A Heap of Broken Images von Leia_de_Flourite ================================================================================ Kapitel 3: Blut und Tinte und Stein ----------------------------------- Song: „Turn to Stone“ von Ingrid Michaelson. Frei übersetzt und ergänzt. I don’t want to be the first to let it go But I know, I know, I know If you have the last hands that I want to hold Then I know I’ve got to let them go Ingrid Michaelson, “Maybe” Zwei Wochen gingen rasch ins Land, wenn es doch in Stibia noch so viel zu entdecken gab. Einfache Regeln des Zusammenlebens, soziale Strukturen, Machtverteilungen... all die kleinen Rädchen, die die Stadt trotz allem am Leben erhielten. Und da es keinen anderen Ort gab, wo sie hingehen konnten und Mokonas Ohrring nicht aufleuchtete, hatten Shaolan, Kurogane und Fye versucht, sich so gut wie möglich einzufügen. ~Lasst uns einmal genauer hinsehen, über die Seiten der Bücher hinweg... Und wir lernen, dass unsere Seelen alles sind, was wir besitzen. Bevor wir zu Stein werden. Es waren die Abende in Stibia, die den schönsten Anblick boten. Wenn die Sonne nicht mehr direkt auf das Plateau schien und die Luft langsam abkühlte. Der Himmel war dann noch lange dunkelblau und die am Tag so lästige Wärme strählte vom Boden und von den Wänden der Gebäude ab – Naoko ging zu dieser Zeit des Tages gern barfuss herum, bevor sie zu der ihres Patenonkels zurück kehrte. Sogar die patrouillierenden Militärs, die ebenso zum Anblick der Stadt gehörten wie die beschädigten Häusersilhouetten, verlangsamten ihren Schritt etwas. Nach Sonnenuntergang würde sich ihre Anzahl verdoppeln. Die Patrouillen dienten nur einem Zweck: Die Bewohner zu beschützen, sei es vor den Magiern oder sich selbst. Meist jedoch... meist trugen sie nur ihre Waffen spazieren. Keiner war töricht genug, die Soldaten zu verärgern oder gar anzugreifen. Und was die Magier betraf... sie waren ungreifbar wie Schatten und dass sie überhaupt einen Fuß in die Stadt gesetzt hatten bemerkte man erst, wenn sie wieder fort waren. ~Lasst uns mit klarerem Gemüt schlafen gehen. Und mit Herzen, die zu groß sind, als dass sie in unsere kleinen Betten passen würden. Und vielleicht fühlen wir uns dann nicht ganz so allein... bevor wir werden zu Stein. Shaolan kehrte an jenem Abend müde und erschöpft vom Küchendienst heim. Wie viele Marinemitglieder Stibia beherbergte wurde einem erst dann richtig klar, wenn man eine Wagenladung Kartoffeln für sie schälen musste. Sein Rücken schmerzte von den Stunden, die er auf dem harten Schemel gesessen hatte; seine Hände hatten Schwielen und Schnittwunden und wenn er versuchte seine Finger auszustrecken, knackten die Knöchel und die Nervenenden taten ihre Empörung durch Schmerz kund. Es war am Besten, wenn er sie in einer klauenartigen Haltung ließ, als hätte er den Schäler noch in der Hand. Er schlurfte in das Schlafquartier, das er sich mit dem Rest seiner Gefährten teilen musste. Ein winziger Raum in einem der äußeren Bungalows der Siedlung. Die Räumlichkeiten, die man ihnen zugewiesen hatte, waren dieselben, die auch den anderen Rekruten zustehen würden. Die Betten waren nicht mehr als die Fächer eines besonders breiten Regals, in das man Matratzen gelegt hatte; niedrige Öffnungen in der Wand. Wer an Alpträumen litt und des Nachts aus dem Schlaf schreckte, stieß sich sofort den Kopf an. Unter jeder Nische gab es ein Schubfach, in dem man seine gesamte persönliche Habe verstauen konnte. Ansonsten gab es in dem Raum nur noch die drei Spinde, in denen ihre Arbeitskleidung hing. Keine Tische, kein Bad. Dafür gab es Gemeinschaftsduschen und Toilettenbaracken außerhalb des Wohnbungalows. Nur die kleine Sue hatten sie in dem Schloss unterbringen dürfen, aber jeder von ihnen besuchte sie mindestens einmal am Tag, sowie es ihre unterschiedlichen Dienstpläne zuließen. Als Shaolan wie ein Zombie in dem Raum torkelte, warf er Kurogane nur einen kurzen Blick zu, in seiner Müdigkeit reichte es nicht mal mehr zu einem „Hey“ als Begrüßung. Der Ninja zog sich gerade für seine Schicht um; er würde die Nachtwache übernehmen. „Hey, wo ist der M... Fye?“, fragte Kurogane und starrte auf seine Schnürsenkel. Es machte ihm immer noch Schwierigkeiten, Fye nicht mehr „den Magier“ nennen zu können, aber seinen Vornamen auszusprechen erschien ihn sogar noch schwieriger. „Küche. Immer noch.“ Da die gesamte Energie seines körpereigenen Zuckerspeichers aufgebraucht war, brachte der Junge einfach keine vollständigen Satz zusammen. Er stöhnte auf, als ihm wieder einfiel, dass sein Bett das oberste war. Und Shaolan war gar nicht nach Klettern zumute. Eher nach zusammenbrechen und auf dem Boden schlafen, wenn es sein musste. „Du kannst in meinem schlafen“, bot der Ninja an, als hätte er die Gedanken seines Schülers gelesen. Aber ihm waren nur die Schatten unter den braunen Augen und die verkrampfte Haltung von Shaolans Hand aufgefallen. „Danke.“ „Ach was.“ Der Schwarzhaarige ließ ein Taschenmesser in seinem Stiefel verschwinden. Sie trugen alle ein Messer bei sich; das gehörte zu den zahlreichen Regeln des Lebens hier. „Ich bin morgen früh wieder da, falls der Idiot fragt.“ „Hm...“, brummte der Brünette, schlüpfte aus seinen Schuhen und kroch auf die Matratze, ohne sich auszuziehen. Die Tür fiel ins Schloss, als sein Kopf den rauen Stoff des Kissens berührte. Keine Minute später war er weggenickt und fiel in einen tiefen, traumlosen Schlaf... ...bis eine Stimme nach ihm rief. Süß... vertraut... Er schlug die Augen auf, zumindest glaubte er, dass er das tat, als plötzlich ein großer Kirschbaum seine Sicht einnahm. Er – der Baum – schwebte in dimensionsloser Schwärze, wurzelte im Nichts. Zwischen den rosa Blüten lugte hin und wieder der Zipfel eines weißen Gewandes hervor. „Sakura?“ Ein Kichern sagte ihm, dass er richtig lag. Wer sonst sollte sonst seine Träume heimsuchen? Lautlos – denn Hintergrundgeräusche gab es selten in Träumen – bewegten sich die Blüten, als die Prinzessin von Clow Country aufstand und von dem Ast sprang. Ihr Fall war langsam, elegant und widersprach den Gesetzen der Schwerkraft, weshalb Shaolan auch nicht von der Umarmung seiner Liebsten umgerissen wurde. In jener Welt galten die Gesetze der Wissenschaft nicht, was zählte war die Phantasie und die Stärke des Geistes. Als Shaolan seinerseits die Arme um Sakura legte, konnte er sie spüren. Nicht auf sensorische Art; seine Finger waren taub für die Textur ihrer Haut, die weichen Härchen an ihrem Oberarm. Weil es nicht ihre Körper waren, die sich berührten, sondern ihre Seelen. Das war es, was er fühlte; Sakuras Wärme und Freundlichkeit, sein Ansporn für alles, was er getan hatte. Sein Antrieb, sein Licht. Es war der Teil, der Sakura unweigerlich zu Sakura machte, egal ob sie all ihre Erinnerungen besaß oder in einer anderen Welt geboren war. Sie war die Zuversicht. „Ich hab' dich vermisst“, murmelte die Prinzessin, als sie ein Stück zurück trat, um ihm besser ins Gesicht sehen zu können.“Es ist viel zu viel Zeit seit unseren letzten Treffen vergangen.“ Natürlich war es nur einige Monate her, dass sie sich zuletzt privat getroffen hatten, aber Sakura hatte die Zeit zwischen ihren Abschieden stets sinnvoll verbracht. Sie hatte sich von ihrer Mutter und Yukito-san weiter in der fortgeschrittenen Meditation unterweisen lassen, damit sie ihren Körper in einen Zustand der Ruhe und Gelassenheit versetzen und ihren Geist öffnen konnte. Die perfekten Voraussetzungen für eine Traumwanderung. Und solange auch Shaolans Geist vor dem Einschlafen entspannt und frei von wirren Fragen war, konnten sie sich treffen. Dann und nur dann war sein Verstand offen und Sakura konnte ihn finden, durch die karmische Verbindung, die sie teilten. Und für zwei Verlobte, die so die Möglichkeit bekamen, sich öfter zu sprechen, war eine plötzliche Sendepause schmerzlich. „Du warst in den letzten Wochen etwas blockiert, nicht?“, hakte sie nach, in ihrem Gesicht machte sich leichte Besorgnis breit. „Es ist doch nicht, weil euch etwas passiert ist, oder?“ „Nein, nein. Uns geht es soweit gut, ich hatte nur etwas viel um die Ohren“, gab Shaolan zu, obwohl er fand, dass es ziemlich lahm klang. Aber es stimmte – Stibia schien sein Hirn mit neuen Informationen zu fluten: zu viele Informationen, Unstimmigkeiten und Regeln, die es zu merken, entdecken und befolgen gab. Es war nicht einfach, dann den Kopf am Abend wieder frei zu kriegen. Ganz und gar nicht. Sakura legte ihre Hand an seine Wange und lächelte. „Du machst dir einfach zu viele Sorgen!“, tadelte sie, aber es lag liebevolle Nachsicht darin. Irgendwie beruhigte es Shaolan, sehen zu können, dass Sakuras Augen eine andere Grünschattierung besaßen als die von Sue. Sakura's Augen waren heller und die Farbe etwas intensiver. „Das sagt Fye auch immer.“ Neben anderen Dingen wie 'Du schläfst zu wenig' und 'Du isst nicht genug'. Aber das würde er Sakura ganz sicher nicht erzählen. „Aber es stimmt. Du machst dir immer Sorgen über irgendetwas.“ „Im Moment gilt meine einzige Sorge allein meiner wunderhübschen Verlobten“, erwiderte Shaolan mit einem galanten Lächeln und nahm ihre Hände in die seinen, nur um einen dezenten Kuss auf ihren Handrücken zu hauchen, auch wenn er selber darüber rot wurde. Auch Sakura errötete und entzog sich seinem Griff. „Warum bringst du mich nicht woandershin?“, schlug die sie ihrem zukünftigen Gemahl vor. „Ich möchte den Ort sehen, an dem ihr gelandet seid.“ Er nahm all seine Gedanken zusammen, um sich den Garten von Stibia Castle vorzustellen, mit seinen zahlreichen Beeten und den drei Brunnen. Es gab Rüben dort und kurios geformte Kürbisse, Avocados und Nüsse, Pomelos... und natürlich Kartoffeln. Nachdem Stibias letzte Reisvorräte langsam zur Neige gingen und auch keine Hühner mehr vorhanden waren, aus deren Eier man Nudeln herstellen konnte, waren Kartoffeln und Getreide das Hauptnahrungsmittel Nummer eins - Buchweizen war gerade der Renner und wurde bei allem aufgetischt, zu dem es sonst Reis gegeben hätte. Weiteres limitiertes Gut war, vom Fleisch und Fisch mal abgesehen, das Salz. Anders als die meisten Gewürze ließ es sich nicht einfach anbauen und als Küstenstadt war Stibia früher auch Exporteur für Meeressalz gewesen. Das hieß, einen geringen Vorrat gab es noch, aber so lange sich keine Anzeichen für Mangelernährung im Volk breit machte, würde man es nicht hergeben. Aber wie immer stand die Schönheit dieses Ortes im Kontrast zur harten Wahrheit. „Das ist der einzige grüne Ort auf den Plateau, ist das zu fassen? Mit Ausnahme des verlassenen Waldes, aber dorthin traut sich niemand und auch wir waren noch nicht mal an der Grenze. Wir hatten nicht die Zeit dazu.“ Sakura legte ihre Hand in Shaolans und gemeinsam liefen sie zu den Brunnen, um sich an den Rand zu setzen. Er ließ Kleeblüten zu ihren Füßen wachsen, weil er wusste, dass Sakura die mochte. Es erinnerte sie immer an ihre erste Begegnung. Jener Tag erschien ihm gerade unendlich lang her. „Die Stadt ist... ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll, aber es ist, als hätten die Leute keine Lust mehr. Sie reparieren ihre Häuser nicht, sie gammeln eigentlich die meiste Zeit herum... Vielleicht tun sie es ja auch nur, um Energie zu sparen und weniger Essen zu benötigen, was weiß ich. Weil die Stadt keinen Handel mehr betreiben kann, kommen die meisten Berufe ohnehin zum erliegen, aber... es ist, als würden sie einfach nur darauf warten, dass alles wieder so wir wie es vorher war.“ „Das hört sich ja schrecklich an...“, murmelte die Prinzessin. Sie ließ ihren Kopf auf seine Schultern sinken und vergrub die nackten Füße im Klee. „gibt es denn nichts, was man da tun kann?“ „Das ist es ja! Möglicherweise könnte man die Stadt mit Magie wieder senken, aber sie wollen nichts mit Magiern zu tun haben. Allein der Gedanke, einen Unterhändler dorthin zu schicken, macht ihnen Angst.“ Unterhändler. Etwas an diesem Wort sagte Shaolan, dass er sich an etwas erinnern sollte, aber er konnte nicht einordnen, wieso. Diese irrationale Furcht vor Magie... es war nicht nur Chambers oder Naoko-chan oder Colonel Helmholtz. Man konnte es im Gesicht jedes Bürgers von Stibia sehen; an dem Misstrauen in ihrem Blick, wenn einer von ihnen Fremden die Straße entlanglief. Nur Roshana, die Prinzessin, war anderer Ansicht gewesen. Aber sie war ja nicht in der Lage, ihr Land zur Besinnung zu rufen. Shaolan wollte sich gar nicht ausmalen, was wohl in dem Rest von Lattice Country los sein mochte, der seiner Prinzessin gänzlich beraubt war. Er glaubte auch nicht, dass er das herausfinden würde, in der Zeit, in der sie hier waren. „Sie beschuldigen sogar die Magier, ihr Schlachtvieh gestohlen zu haben... und ihre Kinder.“ „Die Kinder? Wieso?“ „Ich weiß nicht. Dafür hat keiner eine Erklärung. Aber das ist der Grund, warum die Marine Tag und Nacht durch die Straßen patrouilliert.“ Nicht, dass das eine Effekt hätte. Erst drei Tage zuvor war eine hochschwangere junge Frau – ein Petty Officer sogar – verschwunden. Aber das würde er Sakura nicht erzählen. Sie machte jetzt schon ein so betrübtes Gesicht. Er musste seiner liebreizende Verlobten doch nicht jede seiner eigenen Sorgen aufbürden. Ihr Daumen strich beruhigend über seinen Handrücken und obwohl er es sensorisch gesehen nicht spürte, wusste er, dass sie es tat. Weil man manches in Träumen einfach wusste und weil er ihre Anteilnahme spüren konnte. „Mach dir keine Sorgen... ich bin sicher, alles wird gut werden. Ihr findet schon eine Lösung, die findet ihr immer.“ Sie blickte zu ihm hoch, aus ihren hübschen grünen Augen, die dieselbe grüne Farbe wie die satten Kleeblätter zwischen ihren Zehen hatten und ihr ganzes Wesen strahlte. Und es war wieder da, das Gefühl, dass er sich an etwas erinnern musste. Ausgelöst durch das, was Sakura gesagt hatte. „Solange Ihr über die Stadt wacht, wird alles gut werden...“, murmelte der brünette Junge... und Sakura blinzelte. „Wie?“ „Das waren die Worte dieses Jungen...“ Karuso Cherry. Vertrauter der Prinzessin. Der Unterhändler, den man zu der Gilde gesandt hatte. Der Verräter. Der angebliche Verräter. Warum nur war es ihm nicht schon früher aufgefallen? „Sakura, ich muss dir noch etwas zeigen. Hab ich dir schon erzählt, dass ich meinem Alter Ego hier begegnet bin?“ ~*+*~ Sie hatte das Warten satt. Seit mehreren Wochen beobachtete sie nun schon die Stadt, in der Hoffnung irgendeine Neuigkeit zu erfahren, dass die Prinzessin zurück gekehrt war, doch keine Neuigkeiten drangen an ihr Ohr. Keine Auffälligkeiten gab es zu beobachten. Es war immer dasselbe – die Menschen redeten, patrouillierten, aßen und schliefen miteinander. Immer dieselbe Routine. Aber etwas musste passiert sein. Sie hatte gefühlt, wie jemand ihren Zauber ausgelöst hatte. Jemand hatte die Nachricht bekommen, jemand, der vom selben Blut war wie Roshana. Und seit Sharons Tod gab es da nur Prinzessin Susannah, auf die das zutraf. Es sei denn, jemand hatte einen Fehler gemacht, aber da sie selbst den Zauber gewirkt hatte, war das unmöglich. Die junge Frau gab einen lautlosen Seufzer von sich und zog ihre Mütze etwas tiefer ins Gesicht. Sie hatte sich von Yuzuriha-san und Arashi-san mit genügend Vertrauenszaubern belegen lassen, um eine ganze Armee wohlgesinnt zu stimmen und so lange sie nicht zu lang am selben Ort blieb und dem Marinelager nicht zu nahe kam, dürfte nicht viel schiefgehen. Trotzdem spielten ihre Finger nervös mit dem geflochtenen Zopf, in dem sie ihr Haar stets trug (sie hatte ein wenig Dreck hinein gerieben, damit seine helle, schimmernde Farbe nicht so sehr auffiel), als sie durch die Seitenstraßen bis auf den Markt schlenderte. Das Zwielicht der Abenddämmerung gab der Bronzestatue in der Mitte des Platzes eine merkwürdiges rotes Leuchten; sie sah fast so aus als würde sie glühen. Die Frau blieb davor stehen, ihre Finger strichen über den Sockel, zeichneten die Worte nach, an denen sie Tag für Tag vorbei gegangen war ohne sie je richtig zu bemerken. „Das Blut, das uns verbindet, ist unserem Herz Motor Die Tinte, die unsere Geschichte schreibt, schwärzt unsere Tränen Die Erde, aus der wir geboren, setzt sich in den Rillen unserer Finger fest“ Niemand wusste genau, was Frances Stibium der Nachwelt mit seinem einzigen Gedicht hatte sagen wollen. Einige erkannten die Wahrheit darin. Andere den Alkohol. Aber auch wenn es nur das Gefasel eines alten Mannes war, der zu tief in die Destille geschaut hatte; einige Menschen hatte es inspiriert. Blut und Tinte und Erde... für die junge Frau sprach das eine andere Sprache. Es klang ganz, als hätte der gute alte Frances das ein oder andere alchemistische Werk gewälzt. Und nicht die über Alltagsexperimente. Nein, es schien als hätte Frances eine Schwäche für die düstere, fragwürdige Materie gehabt. Wie der ehrenwerte Mr. Chambers wohl gucken mochte, wenn man das bekannt gab? „Hey, Kleine!“ Das Kommando einer Stimme, die zu erkennen die junge Frau gelernt hatte. Sie zuckte zusammen und ihr Herz fiel ein paar Stockwerte tiefer, wo es rumpelnd an der Magenwand abprallte. Ihr Götter! Von all den Marinemitgliedern, die es in der Stadt gab, musste es ausgerechnet er sein? Es schien, als würde sie doch nicht so glimpflich davon kommen. „Etwas spät, um noch draußen herum zu spazieren, nicht?“ Ihre Hand wanderte in die Tasche ihrer abgenutzten Jeans und ihre Finger tasteten vorsichtig nach einem Artefakt... einer Rauchkugel oder einem kleinen Schlafpuder. Irgendwas. „Hallo?“ Noch war er nicht misstrauisch, aber er würde es bald werden, wenn sie nicht antwortete. Aber sie wollte nicht mit ihm reden, hätte es auch gar nicht gekonnt. Hätte es denn nicht wenigstens der brünette Junge oder der blonde Mann sein können? Warum ausgerechnet er? Dieser Fremde machte sie nervös. Alles an ihm – seine Art zu sprechen, die scheinbar gleichgültige Art mit den Schultern zu zucken und vor allem diese Augen – erinnerte sie an You-chan. Ihre You-chan, die man mit diesem blöden Zauber belegt hatte und wenn es nicht ausdrücklich gegen Arashi-donos Anweisung gewesen wäre, dann wäre die Magierin schon längst in das Schloss gestürmt, um diesen lächerlichen Zauber aufzuheben, den irgendein Amateur gewirkt hatte. „Ich rede mit dir!“ Sie mochte den Fremden nicht. Sie hatte zu viel Zeit damit verbracht, ihn zu beobachten und er weckte... Bedürfnisse in ihr, die den Gefühlen spotteten, die sie für You-chan empfand. Ja, sie mochte ihn nicht, weil sie ihn begehrte, wo ihr Herz doch jemand anderem gehörte (und sie hielt an dieser Liebe fest, so närrisch und hoffnungslos sie auch sein mochte). Eine Hand legte sich auf ihre Schulter und in dem Moment stellte sie fest, dass er sogar roch wie ihre Freundin. Das war absolut unmöglich. „Bist du taub, oder was?“ War sie nicht, doch es war der Wahrheit näher, als man glauben mochte. Ihre Hand schloss sich um ein Objekt in ihrer Tasche – sie hatte ihre Wahl getroffen. Sie ließ es fallen, als sie sich unter seiner Hand hindurch duckte, den Mann anrempelte und dann davon lief wie der Blitz. Ganz kurz erhaschte sie ein Blick auf sein Gesicht – so wie er einen auf ihres – und sie konnte sehen, wie diese faszinierenden roten Augen sich überrascht weiteten. Sie blickte nicht noch einmal zurück, aus Angst, es könnte ihn dazu bewegen ihr zu folgen. Aber er würde ihr nicht folgen. Er hätte ihr nicht mal dann folgen können, wenn er es gewollt hätte, denn mal ehrlich: wer konnte mit diesen blöden, klobigen Maschinengewehren unter dem Arm schon rennen? Kurogane stand neben der Bronzestatue und fuhr sich mit der Hand durch die Haare, während sein Blick der Richtung folgte, in der die Kleine verschwunden war. Dabei war sie nicht einmal besonders klein gewesen, vielleicht einen Kopf kleiner als er und... ziemlich vertraut. Jetzt sah er schon Gespenster. Nein, jetzt sah er schon Magier, wenn keine da waren. Mal ganz abgesehen davon, dass sie das falsche Geschlecht hatte; der Idiot war noch immer beim Küchendienst. Der Ninja verdrängte den Gedanken mit einem „Tche“ und bückte sich nach dem kleinen glitzernden Etwas, das die Frau fallen gelassen hatte. Es war ein silberne Halskette mit einem Blutstein daran; ein dunkelgrau-metallisch schimmernder Halbedelstein. Er glaubte nicht, dass sie es hatte zurück lassen wollen (welche Frau gab schon gern ihren Schmuck her?), daher steckte er die Kette vorerst in seine Hosentasche. Vielleicht kam sie ja zurück, um die Kette zu suchen. Und vielleicht würde er dann ja ein paar Antworten bekommen. Für Kuroganes Geschmack waren das schon zu viele 'Vielleichts', aber so war eben alles in dieser Stadt. So vieles warf Fragen auf und wenn man einer nachgehen wollte, stieß man auf Unsicherheiten und Widersprüche und Eventualitäten... es ging ihm einfach nur auf die Nerven. Das waren nicht die Dinge, mit denen er sich gern beschäftigte; der Ninja brauchte eine klare Aufgabe, der er nachgehen konnte. Deshalb zuckte er mit den Schultern und setzte seine Patrouille fort. ~*+*~ Warum nur war es ihm nicht schon eher aufgefallen? Shaolan versuchte wirklich, sich nicht selbst einen Narren zu schimpfen, aber jetzt, da die Puzzleteile direkt nebeneinander lagen, war es nicht mehr zu leugnen, dass sie ineinander passten. Er hatte für Sakura noch einmal die Erinnerung aus Prinzessin Roshanas Vergangenheit herauf beschworen und dieses Mal hatte er das Ganze etwas distanzierter betrachten können. Diesmal hatte er sich nicht so gefühlt, als würde er das alles selbst durchmachen. Er hatte heraus gefunden, dass er, solange er träumte, die Erinnerung beliebig abrufen und anhalten konnte und gerade jetzt stand das Bild in dem Thronsaal still. Roshana saß emotionslos wie eine Puppe auf dem Thron und der Anblick hatte so irritierende Ähnlichkeit mit dem Zustand, in dem die Prinzessin sich jetzt befand. Magnolia war am gehen, die neugeborene Prinzessin in dem Armen. Aber es war Karuso, der Shaolans ganze Aufmerksamkeit hatte. Karuso Cherry. Wie die Kirsche. Karuso und Sakura. Sie hatten die gleichen Augen, den gleichen Haarschnitt, dasselbe Urvertrauen in das Gute des Menschen und die Gabe, denen, die sie liebten, Zuversicht zu spenden. Während der Shaolan dieser Welt eine junge hübsche Prinzessin war, war die Sakura jener Welt der Ritter an ihrer Seite. Es war merkwürdig, ihre Rollen so vertauscht zu sehen und doch brachte es Shaolan zum lächeln. Das war die Kraft von Hitsuzen – dass zwei, die zueinander gehörten, immer der wichtigste Mensch im Leben des Anderen waren, ganz egal in welche Welt sie hinein geboren wurden. Und während der Junge dabei zusah, wie Sakura neugierig ihr männliches Spiegelbild musterte, wurde ihm etwas klar. Es war unmöglich, dass Karuso seine Prinzessin betrogen haben sollte. Er wusste, wie Sakura war: Bösartigkeit und andere zu täuschen lag ihr fern und wenn Karuso Cherry sich mit der Gilde der Magier verbündet hatte, dann kann es dafür nur zwei Gründe gegeben haben. Die Erste war, dass er auf das Geheiß der Prinzessin gehandelt hatte; der Zweite, dass er davon überzeugt gewesen sein musste, dass das Bündnis für Frieden sorgen würde und dafür, dass alle glücklich wurden. Er hätte ganz sicher nicht gewollt, dass man die Prinzessin mit einem Fluch belegte, aber das bedeutete... „Man hat uns herein gelegt“, sagte Shaolan und Sakura, die gerade eine von Karusos Strähnen durch ihre Finger gleiten ließ, um sich zu vergewissern, dass der Farbton seiner Haare das gleiche rötliche Braun wie ihres hatte, hielt inne. „Was meinst du damit?“ „Uns oder diese Beiden. Die Geschichte, die Master Chambers uns erzählt hat; wenn sie wahr ist, dann bedeutet es, dass die Gilde wirklich ein Haufen skrupelloser Magier ist, die kein Interesse an einer friedlichen Lösung hatten. Wenn Roshana Karuso als Mittler geschickt hat, wieso wandten sich die Magier dann gegen sie? Entweder hat die Gilde die Beiden hinters Licht geführt oder...“ Sakura ließ ihre Hand sinken und blickte zu Prinzessin Roshana, dann zu Magnolia. „Du meinst, dass Roshana mit ihrer Befürchtung Recht hatte? Dass die eigentliche Gefahr bei Hofe liegt?“ Der Brünette nickte. „Fye hat mir gesagt, dass er keinen Fluch über der Prinzessin spüren konnte. Er sagte auch, wenn es einen Fluch gibt, dann muss er mit einem Verschleierungszauber maskiert worden sein. Aber auch Verschleierungszauber können aufgespürt werden, wenn die eigenen magischen Fähigkeiten stärker sind als die des Zauberers, der ihn gewirkt hat. Und wenn die Gilde tatsächlich einen Zauberer in ihren Reihen haben sollte, dessen Kräfte die von Fye übersteigen, dann hätte es ihn nur einen Wimpernschlag gekostet, sich die ganze Stadt untertan zu machen.“ Shaolan musste daran zurückdenken, wie der blonde Magier in Ruval Castle fast den ganzen Saal in die Luft gesprengt hatte und da hatte er nur über die Hälfte seiner Kräfte verfügen können. Nein. Wenn die Gilde tatsächlich so jemanden in ihren Reihen gehabt hätte, dann müssten sie sich nicht mit Versteinerungen aufhalten. „Also ist es gar kein Fluch. Aber was dann? Eine Krankheit?“ „Vielleicht.“ Eine Krankheit, die man der Gilde in die Schuhe geschoben hatte, wie man seit Jahren alle Schuld auf die Gilde abwälzte. Das war eine Möglichkeit. Aber Möglichkeiten gab es genug, was sie brauchten waren Beweise. „Sakura?“ „Ja?“ „Angenommen, Karuso Cherry lebt noch; meinst du, du könntest ihn finden? Und mit ihm reden?“ „Ich... ich weiß es nicht. Ich müsste es versuchen. Aber die andere Sakura, die deren Erinnerungen ich ihn mir trage, besaß diesen magischen Stab, den ihr die Sakura einer anderen Welt gegeben hatte. Es ist also möglich. Du möchtest, dass ich ihn frage, was wirklich passiert ist, nicht?“ „Ja. Ich muss wissen, ob man der Gilde vertrauen kann und ob er noch bei ihnen ist.“ Shaolan ließ die Umgebung verschwimmen und rief sich die Kreuzung in Erinnerung, an der sie gelandet waren. Der eine Weg führte nach Stibia, der Andere ins Nichts und der Letzte führte nach diversen Meilen des Ödlands zum Wald der verlassenen Träume, den man aus Bequemlichkeit meist nur den vergessenen Wald nannte. Sakura sah nicht glücklich aus. Sie schlang die Arme um ihren Oberkörper als fröstelte es sie. „Es wird gefährlich, nicht?“ „...vielleicht.“ Es war sogar ziemlich wahrscheinlich, aber er wollte seine Liebste nicht unnötig beunruhigen. Von ihnen beiden hatte sie das schlimmere Los gezogen; sie war zwar in Sicherheit, aber ständig zu warten und darauf zu hoffen, dass die nächsten Neuigkeiten gute waren, war sicher nicht einfach. „Aber deshalb möchte ich ja, dass du mit ihm redest. Wenn sich herausstellt, dass die Gilde tatsächlich die Übeltäter sind, zu denen sie gemacht werden, dann sollten wir so weiter machen wie bisher. Aber wenn sie freundlich sind... und wenn sie etwas bewirken könnten...“ Sakura stoppte seinen Redefluss, indem sie seine beiden Hände ergriff. „Ich weiß. Ich weiß, warum du das tun willst und warum du glaubst, das tun zu müssen. Das ist einer der Wesenszüge an dir, die ich so mag.“ Sie brachte ein schwaches Lächeln zustande, das doch von Sorgen gekennzeichnet war. „Aber Shaolan, du kannst nicht immer alle retten. Manchmal müssen wir akzeptieren, dass wir nichts bewirken können. Ich bin die Letzte, die möchte, dass irgendjemand leiden muss, aber du – oder besser dein Ich in dieser Welt – ist schon daran gescheitert. Und dabei ist sie hier aufgewachsen. Du bist ein Fremder in dieser Welt und ich möchte nicht, dass dir dasselbe passiert wie ihr. Ich... ich werde es versuchen. Ich werde versuchen, Karuso ausfindig zu machen, aber ganz egal wie das ausgeht, bitte versprich mir, dass du nichts tust, was euch irgendwie in ernsthafte Gefahr bringen kann.“ Dabei hatten sie ein Talent in Situationen hinein zu geraten, die tödlich enden konnten. „Ich verspreche es. Glaub mir, ich vergesse nicht, was mein eigentliches Ziel ist. Zu dir zurück zu kehren.“ Er wünschte, er wäre nie in dieses Land gekommen. Möglicherweise reichte es ja aus, Roshana zu retten, um sie in die nächste Welt zu befördern. Falls es irgendeinen karmischen Plan gab, den sie erfüllen mussten. Aber wenn Stibia noch lange isoliert war, dann würden bald viele Menschen sterben. Wenn die Unzufriedenheit nur lange genug in ihnen gärte und sie eines Tages doch beschlossen, dass apathisch auf der Couch zu sitzen nichts änderte, dann würde das restliche Volk sich mit Beschwerden an das Schloss wenden. Und wenn es Unruhen gab, dann hatte die Marine endlich eine Ausrede um die Waffen zu benutzen, die sie ungenutzt mit sich trugen. Die Stadt war ein Pulverfass, das nur darauf wartete, hoch zu gehen. ~*+*~ „Kuro-chan.“ Das Flüstern drang nur an den Rand seines Bewusstseins. Er war ein Ninja und als solcher immer aufmerksam, wenn er schlief, aber dieses Geräusch war vertraut und als harmlos eingestuft, daher ließ er sich davon nicht wecken. Er war erst spät ins Bett gekommen und seine innere Uhr sagte ihm, dass es zu früh war, um aufzustehen. Andererseits hatte ein Tag in Stibia 28 Stunden, also... „Kuro-chan!“ Das Flüstern wurde eindringlicher. Er wollte es aber gar nicht hören und brummte abwehrend. Nicht, dass die Nervensäge, die seinen Schlaf störte, ihm da eine Wahl ließ. „Wach auf, Shaolan ist verschwunden!“ Sofort schlug Kurogane die Augen auf und drehte sich von der Wand weg, nur um in ein schier entzücktes Gesicht zu blicken. Kurogane fragte sich, wieso er nicht tiefer lag. Müsste der Magier nicht neben seinem Bett kauern, anstatt davor zu stehen und von oben herab zu grinsen? Ah ja, richtig, er hatte mit dem Jungen getauscht. „Der Bengel ist weg?“ „Ah, du bist ja doch wach! Nein, der schläft friedlich und mit einem Lächeln auf den Lippen.“ „Natürlich bin ich wach, du hast mich ja grade geweckt, du Idiot. Moment...“ Er musterte den Blonden. Als Kurogane von seiner Schicht zurück gekommen war, weit nach Mitternacht, war der Magier nirgends zu sehen gewesen und es hatte auch kein Anzeichen gegeben, dass er zwischendurch das Zimmer betreten hatte. Und jetzt stand er auf einmal da – dem Sonnenstand nach musste es fünf Uhr morgens sein – in der Kleidung, die er gestern noch getragen hatte. Zumindest klebte an dem schwarzen Shirt noch ein winziges Stück Möhrenschale. Das ließ die Frage offen... „Wo warst du letzte Nacht?“ „Wieso? Ist Kuro-wanwan etwa eifersüchtig?“ Früher hätte die Aussage dazu geführt, dass der Ninja den Magier mit seinem Schwert durch den ganzen Raum gejagt hätte, ohne ihn zu erwischen. Aber jetzt, nachdem der Bastard, der Schuld an all dem war, endlich tot war, gab es eigentlich keinen Grund mehr für den Magier, mit einem halbernsten Flirten vom Thema abzulenken[1]. Und es gefiel Kurogane gar nicht, dass der Idiot in alte Muster zurück verfiel... „Ich war bei Yuui. Wir haben uns unterhalten, ein wenig Wein getrunken und darüber die Zeit vergessen. Wusstest du, dass er so gut wie gar nichts verträgt? Und er wird ganz schön geschwätzig, wenn er beschwipst ist!“ Okay, vielleicht war die Befürchtung etwas voreilig. Der Idiot hatte also doch nicht das Thema wechseln wollen. Aber er hatte ein anderes Problem auf den Tisch gebracht. Und so stellte Kurogane eine Frage, die er die letzten Wochen ziemlich oft gestellt hatte. „Dir ist aber klar, dass er nicht dein richtiger Bruder ist, ja?“ Man konnte mit ansehen, wie der Magier sich mehr und mehr mit dem anderen Ich seines Zwillings einließ und der Ninja wusste nicht, ob ihm das gefiel. Er wusste auch nicht, wie er reagieren würde, wenn er an Fyes Stelle wäre. Er wusste nur, was für eine Antwort er bekommen würde. Fye schmetterte die versteckte Kritik mit einem sanftmütigen „ja, ja“ ab und wie immer glaubte Kurogane ihm kein Wort. Es war die Art unbedeutende Erwiderung, mit der Erwachsene kleine Kinder abwimmelten. Und es kotzte ihn tierisch an, wie ein Kind behandelt zu werden, scheißegal dass der Andere drei Mal so alt war wie er. Da war ihm ja das „-mommy“ und „-daddy“ Gefasel lieber, denn das bedeutete immer noch, dass der Magier akzeptierte, dass sie gleichwertig waren. Trotzdem verkniff der Schwarzhaarige sich einen Kommentar. Diese verfickte Stadt trieb sie schon jetzt immer weiter auseinander und er würde den Teufel tun und ihr dabei helfen. Es wurde Zeit, dass sie von hier verschwanden. Er warf die Decke zurück und hievte sich aus der Box, die sie hier Bett nannten. „Und warum hast du mich jetzt geweckt?“ Fyes Augen hellten sich auf bei der Frage, auch wenn das die Müdigkeit nicht ganz aus ihnen verbannen konnte. „Ich habe endlich herausgefunden, wer sie ist!“ „Wer?“ „Magnolia!“ „Wer?“ Fye rollte ungeduldig mit den Augen. „Nie hörst du zu, Kuro-rin! Die junge Ritterin, die in Shaolans Erinnerung vorkommt. Die, die dazu beauftragt wurde, das Baby weg zu bringen.“ Seine Stimme ging schon automatisch in ein Flüstern über, wie immer, wenn sie in Stibia Themen ansprachen, die auch nur im Entferntesten mit Magie zu tun hatten. „Shaolan hat doch gesagt, dass er sie unter den Statuen wieder erkannt hat.“ Es dauerte eine Weile, bis sein müder Geist die Informationen zu einem Ganzen zusammen gefügt hatte. Und bis ihm wieder einfiel, dass mit den Statuen die versteinerten Menschen im Schlosshof gemeint waren. Wenn er an ihnen vorbei ging, ignorierte er sie meistens, das war besser so. Sie konnten eh nichts für sie tun. „Und was hat das mit mir zu tun?“ „Das will ich dir ja zeigen.“ ~*+*~ ~Und wenn du auf die Hand eines Anderen wartest, wirst du sicher hinfallen. Wenn du darauf wartest, dass ein Anderer deine Hand ergreift, wirst du fallen. Du wirst fallen. Sechs Uhr morgens, mehr oder weniger auf die Minute genau, trafen ein Magier und ein Schwertkämpfer im Schlosshof ein. Der Eine genervt, der Andere noch immer aufgekratzt vom Schlafmangel bahnten sie sich ihren Weg durch die versteinerten Statuen, bis sie vor der einen standen, die Fye schon beim ersten Mal aufgefallen war. Erwartend blickte er von der jungen Frau zu Kurogane und wieder zurück. „Und? Fällt dir denn gar nichts auf?“ Der Schwarzhaarige verschränkte die Arme vor der Brust und verengte die roten Augen zu schmalen Schlitzen. Er war nicht den ganzen Hügel hinauf gelatscht um zu erraten, was er nicht sah. Oder um sich belehren zu lassen. „Nichts, was du mir nicht schon beim ersten Mal erzählt hättest.“ Ja, sie hatte ihr Schwert fallen lassen. Ja, sie schien keine Wunden zu haben, wegen denen sich der Griff um ihre Waffe gelockert hätte, aber welche Rolle spielte das schon? Sie wussten nicht, was passiert war und es gab keinen Weg es herauszufinden, warum sollten sie sich also den Kopf darüber zerbrechen? „Du siehst es wirklich nicht, was? Shaolan hat uns beschrieben, dass ihr Haar schwarz ist. Und ihre Augen sind rot. Rot, Kuro-pon. Erinnert dich das nicht an jemanden?“ „An die Hexe.“ Fye seufzte. Kurogane mochte ein fabelhaftes Gedächtnis haben und ein gefährlicher Ninja sein und er hatte ein Gespür dafür, was Andere brauchten oder wie es ihnen ging... aber manchmal sah er die simpelsten Zusammenhänge nicht. Vor allem nicht, wenn es um ihn selbst ging. „Nein, nichts was wir über Magnolia wissen, deutet darauf hin, dass sie irgendwelche magischen Fähigkeiten besitzt.“ Du redest, als wäre sie noch am Leben. Du redest, als wäre sie nicht irgendein Ding, das die Landschaft verziert. Kurogane konnte nichts tun gegen das bittere Gefühl, das von ihm Besitz ergriff. Es schien, als würde der Magier sich mit jedem anfreunden wollen – Yuui, die kleine Brillenschlange und nun auch noch diese Statue – nur vergaß er dabei ganz, wer seine eigentlichen Freude waren. Fye, der von diesen finsteren Gedanken nichts ahnte, plauderte munter weiter. „Ihr vollständiger Name lautet Magnolia Hawking und Yuui hat mir gestern Abend erzählt, dass sie die ranghöchste Ritterin im königlichen Orden war. Und sie war auch mit Abstand die beste Schwertkämpferin von ihnen. Besser noch als Karuso Cherry, dem übrigens eher das Fechten lag. Wegen ihrer unnachgiebigen und energischen Art hat man ihr allerdings den Spitznamen 'Die Magnolie aus schwarzem Stahl' gegeben.“ Langsam dämmerte es dem Ninja, woraufhin der Ältere hinaus wollte. Schwarzer Stahl. Kurogane, auf Japanisch. „Nein. Vergiss es.“ Er erntete dafür ein belustigtes Grinsen. „Wieso? Widerstrebt dir der Gedanke etwa so sehr, dass dein anderes Ich eine Frau sein könnte? Du solltest dir ein Beispiel an Shaolan nehmen, er hat sich auch damit abgefunden.“ „Tsk. Das ist gar nicht das Problem. Ich werde sie nicht anfassen, nur damit du zusehen kann, ob mir dasselbe passiert wie dem Jungen.“ „Hyuu! Kuro-chan ist so vorausschauend“, frohlockte der Magier und warf die Arme in die Luft. Kurogane fand, dass er ins Bett gehörte und zwar schleunigst. „Außerdem ist das nicht... das bin nicht ich, klar? Das mit dem Namen muss ein Zufall sein.“ Er fühlte nichts von dem inneren Bedürfnis, auf sie zuzugehen und ihr zu helfen, das der Junge beschrieben hatte. Unmöglich, dass er zu der Statue stand wie Shaolan zu der Prinzessin. „Es gibt keine Zufälle. Regel Nummer 39, Kuro-chan.“ „Oh, hör' mir bloß mit diesen verfluchten Regeln auf, oder siehst du einen der Marine-Typen hier? Ich nicht.“ „Aber Yuuko-san hat das auch immer gesagt. Und was spricht dagegen, es zu versuchen? Was ist mit Regel Nummer 8: Nimm nie etwas als gegeben hin? Vielleicht passiert nichts, aber das weißt du nicht, wenn du es nicht zumindest versuchst.“ Das war ja wohl die Höhe! Jetzt wurde er noch dazu animiert, mehr zu riskieren und das von einem Mann, der fast sein ganzes Leben lang weg gelaufen war und sich nicht einmal selbst eine Chance gegeben hatte. Gegenfrage, Idiot: was ist mit Regel Nummer 3? Regel Nummer 10? Regel Nummer 15? Was ist damit? Sei nie unerreichbar.[2] Lass dich nie persönlich in einen Fall verwickeln. Arbeitet immer als Team. Der Magier hatte alle drei von ihnen gebrochen. Und auch wenn es Kurogane gar nicht passte, er machte sich mitschuldig, weil er es zuließ. Der Junge konnte dabei nicht helfen, er hatte den Kopf schon voll genug. Aber Kurogane konnte ja auch nicht immer da sein und den Blonden auf den Weg zurück zerren, wenn der sich verrannte. „Warum ziehst du nicht los und suchst dein Anderes Ich, wenn du so scharf darauf bist, etwas in Erfahrung zu bringen?“ „Weil sie tot ist, Kuro-rin.“ W... Das hatte der Magier bis jetzt verschwiegen. Kurogane fiel seine Begegnung am vorigen Abend wieder ein. Das Mädchen, das kein Wort gesagt hatte. Das Mädchen, dass Fye so ähnlich gesehen hatte. „Bist du sicher?“ Der Blonde nickte und strich sich eine Strähne hinter die Ohren, die sofort wieder an ihren Platz zurück fiel. „Faye, die Magierin, die in Shaolans Erinnerung erwähnt wird, ist Yuuis jüngere Schwester gewesen. Sie würde bei dem Gefecht getötet, bei dem auch die Ritter versteinert wurden. Und ich glaube nicht, dass Yuui lügen würde, was das betrifft. Nicht bei dem Ausdruck, den er in seinen Augen hatte, als er von ihr sprach. Vielleicht lässt Yuui mich deshalb so nah an sich ran, weil ich ihn an Faye erinnere.“ Kurogane erkannte das Lächeln auf Fyes Lippen, dieser wehmütige Ausdruck, der nichts anderes besagte als 'Ich bringe den Menschen nur Kummer, nicht?'. Der Ninja biss sich auf die Unterlippe und verkniff sich einen Kommentar. Nichts, das er hätte sagen können, hätte jetzt geholfen. Er hätte wie ein Heuchler angehört, weil vermutlich niemand nachvollziehen konnte, was für ein Gefühl das sein musste. Damit blieb wirklich nur noch er und sein anderes Ich übrig. Falls diese Frau wirklich sein anderes Ich sein sollte, was er noch immer bezweifelte. „Okay, ich versuch's.“ Was konnte schon schief gehen? Im schlimmsten Fall war er ein paar Minuten weggetreten, im besten Fall passierte gar nichts. Und er musste das ganze Theater auch nur ein Mal durchmachen, soweit sie wussten fand der Erinnerungsaustausch nur beim ersten Mal statt. Zumindest hatte der Junge es noch mehrmals probiert, aber die Prinzessin hatte auf keine weitere Berührung reagiert. (Kurogane erinnerte sich noch sehr genau an das flammend rote Gesicht des Jungen, als der Magier gemeint hatte: „Vielleicht berührst du sie ja nur nicht an der richtigen Stelle!“ … Er hatte dem blonden Idioten dafür eine Kopfnuss verpasst.) Er streckte die Hand aus... und zögerte. „Und... wo soll ich sie berühren?“ Der Magier blinzelte. Tippte sich mit dem Finger gegen das Kinn und grübelte. „Hm...“ „Jetzt mach schon, ich hab' keine Lust, dass uns hier einer entdeckt!“ Glücklicherweise standen die meisten Bewohner des Schlosses erst am späten Vormittag auf. „Shaolan hat ihre Hände ergriffen. Beide Hände. Also vielleicht solltest du dasselbe tun.“ Also stand er da und hielt Händchen. Mit einer Statue. Die angeblich ihn darstellen sollte, als Frau. Es gab Tage, da wünschte Kurogane sich, er hätte Schloss Shirasagi nie verlassen. Er hielt es ganze zehn Sekunden aus, bevor es ihm zu blöd wurde. „Siehst du? Es passiert nichts! Rein gar nichts.“ Und dann spürte er das Kribbeln an seinem Bein. Und die sich ausbreitende Wärme. Es war nicht direkt an seinem Bein, es war... Kurogane vergrub die Hand in der Hosentasche. Seine Finger schlossen sich um ein rundes Objekt. Es war warm und pulsierend. Lebendig. „Kuro-chan... was hast du da?“ Er hörte den alarmierten Ton des Blonden. Und holte den Gegenstand hervor; die Kette mit dem Blutstein, den das Mädchen vom vorigen Abend fallen gelassen hatte. Er starrte das Schmuckstück an – es sah noch genauso aus wie zuvor, wieso also fühlte es sich so merkwürdig an? Und wieso gerade jetzt? „Was hat das-“ zu bedeuten, wollte der Schwarzhaarige ergänzen, doch der Stein leuchtete plötzlich von innen auf und seine Welt wurde Rot. Das Licht, das durch die dicken Vorhänge fällt, wird zu einem angenehmen dunkelroten Ton gedämpft. Magnolia sitzt lustlos an ihrem Schminktisch, die Stirn auf der Handfläche abgestützt und wünscht sich, dass dieser sinnlose Tag einfach nur vorüber geht. Dabei hat er noch nicht mal richtig angefangen. Sie verzieht das Gesicht, als die Vorhänge aufgerissen wurden und das grelle Sonnenlicht ihr in die Auge sticht. „Verflucht, Faye! Muss das sein?“ „Aber You-chan, wie soll ich dir den sonst die Haare machen, wenn ich nichts sehen kann?“ You-chan. Sie weiß nicht, ob sie diesen Spitznamen besser oder schlimmer finden soll, als den, den ihr die Truppe verpasst hat. Vermutlich schon. Er ist verräterisch. Er ist... nun ja, Nihongo ist die Sprache der Einheimischen, die Sprache der Gilde. Da auch Magnolias Mutter einst ein Rotkäppchen war, beherrscht die junge Ritterin sie perfekt. Sie weiß, dass You Falke bedeutet und dass Faye ihn von ihrem Nachnamen Hawking abgeleitet hat. Aber Faye ist keine der Einheimischen, sie stammt aus einer Adelsfamilie aus Lillichalice, der Hauptstadt vom Pays de Lys, ihrem Nachbarland. Und dass sie diese Sprache ebenfalls fließend spricht, macht sie verdächtig, zumindest in den Augen derer, die die Gilde fürs einen avantgardistischen Geheimbund halten. Aber Magnolia ist eine der wenigen, die mit Gewissheit wissen, dass das Mädchen tatsächlich der Gilde angehört. Sie wurde vor über zwei Jahren bei ihnen aufgenommen, an jenem Tag, über den sie nicht sprechen. „Für so was gibt es Kammerzofen!“, bellt die schwarzhaarige junge Frau. Ihre Freundin, die gerade das herum liegende Nachthemd vom Boden aufhebt und faltet, kichert nur. „Schon, aber sie haben alle Angst vor dir. Und das wird nicht besser, wenn deine Haare aussehen, als wärst du in eine Waschstraße damit geraten. Gerade heute solltest du etwas präsentierbar aussehen.“ Die Schwertkämpferin verengt mürrisch ihre roten Augen. Hey, sie ist immerhin bereits voll bekleidet in ihrem Festtagsharnisch (der ihre lümmelnde Sitzposition zu einer echt schmerzhaften Sache macht), was will Faye denn noch? „Tch. Heut' werden eh nur alle Augen für dich haben. Nicht, dass ich dich drum beneide.“ Sie kann mit ansehen, wie Fayes Wangen sich merklich dunkler färben. Faye war bildhübsch an normalen Tagen; ihre helle Haut, das goldene Haar und diese himmelblauen Augen sind etwas, das man in Lattice Country nicht oft sieht. Aber heute, mit all dem Tand, den sie trägt, ist sie wunderschön. Das Kleid ist aus mehreren Schichten eines hauchdünnen weißen Stoffes gemacht, der so leicht ist wie der Wind selbst und auf ihrem Schopf thront ein Kranz aus Misteln. Das lange blonde Haar ist zu einem Zopf geflochten, der ihr leicht über die Schulter fällt und knapp oberhalb der schmalen Brust aufhört. Ashura würde sehr zufrieden sein mit dem, was er heute Nacht bekommt, denkt Magnolia mit einem bitteren Geschmack auf der Zunge. Gott, wie sie dieses Fest hasst. „Sag doch so was nicht!“, wehrt Faye ab und holt sich einen Stuhl heran um sich hinter Magnolia zu setzen. Sie schnappt sich eine Bürste und beginnt damit das widerspenstige schwarze Gewirr von Haaren zu entfitzen und es glatt und geschmeidig zu kämmen. „Ich könnte sie auch einfach abschneiden lassen, dann hätte ich das Problem nicht mehr!“ Die Ritterin verzieht keine Miene, trotz des Ziehens an ihren Haarwurzeln. Faye greift nach einem Kamm und separiert drei Strähnen, direkt oberhalb der Ohren, die sie zu einem schmalen Zopf flicht. „Genau. Weil sie sich noch nicht genug über dich lustig machen. Weiß du, was die anderen Ritter sagen? Dass du nie einen Mann finden wirst, weil du selbst schon ein halber bist.“ Die Blondine bindet den Zopf vorerst mit einem Haargummi zusammen und wiederholt die Prozedur oberhalb des anderen Ohrs. „Und wenn schon. Ich will überhaupt keinen Mann. Und es ist mir ganz egal, was die anderen darüber sagen“, deklariert Magnolia, missmutig wie immer. Ihrer Meinung nach hat aber Faye einen anständigen Ehemann verdient, aber den wird sie nicht bekommen. Weil man sie als Ernteprinzessin ausgewählt hat und es seit Jahrzeiten Ritus ist, dass sich die Ernteprinzessin mit dem Hohepriester der Gilde vereinigt, um die Fruchtbarkeitszauber zu vollenden, die für eine ertragreiche Ernte sorgen sollen. Und mal ehrlich... wer wird noch ein Mädchen heiraten, das nicht mehr intakt ist und vielleicht sogar ein Kind von einem anderen erwartet? „Magnolia...“ Sie versteift sich. Wenn Faye ihren richtigen Namen benutzt, dann ist meist irgendetwas nicht in Ordnung. Sie schweigt und wartet darauf, dass ihre Freundin fortfährt. „Meinst du, es... wird es weh tun?“ Sie muss nicht nachfragen, was die Blonde damit meint. Aber sie lässt sich Zeit mit der Antwort. Die kleine Bardin zu beruhigen indem sie ihr versichert, dass alles gut werden wird und dass sie das Richtige tut, obwohl sie das selbst nicht gutheißen kann. „Ich weiß es nicht“, erwidert sie wahrheitsgemäß. „Nicht, wenn er gut zu dir ist, glaube ich.“ „Oh... okay.“ Die Kleinere klingt noch unsicherer als zuvor. Magnolia kann fühlen, wie Faye ihr Haar jetzt langsamer durchkämmt. Sie fasst die losen Haare und die geflochtenen Zöpfe zu einem Pferdeschwanz zusammen. Ein paar Strähnen entkommen aber wie immer und kitzeln ihre Stirn. „So. Fertig.“ Während Faye den Stuhl weg räumt, betrachtet Magnolia ihr Spiegelbild, das mit der gleichen Freudlosigkeit zurück starrt. Dann, bevor sie zu lange drüber nachdenken kann, löst sie den Verschluss ihrer Kette. „Faye, lass das und komm her. Stell dich vor den Spiegel.“ „Weißt du, You-chan, es gibt da so ein kleines Wort namens 'bitte'...“, neckt das Mädchen, leistet der Anweisung aber sofort Folge. „Oh, halt die Klappe.“ Sie legt ihrer Freundin das kleine Silberkettchen um den Hals. Der Anhänger, ein Hämatit, schmiegt sich genau in die kleine Kuhle unterhalb des Halses, als wäre das der Platz, an den er ohnehin gehört. Er sieht zu dunkel aus auf ihrer hellen Haut und kalt, aber darauf kommt es nicht an. Faye hält irritiert den Atem an. Als sie wieder Luft holt, will sie protestieren. „Aber der Stein hat doch deinem Vater gehört!“ „Ja, und er hat ihm immer Glück gebracht, er kam nie mehr als leicht verletzt vom Schlachtfeld nach Hause. Deshalb will ich, dass du ihn kriegst. Ich habe mein Schwert, um mich zu verteidigen, du hast gar nichts.“ „Aber...“ „Sag nicht aber. Wenn ich sage, du kannst ihn haben, dann kannst du ihn auch haben.“ „Ich... also, wow, das ist... danke.“ Wow. Sie hat es geschafft. Sie hat Faye de Fleur sprachlos gemacht. Das kommt selten genug vor, deshalb muss es gewürdigt werden. Durch den Spiegel kann Magnolia sehen, wie die Blondine den Stein betastet, als wäre er irgendetwas Heiliges. Faye lächelt geistesabwesend, doch Magnolia schmerzt der Anblick ein wenig. So sehr die junge Schwertkämpferin sich auch freut dieses aufrichtige Lächeln geweckt zu haben, fühlt sie sich dennoch als hätte sie versagt. Weil sie das, was am heutigen Tag passieren wird, nicht verhindern kann. Die Szene verschwimmt, zieht sich zu einem Strudel aus Farben zusammen und formt sich neu. Magnolias Gemächer werden zu einem der bekannten und doch hochgradig verwirrenden Gänge des Schlosses. Die junge Ritterin stapft wütend und ohne ihrer Umgebung viel Beachtung zu zollen, umher. Ihre rechte Hand ruht auf dem Heft ihres Schwertes auch wenn weit und breit keine Bedrohung in Sicht ist. Prinzessin Roshana pflegte zu sagen, Faye würde Magnolia wie ein Schatten folgen. Um ehrlich zu sein, ist Faye mehr wie ein streunendes Kätzchen, freundlich zu allen, die ihr mit Freundlichkeit begegnen und vorsichtig gegenüber denen, die ihr Böses wollen. Sie neckt gern die Menschen, die ihr am Herzen liegen und schleicht sich dann davon. Manchmal verschwindet sie ohne Vorwarnung, aber sie vergisst nie, wo ihr zu Hause ist. Und ja, manchmal folgt sie Magnolia überallhin, denn dort, wo Magnolia ist, passieren die interessantesten Dinge. Nur diesmal sind sie weniger erfreulicher Natur. „Aber You-chan, das ist unmöglich,“ widerspricht sie, eine Unterhaltung fortsetzend, an der der Beobachter noch nicht teilhatte. „Ich weigere mich zu glauben, dass Ashura-san und Arashi-dono einem solchen Plan zugestimmt hätten.“ „Es ist egal, was du glaubst. Hast du die Prinzessin gesehen? Wer sonst könnte dafür verantwortlich sein?“ „Aber ich konnte keinen Fluch an Roshana feststellen. Und selbst wenn, was würde es ihnen bringen? Die Prinzessin war die größte Befürworterin der Gilde, sie außer Gefecht zu setzen bedeutet, sich ins eigene Fleisch zu schneiden.“ „Es sei denn, sie waren nie auf eine friedliche Lösung aus“, knurrt die Schwarzhaarige und schlägt einen rascheren Schritt an. Faye kann mithalten ohne außer Atem zu geraten. Man sieht es ihr nicht an, aber sie ist eine Bardin und da all ihre Magie auf Gesang beruht, muss sie über genügend Durchaltevermögen und eine außerordentliche Kondition verfügen. Ganz zu schweigen von einer perfekten Atemtechnik. „Aber sie haben Karuso akzeptiert und er würde nie...“ Magnolia bleibt so abrupt stehen, dass Faye gegen ihren Rücken stößt. Die Größere dreht sich um und packt sie bei den Schultern. Sie sieht aus, als hätte sie am liebsten die Torheit aus ihrer Freundin heraus geschüttelt. „Wir haben seit Wochen kein Wort von Karuso gehört. Mach die Augen auf, verdammt!“ Magnolia schreit nicht, dafür ist ihr Griff um die Arme der Blonden umso fester. Ja, das ist unnötig grob, aber manchmal gibt es keinen anderen Weg um sicherzugehen, dass Faye auch wirklich zuhört. „Deine ach so tollen Freunde stehen förmlich vor unserer Tür und verlangen, dass man ihnen die Prinzessin aushändigt, andernfalls werden sie angreifen. Sie wissen genau, dass wir der Forderung nicht nachgeben können, das heißt, sie legen es auf einen Krieg an. Und den werden sie bekommen.“ „Aber...“ „Kein aber! Der Angriff kann jeden Moment beginnen, also schnapp' dir deinen Bruder und verschwinde. Ganz egal wohin, nur steh mir nicht im Weg herum und vor allem, folge mir nicht ständig! Das Letzte, was ich heute gebrauchen kann ist eine tote Bardin.“ Ein erneuter Strudel bringt den Beobachter an das Tor des Schlosses. In seinem Rücken liegt der Innenhof, wo man den vertrauten Gesang von Metall an Metall hören kann, im Rhythmus des Kampfes. Aber vor ihm... da erstreckt sich der Hügel, auf dem Stibia Castle thront, satt und grün. Eine magische Kuppel drückt einen ganzen Ring des hohen Grases platt, darum steht eine Gruppe Marines mit ihren Maschinengewehren. Sie warten, lauern auf eine Bewegung derer, die noch darin sind. Es sind mindestens zwanzig von ihnen, gegen ein halbes Dutzend Magier. Man kann Faye angeregt mit einem jungen Mann mit Bobschnitt und grünen Augen reden sehen, anscheinend hat der Knabe das Kommando. Der Beobachter ist sich sicher, dass es sich dabei um Karuso handeln muss. Faye nickt und im nächsten Moment löst sie sich in einen blauen Lichtblitz auf. Ein weiterer Lichtblitz erscheint, direkt vor den Augen des Beobachters und er zuckt zusammen... aber dann wird ihm klar, dass das lächerlich ist, weil er ja nicht wirklich dort ist. Vermutlich könnte die Magierin direkt durch ihn durch laufen ohne dass ihm etwas passiert. Aber Faye läuft an ihm vorbei, stets Ausschau haltend nach einer Person; nach der einen Person, die diesen Wahnsinn aufhalten kann. Denn auf Magnolia werden sie hören, ganz sicher. Aber es ist unmöglich, zu der jungen Ritterin vorzudringen, hier kreuzt jeder mit jedem die Klingen. Ein paar Rotkäppchen sind auszumachen, einige Heilerinnen (sie besitzen dieselben Kapuzenumhänge wie die Rotkäppchen, nur in weiß), Alchemisten, Beschwörer... jeder in der Gilde, der ein Schwert führen kann ist hier vertreten und keiner von ihnen nutzt die magischen Fähigkeiten, die ihm gegeben wurden. Es wäre sonst ein unfairer Wettbewerb. Faye weicht einem Schwertschlag geschickt aus, tanzt förmlich um den Besitzer der Waffe herum... als die ersten Schüsse ertönen. Die Magier auf dem Hügel haben ihren Zug gemacht. Die blonde Frau atmet tief ein. Sie geht in sich, schließt sogar die Augen, auch wenn das vermutlich ihren Tod bedeutet. Und dann hält sie die Welt an. Nun ja, sie hält nicht wirklich die Welt an. Doch als ihre Lippen sich öffnen, entweicht ihnen ein klarer, schwermütiger Ton, anklagend und trauernd zugleich. Er bohrt sich direkt ins Herz und lässt alle in ihrem Gemetzel inne halten. Faye schlägt die Augen auf, die in einem überirdischen blauen Licht erstrahlen und ihr Blick fängt den von Magnolia auf. Die Bardin wirft ihrer Freundin ein entschuldigendes Lächeln zu ohne dass ihre Tonfolge abreißt, während sie mit ansehen muss, wie die Schwarzhaarige sich als Erste aus ihrer Paralyse befreit und auf sie zu gestapft kommt. An der Art, wie ihr Mundwerk sich beim Laufen bewegt, kann man sehen, dass sie zahlreiche Verwünschungen ausstößt; die meisten davon klingen wohl wie „Ich hab dir doch gesagt, du sollst nicht herkommen, du Idiotin!“. Ihre Blicke kreuzen sich, verharren beieinander. Rot und Blau. Heiß und kühl. Faye sah das Objekt nicht auf sich zukommen; ein grauer kreisrunder Schatten, der sie unterhalb des Kinns streift und dann in einem weiten Bogen zu seinem Besitzer zurückkehrt. Es lässt Faye einen Schritt zurück taumeln, der Luftzug wirbet ihre blonden Strähnen durcheinander, sodass sie im ersten Moment das Gesicht der Bardin verdecken. Die Tonfolge reißt schlagartig ab. Kontrahenten blinzeln sich an und fahren dann fort, ihre Klingen zu kreuzen. Die junge Bardin bekommt ein rotes, warmes Halsband, als das Blut rasch aus der Wunde fließt, zu spritzen beginnt. Es tränkt den Hämatit, der langsam von ihrem Dekolleté gleitet denn die silberne Kette die ihn hielt ist durchtrennt worden, ebenso wie Fayes Stimmbänder. Er fällt unbeachtet auf den steinernen Boden und seine Besitzerin sinkt neben ihm auf die Knie, beide Hände verzweifelt gegen die Wunde pressend. Magnolia rennt los. Drängt sich durch Freund und Feind; pariert wo es nötig ist und streckt nieder, wer ihr im Weg ist. Die Wunden, die sie ihren Kameraden zufügt werden bedeutungslos angesichts der Furcht, ihre Freundin zu verlieren. Der Beobachter ist auf ihren Weg fixiert, ihr Bestreben, ihre Willensstärke und findet sich selbst darin wieder. Die Ritterin wird allein von ihrer Wut gelenkt und die Ohnmacht, machtlos angesichts des Verlustes geliebter Menschen zu sein, hat sich noch nicht eingestellt. Ein junger Mann stellt sich ihr bewusst in den Weg, in seiner Hand ruht eine kreisrunde Scheibe, deren scharfe Klinge im Sonnenlicht schimmert. Man kann es nicht sehen, aber winzige Blutstropfen kleben daran. Die Worte, die er sagt, dringen nicht bis an die Ohren des Beobachters, aber sein Harnisch weist auch ihn als höfischen Ritter aus. Sein weibliches Gegenüber schreit auf wie ein waidwundes Tier, als sie die Klinge ihres Schwertes durch seine Brust rammt (wie ein heißes Messer durch Butter gleitet es). Jetzt gibt es keine Schlacht mehr, keinen politischen Konflikt und keine kunstfertig erlernte Kampftechnik. Nur pure Vergeltung. Als der junge Mann tot zu Boden sinkt, steigt Magnolia über ihn hinweg, hastet weiter und... Drei Schritte, weiter kommt sie nicht. Die Muskeln ihres Gesicht, vor Entschlossenheit zu einer starren Miene verzerrt, entspannen sich. Sie hält an. Ihre Lippen teilen sich zu einem kleinen, fassungslosen „Nein“. Der Beobachter richtet seinen Blick zurück zu dem Ort, an dem das Mädchen zu Boden gesunken ist und erkennt, dass Faye fort ist. Fort. Aber wieso? Und wie? Wie kann sie in ihrem Zustand... Karuso tritt an den Bereich heran, wo das Blut der Bardin gierig von dem Boden aufgeleckt wird und den Stein schwarz färbt. Er bückt sich um die Kette aufzuheben, die seine Freundin verloren hat. Betrachtet den Anhänger in seiner Handfläche. Der Paladin wirft Magnolia einen kurzen, kummervollen Blick zu und schüttelt den Kopf. Magnolias Griff lockert sich, als die Kraft sie verlässt. Das Heft ihres Schwertes rutscht aus ihren Fingern. 'Ich weiß', sagt eine neutale Stimme direkt im Geiste des Beobachters. 'Aber du darfst nicht auf sie achten. Achte auf das, was hinter ihr ist.' Ein silbernes Leuchten erhellt die Szene. Das Zentrum liegt am Eingang des Schlosses. Wie eine Decke breitet es sich über den Innenhof aus, kriecht unter die Haut der Nichtmagier und friert sie in ihrer Bewegung ein. Es färbt ihre Haut grau und macht sie hart und undurchdringlich. Jetzt hat das Leuchten auch den Körper der schwarzhaarigen Ritterin erreicht, aber sie scheint es nicht einmal zu bemerken. Mit einem Klirren kollidiert die Spitze von Magnolias Waffe mit dem massiven Boden, dann kippt das Schwert zur Seite. Die Mitglieder der Gilde drehen sich zu Karuso um, irritiert. „Was jetzt?“, fragt Yuzuriha-chan. Für einen Moment sieht es so aus, als wäre der junge Mann nicht in der Lage eine Antwort zu geben. Dann murmelt er ein leises „Rückzug“. Lichter flammen auf, als die ersten Transportzauber ausgeführt werden. Karuso schluckt. Die Wände des Schlosses flirren. „-chan...“ Zerfließen auf der blauen Leinwand des Himmels. „Kuro-chan!“ Das Bild vor seinen Augen verschwimmt zu einem einheitlichen Grauton, der sich zu Schwärze verdunkelt. Seine Sinne kehren langsam zurück. Er kann die kühle Feuchtigkeit spüren, die seine Stirn benetzt. Er schlug abrupt die Augen auf und musste sie gleich wieder schließen, weil die grelle Sonne schmerzte. Er gab ein unwirsches Grummeln von sich. „Er kommt zu sich, er kommt zu sich!“, jubelte ein piepsiges Stimmchen. „Das wird auch Zeit“, konnte man den Magier sagen hören, mit einer Mischung aus Ungeduld und Sorge. „Zu schade, sonst hätten wir das mit dem Kuss der wahren Liebe ausprobieren müssen,“ kicherte Mokona. „Dann hätten wir aber eine Münze werfen müssen, wer es zuerst probiert.“ „Ich kann euch hören!“, schnauzte der Ninja, der sich an einen zweiten Versuch wagte, die Augen zu öffnen. Diesmal war sein ganzes Sichtfeld erfüllt von zwei erleichterten Gesichtern, das eine weiß und rund, das Andere blass, aber mit einem liebevollen Lächeln. „Juhuu, Daddy ist wieder mürrisch!“ Kurogane ignoriert den Kommentar. „Was macht das Fellknäuel hier? Und wie lange war ich weg?“ „Mokona ist sofort herbeigeeilt, als sie einen Zauber gespürt hat!“, tschirpte das hasenartige Wesen. „Du warst vielleicht eine halbe Stunde ohnmächtig. Wesentlich kürzer als Shaolan, aber du bist ja auch nicht mit dem Dickschädel aufgeschlagen.“ Fye grinste provokativ. „Es scheint, als hätte irgendwas die Halskette aktiviert, die du bei dir hattest. Wo hast du die her?“ „Lange Geschichte“, erwiderte der Ninja, obwohl sie eigentlich gar nicht mal so lang war. Zusammen mit dem, was sich daraus ergeben hatte jedoch, füllte es schon die ein oder andere Stunde. Für den Moment war aber nur eines wichtig. „Die waren es nicht“, sagte Kurogane und versuchte seinen Oberkörper aufzurichten, aber alles drehte sich. „Ich fürchte, da musst du dich schon etwas klarer ausdrücken, Kuro-tan.“ „Diese Gildetypen. Wer auch immer die Leute hier verzaubert hat, die waren's nicht. Der Zauber kam aus dem Schloss.“ Weder Fye noch Mokona fragten, woher er diese Information hatte. Stattdessen reichte der Blonde ihm die Hand, damit er sich hochziehen konnte. Kurogane kam mit einem Ächzen zum Stehen und er hielt den Kopf gesenkt, bis er sicher war, dass sein Magen nicht rebellierte, dann versuchte er, ruhig durchzuatmen. Und er versuchte, die Bilder nicht zu sehr an sich heran zu lassen, die seinen Verstand quälten. Er hatte so das Gefühl, dass einiges davon gar nicht für seine Augen bestimmt gewesen war. Aber es ließ ihn so schnell nicht los. ~*+*~ ~Ich weiß, dass ich nichts Neues bin. Meine Worte mögen dir nicht viel, nicht bedeutend erscheinen. Aber Bruder, wie müssen wir von unseren Sünden abbitten... bevor wir zu Stein werden. Ihre Hände waren mit ockerfarbenem Schlamm verkrustet und krümelten, wenn sie sie bewegte. Sie machte sich ein wenig Sorgen; ein Großteil davon landete auf Ashuras Gewand, aber der Hohepriester schien es nicht einmal zu bemerken. Seine sanften Hände umrahmten ihr Gesicht, während seine goldenen Augen versuchten jeden ihrer Gedanken aus ihrer Mimik herauszulesen. Er musterte die junge Frau wie ein besorgter Vater sein Töchterchen, das kurz vor der Hochzeit stand. „Und du bist dir wirklich sicher, mein Kind? Du weißt, dabei könnten viele Menschen verletzt werden. Unschuldige.“ Sie nickte nur, hatte ihren Standpunkt schon zuvor klar gemacht. Ja, es würde wohl Verletzte geben, aber das müsse man in Kauf nehmen. Wenn sich nicht bald etwas änderte, dann waren sie noch viel schlimmer dran. „Verzeih, ich zweifle nicht an deiner Entschlossenheit oder deinen Motiven. Ich will nur sicher gehen, dass du nicht zu viel riskierst für etwas, das nicht mehr zu retten ist.“ Verlegen senkte sie die Lider. Es war schmerzlich, ausgerechnet von Ashura darauf hingewiesen zu werden. Der Mann hatte ihr nichts als Freundlichkeit und Sanftmut entgegen gebracht seit dem Tag, an dem sie ihn kennen gelernt hatte. Sie kannte die Größe und Gestalt seines Merkmals und der Kraft, die darin verborgen lag und er war einer der wenigen, die ihr Merkmal je gesehen hatten. Sie vertraute ihm, bedingungslos. Aber das hier würde sie durchziehen, mit oder ohne seinen Segen. „Gut. Wenn das so ist, dann werde ich dir das Auge geben, sobald die nötigen Vorbereitungen getroffen wurden. Und nun geh.“ Sie nickte und zog sich zurück aus dem Baumhaus. Die Magierin kraxelte die Strickleiter hinunter und rannte den schmalen Trampelpfad entlang der rostroten Nadelbäume. Begab sich auf die Lichtung, zu dem Altar, wo schon alles bereit lag: Der Lehm, den sie heran getragen hatte. Von allen Erdsorten eignete er sich am besten für ihr Vorhaben. Die Tinte, ebenfalls aus Erde gewonnen. Und der Dolch, der ihr die dritte und letzte Zutat für diesen Zauber beschaffen würde. Faye zog ihr Halstuch noch einmal straff und krempelte den linken Ärmel hoch. Setzte einen kurzen, nicht ernsthaft tiefen Schnitt am Unterarm, der aber ordentlich blutete. Sie fing die rote Flüssigkeit in einer Schale auf, bis der Strom versiegte und fügte so viele Tropfen der Tinte hinzu, bis die Mischung einen dunkelbraunen Farbton angenommen hatte. Dann tauchte sie eine zugespitzte Metallfeder hinein und begann, auf eine Pergamentrolle zu schreiben. Das Blut, das uns verbindet, ist unserem Herz Motor. Es spendet Leben und macht keinen Unterschied, welcher Spezies man angehört. Die Tinte, die unsere Geschichte schreibt, schwärzt unsere Tränen. Auf Papier gebannt, konnten Worte Bilder in unserem Geiste wecken, sie konnten erzählen, murmeln und beschwören. Die Erde, aus der wir geboren, setzt sich in den Rillen unserer Finger fest. Sie bietet die Grundlage, das Gefäß und das Medium für einen starken und überaus gefährlichen Zauber. Aber Faye würde nicht von ihrem Weg abweichen. Sie hatte endlich ein Heim gefunden, für das sie kämpfen konnte und Menschen, die es sich verdienten, beschützt zu werden, auch wenn zwei von ihnen außerhalb ihrer Reichweite waren. Nun, das ließ sich ändern. Es war ohnehin an der Zeit, dass sich etwas änderte. __________ [1] Ja, ich gehe davon aus, dass das Flirten im Manga nicht nur Show war und das Fye definitiv in Kurogane verliebt ist. Das werde ich auch im Rahmen dieser Story nicht ändern, aber ob die Gefühle unerwidert sind oder nicht, ist bei dieser FF reine Interpretationssache. [2] Wer die Gibbs-Regeln kennt, weiß, dass Nr. 3 doppelt belegt ist, dank einem kleinen Kontinuitätsfehler. Eine Variante besagt: „Never believe what you're told. Double-check.“ Die andere ist „never be unreacheable.“ Da sich Ersteres aber ungefähr mit Nummer Acht deckt, habe ich mich für die zweite Variante entschieden. Zur Erläuterung: Kuroganes Vision ist, wie man sicher gemerkt hat, verschieden von der, die Shaolan durchgemacht hat. Er ist nicht so sehr involviert und hat nicht das Gefühl, Magnolia zu sein, was daran liegt, dass der Zauber, der ihn das sehen lässt nicht auf Magnolia selbst liegt, sondern auf ihrer Kette. Deshalb sind wir manchmal näher bei Faye, weil sie diese Kette geschenkt bekommen hat. Wenn ich Zeit habe (HAHAHA, der war gut, was?), kommt später noch ein extra-Kapitel dazu, extra für die Variante bei FF.de, wo wir noch einen Einblick in den Ritus des Fruchtbarkeitsfestes erhalten, den ich persönlich wichtig finde um die Beziehung zwischen Faye und Ashura näher zu definieren. Die Idee ist überwiegend angelehnt an „Die Nebel von Avalon“ (auch wenn ich oft an Susan Delgados Stuation in „Glas“ von Stephen King denken musste). Ich will aber darauf hinweisen, dass es nichts mit Vergewaltigung zu tun hat. Nicht, dass ihr denkt, ich lasse es hier weg, weil es den Wettbewerbsregeln widerspricht (zumal der Wettbewerb eh schon zu Ende ist und ich die Deadline nicht gepackt habe. *seufz*), die Szene treibt die Story nur nicht voran und daher kann ich mir das zeitlich nicht leisten. Übrigens: FyexAshura finde ich persönlich nur okay, wenn es AU oder wie in diesem Fall eine andere Welt ist, in der die beiden kein reines Vater/Kind-Verhältnis haben. Der Grund dafür ist simpel: a) es ist gruselig und b) Parallelismus. Man muss kein Genie sein um zu erkennen, das Fyes Vergangenheit und Kuroganes Vergangenheit demselben Schema folgen: der Verlust der Familie und die Begegnung mit einem Herrscher (und Traumseher?), der das Kind bei sich aufnimmt und dem es treu ergeben ist und der zur neuen Vater bzw. Mutter/Schwesterfigur wird. Die einzige Ausnahme die ich da mache ist dieser eine englische OneShot von Mikkeneko... wer den lesen mag, dem kann ich gern den Link schicken. ^^ P.S.: die Variante auf FF.de enthält zusätzliche Szenen für die Shounen-Ai Fans. XD Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)