. „Für so was gibt es Kammerzofen!“, bellt die schwarzhaarige junge Frau. Ihre Freundin, die gerade das herum liegende Nachthemd vom Boden aufhebt und faltet, kichert nur. „Schon, aber sie haben alle Angst vor dir. Und das wird nicht besser, wenn deine Haare aussehen, als wärst du in eine Waschstraße damit geraten. Gerade heute solltest du etwas präsentierbar aussehen.“ Die Schwertkämpferin verengt mürrisch ihre roten Augen. Hey, sie ist immerhin bereits voll bekleidet in ihrem Festtagsharnisch (der ihre lümmelnde Sitzposition zu einer echt schmerzhaften Sache macht), was will Faye denn noch? „Tch. Heut' werden eh nur alle Augen für dich haben. Nicht, dass ich dich drum beneide.“ Sie kann mit ansehen, wie Fayes Wangen sich merklich dunkler färben. Faye war bildhübsch an normalen Tagen; ihre helle Haut, das goldene Haar und diese himmelblauen Augen sind etwas, das man in Lattice Country nicht oft sieht. Aber heute, mit all dem Tand, den sie trägt, ist sie wunderschön. Das Kleid ist aus mehreren Schichten eines hauchdünnen weißen Stoffes gemacht, der so leicht ist wie der Wind selbst und auf ihrem Schopf thront ein Kranz aus Misteln. Das lange blonde Haar ist zu einem Zopf geflochten, der ihr leicht über die Schulter fällt und knapp oberhalb der schmalen Brust aufhört. Ashura würde sehr zufrieden sein mit dem, was er heute Nacht bekommt, denkt Magnolia mit einem bitteren Geschmack auf der Zunge. Gott, wie sie dieses Fest hasst. „Sag doch so was nicht!“, wehrt Faye ab und holt sich einen Stuhl heran um sich hinter Magnolia zu setzen. Sie schnappt sich eine Bürste und beginnt damit das widerspenstige schwarze Gewirr von Haaren zu entfitzen und es glatt und geschmeidig zu kämmen. „Ich könnte sie auch einfach abschneiden lassen, dann hätte ich das Problem nicht mehr!“ Die Ritterin verzieht keine Miene, trotz des Ziehens an ihren Haarwurzeln. Faye greift nach einem Kamm und separiert drei Strähnen, direkt oberhalb der Ohren, die sie zu einem schmalen Zopf flicht. „Genau. Weil sie sich noch nicht genug über dich lustig machen. Weiß du, was die anderen Ritter sagen? Dass du nie einen Mann finden wirst, weil du selbst schon ein halber bist.“ Die Blondine bindet den Zopf vorerst mit einem Haargummi zusammen und wiederholt die Prozedur oberhalb des anderen Ohrs. „Und wenn schon. Ich will überhaupt keinen Mann. Und es ist mir ganz egal, was die anderen darüber sagen“, deklariert Magnolia, missmutig wie immer. Ihrer Meinung nach hat aber Faye einen anständigen Ehemann verdient, aber den wird sie nicht bekommen. Weil man sie als Ernteprinzessin ausgewählt hat und es seit Jahrzeiten Ritus ist, dass sich die Ernteprinzessin mit dem Hohepriester der Gilde vereinigt, um die Fruchtbarkeitszauber zu vollenden, die für eine ertragreiche Ernte sorgen sollen. Und mal ehrlich... wer wird noch ein Mädchen heiraten, das nicht mehr intakt ist und vielleicht sogar ein Kind von einem anderen erwartet? „Magnolia...“ Sie versteift sich. Wenn Faye ihren richtigen Namen benutzt, dann ist meist irgendetwas nicht in Ordnung. Sie schweigt und wartet darauf, dass ihre Freundin fortfährt. „Meinst du, es... wird es weh tun?“ Sie muss nicht nachfragen, was die Blonde damit meint. Aber sie lässt sich Zeit mit der Antwort. Die kleine Bardin zu beruhigen indem sie ihr versichert, dass alles gut werden wird und dass sie das Richtige tut, obwohl sie das selbst nicht gutheißen kann. „Ich weiß es nicht“, erwidert sie wahrheitsgemäß. „Nicht, wenn er gut zu dir ist, glaube ich.“ „Oh... okay.“ Die Kleinere klingt noch unsicherer als zuvor. Magnolia kann fühlen, wie Faye ihr Haar jetzt langsamer durchkämmt. Sie fasst die losen Haare und die geflochtenen Zöpfe zu einem Pferdeschwanz zusammen. Ein paar Strähnen entkommen aber wie immer und kitzeln ihre Stirn. „So. Fertig.“ Während Faye den Stuhl weg räumt, betrachtet Magnolia ihr Spiegelbild, das mit der gleichen Freudlosigkeit zurück starrt. Dann, bevor sie zu lange drüber nachdenken kann, löst sie den Verschluss ihrer Kette. „Faye, lass das und komm her. Stell dich vor den Spiegel.“ „Weißt du, You-chan, es gibt da so ein kleines Wort namens 'bitte'...“, neckt das Mädchen, leistet der Anweisung aber sofort Folge. „Oh, halt die Klappe.“ Sie legt ihrer Freundin das kleine Silberkettchen um den Hals. Der Anhänger, ein Hämatit, schmiegt sich genau in die kleine Kuhle unterhalb des Halses, als wäre das der Platz, an den er ohnehin gehört. Er sieht zu dunkel aus auf ihrer hellen Haut und kalt, aber darauf kommt es nicht an. Faye hält irritiert den Atem an. Als sie wieder Luft holt, will sie protestieren. „Aber der Stein hat doch deinem Vater gehört!“ „Ja, und er hat ihm immer Glück gebracht, er kam nie mehr als leicht verletzt vom Schlachtfeld nach Hause. Deshalb will ich, dass du ihn kriegst. Ich habe mein Schwert, um mich zu verteidigen, du hast gar nichts.“ „Aber...“ „Sag nicht aber. Wenn ich sage, du kannst ihn haben, dann kannst du ihn auch haben.“ „Ich... also, wow, das ist... danke.“ Wow. Sie hat es geschafft. Sie hat Faye de Fleur sprachlos gemacht. Das kommt selten genug vor, deshalb muss es gewürdigt werden. Durch den Spiegel kann Magnolia sehen, wie die Blondine den Stein betastet, als wäre er irgendetwas Heiliges. Faye lächelt geistesabwesend, doch Magnolia schmerzt der Anblick ein wenig. So sehr die junge Schwertkämpferin sich auch freut dieses aufrichtige Lächeln geweckt zu haben, fühlt sie sich dennoch als hätte sie versagt. Weil sie das, was am heutigen Tag passieren wird, nicht verhindern kann. Die Szene verschwimmt, zieht sich zu einem Strudel aus Farben zusammen und formt sich neu. Magnolias Gemächer werden zu einem der bekannten und doch hochgradig verwirrenden Gänge des Schlosses. Die junge Ritterin stapft wütend und ohne ihrer Umgebung viel Beachtung zu zollen, umher. Ihre rechte Hand ruht auf dem Heft ihres Schwertes auch wenn weit und breit keine Bedrohung in Sicht ist. Prinzessin Roshana pflegte zu sagen, Faye würde Magnolia wie ein Schatten folgen. Um ehrlich zu sein, ist Faye mehr wie ein streunendes Kätzchen, freundlich zu allen, die ihr mit Freundlichkeit begegnen und vorsichtig gegenüber denen, die ihr Böses wollen. Sie neckt gern die Menschen, die ihr am Herzen liegen und schleicht sich dann davon. Manchmal verschwindet sie ohne Vorwarnung, aber sie vergisst nie, wo ihr zu Hause ist. Und ja, manchmal folgt sie Magnolia überallhin, denn dort, wo Magnolia ist, passieren die interessantesten Dinge. Nur diesmal sind sie weniger erfreulicher Natur. „Aber You-chan, das ist unmöglich,“ widerspricht sie, eine Unterhaltung fortsetzend, an der der Beobachter noch nicht teilhatte. „Ich weigere mich zu glauben, dass Ashura-san und Arashi-dono einem solchen Plan zugestimmt hätten.“ „Es ist egal, was du glaubst. Hast du die Prinzessin gesehen? Wer sonst könnte dafür verantwortlich sein?“ „Aber ich konnte keinen Fluch an Roshana feststellen. Und selbst wenn, was würde es ihnen bringen? Die Prinzessin war die größte Befürworterin der Gilde, sie außer Gefecht zu setzen bedeutet, sich ins eigene Fleisch zu schneiden.“ „Es sei denn, sie waren nie auf eine friedliche Lösung aus“, knurrt die Schwarzhaarige und schlägt einen rascheren Schritt an. Faye kann mithalten ohne außer Atem zu geraten. Man sieht es ihr nicht an, aber sie ist eine Bardin und da all ihre Magie auf Gesang beruht, muss sie über genügend Durchaltevermögen und eine außerordentliche Kondition verfügen. Ganz zu schweigen von einer perfekten Atemtechnik. „Aber sie haben Karuso akzeptiert und er würde nie...“ Magnolia bleibt so abrupt stehen, dass Faye gegen ihren Rücken stößt. Die Größere dreht sich um und packt sie bei den Schultern. Sie sieht aus, als hätte sie am liebsten die Torheit aus ihrer Freundin heraus geschüttelt. „Wir haben seit Wochen kein Wort von Karuso gehört. Mach die Augen auf, verdammt!“ Magnolia schreit nicht, dafür ist ihr Griff um die Arme der Blonden umso fester. Ja, das ist unnötig grob, aber manchmal gibt es keinen anderen Weg um sicherzugehen, dass Faye auch wirklich zuhört. „Deine ach so tollen Freunde stehen förmlich vor unserer Tür und verlangen, dass man ihnen die Prinzessin aushändigt, andernfalls werden sie angreifen. Sie wissen genau, dass wir der Forderung nicht nachgeben können, das heißt, sie legen es auf einen Krieg an. Und den werden sie bekommen.“ „Aber...“ „Kein aber! Der Angriff kann jeden Moment beginnen, also schnapp' dir deinen Bruder und verschwinde. Ganz egal wohin, nur steh mir nicht im Weg herum und vor allem, folge mir nicht ständig! Das Letzte, was ich heute gebrauchen kann ist eine tote Bardin.“ Ein erneuter Strudel bringt den Beobachter an das Tor des Schlosses. In seinem Rücken liegt der Innenhof, wo man den vertrauten Gesang von Metall an Metall hören kann, im Rhythmus des Kampfes. Aber vor ihm... da erstreckt sich der Hügel, auf dem Stibia Castle thront, satt und grün. Eine magische Kuppel drückt einen ganzen Ring des hohen Grases platt, darum steht eine Gruppe Marines mit ihren Maschinengewehren. Sie warten, lauern auf eine Bewegung derer, die noch darin sind. Es sind mindestens zwanzig von ihnen, gegen ein halbes Dutzend Magier. Man kann Faye angeregt mit einem jungen Mann mit Bobschnitt und grünen Augen reden sehen, anscheinend hat der Knabe das Kommando. Der Beobachter ist sich sicher, dass es sich dabei um Karuso handeln muss. Faye nickt und im nächsten Moment löst sie sich in einen blauen Lichtblitz auf. Ein weiterer Lichtblitz erscheint, direkt vor den Augen des Beobachters und er zuckt zusammen... aber dann wird ihm klar, dass das lächerlich ist, weil er ja nicht wirklich dort ist. Vermutlich könnte die Magierin direkt durch ihn durch laufen ohne dass ihm etwas passiert. Aber Faye läuft an ihm vorbei, stets Ausschau haltend nach einer Person; nach der einen Person, die diesen Wahnsinn aufhalten kann. Denn auf Magnolia werden sie hören, ganz sicher. Aber es ist unmöglich, zu der jungen Ritterin vorzudringen, hier kreuzt jeder mit jedem die Klingen. Ein paar Rotkäppchen sind auszumachen, einige Heilerinnen (sie besitzen dieselben Kapuzenumhänge wie die Rotkäppchen, nur in weiß), Alchemisten, Beschwörer... jeder in der Gilde, der ein Schwert führen kann ist hier vertreten und keiner von ihnen nutzt die magischen Fähigkeiten, die ihm gegeben wurden. Es wäre sonst ein unfairer Wettbewerb. Faye weicht einem Schwertschlag geschickt aus, tanzt förmlich um den Besitzer der Waffe herum... als die ersten Schüsse ertönen. Die Magier auf dem Hügel haben ihren Zug gemacht. Die blonde Frau atmet tief ein. Sie geht in sich, schließt sogar die Augen, auch wenn das vermutlich ihren Tod bedeutet. Und dann hält sie die Welt an. Nun ja, sie hält nicht wirklich die Welt an. Doch als ihre Lippen sich öffnen, entweicht ihnen ein klarer, schwermütiger Ton, anklagend und trauernd zugleich. Er bohrt sich direkt ins Herz und lässt alle in ihrem Gemetzel inne halten. Faye schlägt die Augen auf, die in einem überirdischen blauen Licht erstrahlen und ihr Blick fängt den von Magnolia auf. Die Bardin wirft ihrer Freundin ein entschuldigendes Lächeln zu ohne dass ihre Tonfolge abreißt, während sie mit ansehen muss, wie die Schwarzhaarige sich als Erste aus ihrer Paralyse befreit und auf sie zu gestapft kommt. An der Art, wie ihr Mundwerk sich beim Laufen bewegt, kann man sehen, dass sie zahlreiche Verwünschungen ausstößt; die meisten davon klingen wohl wie „Ich hab dir doch gesagt, du sollst nicht herkommen, du Idiotin!“. Ihre Blicke kreuzen sich, verharren beieinander. Rot und Blau. Heiß und kühl. Faye sah das Objekt nicht auf sich zukommen; ein grauer kreisrunder Schatten, der sie unterhalb des Kinns streift und dann in einem weiten Bogen zu seinem Besitzer zurückkehrt. Es lässt Faye einen Schritt zurück taumeln, der Luftzug wirbet ihre blonden Strähnen durcheinander, sodass sie im ersten Moment das Gesicht der Bardin verdecken. Die Tonfolge reißt schlagartig ab. Kontrahenten blinzeln sich an und fahren dann fort, ihre Klingen zu kreuzen. Die junge Bardin bekommt ein rotes, warmes Halsband, als das Blut rasch aus der Wunde fließt, zu spritzen beginnt. Es tränkt den Hämatit, der langsam von ihrem Dekolleté gleitet denn die silberne Kette die ihn hielt ist durchtrennt worden, ebenso wie Fayes Stimmbänder. Er fällt unbeachtet auf den steinernen Boden und seine Besitzerin sinkt neben ihm auf die Knie, beide Hände verzweifelt gegen die Wunde pressend. Magnolia rennt los. Drängt sich durch Freund und Feind; pariert wo es nötig ist und streckt nieder, wer ihr im Weg ist. Die Wunden, die sie ihren Kameraden zufügt werden bedeutungslos angesichts der Furcht, ihre Freundin zu verlieren. Der Beobachter ist auf ihren Weg fixiert, ihr Bestreben, ihre Willensstärke und findet sich selbst darin wieder. Die Ritterin wird allein von ihrer Wut gelenkt und die Ohnmacht, machtlos angesichts des Verlustes geliebter Menschen zu sein, hat sich noch nicht eingestellt. Ein junger Mann stellt sich ihr bewusst in den Weg, in seiner Hand ruht eine kreisrunde Scheibe, deren scharfe Klinge im Sonnenlicht schimmert. Man kann es nicht sehen, aber winzige Blutstropfen kleben daran. Die Worte, die er sagt, dringen nicht bis an die Ohren des Beobachters, aber sein Harnisch weist auch ihn als höfischen Ritter aus. Sein weibliches Gegenüber schreit auf wie ein waidwundes Tier, als sie die Klinge ihres Schwertes durch seine Brust rammt (wie ein heißes Messer durch Butter gleitet es). Jetzt gibt es keine Schlacht mehr, keinen politischen Konflikt und keine kunstfertig erlernte Kampftechnik. Nur pure Vergeltung. Als der junge Mann tot zu Boden sinkt, steigt Magnolia über ihn hinweg, hastet weiter und... Drei Schritte, weiter kommt sie nicht. Die Muskeln ihres Gesicht, vor Entschlossenheit zu einer starren Miene verzerrt, entspannen sich. Sie hält an. Ihre Lippen teilen sich zu einem kleinen, fassungslosen „Nein“. Der Beobachter richtet seinen Blick zurück zu dem Ort, an dem das Mädchen zu Boden gesunken ist und erkennt, dass Faye fort ist. Fort. Aber wieso? Und wie? Wie kann sie in ihrem Zustand... Karuso tritt an den Bereich heran, wo das Blut der Bardin gierig von dem Boden aufgeleckt wird und den Stein schwarz färbt. Er bückt sich um die Kette aufzuheben, die seine Freundin verloren hat. Betrachtet den Anhänger in seiner Handfläche. Der Paladin wirft Magnolia einen kurzen, kummervollen Blick zu und schüttelt den Kopf. Magnolias Griff lockert sich, als die Kraft sie verlässt. Das Heft ihres Schwertes rutscht aus ihren Fingern. 'Ich weiß', sagt eine neutale Stimme direkt im Geiste des Beobachters. 'Aber du darfst nicht auf sie achten. Achte auf das, was hinter ihr ist.' Ein silbernes Leuchten erhellt die Szene. Das Zentrum liegt am Eingang des Schlosses. Wie eine Decke breitet es sich über den Innenhof aus, kriecht unter die Haut der Nichtmagier und friert sie in ihrer Bewegung ein. Es färbt ihre Haut grau und macht sie hart und undurchdringlich. Jetzt hat das Leuchten auch den Körper der schwarzhaarigen Ritterin erreicht, aber sie scheint es nicht einmal zu bemerken. Mit einem Klirren kollidiert die Spitze von Magnolias Waffe mit dem massiven Boden, dann kippt das Schwert zur Seite. Die Mitglieder der Gilde drehen sich zu Karuso um, irritiert. „Was jetzt?“, fragt Yuzuriha-chan. Für einen Moment sieht es so aus, als wäre der junge Mann nicht in der Lage eine Antwort zu geben. Dann murmelt er ein leises „Rückzug“. Lichter flammen auf, als die ersten Transportzauber ausgeführt werden. Karuso schluckt. Die Wände des Schlosses flirren. „-chan...“ Zerfließen auf der blauen Leinwand des Himmels. „Kuro-chan!“ Das Bild vor seinen Augen verschwimmt zu einem einheitlichen Grauton, der sich zu Schwärze verdunkelt. Seine Sinne kehren langsam zurück. Er kann die kühle Feuchtigkeit spüren, die seine Stirn benetzt. Er schlug abrupt die Augen auf und musste sie gleich wieder schließen, weil die grelle Sonne schmerzte. Er gab ein unwirsches Grummeln von sich. „Er kommt zu sich, er kommt zu sich!“, jubelte ein piepsiges Stimmchen. „Das wird auch Zeit“, konnte man den Magier sagen hören, mit einer Mischung aus Ungeduld und Sorge. „Zu schade, sonst hätten wir das mit dem Kuss der wahren Liebe ausprobieren müssen,“ kicherte Mokona. „Dann hätten wir aber eine Münze werfen müssen, wer es zuerst probiert.“ „Ich kann euch hören!“, schnauzte der Ninja, der sich an einen zweiten Versuch wagte, die Augen zu öffnen. Diesmal war sein ganzes Sichtfeld erfüllt von zwei erleichterten Gesichtern, das eine weiß und rund, das Andere blass, aber mit einem liebevollen Lächeln. „Juhuu, Daddy ist wieder mürrisch!“ Kurogane ignoriert den Kommentar. „Was macht das Fellknäuel hier? Und wie lange war ich weg?“ „Mokona ist sofort herbeigeeilt, als sie einen Zauber gespürt hat!“, tschirpte das hasenartige Wesen. „Du warst vielleicht eine halbe Stunde ohnmächtig. Wesentlich kürzer als Shaolan, aber du bist ja auch nicht mit dem Dickschädel aufgeschlagen.“ Fye grinste provokativ. „Es scheint, als hätte irgendwas die Halskette aktiviert, die du bei dir hattest. Wo hast du die her?“ „Lange Geschichte“, erwiderte der Ninja, obwohl sie eigentlich gar nicht mal so lang war. Zusammen mit dem, was sich daraus ergeben hatte jedoch, füllte es schon die ein oder andere Stunde. Für den Moment war aber nur eines wichtig. „Die waren es nicht“, sagte Kurogane und versuchte seinen Oberkörper aufzurichten, aber alles drehte sich. „Ich fürchte, da musst du dich schon etwas klarer ausdrücken, Kuro-tan.“ „Diese Gildetypen. Wer auch immer die Leute hier verzaubert hat, die waren's nicht. Der Zauber kam aus dem Schloss.“ Weder Fye noch Mokona fragten, woher er diese Information hatte. Stattdessen reichte der Blonde ihm die Hand, damit er sich hochziehen konnte. Kurogane kam mit einem Ächzen zum Stehen und er hielt den Kopf gesenkt, bis er sicher war, dass sein Magen nicht rebellierte, dann versuchte er, ruhig durchzuatmen. Und er versuchte, die Bilder nicht zu sehr an sich heran zu lassen, die seinen Verstand quälten. Er hatte so das Gefühl, dass einiges davon gar nicht für seine Augen bestimmt gewesen war. Aber es ließ ihn so schnell nicht los. ~*+*~ ~Ich weiß, dass ich nichts Neues bin. Meine Worte mögen dir nicht viel, nicht bedeutend erscheinen. Aber Bruder, wie müssen wir von unseren Sünden abbitten... bevor wir zu Stein werden. Ihre Hände waren mit ockerfarbenem Schlamm verkrustet und krümelten, wenn sie sie bewegte. Sie machte sich ein wenig Sorgen; ein Großteil davon landete auf Ashuras Gewand, aber der Hohepriester schien es nicht einmal zu bemerken. Seine sanften Hände umrahmten ihr Gesicht, während seine goldenen Augen versuchten jeden ihrer Gedanken aus ihrer Mimik herauszulesen. Er musterte die junge Frau wie ein besorgter Vater sein Töchterchen, das kurz vor der Hochzeit stand. „Und du bist dir wirklich sicher, mein Kind? Du weißt, dabei könnten viele Menschen verletzt werden. Unschuldige.“ Sie nickte nur, hatte ihren Standpunkt schon zuvor klar gemacht. Ja, es würde wohl Verletzte geben, aber das müsse man in Kauf nehmen. Wenn sich nicht bald etwas änderte, dann waren sie noch viel schlimmer dran. „Verzeih, ich zweifle nicht an deiner Entschlossenheit oder deinen Motiven. Ich will nur sicher gehen, dass du nicht zu viel riskierst für etwas, das nicht mehr zu retten ist.“ Verlegen senkte sie die Lider. Es war schmerzlich, ausgerechnet von Ashura darauf hingewiesen zu werden. Der Mann hatte ihr nichts als Freundlichkeit und Sanftmut entgegen gebracht seit dem Tag, an dem sie ihn kennen gelernt hatte. Sie kannte die Größe und Gestalt seines Merkmals und der Kraft, die darin verborgen lag und er war einer der wenigen, die ihr Merkmal je gesehen hatten. Sie vertraute ihm, bedingungslos. Aber das hier würde sie durchziehen, mit oder ohne seinen Segen. „Gut. Wenn das so ist, dann werde ich dir das Auge geben, sobald die nötigen Vorbereitungen getroffen wurden. Und nun geh.“ Sie nickte und zog sich zurück aus dem Baumhaus. Die Magierin kraxelte die Strickleiter hinunter und rannte den schmalen Trampelpfad entlang der rostroten Nadelbäume. Begab sich auf die Lichtung, zu dem Altar, wo schon alles bereit lag: Der Lehm, den sie heran getragen hatte. Von allen Erdsorten eignete er sich am besten für ihr Vorhaben. Die Tinte, ebenfalls aus Erde gewonnen. Und der Dolch, der ihr die dritte und letzte Zutat für diesen Zauber beschaffen würde. Faye zog ihr Halstuch noch einmal straff und krempelte den linken Ärmel hoch. Setzte einen kurzen, nicht ernsthaft tiefen Schnitt am Unterarm, der aber ordentlich blutete. Sie fing die rote Flüssigkeit in einer Schale auf, bis der Strom versiegte und fügte so viele Tropfen der Tinte hinzu, bis die Mischung einen dunkelbraunen Farbton angenommen hatte. Dann tauchte sie eine zugespitzte Metallfeder hinein und begann, auf eine Pergamentrolle zu schreiben. Das Blut, das uns verbindet, ist unserem Herz Motor. Es spendet Leben und macht keinen Unterschied, welcher Spezies man angehört. Die Tinte, die unsere Geschichte schreibt, schwärzt unsere Tränen. Auf Papier gebannt, konnten Worte Bilder in unserem Geiste wecken, sie konnten erzählen, murmeln und beschwören. Die Erde, aus der wir geboren, setzt sich in den Rillen unserer Finger fest. Sie bietet die Grundlage, das Gefäß und das Medium für einen starken und überaus gefährlichen Zauber. Aber Faye würde nicht von ihrem Weg abweichen. Sie hatte endlich ein Heim gefunden, für das sie kämpfen konnte und Menschen, die es sich verdienten, beschützt zu werden, auch wenn zwei von ihnen außerhalb ihrer Reichweite waren. Nun, das ließ sich ändern. Es war ohnehin an der Zeit, dass sich etwas änderte. __________ [1] Ja, ich gehe davon aus, dass das Flirten im Manga nicht nur Show war und das Fye definitiv in Kurogane verliebt ist. Das werde ich auch im Rahmen dieser Story nicht ändern, aber ob die Gefühle unerwidert sind oder nicht, ist bei dieser FF reine Interpretationssache. [2] Wer die Gibbs-Regeln kennt, weiß, dass Nr. 3 doppelt belegt ist, dank einem kleinen Kontinuitätsfehler. Eine Variante besagt: „Never believe what you're told. Double-check.“ Die andere ist „never be unreacheable.“ Da sich Ersteres aber ungefähr mit Nummer Acht deckt, habe ich mich für die zweite Variante entschieden. Zur Erläuterung: Kuroganes Vision ist, wie man sicher gemerkt hat, verschieden von der, die Shaolan durchgemacht hat. Er ist nicht so sehr involviert und hat nicht das Gefühl, Magnolia zu sein, was daran liegt, dass der Zauber, der ihn das sehen lässt nicht auf Magnolia selbst liegt, sondern auf ihrer Kette. Deshalb sind wir manchmal näher bei Faye, weil sie diese Kette geschenkt bekommen hat. Wenn ich Zeit habe (HAHAHA, der war gut, was?), kommt später noch ein extra-Kapitel dazu, extra für die Variante bei FF.de, wo wir noch einen Einblick in den Ritus des Fruchtbarkeitsfestes erhalten, den ich persönlich wichtig finde um die Beziehung zwischen Faye und Ashura näher zu definieren. Die Idee ist überwiegend angelehnt an „Die Nebel von Avalon“ (auch wenn ich oft an Susan Delgados Stuation in „Glas“ von Stephen King denken musste). Ich will aber darauf hinweisen, dass es nichts mit Vergewaltigung zu tun hat. Nicht, dass ihr denkt, ich lasse es hier weg, weil es den Wettbewerbsregeln widerspricht (zumal der Wettbewerb eh schon zu Ende ist und ich die Deadline nicht gepackt habe. *seufz*), die Szene treibt die Story nur nicht voran und daher kann ich mir das zeitlich nicht leisten. Übrigens: FyexAshura finde ich persönlich nur okay, wenn es AU oder wie in diesem Fall eine andere Welt ist, in der die beiden kein reines Vater/Kind-Verhältnis haben. Der Grund dafür ist simpel: a) es ist gruselig und b) Parallelismus. Man muss kein Genie sein um zu erkennen, das Fyes Vergangenheit und Kuroganes Vergangenheit demselben Schema folgen: der Verlust der Familie und die Begegnung mit einem Herrscher (und Traumseher?), der das Kind bei sich aufnimmt und dem es treu ergeben ist und der zur neuen Vater bzw. Mutter/Schwesterfigur wird. Die einzige Ausnahme die ich da mache ist dieser eine englische OneShot von Mikkeneko... wer den lesen mag, dem kann ich gern den Link schicken. ^^ P.S.: die Variante auf FF.de enthält zusätzliche Szenen für die Shounen-Ai Fans. XD Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)