Bis in die Ewigkeit von Kyrethil (Eine Geschichte mit drei Enden) ================================================================================ Kapitel 3: "Ich kenne diese Tage jetzt seit Jahren schon zur Genüge und es ist schon fast als ob ich mich selber gern bekriege" ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Er schmiss den Rucksack in eine Ecke, irgendetwas darin knackste unangenehm, und er vermutete, dass er das Etui mit den Stiften erwischt hatte. War ihm aber auch egal. Die Tür schlug er hinter sich zu, stärker als es notwendig gewesen wäre, und dann schmiss er sich aufs Bett. Er wohnte in der Dachschräge, unter dessen schrägen Fenster sein Bett direkt platziert war. Er liebte es, dass er so direkt in den Himmel blicken konnte, egal zu welcher Tages und Nachtzeit. Manchmal lag er stundenlang einfach nur unter dem von Sternen übersäten Himmel, und versuchte Sternbilder zu entdecken. Er kannte nicht allzu viele, aber für den grossen Bären oder Kassiopeia reichte es allemal. Der Tag war so beschissen weitergegangen, wie er angefangen hatte. Er hatte das Gefühl, einen Knoten im Magen zu haben. Wie hatte er auch nur hoffen können, dass Robin etwas mit ihm unternehmen wollte. Nein, es ging nur um blöde, bescheuerte Nachhilfe. Nachhilfe. Er zog den Mp3-Player aus der Hosentasche, und stöpselte die Kopfhörer in die Ohren, griff nach einer Flasche Eistee, welche irgendwo neben dem Bett noch halbvoll rumstand, und trank einen Schluck, während er sich erneut beschallen liess. Ich kenne diese Tage jetzt seit Jahren schon zur Genüge Und es ist schon fast als ob ich mich selber gern bekriege Ich kann nicht gut allein sein Und unter Menschen fang ich an durchzudrehen Ich kann mir viel zu viele Fragen stellen Doch kann ich niemals klare Lösungen sehen Er musste fast lachen bei der Ironie der ganzen Sache, als ihm „Ich wird die Welt verändern“ in die Ohrmuschel schallte. Niemals klare Lösungen sehen. Wo sie recht hatten. Das Gesicht Robins stieg vor seinem inneren Gesicht auf, und er versuchte es mühsam niederzudrücken, doch wie zu erwarten gelang es ihm nicht, der Klumpen in seinem Magen rebellierte, und schien erneut etwas anzuwachsen. „Was soll ich denn tun“, dachte er. Und dann begann er über Robin nachzudenken. Seit dieser wieder zurück war von seinem USA-Austauschjahr war, konnte Tom keinen klaren Gedanken mehr fassen. Er rieb sich die Stirn. Seine Hoffnung war gewesen, dass er diese unsinnige Liebe, diese Gedanken, diese Gefühle vergessen hatte. Dass das Jahr, indem er Robin nicht gesehen hatte, und nur ab und zu seine Stimme vernommen hatte, ein paar Mails ausgetauscht und eine Postkarte bekommen hatte, ihn dazu gebracht hatte, ihn zu vergessen. Doch vielleicht war er einfach nur töricht. Was dachte er denn, dass sich alles von allein regelte? Er hatte ja noch nicht einmal Ahnung, wo er vielleicht Ablenkung finden würde, vielleicht einen Mann kennenlernen konnte, der auch tatsächlich seine Gefühle erwidern würde. Lilies Googlesuche hatte ihn nachdenklicher gemacht, und zum wiederholten Male überlegte er sich, ob er durch seine blinde Vernarrtheit in Robin vergessen hatte, dass es auch noch anderes gab als diesen bemerkenswert hübschen Jungen, den er nur einmal im Leben küssen wollte. „Ich werd die Welt verändern“, summte er mit Revolverhelds Leadsänger mit, als die Gedanken wieder zu Robin schweiften. Eine Weile gab er sich der Illusion hin, dass er neben ihm im Bett lag, dass er ihn im Arm halten, ihm über seine blondierten Haare streichen konnte. Fast schon dachte er, den warmen Körper des anderen neben sich zu spüren. Die Gedanken waren traurig und schön zugleich, und er spürte, wie die Traurigkeit in ihm hochkam. Abrupt zog er sich die Ohrstöpsel raus, und stand vom Bett auf. Das konnte so nicht weitergehen. Er startete seinen PC hoch, und loggte sich ins Spiel ein. < Hallo Leute >, tippte er in den Chat. Sofort kamen von diversen seiner Gildenmitglieder Begrüssungen. Er musste lächeln. Die Gemeinschaft war zwar manchmal etwas skurril, aber meistens ziemlich umgänglich und gemütlich. < Ey, hat jemand Bock auf Daily Hero>, kam es da von Leyan, der im wahren Leben eigentlich Mike hiess. < Tut mir leid, bin noch zu low ;)>, antwortete er dem üblichen Gamerslang, der so populär war. „Daily Hero“ bezeichnete eine tägliche Dungeon-Aufgabe, „low“ bedeutete, dass er mit seinem Charakter noch nicht die erforderliche Maximalstufe dafür erreicht hatte. Er überlegte sich gerade, was er nun im Spiel anstellen wollte, während er sich sein Headset aufsetzte, und Musik raussuchte, als ihn jemand im Skype anschrieb. Lilie. . Er musste schmunzeln. Lilie schrieb ebenso begeistert und gerne Geschichten, wie Felice an ihren Bildern malte. Er hatte sich irgendwann stillschweigend zum Testleser gemausert, und so teilte Lilie es ihm jedes Mal mit, wenn sie weitergeschrieben hatte an ihrer World-of-Warcraft-Fanfiction. , tippte er als Antwort. , kam umgehend die Antwort. Er blickte einen Moment auf die geschriebenen Zeilen, und seufzte dann. , tippte er nur zurück. < Blöd. :( Hat er was gesagt?> < Hat mich gefragt, ob ich am WE was vorhabe.> < Und?> < Hatte Herzklopfen und so weiter. Er will nur Nachhilfe. Ich bin ein Idiot. :>< < Ach Tom :( > Er konnte sich gut vorstellen, wie sie nun mit einer Mischung aus bedauern und Traurigkeit vor sich hin blickte. < *hug* Tut mir leid für dich. Gibst ihm Nachhilfe?> < Ja sicher. > < Ists okay wenn er kommt?> In ihrer Eile vergass sie manchmal Zeichensetzung, oder vertippte sich. < Ich seh ihn so selten. Ich will dass er kommt. Ach. Ich weiss auch nicht. Heut hat er mit Melanie geflirtet. Was soll ich bloss machen> Tuuut, tuuut.. Er seufzte, als Lilie ihn im Skype anklingelte. < Nimm an. Hab bei Felice aufgelegt.> Er klickte auf den grünen Telefonhörer, und dann schallte Lilies Stimme durch sein Headset. „Hey Tom“ „Hallo“, nuschelte er zurück. „Sorry, muss gar noch nach der Katze schauen.“ Tom seufzte, und antwortete nicht. Noch nicht. Er hörte, wie sie aufstand, und sich mit ihrer Katze unterhielt, sich nach einer Weile wiederhinsetzte. Ihr Bürostuhl quietschte. „Also.. Was meinst du damit, was du machen sollst?“ „Ja.. ich mein.. mit Robin. Hab ich dir schon einmal das Gedicht gegeben, welches ich geschrieben hab?“ „Ja, hast du. Ich hab dir auch gesagt, dass ichs schön fand.“ „Ich weiss einfach nicht.. Ach verdammt. Weisst du, seit er von den USA wieder zurückgekommen ist, geht er mir nicht aus dem Kopf.“ „Aber du warst schon vorher verliebt, oder?“ „Ja war ich.“ „Wirst du ihm das Gedicht zeigen?“ Tom schwieg einen Moment. Das war etwas, was ihm selber nicht klar war. Er kaute sich auf der Unterlippe herum, während Revolverheld in seinen Ohren sang. Er war ironischerweise wieder bei „Ich werd die Welt verändern“ angekommen. Und ich weiß dass irgendwann aus Böse auch mal Gut werden kann Und wenn gar nichts mehr geht, fang ich einfach wieder von vorne an Vielleicht muss ich nur die Tage zählen Mich durch nervig lange Stunden quälen es ist ganz egal wie lang das noch geht weil ich weiß wer am Ende noch steht Leise summte er die Worte mit. „Eeeh, Tom, schön und gut dass du singen kannst, aber du weichst meiner Frage aus.“ „Eh.. ja.. Tschuldige, Lilie. Ehm.. also.. Ich weiss es ehrlich gesagt nicht.“ „Was hast du zu verlieren, Tom?“, fragte sie ihn. „Das ist dir nicht klar? Ich könnt ihn verlieren“, antwortete er fast schon etwas erbost. „Hey, ich meinte das nicht böse. Ich weiss das doch. Ich wollts aber von dir hören.“ Manchmal erinnerte ihn Lilie an eine Psychotherapeutin. Sie konnte unglaublich nervig sein, denn meistens traf sie mit ihren Worten genau die Saiten in ihm, die er lieber nicht gespannt haben wollte. „Ach weiss auch nich“, brummelte er. „Tom, du bist schon.. wie lang in ihn verliebt? Zwei Jahre? Drei Jahre? Du gehst nie irgendwohin, du denkst nicht mal über wen anderes nach. Du weisst nich mal ob er deine Gefühle erwidert. Wie lang willst du das denn noch tun? Bis du alt und grau bist?“ „Weiss auch nich“, wiederholte er die Worte, und seufzte. „Ich weiss ja auch nicht was das Beste wär, geb ich auch ehrlich zu, aber entweder du sagsts ihm bald mal, oder du vergisst ihn. Und da du ihn ja scheinbar nicht vergessen kannst, solltest du es ihm vielleicht endlich sagen. Weiss der Kerl eigentlich, dass du schwul bist?“ „Nein, weiss er nicht“, antwortete Tom, und fuhr sich durch die Haare. Revolverheld sang „Werd’ endlich alles besser machen, werd’ anfangen wieder klar zu kommen und mal über mich selber lachen“. „Ich geb ja zu, die Chance ist klein, aber es könnte sein, das er genauso denkt wie du.“ „Mach mir verdammt nochmal keine unnötigen Hoffnungen. Mein Magen hat sich auch sonst schon zu sehr verknotet heute. Ich konnte noch nicht mal was zu Mittag essen.“ Lilies Seufzen drang durch die Telefonleitung zu ihm hin, und war auch nach über tausend Kilometern zurückgelegtem Weg noch klar und deutlich. „Schlussendlich musst´s du wissen. Ich bin vermutlich nicht grad viel besser als du, ich hab auch nen Kerl über zwei Jahre lang geliebt, und nur im Theater von der Seite angeschmachtet, bis ich ihm endlich sagte, was los war.“ „Du hasts ihm gesagt?“ „Naja.. Feigerweise hab ich ihm ne Mail geschrieben, und erst mal offengelassen, wer ich bin. Aber hey, da war ich auch erst 15.“ „Nur zwei Jahre jünger als ich es jetzt bin.“ „Oh.. ich vergess ja immer wie jung du bist“, lachte sie. Dann fuhr sie fort zu erzählen. „Auf jeden Fall hab ich bei dem dritten oder vierten Mail meinen Namen daruntergesetzt. Und wie zu erwarten hab ich keine Antwort bekommen. Doch erstaunlicherweise gings mir danach besser und bald drauf hab ich ihn vergessen können. Heute lach ich nur noch über ihn. Weisste, das war so ein Jesustyp, mit langen Haaren, der nur gekifft hat und sich ständig so zugesoffen hat auf den Theaterparties, dass er irgendwo kotzend hing. Heut denk ich, er hätte mich eigentlich gar nicht verdient gehabt, aber.. naja.. so ist das Leben.“ „Ich glaub, ich würde sterben, wenn mir das passieren würde. Ich kann es mir nicht vorstellen, dass Robin mich ignoriert.“, antwortete Tom und wusste in dem Moment, als die Worte seinen Mund verliessen, dass er sich anhörte wie ein liebestoller Hund. „Ich weiss nicht was ich an deiner Stelle tun würde. Ich war mit Lukas auch nicht so gut befreundet, muss ich zugeben. Ich weiss nicht was mir wichtiger wär. Gewissheit oder Freundschaft. Aber so kanns doch irgendwie auch nicht weitergehen, oder?“ Tom seufzte. „Nein. Da hast du allerdings Recht. So kanns nicht weitergehen.“ „Siehst du? Du findest bestimmt irgendeine Lösung. Bald komm ich auch zu dir hoch, ich Arbeit schon Überstunden, um mir Geld zusammenzusparen für die Fahrt nach Hamburg.“ Er musste lächeln. Lilie war Studentin, und fast 5 Jahre älter als er, dennoch kamen sie super aus. Nebenbei jobbte sie an einer Tankstelle, von der sie wohl gerade sprach, als sie Überstunden erwähnte. „Du musst mich echt mal besuchen kommen.“ „Ja, aber nur wenn wir dann ein Gay-Cafe zusammen besuchen. Keine Widerrede. Ich zieh dich auch am Ohr hin, wenn du nicht willst.“ Tom kicherte. „Ist ja gut, ich komm ja mit.“ „So, ich muss jetzt aber leider los. Muss noch duschen bevor ich zur Spätschicht fahr.“ Tom blickte auf die Uhr. Es war knapp vor 16 Uhr. Lilie erledigte unter der Woche oft Schichten, die irgendwann am Spätnachmittag anfingen, und mitten in der Nacht aufhörten. „Gut, ich wünsch dir viel Spass.“ „Spass“, ächzte sie gequält. „Heute ist Freitag. Das ist kein Spass, verfluchte Scheisse.“ Mit den gewohnt derben Worten, verabschiedete sie sich dann aus dem Skype. Er tippte noch ein < Byebye > in den Chat, und bekam einen Smiley zurück, und die Worte < Wehe, du liest das Kapitel heute nicht. Dann erwürg ich dich. ;)>. Tom grinste. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)