Dope von Phoenix_Michie ================================================================================ Kapitel 11: There is not a thing I don’t cherish! ------------------------------------------------- 11. Kapitel – There is not a thing I don’t cherish! Seht diese schöne Kapitel als kleines Nikolaus-Geschenk an ;) Heute passieren in diesem Kapitel nur gute Sachen :3 --- Musik: Utada Hikaru – Passion the GazettE - Damashi D’espairsRay – Squall the GazettE - 泣ヶ原 the GazettE – Cassis the GazettE – Calm Envy --- Karyus POV Präfektur Tokyo, eine Landstraße… Es war mitten in der Nacht, doch wir waren noch immer mit dem Auto unterwegs. Michio war eingeschlafen, sein Kopf ruhte an der Fensterscheibe. Immer wieder warf ich ihm einen Blick zu, ob er wieder aufwachte, aber so schnell würde das wohl nicht passieren… Er war es gewohnt, erst gegen Sonnenaufgang aufzuwachen. Wir waren seit ein paar Stunden unterwegs, hatten die Großstadt Tokyo hinter uns gelassen. In der Zwischenzeit hatte ich ein wenig über die nächste Zeit nachgedacht, und Michio war erstaunlich ruhig gewesen. So war es mir zuerst auch gar nicht aufgefallen, dass er eingeschlafen war. Ich konzentrierte mich auf die Straße und blinzelte. Da war irgendwas – oder jemand. Ich spürte es. Mit gerunzelter Stirn trat ich noch mal kräftig aufs Pedal. Das war allemal besser als langsamer zu werden, das ahnte ich schon. Und bevor ich auch nur hätte reagieren können, stand plötzlich jemand direkt vor dem Wagen auf der Landstraße. Selbst wenn ich gekonnt hätte, abbremsen tat ich nicht, im Gegenteil: ich beschleunigte und es gab einen Knall, als der Körper auf die Motorhaube knallte, dann rumste es, als die Gestalt über das Dach geschleudert wurde. Mit einem erschrockenen Aufschrei kam Michio wieder zu sich und er sah sich hektisch um. „Guten Morgen“, meinte ich trocken und warf einen Blick in den Rückspiegel. Unser Unbekannter lag reglos auf der Straße. „Was-was ist passiert?“, rief Michio verwirrt und schaute zu mir. Kein Anzeichen von Verschlafenheit. „Du hast doch wohl nicht etwa…jemanden umgefahren?!“ Ich warf ihm einen kurzen Blick zu. „Doch, ich denke schon.“ „Waaaas?! Halt an, wir müssen-…“ „Ganz ruhig, Kleiner. Es war ein Vampir. Schau mal in den Seitenspiegel, er steht gerade wieder auf.“ Und als Michio das tat, war deutlich zu sehen, wie der inzwischen kleine, dunkle Punkt hinter uns aufrecht stand. „Oh mein Gott…“, entfuhr es Michio, der mit großen Augen dorthin starrte, selbst als man den Vampir schon längst nicht mehr sehen konnte. Ich seufzte. „Ich glaube, wir müssen noch ein bisschen weiter fahren…“ So ganz glücklich schien der Kleine nicht darüber zu sein, seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, als er wieder zu mir sah. Entschuldigend sah ich ihn an. „Ich weiß, du willst in einem großen, weichen Bett weiterschlafen, aber das muss noch etwas dauern.“ Er nickte. „Jaah…ich weiß. Ist schon okay.“ Michio gähnte und schloss wieder die Augen. „Ich kenne da einen Ort, der dürfte erstmal recht sicher sein, solange wir uns dort nicht Wochen aufhalten“, meinte ich noch, bevor er wieder einschlafen würde. „Das dauert noch etwa 2 Stunden.“ Aus leicht geöffneten Augen sah er noch mal zu mir und lächelte sogar leicht. „Gut…weckst du mich dann?“ Ich nickte nur, und wenige Minuten später schlief er schon wieder. Da nachts niemand auf den Straßen war, kamen wir schon nach eineinhalb Stunden an. inzwischen war es sogar früher Morgen. Es war eine Kleinstadt, mit der Betonung auf ‚klein’, aber dennoch größer als ein Dorf. Igawa. Die Sonne zeigte ihre ersten, zarten Strahlen, während ich auf dem Parkplatz vor einem Hotel den Wagen abstellte. Es war noch niemand unterwegs auf den Straßen. Das war ganz gut. Ich stieg aus, umrundete den Wagen und überlegte kurz, dann betrat ich das Hotel und suchte die Rezeption auf. Nachdem ich ein paar Mal geklingelt hatte, kam eine gelangweilt aussehende, junge Frau auf mich zu und ich bekam ein Zimmer. Hier würde es uns ganz gut gehen, aber ich hatte auch nicht vor, lange zu bleiben. Ich schlenderte zurück zum Auto und hob Michio auf die Arme, dann suchte ich rasch unser Zimmer auf, bevor mich noch jemand mit ihm sah. Allzu auffällig sollten wir uns besser nicht verhalten. Nicht, wenn wir auf der Flucht waren. Die junge Frau war zum Glück schon wieder längst in ihrem Hinterzimmer verschwunden. Der Kleine wachte nicht auf, als ich ihn auf dem Bett ablegte. Ich betrachtete ihn kurz, dann sah ich mich in dem kleinen Hotelzimmer um – das gar nicht so klein war, jedenfalls nicht für den Preis. Es hatte sogar einen Balkon. Nachdenklich kratzte ich mich am Hinterkopf, dann beschloss, einfach mal einen Blick hinaus zu werfen. Leise öffnete ich die gläserne Schiebetür und trat hinaus. Es war ein milder, wolkenloser Morgen und die Sonne war bereits als Halbkreis am Horizont zu sehen. Hier, in dieser Kleinstadt, schien es keine sonderlich großen Gebäude zu geben geschweige denn Hochhäuser, die die Sicht versperrten. Die nächsten Straßen, auf denen Autos fuhren, waren nicht sehr nah, weswegen es sehr ruhig war. Nachdenklich zündete ich mir eine Kippe an und betrachtete die Gehwege, die sich langsam mit Menschen füllten. Das letzte Mal, das ich hier gewesen war, musste vor 2 Jahrzehnten gewesen sein. Seit damals hatte sich der Ort nicht wirklich verändert. Verglichen mit Tokyo war er mehr als verschlafen. Aber es musste ja nicht überall so hektisch sein wie in Tokyo. Das hier, Igawa, war eine willkommene Abwechslung. Langsam wanderten meine Gedanken zu der Situation, in der ich und Michio steckten. Wie lange wir das wohl durchhalten würden? Dieses ewige Auf-der-Hut-sein und das Flüchten… Ich seufzte und schnippte die Kippe über den Rand des Geländers. Ganz toll hatte ich das gemacht. Michio würde sich herzlich freuen über unsere Zukunft. Gerade wollte ich ein Knurren von mir geben, als ich merkte, wie Michio aufwachte. Also ließ ich es sein. Ich blieb auf dem Balkon stehen und kurz darauf hörte ich schon Michios überraschte Stimme. „Wir sind ja schon da~!“ Er sprang auf und kam zu mir hinaus gelaufen. Vorwurfsvoll sah er mich an. „Du wolltest mich doch wecken!“ Ich sah ihn kurz von der Seite an und zuckte mit den Schultern. „Du sahst aus, als würdest du deinen Schönheitsschlaf brauchen“, meinte ich, weswegen er empört seine Wangen aufblies. „Was soll das denn bitte heißen? Seh ich so schlecht aus?“, wollte er wissen, während ich ihn eingehend betrachtete und schief lächelte. „Na ja…du hast schon mal besser ausgesehen.“ Er wurde leicht rot und wandte sich beleidigt von mir ab um die Aussicht zu bewundern. „Sieht niedlich hier aus“, meinte er schließlich, jetzt wieder mit einem Lächeln auf den Lippen. //Niedlich ist hier garantiert wer Anderes als die Stadt.// Ich schüttelte den Kopf um den merkwürdigen Gedanken loszuwerden und sah Michio an. „Wie sieht’s aus, wollen wir was frühstücken gehen und uns dann die Stadt anschauen?“ Er sah mit einem kleinen Strahlen in den Augen zu mir und nickte. „Ja, das hört sich gut an.“ Wow. Mit welch einfachen Dingen man den Kleinen glücklich machen konnte. Für mich hätte jetzt Schlaf Glück bedeutet. Gut, auch wenn ich den eigentlich ebenso brauchte wie etwas zu essen…aber eigentlich war mir in dem Moment nach einem weichen Bett. Und die Stadt kannte ich ja schon längst. Ich seufzte innerlich. Egal, jetzt war ich für einen Menschen verantwortlich, mehr denn je. Freiwillig. Das durfte ich nicht vergessen. Einige Zeit später saßen wir in einem Café und kamen zu heißem Kaffee. Dieses Getränk hatte den zweiten Platz bei mir inne – gleich nach Blut. „Wir können hier nicht lange bleiben“, sagte ich zu Michio, während er seine Miso-Suppe aß. „Ich werde mich weitaus wohler fühlen, wenn wir möglichst großen Abstand zu Tokyo haben…“ Michio nickte nur, stellte keine Fragen zu meiner Überraschung. Wahrscheinlich war ihm das Essen grade wichtiger. „Wir werden schon bald weiter Richtung Süden fahren. Dort habe ich eine Bekannte, die uns helfen wird.“ Nun schaute Michio etwas interessierter und schluckte den Bissen hinunter, den er im Mund hatte. „Helfen?“ Hörte ich da etwas Misstrauen heraus? „…Eine Bekannte?“ Ich musste schmunzeln. „Jaa…du vermutest richtig, sie ist auch ein Vampir. Aber ja, sie wird uns helfen. Ihr gehören zwei Häuser auf dem Land. Eines davon vermietet sie immer. Und für die nächste Zeit…wird sie es an uns vermieten.“ „…weiß sie das?“ Ich grinste. „Ja, bald. Ich müsste sie nur mal anrufen. Aber das werd ich heute noch machen.“ Er nickte langsam, schien nachzudenken. „Aber…wovon wollen wir das denn bezahlen?“, fragte er unsicher und sah mich an, woraufhin ich leicht lächelte. „Das wird wirklich nicht das Problem sein. Erstens…macht sich Sayoko nichts aus Geld. Zweitens hab ich eine Menge Geld auf verschiedenen Konten…und in meiner Brieftasche…und im Auto…“, zählte ich auf, „und drittens könnte ich mir, wenn wir überhaupt noch mehr Geld bräuchten, mal schnell einen Auftrag an Land ziehen.“ Ich grinste kalt. „Es gibt ständig überall irgendwelche Leute, die Bekannte, Freunde, Verwandte, den Chef, Konkurrenten oder Feinde umbringen möchten – und ich würde es dann mit Freunden für sie tun, wenn die Bezahlung stimmt.“ Ich sah an Michios großen Augen und dem verstimmten Gesichtsausdruck, dass ihm das gerade nicht gefiel was ich sagte, aber ich hatte es halt nicht zurück halten können. Der Killer steckte eben immer noch mir. Er würde es immer tun. Ich war schließlich ein Vampir und die töteten mit Vorliebe. Ich winkte ab. „Entschuldige. Iss weiter.“ Langsam sah Michio hinunter auf sein Essen. Hatte ich ihm jetzt den Appetit verdorben? Ein paar Sekunden passierte nichts, dann zuckte er kaum merklich mit den Schultern und widmete sich wieder dem Frühstück. Ich tat es ihm nach. Als wir später wieder hinaus auf die Straße traten, strahlte die Sonne oben am Himmel und es waren mehr Leute als noch am Morgen unterwegs. Michio strahlte, satt und zufrieden, mit der Sonne um die Wette. Ich beobachtete das Ganze ein wenig argwöhnisch. Woher die gute Stimmung? Die nächsten Stunden schlenderten wir durch die Straßen der Stadt, bewunderten die grünen Parks, aber alles war ja vorbei, als wir die Einkaufsmeile erreichten. Nach den ersten beiden Geschäften schon ließ ich mich nicht beirren und wartete draußen vor den Läden, während ich eine Zigarette nach der anderen rauchte. In diesen Momenten war ich wieder sehr froh, bereits mehr oder weniger tot zu sein. Keiner konnte mir mit einer gefährlichen Teerlunge kommen. Auf jeden Fall lernte ich wieder etwas Neues über Michio: er liebte es wohl zu shoppen. Oder so was Ähnliches. Kaufen tat er jedenfalls nichts. Als es plötzlich in einen Bücherladen ging, folgte ich ihm und schaute mich selbst ein wenig um. Immer wieder schaute ich auf, was er machte und wo er war, aber er stand immer an derselben Stelle mit demselben Buch in der Hand und las darin. Neugierig geworden ging ich zu ihm und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Anstatt jetzt stundenlang mit dem Buch hier rumzustehen, willst du es dir nicht lieber einfach kaufen und nachher im Hotel lesen?“ Michio sah auf und schüttelte den Kopf. „Nein…ich werd mein Geld lieber sparen.“ Ich seufzte und nahm ihm dann das Buch aus der Hand, bevor ich ihm ein gewinnendes Lächeln zuwarf und zur Kasse ging. Ich spürte seinen verwirrten Blick auf mir, dann folgte er mir nach kurzem Zögern. „Karyu, nein!“ Aber ich ließ mich nicht beirren und legte das Buch auf den Tresen, während ich mit der anderen Hand Michio von mir fernhielt, der protestierte. „Bleib locker, Kleiner.“ Er schnaubte und ich bezahlte, behielt aber das Buch in der Hand, während ich den Laden wieder verließ, während Michio mir hinterher lief. „Das kannst du doch nicht machen!“ Ich grinste ihn an und zuckte mit den Schultern. „Doch kann ich wohl, wie du siehst.“ Ich deutete auf das Buch. „Aber das hier geb ich dir erst nachher, sonst seh ich heute deine wunderhübsche Nase nicht mehr aus den Seiten hervor kommen.“ Ich grinste ihn an, während Michio etwas rot wurde und sich abwandte. „…danke, Karyu.“ Ich lächelte. „Schon gut. Komm, lass uns weiter gehen.“ Am späten Nachmittag und um ein Eis im Bauch reicher, kamen wir wieder im Hotel an. Auch wenn ich recht geschafft war, zog ich mich gleich auf den Balkon zurück um in Ruhe zu telefonieren, anstatt mich hinzulegen. Das Bett wurde eh von Michio eingenommen, der begann, in seinem neuen Buch zu schmökern. Nach dem Anruf bei Sayoko war ich eigentlich recht erleichtert. Das Haus würde frei sein, wenn wir in den nächsten Tagen da waren. Ihre Bedingung war zwar nicht so schön, aber machbar. Zufrieden rauchte ich eine Zigarette und sah zum Horizont. Die Sonne neigte sich diesem zu. Ich wandte mich nach einer Weile ab und ging zu Michio ins Zimmer. Er hatte schon ein Viertel des Buches ausgelesen. „Hast du Hunger?“ Er sah auf und nickte leicht. „Gut, dann werd ich was über den Zimmerservice bestellen. Es ist besser, wenn wir hier oben bleiben…“ Er fragte nicht weiter nach. Eine halbe Stunde später saßen wir draußen auf dem Balkon und konnten den Sonnenuntergang bewundern. Ich selbst war aber eher von der Kerze abgelenkt, die da in der Mitte des Tisches stand. Warum war da eine Kerze zu dem Essen gekommen? Michio hatte dann auch noch drauf bestanden, sie anzuzünden. Ich starrte in die kleine Flamme, er zum Horizont, mit glänzenden Augen. „Ich mag’s hier“, sagte er leise. „Müssen wir wirklich schon wieder gehen?“ Ich nickte abwesend. Er seufzte und ich spürte seinen Blick auf mir. „…guten Appetit.“ Endlich hob ich den Blick und lächelte ihn leicht an, dann machten wir uns über das Abendessen her. Gegen ein schönes Glas Blut hätte ich jetzt nichts gehabt, aber das Blut lagerte in einer Kühlbox im Auto. Und da runter wollte ich jetzt nicht. Ich hatte eh für die nächsten 2,3 Tage genug Blut in mir. Das sollte also erstmal nicht das Problem sein. Ich war zwar immer noch eine Gefahr für Michio, aber nicht so stark wie noch vor einer Woche, wo es ja unangenehm ausgeartet war. Bei der Gelegenheit fiel mir auf, dass er noch gar keine Fragen über mein Vampir-Dasein gestellt hatte. Welch ein Glück, das sollte auch so bleiben. Aber hieß das…dass er eh bereits eine Menge über uns wusste? Nachdenklich betrachtete ich ihn kurz, aber er ignorierte meinen Blick, ließ sich nicht beirren und widmete sich hingebungsvoll dem Abendessen. Fragen wollte ich ihn jedenfalls nicht, wie viel er über Vampire wusste. Irgendwie…war es mir auch unangenehm, mit ihm darüber zu reden. Ich wollte es nicht… Mir fiel aber eine andere Frage ein, die ich seit unserem zweiten Treffen vor einigen Wochen schon beantwortet haben wollte. „Zero…“, sagte ich leise und sah auf, schaute direkt in Michios vor Überraschung große Augen. „Warum hast du dir diesen anderen Namen zugelegt?“ Der Kleine hielt inne, regte sich für einige Sekunden nicht, sondern sah mich nur an. Schließlich seufzte er und senkte den Blick, starrte auf seinen Teller. „Zero…ist jemand Anderes.“ Er schwieg, aber ich stellte ihm keine Frage, auch wenn ich eine Erklärung wollte. Nach einer Weile sprach er weiter. „Er ist stärker als ich. Nachdem ich aus dem Waisenhaus geflohen war, musste ich mich zwangsläufig verändern, um auf der Straße überleben zu können.“ Er sah mich an. „Dieses härtere, kalte Ich…das war eben nicht wirklich ich, es war jemand Anderes, jemand, den ich ab da eben immer brauchte. Deswegen der zweite Name. Zero…“ Ich nickte leicht, während mein Blick wieder zur Kerzenflamme wanderte. „Aber…wo wir gerade von Namen sprechen…“, sagte er dann leise, „heißt du wirklich Karyu? Ist das dein richtiger Name?“ Ich spürte seinen wachen Blick auf mir und ich nickte langsam. Ja, das war mein richtiger Name. Mein Vampir-Name. Michio schien mein Zögern bemerkt zu haben. „Nein, ich meine…war das schon dein Name, als du…noch ein Mensch warst?“ Seine Stimme zitterte – oder bildete ich mir das ein? Ich wandte den Blick nicht von dem warmen Licht in der Mitte des Tisches ab. Langsam schüttelte ich den Kopf. Nein, als ich ein Mensch gewesen war, hatte ich einen anderen Namen gehabt. „Welchen hattest du damals…?“, wollte er ganz leise wissen, die Frage schwebte wie ein zarter Windhauch durch die Luft. Ich schwieg. Eine ganze Weile. Keiner von uns beiden regte sich. Während ich weiterhin in die Kerze starrte, sah er mich unverwandt an. „Aus meinem Leben als Menschen…“, begann ich schließlich leise, „werde ich nie etwas erzählen. Es sind längst vergangene Zeiten, sie werden nie mehr wieder kommen… Es bringt nichts, sich daran zu erinnern.“ Ich war kurz davor, den Blick von der Kerzenflamme zu lösen. „Auch wenn ich dir meinen menschlichen Namen verrate, so macht es mich nicht menschlicher, Michio. Ich werde für immer bleiben, was ich jetzt bin – ein Vampir, der Blut von seiner eigenen, ehemaligen Rasse trinkt.“ Als ich ihm einen kurzen Blick zuwarf, starrte er mich ertappt an, dann senkte er langsam den Kopf, so tief, dass ihm seine schwarzen Haare ins Gesicht fielen. Ich schwieg, und in dem gleichen Moment, da ich merkte, wie seine Schultern leicht zitterten, sprang er auch schon auf und hastete vom Balkon ins Zimmer. „Entschuldige mich kurz…“ Verwirrt sah ich ihm hinterher. Hätte mein Herz gekonnt, wäre es jetzt unruhig in meinem Brustkorb hin- und hergehüpft. „Michio?!“ Ich bekam keine Antwort und stand auf. Unschlüssig stand ich kurz da. Jetzt verfluchte ich mich innerlich dafür, nicht viel Ahnung von Menschen zu haben. Langsam ging ich zur geöffneten Schiebetür und sah ins Zimmer. Michio stand am Bett, mit dem Rücken zu mir. Seine Schultern zitterten immer noch verdächtig. Ich schluckte und ging ein paar Schritte auf ihn zu. „Michio, was ist denn los?“, fragte ich sanft und versuchte ruhig zu bleiben. Sachte legte ich ihm eine Hand auf die Schulter. Sein Arm hob sich und er schien sich über die Augen zu wischen, während er kaum hörbar schniefte. Langsam wandte er sich dann zu mir um und schaute mich aus leicht geröteten, wässrigen Augen an. „Hab ich was Falsches gesagt?“, wollte ich unsicher wissen, doch er schüttelte leicht den Kopf. „Nein, ich denke ich nicht…ach, ich weiß auch nicht…“, murmelte er mit zitternder Stimme und sah beschämt beiseite. „Ich muss nur plötzlich…an alles Schlechte denken…“, flüsterte er und sah zu mir auf. Schmerz stand in seinem Blick geschrieben. „An…alles Schlechte?“, wiederholte ich leise und nahm meine Hand von seiner Schulter. Ob er wohl daran dachte, was ich ihm angetan hatte? Er nickte und biss sich auf die Lippe, während er zu Boden sah. „Erst…sterben die Menschen, die mir am Wichtigsten sind…meine ganze Familie ist tot.“ Seine Stimme zitterte gefährlich und erneut stiegen ihm die Tränen in die Augen. „Sogar…du bist eigentlich tot.“ Ich fühlte einen kleinen Stich in meinem Herzen. „Und dann…werd ich misshandelt und missbraucht, ziehe das Unglück nur so an.“ Er schniefte und sah mich anklagend an. „Dann lern ich dich kennen..und du…du tust mir auch weh.“ Seine Stimme brach weg, während die ersten Tränen über seine Wangen liefen. Ich starrte ihn beschämt an. „Michio, ich-…“ Doch er unterbrach mich, wandte den Blick nicht von mir ab. „Weißt du, selbst dir bring ich Unglück!“ Ich hielt inne. „…?“ Er schniefte und wischte sich fahrig über die Augen. „Du musstest alles aufgeben was in Tokyo war…und jetzt bist du auf der Flucht, wegen mir, wegen eines Menschen…“ Er senkte den Blick und fing an zu schluchzen. „Ich weiß jetzt schon, dass das alles kein gutes Ende haben wird, Karyu.“ Inzwischen tropften die Tränen schon von seinem Kinn zu Boden. „Wir hätten uns nie kennen lernen dürfen…ich hätte mit meinen Eltern und meiner Schwester damals sterben müssen…“ Nun blieb mir endgültig die Spucke weg. Dachte er wirklich so? Meinte er das ernst? Weinend sank Michio zu Boden und vergrub das Gesicht in den Händen. Ich hatte wirklich nicht geahnt, wie es in seinem Inneren aussah. Vielleicht hätte ich doch mal seine Gedanken lesen müssen… Kurz entschlossen kniete ich mich vor ihm hin und schlang zögernd meine Arme um seinen zitternden Körper, dann legte ich eine Hand an seinen Kopf und drückte ihn sachte an meine Brust. Michio ließ es geschehen, wehrte sich nicht, sondern schluchzte nur immer wieder. „Beruhige dich und hör mir gut zu“, wisperte ich nach einer Weile leise und strich ihm mit der anderen Hand tröstend über den Rücken. „Es gibt etwas, dass ich dir erzählen muss. Ich denke, du solltest es wissen, und wenn ich es dir nicht jetzt erzähle, dann würde ich es niemals tun…“ Ich machte eine kurze Pause und wartete darauf, dass Michio ruhiger wurde, aber sein Körper zitterte auch weiterhin und ich konnte immer mehr die Tränen spüren, die ihm lautlos aus den Augen quollen und mein Sweatshirt nass machten. „In jener Nacht, in der deine Familie starb, solltest du auch sterben. Wenn nicht durch das Feuer, dann durch mich. Ich hatte dein Leben in der Hand.“ Sachte wiegte ich uns vor und zurück. „Seit du weißt, dass ich ein Vampir bin, hast du dich da nicht gefragt, warum ich dich gerettet und laufen gelassen habe? Ich hatte eigentlich tatsächlich vorgehabt, dein Blut zu trinken und dich zu töten. Nur deshalb hatte ich dich aus den Flammen geholt. Du wurdest eh für tot gehalten, niemandem wäre es aufgefallen...“ Ich machte eine kleine Pause und lauschte Michios Schluchzen, das inzwischen leiser und weniger geworden war. „Aber wie du selbst merkst, lebst du noch. Ich habe es nicht getan. Als ich in deine Augen sah, hat mich etwas davon abgehalten, meine Zähne in deinen Hals zu schlagen. Ich hatte ein Gefühl in mir, dass es mir verbot, dir etwas anzutun. Ich bin davon ausgegangen, dass die Zeit noch nicht gekommen war. Du durftest noch nicht sterben.“ Michios Hände krallten sich sachte in mein Oberteil, während er den Kopf gegen meine Brust presste, immer noch zitterte. „Also habe ich gewartet…als ich dich vor einigen Wochen zufällig wieder traf, musste ich fest stellen, dass sich nichts geändert hatte. Ich wusste, dass ich dich noch immer nicht töten konnte. Aber ich wollte dein Blut. Und deswegen habe ich begonnen, dich an mich zu binden…durch die Arbeit…durch die Wohnung…“ Meine Stimme wurde leiser. Während ich ihm das erzählte, schämte ich mich und wartete eigentlich nur darauf, dass er mich von sich stieß und mich anschrie, verletzt und enttäuscht. Aber das passierte nicht. „Du musst mir glauben, dass ich dich vor einer Woche nicht mit Absicht gebissen habe…als ich gestern sagte, dass ich das wirklich nicht gewollt habe, da meinte ich das ernst. Und mir ist jetzt etwas ganz Wichtiges klar geworden, Michio. Die letzten Jahre habe ich immer geglaubt, dass ich dich eines Tages beißen dürfte, dass eines Tages dieses Gefühl in mir, dass es mir verbot dein Blut zu trinken, verschwinden würde. Aber ich weiß jetzt, dass es nie weg gehen wird. Freiwillig, Michio, könnte ich dich nie beißen. Nie könnte ich dir freiwillig weh tun…“ Meine Stimme war ein Flüstern und ich fühlte mich plötzlich so schwach, war innerlich fürchterlich aufgewühlt, weswegen mein Kopf langsam auf Michios Schulter sank. Die Worte kamen wie von selbst über meine Lippen, es spielte keine Rolle mehr, ob ich das alles eigentlich sagen wollte oder lieber nicht. „Bitte sprich nicht davon…sprich nie wieder davon, dass du damals hättest sterben müssen, so wie deine Eltern und deine Schwester. Es war so etwas wie Schicksal, dass ich da war und dich gerettet habe. Du warst der erste und letzte Mensch, dem ich nichts antun konnte. Das alles…hatte seinen Sinn, Michio. Es hat nur für uns einen Sinn, für uns allein. Das, was passiert ist…sollte uns beide für immer aneinander binden…“ Mein Kopf ruhte auf seiner Schulter, schon längst hatte ich die Augen geschlossen. Es war unheimlich still. Ich wusste nicht, ob meine Worte Sinn für ihn ergaben. Selbst ich wusste nicht einmal, ob ich das verstanden hatte, was ich gesagt hatte. Spontan war mir aufgegangen, was das alles zu bedeuten hatte. Doch das Wichtigste hatte ich noch nicht gesagt. Und ich wusste nicht, ob ich diese Worte über meine Lippen bringen konnte. „Ich…bringe es nicht übers Herz, dir etwas anzutun. Genauso wenig will ich, dass dir etwas passiert…dass dir Andere etwas antun…“, sprach ich leise weiter und merkte erst jetzt, wie sich meine Hände, mit denen ich Michio hielt, verkrampft hatten. Meine Lippen zitterten. Ich wusste, dass ich noch etwas sagen musste, nur einen Satz, aber es war schwer, so schwer, es zu sagen. Ich war doch kein Mensch mehr…ich hatte kein schlagendes Herz. Was mir geblieben war, das war ein kalter, lebloser Klumpen in meiner Brust, der im Moment schwerer als ein Stein wog. Wenn ich doch aber angeblich nichts mehr fühlen konnte, warum schmerzte es dann gerade so in meiner Brust? Warum…fühlte sich dieser Schmerz ein wenig süß an…? Ich wusste nicht mehr weiter und schwieg, öffnete langsam wieder meine Augen und hob langsam den Kopf, spürte im selben Moment, wie sich auch Michio etwas von mir löste. Doch er verharrte in der Position, hob nur den Kopf und sah mir in die Augen. Sein Gesicht war tränennass, noch immer liefen vereinzelt Tränen über seine Wangen. Ich spürte seine Hände, die sich in meinem Oberteil fest krallten, spürte seinen warmen Atem an meinem Kinn. Aus seinen großen, wässrigen Kulleraugen schaute er mich stumm an und erst jetzt wurde mir klar, wie nah wir uns waren. Dicht an dicht knieten wir auf dem Boden, sein Körper war an meinen geschmiegt, aber erstaunlicherweise störte es mich nicht. Normalerweise mochte ich es nicht, wenn mir ein Mensch näher kam und den Sicherheitsabstand von einem Meter durchbrach… Ich hatte keine Ahnung, wie ich Michio ansah. Ich erwiderte einfach nur seinen Blick und fragte mich, was er dachte. Aber ich kam nicht auf die Idee, einfach mal nachzuschauen. Ich wusste nun auch, dass ich niemals seine Gedanken lesen können würde. Dass war ebenso unwahrscheinlich als wenn ich ihn jemals freiwillig beißen würde. Michio sagte nichts, schwieg weiterhin und sah mich nur an. Mir fehlten nun auch die Worte, ich wusste nicht, was ich noch sagen konnte und erwiderte einfach nur seinen Blick. Irgendwann spürte ich, wie sich seine Finger stärker in mein Oberteil krallten, dann reckte er sich unvermittelt zu mir hoch und küsste mich. Er hatte die Augen geschlossen, eine nachdenkliche Falte hatte sich auf seiner Stirn gebildet. Meine Augen wurden vor Überraschung groß, ich regte mich nicht. Ich konnte Michio nur anstarren, fühlte seine weichen, warmen Lippen auf meinen eigenen, wo sie ein seltsames Kribbeln auslösten. Ich konnte sogar…sein schnell schlagendes Herz an meiner Brust spüren. Viel zu schnell löste Michio sich wieder von mir und senkte den Kopf. Er schien in sich zusammenzusinken. „…t-tut mir leid…“, hauchte er mit zitternder Stimme und hob langsam die Hände an seine Lippen, als könnte er nicht glauben, wo sie sich gerade noch befunden hatten. Noch immer sah ich ihn mit großen, ungläubigen Augen an und schüttelte langsam den Kopf. Ich konnte gar nichts denken in diesem Moment. „Nein…ist schon okay. Du musst dich nicht entschuldigen…höchstens ich mich bei dir…“, meinte ich leise und lockerte meinen Griff. Langsam und vorsichtig ließ ich meine Hände zu Michios Gesicht wandern und strich mit den Fingern über seine feuchten Wangen, woraufhin er zögernd den Kopf hob und mich unsicher ansah. Aus irgendeinem Grund musste ich leicht lächeln und dann beugte ich mich ein Stück zu ihm hinunter, sah ihm fragend in die Augen und er überwand den letzten Zentimeter, reckte sich ein wenig zu mir hoch. Wieder fühlte ich seine vollen, warmen Lippen auf meinen. Kurz noch schauten wir uns in die Augen, dann schlossen wir sie gleichzeitig. Diesmal war ich fähig, den Kuss zu erwidern, der nun auch viel länger andauerte als der vorige. Schüchtern verweilten unsere Lippen aufeinander, während Michios Hände sich von meinem Sweatshirt lösten und er die Arme daraufhin um meinen Nacken schlang, sich etwas aufrichtete. Meine eigenen Hände verweilten an seinen Wangen, ich hielt Michio eng bei mir und bewegte sachte die Lippen gegen seine. Ein warmes Gefühl, wärmer als jegliches Blut, das mich je durchströmt hatte, breitete sich in meinem Inneren aus. Leicht löste ich mich von ihm, sah ihm noch mal in die Augen. „…vertraust du mir so sehr?“, wisperte ich leise und er nickte. „Ja, ich vertraue dir…und zwar aus dem gleichen Grund, wegen dem du mir nichts antun kannst…“ Stumm erwiderte ich seinen Blick, dann näherte ich mich wieder seinen Lippen und fing sie sanft ein. Michio hatte Recht. In diesem Moment war es das einzig Richtige, sich zu küssen, trotz allem, das zwischen uns passiert war. Wir trugen das gleiche Gefühl in uns. Das Gefühl, wegen dem ich sein Blut nie so einfach würde trinken können, ich wollte es auch gar nicht mehr. Das Gefühl, wegen dem er mir vertraute und mir glaubte. Das Gefühl, wegen dem er keine Angst mehr vor mir hatte. Liebe. --- *zufrieden sfz* Ein glückliches Danke schön~ @ Asmodina: Nya~ Karyu wird sich aber alle Mühe geben, das Versprechen zu halten^^ Drücken wir ihm die Daumen, dass er es schafft, unserem Zero-chan nichts mehr weh zu tun! @ Lucel: Uh was denn, machst du dir etwa Gedanken um Hizashi, den anderen Vampir? Der lebt noch...einer muss ja Ärger machen ;) @ Fascination-Street: xDDD Na, bist du nun zufrieden~? *grins* Sie haben sich geküsst, und keine blöden Vampire platzten dabei rein^.^ Freu mich, dass dir die FF so gefällt und du so mitfieberst ^///^ @ Temari2011: Tja Zero und Karyu sind ab jetzt wohl nicht mehr nur noch 'so was wie Freunde' xDD Und du liegst richtig, wenn du dir Sorgen machst, da Karyu Auron getötet hat. Da wird wirklich noch Ärger auf ihn und Zero zukommen ûu Deswegen dieses Kapitel, damit sie Kraft für die kommende Zeit schöpfen können ^.~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)