Michiru, die Geisha von Dokkaebis_Wife ================================================================================ Kapitel 4: Das Ende ist nicht nah, es ist da -------------------------------------------- Nervös zupfte ich an meinem Kimono, immer wieder schaute ich an mir runter, nur um sicher zu sein. "Akami, ist meine Schminke verwischt?", ein Satz den ich sie jetzt schon zum zehnten Mal fragte. "Nein, ich sag dir schon wenn", sie lächelte und tratschte mit den anderen Geishas weiter. Nur ich konnte das nicht. Es sollte alles perfekt sein. Nur heute, da durfte nichts schief gehen. Aus dreierlei Gründen. Sonst geschah immer etwas: Die Schmuckstücke in meinem Haar verrutschten, mein Kimono saß nicht perfekt, meine Bewegungen waren nicht präzise oder ich war so nervös, dass meine Ausstrahlung gleich null war. Bloß nicht heute, dachte ich verzweifelt und lugte durch den Vorhang. Die Zuschauer saßen still da, wartend auf den ersten Auftritt, auf mich. Ich frierte leicht, die ersten Blätter fielen von den Bäumen. Ich suchte nach einem bestimmten Gesicht, fand es aber nicht. Ich seufzte laut und hielt nach Mama Suboku und den anderen Ausschau. "Es geht gleich los", flüsterte meine Lehrerin und kam dann zu mir. "Du schaffst das, Kaisui", sprach sie zu mir. "Wie sehe ich aus?", fragte ich unsicher, immer noch verzweifelt. Nur heute, bitte. "Perfekt", lächelte meine Lehrerin, nahm ich drückend in den Arm und erkündigte sich bei den anderen nach deren Wohlbefinden. Ich ließ meinen Kopf hängen, kramte in meinem Obi und zog nach kurzer Zeit meinen Glücksbringer heraus. Ein Amulett von einem besonderen Menschen. Ich hatte so viele Schmuckstücke in meiner Zeit als Geisha geschenkt bekommen. Wertvolle, schöne und außergewöhnliche, doch keines war so wundervoll wie dieses simple, kleine Amulett. Ich seufzte, steckte es wieder in meinen Obi und atmete tief durch. Nur heute, es ist doch ein besonderer Tag. Ich setzte meinen perfektionierten Gesichtsausdruck auf und begann synchron mit der Musik. Ich tanzte, wie es mir gelehrt wurde und noch besser. Ausdruckstärker einfach. Akami spielte das Shamisen und jeder in dem riesigen Sommergarten hielt die Luft an. Alle Blicke waren auf mich gerichtet. Eine Bewegung nach der anderen saß und ich sollte nach der nächsten Bewegung meinen Fächer nehmen und mit ihm weiter tanzen. Ich griff schon unauffällig nach ihm, als ich bemerkte, dass mein Amulett daran hing. Hilflos entschloss ich mich dazu, den Fächer trotzdem aus meinem Obi zu ziehen. Einen Augenblick lang dachte ich, dass jetzt alles verloren war. Der Tanz sei nicht perfekt und ich hätte abermals versagt. Doch das Amulett rutschte an dem Fächer meinen Arm entlang und verschwand in meinen riesigen Ärmeln. Es hatte niemand bemerkt, niemand der meine Ungeschick registriert hatte, also tanzte ich mit gutem Gefühl zu Ende. Mir wurde ein Jubel zuteil, als ob ich die Show schon beendet hätte. Alle wussten es, alle wollten teil dieses Abends sein. Zunächst spielte Akami eine Weile auf dem Shamisen, bis ich dran war und die anderen Geishas tanzten. Alle Geishas machten winzig kleine Fehler, die niemandem auffielen, außer mir. Ich spürte dieselben Unsicherheiten, die mich damals als Lerngeisha überkamen, dieselbe Nervosität. Es fing leicht an zu regnen, als ich wieder dran war. Meine Begleitperson war Akami, die eine Rolle in diesem Tanz übernahm und Yoko, die das Shamisen spielte. Heute, ja heute war sie ausnahmsweise nett zu mir und war anständig. Der letzte Tanz und das nicht nur für diesen Abend. Ich erzählte eine Geschichte von einem Vogel, gespielt von Akami, der sich in einen Delphin, gespielt von mir, verliebt hatte. Ein Vogel, der frei sein wollte, von allem. Er flog über den Ozean und anstatt in die Freiheit zu fliegen, begegnete er einem Delphin. Einem Delphin, der insgeheim die gleiche Absicht hatte. Beide hatten sich jahrelang etwas vorgemacht. Sie taten, was von ihnen verlangt wurde, die Familie war das Wichtigste. Die Familie. Ungeachtet dessen das genau die Familie auch nur das Beste wollte und zwar für sich allein. Nicht aus Mitgefühl oder Freundlichkeit, sondern aus Egoismus. Der Vogel sah das ein und verließ seine Familie und begegnete dem Delphin, welcher von dem Vogel mitgerissen wurde. Ich liebte dieses Stück und ich konnte nicht bestreiten, dass sich meine Augen nicht Tränen füllten und ich nicht an sie dachte. Dieser Tanz war für sie. Oh mein Gott, wie sehr ich sie liebte. Einfach weil sie da war, in meinem Leben. Und ich hatte das Gefühl, dass es von jetzt an in all unseren Leben so sein würde. Sie und ich. Wir beendeten den Tanz. Wir wurden von einem mächtigem Applaus geehrt und ich verbeugte mich. Ein Lächeln huschte über mein Gesicht, als ich Mama Sobuko sah, wie sie am lautesten applaudierte. Ich war froh, dass sie mir nicht mehr böse war. Obwohl ich es nicht wollte, dachte ich an unseren Streit: "Bitte, Mama Sobuko. Ich bin so nicht glücklich und kann es nicht sein. Ich bin eine Frau der Künste, doch meine Künste bestehen aus Aquarell malen und Geige spielen", ich sagte immer und immer wieder das Selbe. "Kaisui, das kannst du mir nicht antun! Wer verdient dann das Geld? Wer sorgt für meinen Unterhalt?", entgegnete sie mir ruhig, was mich noch viel wütender machte. "Ich bin fast 21 Jahre alt und kann tun und lassen was ich will. Bitte, es ist der erste Wunsch, bitte erfülle mir ihn". "Ach ja, dein erster Wunsch? Und was war mit deiner eigenen Wohnung?", sie zog eine Augenbraue hoch und sie sah mich altklug an. "Na schön, ich hab mich geirrt. Aber wenn ich das nur mit halbem Herzen tue, nützt dir das auch nichts!". "Na ja, wenigstens würdest du überhaupt Geld verdienen, ob deinen Kunden deine Laune gefällt, ist mir dann auch egal". Langsam wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Ich erzählte der Okasan des Ichiriki davon. Etwas, was ich nur ungern tat, doch überraschend war sie meiner Meinung. Wie ich bald erfahren sollte, hatte sie das Gleiche mitgemacht, sie wollte damals unbedingt nach Gion um jeden Preis. Sie hatte also denselben Kampf hinter sich, wie ich vor mir, nur das ich nicht NACH Gion wollte. Sie hatte sich einen ganzen Tag mit Mama Sobuko unterhalten. Immer wieder war ich nervös an der Tür vorbei gelaufen, bis Mama Sobuko nachgab und mich ließ. Ich verließ die Bühne und alle waren da: Meine Stammkunden, Umo, Ten Gyashi, Mama Sobuko, die restliche Familie, Aikyo und viele meiner Bekannten. Immer wieder wurde ich aufgehalten, mir wurden Blumen überreicht und oft wurde mir Bedauern ausgesprochen. Bedauern, dass ich das alles aufgab. Ich lächelte dann nur ein wenig wehmütig und entgegnete, dass ich doch nicht aus der Welt sei und niemanden vergessen würde. Denn das hatte ich auch nicht vor. Ich unterhielt mich bei einer Tasse Sake mit Umo, der vor den anderen Geishas geflüchtet war, welche ihn bedrängten - er war wohl der beliebteste Jungesselle dort. Er wiederholte im Schnelldurchlauf alles, was er mir je gelehrt hatte. Ich lächelte und vergaß, eine bestimmte Person zu suchen. Ich spürte Hände auf meiner Hüfte und kurz darauf, ohne das ich darauf reagieren konnte, auf meinen Augen. "Ich weiß, dass du es bist", flüsterte ich. Die Person nahm die Hände von meinen Augen und stellte sich vor mich, um mich zu küssen. Ich war froh sie zu sehen. Ich umarmte sie. "Ich hab es genau gesehen, du hast einen Fehler gemacht", entgegnete sie mir und sah mich an. "Wann?", ich wusste, dass es unnötig war es zu leugnen, trotzdem hatte ich Lust dazu. "Na, am Anfang. Das Amulett", sie lächelte. Ich machte scherzhaft eine Geste, sie solle nicht so laut sprechen. "Es hat niemand außer dir bemerkt - und außerdem, es war alles nur deine Schuld!", sprach ich liebevoll. "Meine Schuld, ja?", fragte sie gespielt beleidigt. "Na, wer hat mir denn wohl das Amulett geschenkt?", ich zog die Augenbrauen hoch und sah sie vorwurfsvoll an. "Na gut, ich bin schuld", flüsterte Haruka. Ich küsste sie abermals. "Darf ich Michiru mal kurz entführen?", fragte Mama Sobuko Haruka. Das erste Mal in meinem Leben, dass sie mich Michiru nannte und das erste Mal, dass sie sich gegenüber Haruka nicht wie eine verbitterte, mürrische Person verhielt. "Na klar", lächelte Haruka, freundlich wie immer. Ich ging mit Mama Sobuko und alle Geishas stellten sich für ein Foto bereit. Ich stand neben Akami, die ihren Arm um meine Schultern legte, wahrscheinlich, um locker zu wirken. Sie versuchte mir schon seit Tagen weiß zu machen, dass es ihr nichts ausmachte, dass ich weg ging. Doch ich kannte sie besser. Absurderweise stand Yoko auf der anderen Seite von mir und da sie nun "gewonnen" hatte - schließlich würde ich schon morgen keine Geisha mehr sein - nahm sie meine Hand und lächelte. Vielleicht aber auch täuschte ich mich in ihr und es tat ihr leid, was sie mir immer angetan hatte. Es ist für die zweitrangigen Geishas nie leicht, mit dieser Tatsache umzugehen. Andere würden sagen, das ich gewonnen hatte, da ich die Person mit einem Partner war. Nachdem drei oder vier Gruppenbilder gemacht wurden und sich alle wieder verteilten, schnappte ich Haruka und den Fotographen. Es entstand wohl das schönste Foto, dass je von Haruka und mir gemacht wurde: Wir stehen Arm in Arm zum Fotographen gewendet, die Wangen aneinander gepresst und der liebevolle Blick, den wir beide auf diesem Foto perfektioniert zu scheinen haben, spricht Bände. Es harmoniert einfach alles auf diesem Foto selbst die Farben: Das dunkle Lila, meines Kimonos, mit dem dunklen Blau ihres Anzugs. Trotz der dunklen Farben scheinen wir auf dem Foto zu strahlen. Nach einer Weile endete auch dieser Abend und wir verließen den Sommergarten mit unzähligen Blumen, kleinen Schmuckstücken und unseren Erinnerungen. "Bist du soweit?", fragte Haruka. Ich stand in dem Zimmer, das einst mein Wohnzimmer gewesen war und indem ich knapp zwei Jahre gelebt hatte. "Ja, sofort. Ich komme dann, ja?". Sie ging hinunter und ich stand allein in dem Raum. Obwohl ich länger in der Okiya verbracht hatte, fiel es mir viel schwerer, mich von dieser Wohnung zu verabschieden. Aber der Gedanke daran, dass ich jetzt mit Haruka allein in Osaka leben würde, machte es einfacher. In den vergangenen zwei Jahren arbeitete ich so hart wie nie. Haruka kam mich regelmäßig besuchen und jedes Mal machten wir uns um unsere Zukunft Gedanken. Jedes Mal planten und beschlossen wir etwas mehr. Bis es jetzt soweit war. Die Okasan des Ichiriki und ich überredeten Mama Sobuko mich von meinen Pflichten als Geisha zu befreien und mich nach Osaka ziehen zu lassen. Bei Haruka allerdings klappte das nicht so gut. Ihre Eltern, das berühmt-beliebte Prinzenpaar, erlaubten ihrer Tochter weder sich länger als Junge zu "verkleiden", als sie es dann heraus gefunden hatten, noch mit einer Frau zusammen zu ziehen. Dabei hatte Haruka ihnen noch nicht die ganze Wahrheit erzählt. Ich erinnere mich noch ganz genau an einem Abend im Ichiriki, als Haruka kurz vor dem Aufgeben war und die wohl wichtigste Entscheidung ihres Lebens traf: "Michiru, bald geb ich auf, sie werden mich nie nach Osaka ziehen lassen und das obwohl ich ihnen noch nicht mal erzählt habe, dass ich dich liebe", sie senkte den Kopf und seufzte. "Bitte, lass den Kopf nicht hängen. Ich hab es auch geschafft, deine Eltern werden es dir schon erlauben. Hey", ich fasste an ihr Kinn, so dass sie mich ansehen musste, "du bist doch sonst auch ein Sturkopf, so kenne ich dich ja gar nicht!". "Ach Darling.", sie nahm meine Hand und küsste meine Finger, "bald werden wir zusammen sein, ja? Für immer. Notfalls verzichte ich auf die Krone". Und das tat sie dann auch. Sie verzichtete auf alles und als ihre Mutter spürte, wie wichtig und ernst es ihrer Tochter war, organisierte sie einiges hinter dem Rücken ihres Mannes. Ein Haus in Osaka und eine stolze Summe an Geld. Außerdem war es ihr Wunsch, mich kennen zu lernen. So saßen wir eines abends in einem Restaurant und aßen gemeinsam zu Abend. Haruka war sichtlich nervös. Um ihre Mutter zu provozieren, trug Haruka Männerkleidung. Doch zu ihrer Überraschung sagte ihre Mutter: "Haruka, mein Schatz, die Männerkleidung steht dir ausgesprochen gut". Ich war mir nicht sicher, ob sie es ernst meinte oder ob sie es nur so gesagt hatte, wichtig war, DAS sie es gesagt hatte. Ich verließ meine Wohnung und ging hinunter. Haruka wartete schon vor dem Auto. Die restlichen Sachen waren eingepackt und ich stieg ein. Ich verließ nicht nur Gion, sondern auch das Leben als Geisha, um ein Leben mit Haruka zu leben. Ich würde vielleicht Kimonos entwerfen, dabei könnte ich so viel malen wie ich wollte, und Haruka würde bestimmt auch eine Beschäftigung finden. Mit einem Lächeln auf meinen Lippen sah ich, wie wir Gion und dann Kioto verließen. Nachwort: Vielleicht kam das Ende etwas plötzlich, aber ich hatte mit allen anderen Versuchen eine Ende zu schreiben, solche Probleme, dass nichts Gutes dabei rauskam *seufz* Ich möchte an dieser Stelle auf zwei Bücher hinweisen. Zum Einen auf das Buch "Die Geisha" von Arthur Golden, da hab' ich wohl unbewusst einen Charakter entnommen... ^^;; War keine Absicht. Es ist ein wundervolles Buch. Zum Anderen auf "Die wahre Geschichte einer Geisha" von Mineko Iwasaki, welche den Anlass für das Buch von Arthur Golden gab ^^ Ich habe mich an denen zwei Büchern orientiert und versucht, eine schöne Geisha-Fanfic über Haru und Chiru draus zu machen. Ich bedanke mich bei allen, die es bis zum Ende durchgehalten haben und freue mich über Kommentare :) © Copyright 2003 MissMichiru (Yvonne E.) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)