Collection von Lydel-chan (Kurzgeschichten) ================================================================================ Kapitel 6: Ein langer Weg zurück -------------------------------- So... Also gleich am Anfang muss ich sagen, dass ihr mich wahrscheinlich für das Kapitel hassen werdet xX Wenn man die wahren Gegebenheiten bedenkt, is es vielleicht ziemlich krass... Ich hab schwer mit mir gerungen, ob ich es hochladen soll.. Aber die Idee ging mir einfach nicht aus dem Kopf... Über Kommentare würde ich mich wie immer freuen ^^ Viel Spaß 15. Februar 2011 Ein langer Weg zurück Sechs Monate war es jetzt her, dass Rui diesen schlimmen Autounfall überlebt hatte. Immer noch wünschte er sich, er wäre tot. Tag für Tag lag er da, konnte seine Beine nicht spüren, musste abwarten, bis es endlich dunkel war und die Nacht kam, die ihm diesen schrecklichen Anblick ersparte. Zwei seiner Lendenwirbel waren vollständig zertrümmert worden. Die Splitter hatten sich dabei ins Rückenmark gerammt. Er würde seine Beine nie wieder bewegen können, das wusste er, aber er konnte sich einfach nicht damit abfinden. Wieso hatte es ihn treffen müssen? Er war immerhin nicht der Einzige im Wagen gewesen und die anderen waren mit leichten Prellungen davon gekommen. Wieso zum Teufel war er zu seinem betrunkenen Freund ins Auto gestiegen? Das waren die beiden Fragen, die ihn nun schon seit so langer Zeit Tag und Nacht verfolgten und beschäftigten, die ihn wütend machten, wütend auf Tohya und noch viel mehr auf sich selbst. Das waren die beiden Fragen, die ihm die Tränen in die Augen trieben. Tränen der Verzweiflung, des Hasses… Ein einziges Mal, direkt nach dem Unfall sogar der Erleichterung darüber, dass sie alle noch am Leben waren. Aber zu welchem Preis? Was war das für ein Leben? Jeden Tag kam Tohya, um sich nach ihm zu erkundigen. Meistens sah der Jüngere ihn dann voller Mitleid an. Wie er dies doch hasste. Musste er ihn denn noch mehr erniedrigen? „Glotz gefälligst nicht so!“, kam dann nur von Rui, was den anderen den Blick senken ließ. Tohya wollte so gerne alles wieder gut machen, es am liebsten ungeschehen machen. Aber das konnte er nicht, das würde niemand können. Rui war immer froh, wenn das Abendessen kam, denn das hieß, dass Tohya verschwinden würde. Er konnte diesen Blick einfach nicht mehr ertragen. Jeden Tag sagte er dem Braunhaarigen, er solle ja nicht noch mal kommen. Aber irgendwie prallte das vollkommen an Tohya ab. Jedes Mal wieder um dieselbe Zeit stand er auf der Matte und sah ihn nur an. Zu sagen hatten sie sich sowieso nicht viel. Wenn der Jüngere den Mund öffnete, kamen nur Liebesschwüre und Mitleidsbekundungen zum Vorschein und das konnte er sich echt sparen. Waren sie denn überhaupt noch ein Paar? Würde er Tohya noch lieben können? Konnte er ihm überhaupt die Schuld geben? Immerhin hätte er nein sagen können. Er hatte gesehen, wie viel Tohya an diesem Abend getrunken hatte. Rui hätte doch einfach nur nicht einsteigen müssen. Immer wieder ertappte der junge Mann sich dabei, wie er Tohya sein ganzes Elend an den Hals wünschte und immer wieder hasste er sich selbst dafür. Oft geriet er so in Wut über sich selbst, dass er sich alles schnappte, was er zu fassen bekam und es quer durch das Zimmer warf. Wodurch die Ärzte es auch schnell aufgegeben hatten andere Patienten zu ihm ins Zimmer zu legen, aber das war ihm nur recht. Er wollte nicht noch mehr Mitleidsblicke kassieren. Wieder brach ein neuer Tag an, ein Tag wie jeder andere und das seit sechs Monaten. Sein Tagesablauf war trist und langsam langweilte es ihn. Rui sah zur Uhr und zählte die Sekunden, bis das Frühstück kam, dann stecke auch Tohya schon seinen Kopf zur Tür herein. Wieder hatte er eine Rose bei sich, die er in eine Vase neben dem Bett stellte, um gleich danach die verwelkten auszusortieren. „Ich hab eine gute Nachricht für dich.“, meinte der Jüngere lächelnd. „Ich kann wieder laufen…“, schoss es Rui sofort durch den Kopf, aber diese Nachricht würde er wohl nie erhalten. Er sah Tohya nur fragend an, welcher ihn immer noch sanft anlächelte. „Ich kann dich mit nach Hause nehmen. Die Schwester bringt gleich einen Rollstuhl.“ Der Blick des Älteren wechselte von fragend zu entsetzt. Ein Rollstuhl? Niemals würde er sich in so ein Ding setzen. „Vergiss es!“, meinte er nur knapp. Aber der Braunhaarige ließ sich gar nicht beirren, sortierte einfach weiter die Rosen. „Hörst du mir zu?“, sagte er noch ein bisschen lauter. „Das kannst du vergessen! Ich werd mich nicht in so ein Teil setzen, damit auch noch alle sehen, was ich für ein behinderter Spast bin!“ Immer noch schien der Jüngere taub zu sein. Rui packte ihn am Kragen und zog ihn zu sich. Doch in diesem Augenblick, als er Tohya so tief in die Augen sehen konnte, sein Mitgefühl, aber vor allem sein Schuldgefühl, da konnte er nichts mehr sagen. Jedes seiner Worte blieb ihm im Hals stecken. Stattdessen zog er ihn noch näher und legte seine Lippen leicht auf die des Jüngeren. Ein unglaublich warmes Gefühl durchflutete ihn. Nur für einen Augenblick keimte ein kleiner Hoffnungsschimmer in ihm auf. Hoffnung darauf, dass alles wieder gut werden würde, dass er es mit Tohya an seiner Seite tatsächlich schaffen konnte. Als sie sich wieder lösten, lächelte ihn der Braunhaarige nur an. Man konnte in seinen Augen die Erleichterung sehen. Er musste die letzten Wochen auch schrecklich gelitten haben. „Rui, es tut mir so leid.“, flüsterte er leise. „Ich wünschte ich könnte alles ungeschehen machen. Ich hasse mich so sehr für das, was ich gemacht hab. Ich sollte hier liegen, nicht du.“ Dem Jüngeren stiegen Tränen in die Augen und auch Rui konnte die Situation kaum ertragen. Noch nie wollte er es sehen, wenn Tohya litt und das war jetzt auch noch wegen ihm. „Sicher klingt das alles mit der Zeit abgedroschen.“, setzte Tohya fort. „Aber ich weiß einfach nicht, was ich sonst sagen oder machen soll. Ich hab dich in diese schreckliche Lage gebracht und jetzt kann ich dir nicht mal da raushelfen.“ Der Jüngere schluchzte ungehemmt in den Arme des Älteren. Nun begriff Rui, dass er seinen Hass endlich begraben musste. Er merkte, wie froh er war, dass Tohya bis jetzt jeden Tag bei ihm gewesen war. „Außer ihm kommt niemand, um sich nach dem Krüppel zu erkundigen.“, dachte Rui mit einem bitteren Lächeln auf den Lippen. An diesem Tag saßen sie noch lange so auf Ruis Bett. Sie redeten bis spät in die Nacht. Aber Rui war trotzdem klar, dass er einfach noch nicht bereit war sich so wie er jetzt war draußen zu zeigen. Demzufolge musste der Rollstuhl noch warten. Mehrere Tage waren seitdem jetzt schon vergangen. Tohya kam wie immer jeden Tag. Aber nun war die Atmosphäre bei jedem Besuch entspannter. Manchmal kroch der Jüngere sogar zu ihm ins Bett und schlief ein oder zwei Stunden bei ihm. An einem Tag hatte Tohya einen seltsamen Ausdruck im Gesicht, der Rui schon beinahe Angst machte. „Was guckst du so?“, fragte er den Jüngeren irritiert. Doch dieser sprach kein Wort und kletterte einfach unter die Decke. „Ähm…Tohya?“ Der Ältere war sichtlich verwirrt, bis Tohya ihm dann die Shorts von den Beinen zog. „Tohya, was…“ Der Braunhaarige konnte seinen Satz nicht beenden, musste leise Stöhnen. Fest presste Rui sich eine Hand auf den Mund. Das konnte Tohya doch nicht machen, schon gar nicht hier. Er biss sich fest auf die Lippe, wollte immer wieder protestieren. Aber es fühlte sich auf der anderen Seite auch einfach wieder zu schön an, dem Jüngeren wieder so nahe zu sein. Der Ältere schloss seine Augen und versuchte einfach nicht zu laut zu werden. Es dauerte auch gar nicht lange, bis er es nicht mehr aushielt und sich in Tohyas Mund ergoss. Ein paar Sekunden später, kam der Braunhaarige wieder unter der Decke hervor und grinste ihn an. „Das funktioniert ja prima.“, meinte er frech. Dafür kassierte Tohya eine Kopfnuss von Rui. „Es hätte sonst wer reinkommen können.“, meinte Rui immer noch leicht außer Atem. „Ey, ich komm seit sechs Monaten jeden Tag. Ich weiß, wann wer reinkommt und wann nich.“ Rui sah Tohya immer noch entsetzt an. Jetzt wusste er nicht mehr wirklich, was er dazu noch sagen sollte. „Das war aber nur der erste Teil!“, meinte Tohya begeistert. Er kletterte vom Bett, zog Rui wieder richtig an und verließ dann kurz das Zimmer. Als er jedoch mit einem Rollstuhl wieder kam, verschlechterte Ruis Laune sich schlagartig. „Hau ab damit! Ich hab dir gesagt, dass ich mich da nicht reinsetze!“, sagte der Ältere genervt. Doch der andere kam immer näher und stellte den Rollstuhl neben dem Bett ab. „Du kannst nich ewig hier bleiben. Damit du mit nach Hause kannst, musst du da rein. Keine Widerrede!“ Der Jüngere zog seinem Freund die Decke weg. Rui würde sich heute in dieses Teil setzen, koste es, was es wolle. „Tohya hör auf mit dem Scheiß! Ich warne dich.“ Wieder waren die Ohren des Jüngeren verstopf, wie es schien. Er ging zu Rui und schob seine Arme unter die Achseln von Rui. Kurz sahen sie sich einfach nur an und dann begann Tohya Kraft anzuwenden. Der Ältere begann sofort zu zappeln. „Tohya lass das! Ich will das nicht!“, meinte er fast verzweifelt. Keiner sollte sehen, was mit ihm los war. Keiner sollte sich lustig über den Krüppel machen können. Aber eins musste man dem Jüngeren wirklich lassen, er hatte Kraft und so verfrachtete er Rui einfach in den Rollstuhl. Dieser begann bitterlich zu weinen. Wie sollte er sich jemals mit dieser Situation abfinden? Vor dem Unfall war er sportlich gewesen. Schwimmen und Radfahren, hatten ihm immer eine Menge Spaß gemacht und jetzt sollte er an dieses Ding gefesselt sein? In so einem Teil war man Hilflos. Er wollte keine Hilfe und kein Mitleid bei Dingen, die doch eigentlich alltäglich waren. „Du wirst es nicht mit mir aushalten.“, meinte Rui voller Panik und klammerte sich an Tohyas Shirt, welcher sich neben den Rollstuhl gekniet hatte und ihn in den Arm genommen hatte. „Du wirst mich schnell satt haben. Bald wird dir der Krüppel auf den Keks gehen! Mit mir kann man doch nichts unternehmen. Sogar auf die beschissene Toilette müsstest du mir helfen. Das ist doch kein Leben Tohya.“ Rui zitterte heftig und konnte sich einfach nicht beruhigen. „Rui hör auf so was zu sagen.“, sagte Tohya leise. „Wir schaffen das zusammen. Du darfst uns nich so schnell aufgeben.“, flüsterte er leise in das Ohr des Älteren. Rui konnte sich an diesem Tag lange nicht beruhigen. Zu stark waren seine Angst und der Zweifel, dass alles so klappen würde, wie Tohya sich das vorstellte. Am Ende hatte er sich jedoch dazu überreden lassen mit dem Braunhaarigen nach Hause zu gehen. Dies hatte sich zum Glück nicht als schwer erwiesen. Sie hatten einen Fahrstuhl im Haus und keine hohen Türschwellen. Jedoch war es ungewohnt für Rui sich nicht mehr so frei bewegen zu können wie Früher. Es dauerte sehr lange, bis beide sich mit den Gegebenheiten abgefunden hatten. An manchen Tagen trieb Rui alles in den Wahnsinn. Dann konnte Tohya ihm nichts recht machen. Er schmiss mit Tellern und allem, was er finden konnte. Doch eines änderte sich nie und zwar Tohyas Geduld mit ihm. Der Jüngere ließ alles über sich ergehen, egal wie gemein Rui zu ihm war. Das bereitete Rui dann wiederum ein schlechtes Gewissen. Tohya gab sich dann schon damit zufrieden, wenn sie am Ende eines solchen Tages endlich im Bett lagen und ein wenig kuschelten. Und so war es auch an diesem Tag wieder einmal gewesen. Rui hatte rumgebrüllt und mit Sachen um sich geworfen. Am Ende hatte er Tohya auch noch schlimm beleidigt, was diesen sicher schwer verletzt hatte. Rui lag noch lange wach. Der Jüngere war schon längst an ihn gekuschelt eingeschlafen. Rui strich ihm sanft durch die Haare, sah ihn noch lange im Dunkeln an. „Es tut mir so leid, Tohya. Ich hab dich gar nicht verdient.“, murmelte er leise, bevor auch er seine Augen schloss um endlich einzuschlafen. Rui hatte sich heute fest vorgenommen sich zu ändern und das würde er jetzt auch endlich angehen. Da war er sich sicher. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)