Samsas Träume fallen in die Welt von Fujouri (Kurzprosa in Anlehnung an Franz Kafkas »Die Verwandlung«) ================================================================================ 02. Erinnerungen an eine Stadt ------------------------------ »Wege entstehen dadurch, dass man sie geht.« - Franz Kafka - I. Als die Glocken lärmen, werde ich klein. Die schwarzen Punkte an meinem Kopf zirkulieren wie wild umher. Sie sehen viel und erkennen nichts. Ich krabbele zwischen riesigen Füßen eine schmale Gasse entlang. Der Bordstein ist feucht und kalt. Um die Beinchen herum fröstelt es mich. Die riesigen Füße stampfen auf und ab, greifen mich an, versuchen mich niederzutrampeln. Ich verkrieche mich zügig in der Ritze einer morschen Hauswand und warte, bis der Tumult nachlässt. Geschwätz schallt durch meine Ohren, und ich verstehe es nicht, denn es ist eine Sprache, die ich nicht beherrsche. Die Worte klingen belanglos. Ganz langsam wage ich mich aus der Ritze und krabbele weiter. Der Himmel ist grau und trist. Regentropfen stürzen wie Wurfgeschosse auf die Stadt, die Menschen, den Bordstein, auf mich herab. Ein Tropfen zerplatzt auf meinem Panzer und benetzt den klobigen Körper von Kopf bis Fuß. Nässe ummantelt ihn. Ich ziehe meine Fühler ein und schrumpfe noch mehr in mich zusammen. Meine Stecknadelbeinchen halten der Belastung stand; es gelingt ihnen, den trampelnden Passanten auszuweichen. Bald erreiche ich den großen Platz. Farblose Gebäude erstrecken sich meterhoch über mir und schirmen die letzten Sonnenstrahlen ab, die durch die Wolkendecke brechen. Verschiedenste Gerüche gehen von Restaurants und Essensständen aus, schwirren in der Luft, vermengen sich, beißen in den Nasenhöhlen. Fetttriefende Salamipizza wird von Touristen schmatzend verschlungen. Gegenüber verzehren sie Fleischsalat mit trockenem Brot. Weiter nördlich höre ich Besteck über Plastikteller schaben, pampiger Kartoffelbrei wird gierig gelöffelt, und meine Fühler verkrampfen sich. Es stinkt. Der Himmel verfinstert sich und der Wind wirbelt Kälte auf. Nebelschwaden machen die Lichter der Stadt bedeutungslos. Ich werde kleiner und kleiner. Die schwarzen Punkte an meinem Kopf zirkulieren wie wild umher. Sie sehen nichts und erkennen Dunkelheit. II. Als die Glocken läuten, erwache ich. Ich öffne die Augen, schaue mich aufmerksam um. Weit entfernt kann ich die Prager Burg erspähen, erkenne das kleine Café am Altstädter Ring und mache sofort bei dem freundlichen Laden mit dem selbstgeschnitzten Holzspielzeug halt, in dessen Hauswandritze ich mich einst versteckt habe. Der Strom der Menschenmenge zieht mich mit. Inmitten der Altstadt spielen Kinder. Sie rennen auf eine Schar von Tauben zu, scheuchen diese in die Lüfte, und ihr Lachen fügt sich den Glockenklängen. Der Himmel ist blau und klar. Ich gehe die Karlsbrücke entlang. Sonnenstrahlen stehlen sich auf die Moldau. Die Wasseroberfläche funkelt. Eine kühle Brise weht durch mein Haar, ein sanfter Schauer überkommt mich, und ich beginne den Straßenmusikern zu lauschen. Das Rauschen des Flusses harmoniert mit zartem Geigenspiel. Künstler präsentieren ihre Zeichnungen auf der Brücke. Ich erreiche die Neustadt. Der Duft frischer Speisen erfüllt die Straßen. In den großen Fenstern der Einkaufszentren spiegelt sich die Sonne. Allmählich taucht sie unter. Der Abend tüncht den Himmel in dunklere Farben. Ich gehe weiter. Das schummrige Licht der Straßenlaternen beleuchtet den Bordstein. Bewohner ziehen sich in ihre Häuser zurück. Die zuvor belebte Stadt findet nun zur Ruhe. Ich schließe die Augen. Die Temperatur ist angenehm kühl. Stille beherbergt die menschenleeren Gassen. Ich öffne die Augen, schaue mich aufmerksam um. Ich sehe, was ich einst nicht sehen konnte. Ich erkenne Prag. ______ Meine persönlichen Eindrücke zur Stadt Prag, die das Ziel unserer Abschlussfahrt war.^^ Man beachte: erst am letzten Tag unseres Aufenthaltes kam die Sonne raus. ;) Liebe Grüße, Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)