Bad News von Pansy ================================================================================ Kapitel 4: ----------- Emotional Outbursts Rob konnte zusehen, wie Lee erst feuerrot, dann kreidebleich wurde. Die Veränderung seines Zustandes ging so schnell vonstatten, dass Rob nicht wusste, ob sein Vater sich entweder lediglich wieder beruhigt hatte oder etwas nicht mit ihm zu stimmen schien. "Dad?" Rob war wie angewurzelt. Er war nicht imstande aufzustehen, nicht mal dazu, den kleinen Finger zu rühren. Untätig und unfähig saß er auf seinem Stuhl und musste zuschauen, wie Lee seinen Kampf bestritt. Lee, der vor einigen Tagen erst mit seinen Kindern seinen Ehrentag gefeiert hatte, war nicht mehr der alte. Seit er von seinem Krebs erfahren hatte, und das war drei Monate bevor er seine Nachkommen davon in Kenntnis gesetzt hatte (!), hatte sich in seinem Leben so einiges verändert. Vor seiner Familie wollte er das selbstverständlich nie zugeben. Sogar vor Julie verheimlichte er seine akut auftretenden Schmerzen, die ihn die eine oder andere Nacht übermannten. Sein Gesundheitszustand war nämlich weitaus schlimmer, als er selbst wahrhaben wollte. Der Schein trog. Selbst die Nachricht von einem gutartigen Tumor war erstunken und erlogen. Sicherlich, er wollte seine Angehörigen nicht unnötig (?) in Unruhe versetzen, dennoch gab ihm das nicht das Recht, sie zu belügen, darüber war er sich völlig im Klaren. Aber er konnte mit seinem Schmerz nicht umgehen. Hilfe wollte er keinesfalls beanspruchen, das wäre ja ein Zeugnis der Schwäche! Ein starker Mann muss alleine mit seiner Situation fertig werden! Eine solche Einstellung zeugt doch eher von Unreife, aber das hat Lee leider noch nicht begriffen. Sein Bauch krampfte sich zusammen, er krümmte sich vor Schmerzen. /Ich muss ihm doch irgendwie helfen können!/ Trotz des guten Willens war Rob dazu verdammt, Zuschauer zu sein. /Oh nein, das muss gerade jetzt sein, solange Rob anwesend ist! Hätte das nicht bis nachher warten können?/ Tränen der Verzweiflung stiegen ihm widerwillig in die Augen. /Ich bin stark! Das kommt gar nicht in Frage!/ Mit aller Mühe versuchte er die Tränen zu unterdrücken. Er kniff in kurzen Abständen die Augen immer und immer wieder zusammen. Das Blau war dadurch nur hin und wieder zu sehen. Seine breiten grau-braunen Augenbrauen tänzelten auf und ab. /Schwarz! Nicht schon wieder! Nicht wieder das Bewusstsein verlieren. Wach bleiben./ Lee versuchte unter Höllenqualen dennoch an etwas schönes zu denken, doch er unterlag diesem Unterfangen. /Wälder, Berge, frische Luft...Schmerz, Dunkelheit. Es geht nicht, verflucht./ Er rang weiterhin um sein Bewusstsein. /Dad! Halte durch...ich...ich...kann nicht./ Die Fassungslosigkeit über Lees Zustand und über sein eigenes Unvermögen stand Rob förmlich ins Gesicht geschrieben. Ein blasser Teint überdeckte seine sonst von Natur aus bräunliche Haut. Seine kirschbaumbraunen Augen waren nicht wie gewöhnlich sehr ausdrucksstark, sondern entbehrten jeglichen Schimmer. Eine unendliche Leere erfüllte Robs Herz. Er hatte begriffen, dass Lee doch nicht wieder gesund werden würde. Solche Qualen kamen nicht von ungefähr. Sein Vater musste kranker sein als zu vermuten war. /Warum hat er dann immer so getan, als ob alles in Ordnung sei? Nun muss ich dich vor meinen eigenen Augen so leiden sehen. Du kämpfst mit dir, um nicht schwach auszusehen. Doch warum dies alles? Schämst du dich vor deinem eigen Fleisch und Blut? Ist es das, was dich dazu trieb, den Schein zu wahren?/ Die Stille im Raum zehrte am Verstand. Nur das Keuchen von Lee durchbrach ab und zu die Leere. Rob atmete im selben Takt ein und aus, er passte sich den regelmäßigen Atemstößen seines Vaters an. Das fahle Licht des Mondes schien durch das einzige Fenster des Zimmers herein und wurde von den weißen Wänden schwach reflektiert. Es war kalt, es spendete keine Wärme. Normalerweise mochte Rob den Mondschein und genoss die ruhige Atmosphäre, die ihn umgab, doch dieses Mal verabscheute er das matte Leuchten. Nichts auf der Welt hätte ihn jetzt befriedigen können. Einerseits war er enttäuscht, dass Lee anscheinend ihn die ganze Zeit über belogen hatte, andererseits war er mit sich selbst unzufrieden, denn er hätte selbst darauf kommen können, denn er war schließlich derjenige, der damals schon ein ungutes Gefühl hatte, als Lee ihn von seiner Krankheit in Kenntnis gesetzt hatte. Hatte er nicht Vorahnungen gehabt, dass etwas nicht stimmte? War er nicht so naiv gewesen, sein Gefühl zu unterdrücken? "Uhhh!" Lee stöhnte laut auf. Das gab Rob den Anlass von seinen Gedanken abzulassen, um sich wieder auf seinen Vater zu konzentrieren. Der fast schon schrille Ton, den Lee von sich gegeben hatte, hatte Rob aus seiner Trance gerissen. Rob wurde erst klar, dass er sich wieder bewegen konnte, als er schon aufgestanden war und den roten Knopf neben Lees Krankenbett gedrückt hatte. Wenig später kamen schon die verständigten Ärzte herbeigeeilt und tummelten sich um Lee. Rob wurde bald unsanft weggeschoben. Einer sagte ihm im Vorbeigehen, er solle sich keine Sorgen machen, sie kümmerten sich um seinen Vater. Aber Rob bekam von der ganzen Sache gar nicht viel mit. Er starrte hilflos vor sich hin und ließ das Geschehen an sich vorbeilaufen wie einen schlechten Film im Kino. Als sich das wilde Durcheinander gelegt hatte und Lee ausreichend versorgt war (ihm wurden Schmerzmittel verabreicht und er schlief jetzt), kam einer der Ärzte auf Rob zu. "Rob Stevensen?" Als Antort bekam er lediglich ein kurzes, fast unmerkliches Nicken. "Zuallererst möchte ich Sie darauf hinweisen, dass es Ihrem Vater den Umständen entsprechend gut geht und sein Zustand momentan stabil ist." In Robs Gesichtsausdruck war keine Veränderung festzustellen. Sein Blick war weiterhin kühl, und doch irgendwie weich. "Ohne Sie hätte es schlimmer ausgehen können, vielleicht hätte es sogar mit dem Tod geendet. Mister Stevensen erlitt einen Herzinfarkt," /Herzinfarkt?/ "wahrscheinlich durch Aufregung oder Stress ausgelöst, was doch unwahrscheinlich klingt. Denn wie hatte er plötzlich in solche Aufregung verfallen können? Wissen Sie vielleicht, was ihn dazu getrieben haben könnte, Sie waren ja die ganze Zeit über anwesend?" /Habe ich das alles veranlasst? Womöglich war es der falsche Zeitpunkt mit ihm über Anfälle und diverse Attacken zu reden. Und dann habe ich ihn gereizt und.../ "Sir? Haben Sie nun eine Ahnung oder nicht? Schließlich waren Sie unerlaubt bei ihm! Ich dachte, in Ihrem Alter wüsste man, wann die Besuchszeiten enden." Der dunkelhaarige Mann Mitte 40 wurde forsch. "Naja, ich..." Rob stotterte, konnte sich aber fangen und entgegnete mit harter Stimme. "Ich musste meinen Vater sehen. Sie haben doch nicht die leiseste Ahnung, wie dringend und wichtig das für uns beide (/beide?/) war. Und ich kann nur sagen, dass er plötzlich zusammengebrochen ist und ich Sie sofort verständigt habe." /Gelogen! Alles gelogen! Wie konnte ich nur so unverschämt lügen!?/ So etwas passte gar nicht zu Rob. Er hatte in seinem ganzen Leben noch niemanden so unverblümt ins Gesicht gelogen. Ehrlichkeit war einen Tugend, die ihm in die Wiege gelegt worden war. Waren es die Umstände, die ihn zu so einer Tat veranlasst hatten? Da der Arzt zu begreifen schien, dass es momentan keinen Sinn hatte, weiter nachzubohren und die Ursachen zu hinterfragen, ließ er Rob allein und ging seinen anderen Aufgaben nach. Völlig außer Atem kam Mandy auf Rob zu gerannt, dicht gefolgt von Julie. Sie waren natürlich von Lees Herzinfarkt in Kenntnis gesetzt worden. "Tragisch! Erst die Geschichte mit dem Krebs und jetzt auch noch eine Herzattacke. Warum muss das nur unsere Familie so hart treffen?", platzte aus Julie hervor, als sie die Zimmertür mit der Nummer 159 anblickte. "Rob, du warst doch bei ihm." /Die Nächste, die mich fragt!/ "Was ist eigentlich wirklich geschehen? Ich hatte bemerkt, dass etwas mit dir nicht stimmte als du heute abend hier ins Krankenhaus kamst." /Ach ja?/ "Ungewöhnlich war zudem, dass du es gar nicht erwarten konntest, mit Lee zu reden." /Das geht dich nichts an!/ "Sei vernünftig und erzähl uns, was da drin passiert ist." /Das... kann ich nicht.../ Mit festem Blick sah Rob seiner Mutter in die Augen, um deutlich zu machen, dass er dazu nicht imstande war. "Tut mir Leid, Mom, aber es ist unmöglich, euch jetzt etwas zu sagen." Julie war sichtlich geschockt. Ihr Mund öffnete sich, aber es kam kein Ton hervor. Rob entfernte sich zwei Schritte und hatte eigentlich auch vor, von hier zu verschwinden, wurde aber von der plötzlich lautstarken Julie abgehalten. "Rob Stevensen, hier geblieben! Denkst du ernsthaft, du kannst dich drücken? Du bist erwachsen und hast gefälligst die Verantwortung für dein Handeln zu übernehmen!" Er hielt so abrupt inne, dass er beinahe über seine eigenen Füße gestolpert wäre. Mühevoll konnte er das Gleichgewicht halten. "Dreh dich um und sieh mich an, wenn ich mit dir rede!" /Mom?/ So erhitzt kannte Rob seine Mutter nicht. Es hatte sonst immer nur einen zu Hause gegeben, der laut wurde, Lee. Aber von Julie war das keiner gewohnt. Selbst Mandy war erschrocken, als Julie die Stimme erhoben hatte. Rob blieb keine andere Wahl als sich umzudrehen und in die Richtung, in der Julie und Mandy standen, zu sehen. Mandy wirkte neben der in Aufregung versetzten Mutter klein und zierlich, obwohl sie einige Zentimeter größer als diese war. Die Luft schien immer dicker zu werden zwischen den Fronten. Die Spannung wuchs, es knisterte. Rob schluckte, die Atmosphäre wurde immer erdrückender. "Hör mir gut zu, mein Junge.", sie war jetzt leiser, aber dafür noch nachsetzender und strikter. "Ich habe jahrelang mitansehen müssen, wie ihr, Lee und du, euch wegen Kleinigkeiten in den Haaren hattet. Mit mir kannst du so etwas nicht veranstalten." /Wieso ich? Bin ich wohl schuld, dass Dad nicht mit mir reden kann?/ "Ich habe das Recht zu erfahren, was heute mit euch, auch mit dir Rob, los war. Ich bin es Leid, euch zu ernähren, zu versorgen und dafür nur Ablehnung zu ernten. So geht das nicht, meine Herrschaften, nicht mit mir." Tränen stiegen Julie in die Augen. Sie ging einen Schritt nach vorn. "Nicht mit mir!" Nach den letzten Worten kullerten ihr die Tränen nur so herunter. Sie hielt sich die Hände vors Gesicht und schluchzte. Ihre dunklen mittellangen Haare fielen nach vorn und es gab den Anschein als wollten sie wie ein Vorhang die schreckliche Szene verdecken. Mandy trat an sie heran, doch konnte sie nicht trösten. Julie ließ sich nicht in die Arme nehmen, sie weigerte sich strikt dagegen. /Ich kann nicht, versteh das doch.../ Rob entfernte sich wortlos. /Wie kannst du nur? Siehst du nicht wie schlecht es ihr geht? Feigling!/, dachte Mandy, als sie ihrem Bruder nachblickte. Rob schritt erst langsam davon, dann wurde er immer schneller, bis er schließlich rannte. Er wollte nicht mehr länger unter Druck stehen, er wollte der Situation entfliehen, doch das konnte er nicht. In Gedanken war er immer noch im Gray-Warrn-Hospital bei seiner Familie. Nach Hause zog es ihn nicht, deshalb verschlug es ihn in den Park. Der Ort, an dem das Übel des vergangenen Tages angefangen hatte. Es war ein Uhr nachts und die Laternen gingen aus. Die Dunkelheit zog über das Land, das fahle Licht des Mondes strich über die Häuser und die Bäume hinweg. /Der See; er ist so still. Kein Plätschern des Wassers, alles schläft./ Rob befand sich fast an der gleichen Stelle wie am Nachmittag. Doch es war irgendwie anders. Keine spielenden Kinder, kein Getöse, keine Vögel, nicht einmal die Ferne. Die Ferne, die die Weite des Sees verlieh. Der Grund, warum Rob den Platz hier so liebte, warum er so oft hierher kam. Anstelle der angenehmen Empfindung überkam Rob nun ein Gefühl der Verlassenheit, des Wehmuts. /Ich habe es dort nicht mehr ausgehalten. Könnt ihr das denn nicht verstehen? Alle sind auf mich losgegangen, alle wollten wissen, was denn los sei. Doch woher soll ich das denn wissen? Ich bin doch derjenige, der verzweifelt ist, der keine Ahnung hat. Wie soll ich euch dann aufklären? Mom, kannst du mir etwa sagen, was mich am Nachmittag übermannt hat, warum ich vor Schmerzen zusammengebrochen bin? Dad, warum hast du mich nicht informiert, wie schlimm es um dich steht? Und Mandy, kannst du nicht einmal die große Schwester verkörpern, die sich um ihren kleinen Bruder kümmert, und ihm nicht noch mehr Last aufsetzen, indem du dich bei ihm ausweinst? Ihr habt mich im Stich gelassen und nicht ich euch. Ich.../ Der Mond verschwand hinter den Wolken, das letzte Licht erlosch. /Von wo rufen die Stimmen? Ich kann sie zwar hören, aber nicht orten. Ich bin doch nicht allein! Oder doch? Eine Hand greift nach mir, werde ich sie ergreifen? Holt sie mich aus dem Dunkel, Wird sie mich stützen? Halt sie fest! Lass sie nicht los! Kann sie mich auch halten?/ Rob schlug die Augen auf. Seine kirschbaumbraunen Augen schweiften durch die Nacht. Immer noch vorm See stehend wurde ihm klar, dass er durch das Fortlaufen nichts bewirkte. Sowohl ihm als auch seiner Familie tat er damit nichts gutes. Zwar sehnte er sich nach Ruhe und Glückseligkeit, doch die konnte er jetzt noch nicht erlangen. Zuerst musste er sich selber darüber im Klaren sein, wie es weitergehen sollte. Ihn fröstelte als ein kalter Windhauch ihn streifte. Die Stille wurde durch das Rascheln der Blätter durchbrochen, Leben kehrte in die Natur zurück. Das Erwachen der Umgebung schien Rob erbeben zu lassen. Er horchte auf jedes Geräusch, folgte den Klängen und seine Körpersprache machte deutlich, dass er sich nach ihnen bewegte, sehnte. Wohltuende Wärme stieg in ihm empor, durchströmte ihn von unten nach oben. Er hob den Kopf und sog die Frischluft langsam, aber genießend ein. Das Licht des wieder hervortretenden Mondes tauchte ihn in ein Licht der Zärtlichkeit. /Das Leuchten wird stärker.../ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)