FF zu "Der Junge im gestreiften Pyjama" von Pandasocke (Ich habe dieses Buch leider nicht als Thema gefunden -.-') ================================================================================ Kapitel 1: Der Traum zu entfliehen und einfach zwei kleine Jungen zu sein. -------------------------------------------------------------------------- Hart schlugen dem braunhaarigen Jungen dünne Äste ins Gesicht, während er durchs dichte Unterholz rannte. Vorbei an toten Bäumen und alten Hasenbauten, gerade zu auf den Platz, der momentan seine Welt war. Seine eigene. Seine eigene kleine Welt, in der alles möglich war. Fliegen, so viel Schokolade besitzen wie man wollte, ja, sogar Gretel auf stumm stellen konnte man! Aber eigentlich war es nicht nur seine kleine Welt. Sie gehörte auch Schmuel, Brunos neuer und in Aus-Wisch einziger Freund. Mit lautem Platschen trafen die Füße des Braunhaarigen den kleinen, gurgelnden Bach. Seine Schuhe sogen sich mit Wasser voll, aber dass war ihm egal. Zu groß war die Vorfreude auf das Träumen und Geschichten erfinden mit Schmuel. Keine 5 Minuten später, erblickten die braunen Augen Brunos den Zaun, der ihn körprlich von Schmuel trennte. Er und sein schmächtiger Freund nannten ihn einfach nur "Der Zaun", auch wenn beide wussten wie gefährlich er war. Aber so kam ihnen die Situation weniger abstrakt vor. "Schmuel?" Brunos Frage hallte gedämpft über die große Gegend. Er kämpfte sich gerade durch das hohe Gras die Böschung hinauf, als er seinen Freund im gestreiften Anzug auf dem staubigen Boden sitzen sah. Auf der anderen Seite des Zaunes. "Bruno." Schmuel hatte den Kopf leicht angehoben und schenkte Angesprochenem ein gebrochenes Lächeln. Schon sehr oft hatte Bruno dieses Lächeln auf den Lippen Schmuels gesehen, und es hatte ihn nie wirklich überzeugt. Es zeugte nicht von Freude oder Glückseeligkeit. Der Braunhaarige sah in diesem Lächeln Schmerzen und Leid. Er konnte sich nicht wirklich vorstellen, warum Schmuel so unglücklich war, aber fragen wollte er auch nicht. Auch wenn ihm die Neugierde unter den Fingernägeln brannte. Bruno war froh, dass Schmuel ihm so viel anvertraut hatte, er wollte die neue und in Aus-Wisch einzige Freundschaft zwischen ihnen nicht zerstören. Zudem kam es dem Braunhaarigen so vor, als könnte Schmuel ihn auch ohne Worte verstehen. Als wüsste der Schmächtige bereits, dass Bruno seinem kraftlosen Lächeln nicht glaubte. Als wüsste er, sobald Bruno die Böschung erklomm, ob dieser heute mit ihm träumen würde oder nicht. "Hier, ich habe dir Schokolade mitgebracht", meinte Bruno lächelnd und ließ sich vor Schmuel auf den Boden fallen. "Wirklich, Schokolade?" Erfreut begannen die sonst so trüben Augen Schmuels zu glänzen. Der Braunhaarie sah den Schmächtigen an und begann zu grinsen. "Klar. Ich hatte es dir doch versprochen." Mit diesen Worten brach Bruno einen Riegel von der Schokoladentafel ab, und reichte ihn vorsichtig zu Schmuel durch den Zaun hindurch. Während Schmuel sich ausgehungert den Schokoladenriegel schmecken ließ, betrachtete Bruno die flauschigen Wolken am Himmel. "Findest du nicht auch, dass die Wolke dort oben aussieht, wie ein Mann mit Zylinder?", fragte Bruno nach einer Weile des Schweigens seinen Freund an der anderen Seite des Zaunes. Schmuel, welcher auch den Rest der Schokolade in seinem Magen hat verschwinden lassen, drehte den Kopf erst zu Bruno und sah dann in den Himmel. "Du hast Recht." "Ich hätte auch gerne so einen Zylinder. Einen richtig, richtig großen.", murmelte Bruno verträumt und sah weiter zu der flauschigen Wolke. Groß sollte sein Zylinder sein. Und schwarz. Groß und schwarz. Dazu würde er einen feinen Anzug tragen, genau wie die Männer auf den Bildern immer. Und einen solchen Gehstock hätte er auch. Einen Gehstock mit einem goldenen Knauf. "Ich auch. Ich hätte auch gerne einen solchen Zylinder", meinte Schmuel. Als Bruno den Kopf zu seinem Freund drehte, fing seine Sicht an zu verschwimmen. Die Geräusche klangen bloß noch wie durch Watte. Der Boden unter ihm schien zu verschwinden, und er hatte das Gefühl frei in der Luft zu schweben. Währen das Außenrum immer mehr verblasste, schien Schmuel förmlich zu leuchten. Bruno lächelte voller Vorfreude und schloss die Augen. Als der Braunhaarige seine Seelenspiegel wieder öffnete, blendete ihn die Sonne, sodass er die braunen Augen wieder zukniff. Nur langsam gewöhnten er sich an das grelle Licht, welches allmälig schwächer wurde, und den Blick auf eine wunderschöne, alte Stadt freigab. Die Straßen waren mit großen Steifen gepflastert, auf welchen Pferdekutschen Leute von Pontius nach Pilatus brachten. Fast wie in Berlin, nur in einer Pferdekutsche. An den Straßenseiten zogen die vielen Geschäfte Brunos Aufmerksamkeit auf sich. Doch noch bevor er sich genauer mit ihnen befassen konnte, spürte er eine leichte Hand auf seiner Schulter. "Bruno. Bruno, sieh doch mal!" Ein Lächeln flog über Brunos Lippen, als er hörte, dass Schmuel ihn ansprach. Als er sich dann zu seinem Freund umdrehte, verschlug es ihm für einen kurzen Moment die Sprache. Dass vor ihm war eindeutig Schmuel. Nur ebend nicht der Schmuel, der immer auf der anderen Seite des Zaunes saß und den ganzen Tag einen Pyjama trug. Schmuel trug jetzt einen wie angegossen passenden Anzug in einem sanften Braun, seine Füße steckten in dunkelbraunen Schuhen, seine Hände in schneeweißen Handschuhen. Doch das Beste saß auf seinem Kopf: Ein farblich zum Anzug passender, riesiger Zylinder. "Wow, Schmuel!" Bruno grinste seinen Freund an, und warf dann einen Blick ins Schaufenster neben ihm. Gewiss nicht um die Leckereien dort zu beschauen, sondern um sein Spiegelbild in der Scheibe zu betrachtet. Er selbst trug einen schwarzen Anzug, weiße Handschuhe, schwarze Schuhe und auf dem Kopf trug er einen großen, wunderschönen schwarzen Zylinder. "Sie sehen aber auch nicht schlecht aus, Herr Bruno", scherzte Schmuel. "Gewiss nicht, Herr Schmuel", gab Bruno als Antwort. Es herrschte kurz Stille, wie wenn Brunos Vater mit den Soldaten sprach. Dann brachen beide in schallendes Gelächter aus. "Sieh doch mal Schmuel, dein Zylinder ist dir viel zu groß!" Bruno lachte so sehr, dass er seine eigenen Worte kaum verstand. "Dir deiner doch auch!", jappste Schmuel als Antwort, während er lachend nach Luft schnappte. Mit einem regelmäßigen 'TOCK-TOCK' waren die Schuhe von Schmuel und Bruno auf der Straße zu hören. Wichtigwirkend hatten die Beiden eine Hand in der Hosentasche verschwinden lassen, und den selben hochnäsigen Blick drauf, wie Gretel wenn sie mal wieder über Bruno herzog. Und er fand, dass der Blick bei ihnen weitaus gebildeter und vornehmer aussah, als bei der Gretel. Bruno drehte gerade seinen Kopf zu Schmuel, um seine Gedanken über Gretes hochnäsigen Blick in Worte zu fassen, als seine Umgebung abermals verschwamm. Verzweifelt versuchte Bruno sich an der Traumillusion von ihm und Schmuel festzuhalten, was ihm misslang. Er schien wieder zu fliegen, seine Sicht wurde schwarz. Und er ein wenig seekrank. "...-NO! BRUNO?!" Bruno sah Schmuel an, welcher gerade noch herzhaft gelacht hatte und jetzt verstummt war. Die besorgte Stimme von Maria, dem Dienstmädchen von Brunos Familie, hallte bis zu ihnen. Traurig sah Bruno zu Schmuel, doch dieser schenke ihm wieder ein gebrochenes Lächeln. "Du solltest gehen. Wir können ja einfach morgen weiterträumen." Der Braunhaarige wollte noch nicht gehen, aber noch weniger wollte er, dass Maria anfing ihn hinterm Haus zu suchen. "Ich bin ganz bestimmt morgen wieder hier. Und ich bringe dir Schokolade mit. Versprochen." Schmuel sah zu Bruno hoch. "Okay. Bis morgen...", der Schmächtige überlegte, und begann dann leicht zu grinsen. "Herr Bruno." Nun schlich sich auch wieder ein kindliches Grinsen auf die Lippen Brunos. "Gewiss, Herr Schmuel!" Mit diesen Worten drehte er sich um und rannte den Weg zurück. Die Böschung hinunter, über den gurgelnden Bach, durch das dichte Unterholz... Zurück zu seinem Haus. Zurück blieb ein am Zaun sitzender Schmuel und ein Traum. Einer von vielen Träumen, und doch nur kleiner Teil eines Ganzen: Dem Traum hier zu entfliehen und zusammen einfach zwei kleine Jungen zu sein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)