The dark side of the medal von lupa (is sometimes the brightest) ================================================================================ Prolog: Verhängnisvolle Überstunden ----------------------------------- Sie sah sehnsüchtig aus dem penibel gereinigten Fenster des Labors auf die mit Menschen überfüllten Betonstraßen. Langsam ging die Sonne hinter den Hochhäusern unter und tauchte die Stadt in ein Gemisch aus tiefem dunklem Blau und alles verschlingendem Schwarz. Leise trommelte der Regen melodisch gegen das Glas während die Neonlichter der Reklametafeln nebenan geräuschvoll ansprangen. Es würde noch Stunden dauern bis der Feierabend da war. Seufzend wandte Reina sich ab und trottete langsam, fast schon unwillig zurück zu ihrem Labortisch. Eigentlich hätte sie längst im Zug nach Hause sitzen sollen, ihre Arbeit war für den Tag erledigt und ihre Katze wartete in der dunklen Wohnung sehnsüchtig auf ihr Abendessen. Doch einige „Kollegen“ hatten sich an dem Abend krank gemeldet um ungestört auf einige angesagte Partys gehen zu können und daher war die analytische Abteilung momentan extrem unterbesetzt um nicht zu sagen absolut leer gefegt. Unglücklicherweise war Reina nicht rechtzeitig verschwunden, sondern hatte die Untersuchungen noch beenden wollen, als ihr Vorgesetzter mit einer Blutprobe hinein gestürmt war. Wie wild hatte er die Konserve vor ihren Augen umher gewedelt und lauthals gerufen, die Analyse wäre von unendlich großer Wichtigkeit und müsse unbedingt noch an diesem Abend bearbeitet werden, ihre Erklärung, dass sie eigentlich schon Feierabend hatte und nichts so wichtig wäre, dass es nicht bis morgen warten könne traf natürlich auf taube Ohren. Also sagte sie zu, sich sofort darum zu kümmern und machte sich, nachdem ihr Vorgesetzter den Raum verlassen hatte erstmal seelenruhig einen Tee. Unglücklich starrte sie auf die vor ihr liegende Blutkonserve. Wie so oft fragte sie sich warum sie diesen Job überhaupt angenommen hatte? Nach dem Beenden ihres Chemiestudiums hatte ihr einer ihrer Professoren diese Stelle vermittelt, sie aber gleichzeitig gewarnt, dass ihre Arbeit in dieser Firma sterbenslangweilig sein würde. Mit der Unwissenheit und Naivität der Jugend, hatte sie seine Warnungen in den Wind geschlagen und war hoffnungsvoll in ihr Unglück gerannt. Das hatte sie nun davon, Kollegen mit denen sie nicht klar kam, die dazu neigten ihr Kaffee auf ihre Protokolle und Unterlagen zu kippen, ihren Arbeitsplatz zu verwüsten und ihre Proben zu verunreinigen, ständige, nächtliche, unbezahlte Überstunden, einen stark cholerischen Vorgesetzten der zu hysterischen Anfällen neigte und immer wieder die gleiche hirnlose Arbeit. Wie sonst auch öffnete sie die Packung mit Blut, nahm eine kleine Probe, legte sie unters Mikroskop und begann mit den vorgeschriebenen Untersuchungen. Es hätte eine Nacht sein können wie jede andere, wenn dieses Blut nur gewesen wäre wie jedes andere, aber so war es nicht. Die Zellen die durch das Objektiv sichtbar waren, wiesen eine Mutation auf, wie Reina sie noch nie zuvor gesehen hatte. Alles aber auch wirklich alles schien sich komplett von einer menschlichen Zelle zu unterscheiden. Sie wiesen nicht die normale Form auf, nicht die normalen Bestandteile, waren viel größer und nicht durchscheinend, sondern eher milchig, rötlich. Von außen ließ sich kaum etwas erkennen, als würde man versuchen durch eine gefärbte Milchglasscheibe zu schauen. Vorsichtig nahm sie eine sehr, sehr feine metallische Nadel, spannte sie in einen Apparat ein und programmierte diesen eine Zelle zu durchstechen. Zu ihrem großen Erstaunen brach die metallene Stahlspitze an der extrem harten und doch dehnbaren Membran ab. Zuerst dachte Reina, sie wäre schon zu übermüdet gewesen, dass ihre Augen ihr einen Streich gespielt hatten und sie sich alles nur eingebildet hätte, doch das war nicht der Fall. Mit größer werden dem Entsetzen legte sie noch einmal ihr Auge an das Okular und musste feststellen, dass die scheinbar so beständige Nadel sich an der Zellmembran zu biegen begann. Mit einem leisen knacken, brach sie, wurde durch den Raum geschleudert und traf dummerweise zielsicher Reinas, gerade noch rechtzeitig nach oben gerissene Hand. Fluchend und schimpfen, machte sie sich daran das Projektil entfernen und die Wunde versorgen, als ein Tumult vor ihrem Labor ausbrach. Fragend sah sie zur Tür, außer ihr und ihrem Vorgesetzten und mehreren Leuten vom Sicherheitsdienst war niemand mehr da, wer machte also diesen Lärm? „Wahrscheinlich irgendein aufdringlicher oder ungeduldiger Kunde“, versuchte sie sich selbst zu beruhigen. Das Metall hatte sie mittlerweile entfernt und die Wunde blutete kaum, trotzdem ging sie in Richtung des Waschbeckens neben der Tür, schließlich wollte sie nicht Schuld sein, dass der Arbeitsplatz verunreinigt wurde. Auf dem Weg spürte sie, dass etwas mit ihr nicht stimmte, außerdem drang ein komischer weißlicher Nebel durch die Labortür. Ihr ganzer Körper wurde plötzlich von einer bleiernen Schwere erfüllt, ihre Glieder wollten ihr nicht länger gehorchen und ihre Augen begannen zu zufallen. Stur wie sie war, ließ sie sich von dieser Müdigkeit nicht übermannen, sondern kämpfte dagegen an. Schritt für Schritt näherte sie sich schlurfend dem Waschbecken, doch das schien die Müdigkeit nur noch zu verschlimmern. Kaltes Wasser, würde ihr helfen…vielleicht sollte sie auch die Notfalldusche über der Tür aktivieren um sich kurz abzuschrecken. Reina spürte wie ihre Gedanken immer zähflüssiger wurden, sich immer mehr ausdehnten, bald konnte sie an gar nichts mehr denken, bewegte sich aber trotzdem weiter, wie ein Schlafwandler, ein ferngesteuerter Zombie. Mit letzter Kraft erreichte sie das rettende Waschbecken und spürte wie ihre Beine nachgaben. Mit letzter Kraft fing sie sich ab, indem sie die Arme auf die Keramikschüssel fallen ließ und sich so oben hielt. Langsam glitt ihre Hand zum Hahn und betätigte ihn schleppend. Jeder Millimeter den sie das Ventil schob war so unglaublich kraftraubend, dass sie es kaum schaffte es ganz zu öffnen. Erst als sie das kalte Wasser spürte, das langsam über ihren Hinterkopf rann, begann die Benommenheit leicht zu verfliegen. Von dem Geräusch des fließenden Nasses halb Betäubt hörte sie nicht wie die Labortür sich leise, viel zu leise für einen menschlichen Besucher öffnete. Aaron stand schon eine Weile vor diesem nervtötenden Wachmann. Während der Idiot immer noch seine gefälschten Papiere betrachtete, die ihn als Mitarbeiter der Firma kennzeichneten, rasten seine Gedanken. Wegen der schlampigen Arbeit irgendeines halb verpennten Assistenten der Behörde, musste er sich nun persönlich mit dieser Sache befassen. Wie konnte so etwas überhaupt passieren? Er war ganz entspannt zur halbjährlichen Untersuchung gegangen, hatte vertrauensvoll einen halben Liter seines Blutes abgegeben und wegen dem Fehler dieses Hirnis war es an das falsche Labor gegangen, natürlich auch noch als Eilauftrag. Wenn er Pech hatte, würde er in dieser Nacht auch noch einen Forscher, der das Vampirblut gesehen und untersucht hatte töten müssen…zumindest wenn der Pförtner ihn endlich einließ, wenn nicht gab es eben zwei Tote. Eigentlich hatte er erst vor kurzem gejagt und war nicht wirklich hungrig, aber bei geschenktem Futter sagte man nicht nein. „Also…damit kommen sie hier nicht rein…tut mir ja leid, aber der Ausweis gilt nur für die Büroräume der Firma nicht für die Labore!“ Ein leises Knurren drang über seine Lippen, es reichte ihm nun endgültig mit diesem Typen. Schneller als der Mann es jemals würde begreifen können schoss eine Hand nach vorn, packte ihn an der Kehle und zog ihn mit einem gewaltigen Ruck zu den blitzenden weißen Eckzähnen. Nach ein paar Schlucken ließ Aaron den ohnmächtigen und am nächsten Tag extrem verkaterten Wachmann zu Boden gleiten, nahm seinen Ausweis und betrat unauffällig das Gebäude. Eine Zeit lang funktionierte seine Tarnung, doch als er gerade die Treppe zum vierten Stock erklomm, kamen ihm einige ältere Sicherheitsleute entgegen, die jeden Angestellten im Gebäude kannten. Als sie diese kalten roten Augen sahen und die türkisenen Haare wurde ihnen schlagartig klar, dass etwas nicht stimmte. Einer wollte sich gerade von der Gruppe absetzen um Verstärkung zu holen während die anderen auf Aaron zu stürmten, dieser griff auf eine ihm angeborene Fähigkeit zurück und legte über das gesamte Gebäude einen für normale Menschen nicht sehbaren Nebel. Dieser Trick wirkte sofort, die beiden Wachen die ihm am Nächsten gewesen waren, schliefen auf der Stelle tief und fest ein, die dahinter taumelten nur noch schwach in seine Richtung. Doch trotz dieses Erfolgs war ihm nun klar, dass er sich wohl oder übel durch den Rest des Gebäudes würde durchkämpfen müssen. Es schien ihr als wäre sie eine Weile lang ohnmächtig gewesen, hätte für einen kurzen Moment geschlafen, als eine kalte, samtige Hand zärtlich ihren Oberkörper umfasste und sie unter dem immer noch laufenden Wasserhahn hervorzog. Sacht wurde sie auf den Boden gelegt, während sich Jemand mit sehr leisen federnden Schritten von ihr entfernte. Ein schwaches Klirren war zu hören und Reina versuchte noch total verwirrt die Augen zu öffnen. Alles verschwamm und drehte sich, ihr war eins klar, wäre sie in diesem Moment aufgestanden, hätte sie den Fußboden schnell wieder gesehen. Erneut ertönte ein Klirren, diesmal lauter, deutlicher. Mit aller Macht kämpfte sie gegen die Benommenheit an, gegen die Taubheit ihres Körpers. Reina wusste das sie aufstehen musste, wer auch immer da war, schien gerade ihr komplettes Labor auseinander zu nehmen. Noch etwas schoß ihr durch den Kopf, die Probe…diese seltsame abnormale Blutprobe, war sie in den falschen Händen vielleicht gefährlich, war die Person deswegen gekommen? Mit allerletzter Kraft zog sie sich hoch, stützte sich auf ihre Hände, griff nach dem nahen Waschbecken und kam langsam auf die Beine. Immer noch konnte sie nichts klar erkennen, aber sie kannte den Weg zu ihrem Tisch. Stolpernd und auf einer Flüssigkeit die den Boden bedeckte ausrutschend glitt sie vorwärts. Wahrscheinlich hätte sie es auch bis zu ihrem Ziel geschafft, wenn sie nicht plötzlich von etwas hartem gestoppt worden wäre. Schwach versuchte sie sich von der Wand, wie sie dachte weg zu schubsen um wieder auf den richtigen Weg zu kommen, ohne Erfolg, denn zwei starke und doch sanfte Arme legten sich um ihren Körper und hielten sie wo sie war. „Nanu…du kannst dich noch bewegen? Erstaunlich…“, flüsterte eine warme, samtige Stimme in ihr Ohr. Ihr Körper spürte die Gefahr, gab ihrem Geist mehr nach und ließ sie mehr Kraft darauf verwenden von dieser Person weg zu kommen, jedoch ohne Erfolg. So zärtlich die Arme auch waren, sie hielten sie fester als Bänder aus Stahl. Reina spürte wie eine kalte Hand den Weg unter ihr Kinn fand, ihren Kopf sanft hob. Erschöpft vom ewigen Kampf gegen den Effekt des Nebels, konnte sie sich nicht wehren, als die Stimme sich ihr weiter näherte, als die eiskalten Lippen begehrend über ihren Hals fuhren, hinauf zu ihrem Ohr, wo ein leises, geflüstertes, verführerisches „Trotzdem solltest du jetzt schlafen…gib einfach nach…lass dich fallen!“, ertönte. Schwach, versuchte sie sich dieser Person zu entziehen, versuchte sich wegzudrücken. Auf ihre Gegenwehr reagierend, ließ Aaron zärtlich seine Hand in ihren Nacken gleiten, sorgte dafür das sie ihm in die Augen sah und besprach sie weiter. Immer noch war alles verschwommen...alles bis auf die endlosen, warm glimmenden weinroten Augen, die tief in ihre blickten. Die mit einem einfachen Blick bis in die tiefen ihrer Seele vorzudringen schienen. Reina spürte wie die Schwäche sie übermannte, wie sie sich nicht länger gegen den Schlaf wehren konnte. Sie spürte wie die Gegenwehr ihres Geistes zerbrach, der letzte Schutzkreis zerstört wurde und wie ihr Geist in eine tiefe bodenlose, erholsame Schwärze hinabglitt. Sie sollte nicht mehr erwachen an diesem Abend, weder als der Vampir die Proben zerstörte, noch als er das Gebäude in Brand setzte und auch nicht als er sie vorsichtig in seinen Armen nach Hause trug. Nicht als er ihr den nassen, dreckigen Kittel auszog, sie sanft unter eine warme Dusche stellte, ihre Katze fütterte, auch nicht als er sie in ihr Bett brachte und sich selbst vor dem Fernseher platzierte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)