Und Sasuke lachte, oder: Das Recht, nicht zu schweigen von Lyssky (Eine Kriegserklärung an Konoha) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Ich habe gelacht. Ja, das habe ich. Jetzt, wo ich in der dunklen Höhle liege und darauf warte, dass die Nachwehen der Operation vorbeigehen, erstaunt es mich fast ein wenig, wie weit mich mein früherer Sensei getrieben hat. Der Mann verdient die Aufmerksamkeit gar nicht, und er braucht von meinen Motiven nichts zu wissen. Ohne das Sharingan ist er bloß Mittelmaß, ein Verlierer von Ninja, dessen Anteil am Ruhm der Uchiha, mit dem er so plump herumgeprahlt hat, nichts als erstohlen ist. Und dann versucht er auch noch, es gegen mich einzusetzen! Welches Feingefühl, ich bin beeindruckt. Es ist eine Schande, dass ich ihn einst meinen Lehrer habe nennen müssen. Aber das ist jetzt egal. Soll er denken, was er will. Es geht hier schon lange nicht mehr um irgendjemandes Stolz oder um jenes lächerliche Spiel, wieviel Einfluss er zu haben glaubt. Tatsächlich – keinen. Hat er nie. Ich werde ihn sowieso umbringen. Die Augenbinde juckt, ich wünschte, ich könnte kratzen. Verdammt, aber meine Hände sind ja festgebunden. Die Dunkelheit hinter meinen Lidern ist so absolut... Sieht so die Blindheit aus, vor der die Uchiha sich mehr gefürchtet haben als vor jedem anderen Gegner? Itachi hat auch gelacht. In einer vergangenen Lebensphase, als ich ihn noch für einen Mörder gehalten habe... Die Wirkung dieses wahnsinnigen Lachens direkt ins Gesicht habe ich nicht vergessen. Dabei ist sein Ausbruch nicht einmal authentisch gewesen, es war alles nur vorgegaukelt... und ich habe nichts gemerkt, gar nichts, ich habe es geglaubt... vielleicht wollte ich es auch glauben. Ich erinnere mich: Eine beliebte Erklärung für die Ermordung meines Clans durch meinen eigenen Bruder lautete damals, dass es die Tat eines Verrückten gewesen sei. Als ich noch jünger war und Itachis Tat beim besten Willen nicht verstehen konnte, habe ich diese Möglichkeit tatsächlich in Betracht gezogen, so unwahrscheinlich sie auch war. Die Leute im Dorf haben es geflüstert. 'Psychopath', 'Wahnsinniger'. Ich wusste, dass es nicht wahr war, aber eine Zeit lang... eine Zeit lang habe ich es beinahe gehofft, weil es so viel einfacher gewesen wäre. Dann hätte niemand etwas dafür gekonnt, und ich... ich hätte Itachi nicht hassen müssen. Aber wäre es wirklich einfacher gewesen? Von wegen. Das ist doch auch eine Lüge gewesen. Ein weiterer Selbstbetrug. Oh was ich nicht alles versucht habe, der kleine Dummkopf, der ich war – das rationale Erwägen von Gründen, die hilflosen Erklärungen für Itachis Tat, die halbherzigen Entschlüsse, ihn dafür zu bestrafen – nutzlos. All das hat mich nie zur Wahrheit geführt. Und den Schmerz konnte es immer nur ausblenden. Es konnte ihn nicht verschwinden lassen. Warum habe ich auf einmal das Gefühl, als müsste ich gleich weinen? Liegt das an mir oder an den Augen, die ich jetzt in mir trage? Weint mein Bruder? Seine Augen, in meinem Körper. Ist es nicht eigentlich wunderbar: Wir sind uns näher als je zuvor. Nicht wahr, Itachi, jetzt kannst du gar nicht anders, jetzt musst du mich unterstützen... Ich muss aufpassen. Die Wunden sind noch nicht verheilt, und die Tränenflüssigkeit würde unseren Augen schaden. Das kann ich nicht zulassen. Vielleicht hilft es ein bisschen, wenn ich die Hände zu Fäusten balle und die Nägel in die Handflächen bohre? Es wird die Reaktion in eine andere Richtung lenken... Ah, ich kann es. Ich kann es immer noch. Keine Träne verschwenden. Schlafen kann ich jetzt bestimmt nicht. Warum fühle ich mich so unruhig? Gibt es irgend etwas, das ich noch bedenken sollte? Habe ich etwas übersehen? Ich frage mich... sollte ich vielleicht in meine Pläne einkalkulieren, dass ich möglicherweise selbst... Wenn man möglicherweise wahnsinnig ist, weil man seinen ganzen Clan ausgelöscht hat, ist es vielleicht nicht so weit hergeholt, dass es ebenfalls einen gewissen Grad an Wahnsinn erfordert, um seinen eigenen Bruder zu töten. Darüber habe ich doch schon nachgedacht, noch bevor ich überhaupt Konoha verlassen habe. Ich habe nach innen geblickt und mich bereit gefunden, alles in Kauf zu nehmen, wenn es mich nur meinem Ziel näherbringen würde – ich hätte meinen Körper, mein Leben und sogar meine Existenz im Jenseits gegeben, warum also nicht auch meine geistige Gesundheit? Ist es damals bereits ein Zeichen von Wahn gewesen, das alles aufgeben zu wollen, meinen Körper, mein Leben? Und jetzt, was ist jetzt mit mir? Pah, kann schon sein, dass meine persönliche Entwicklung ein klitzekleines bisschen anders verlaufen wäre, wenn ich das gehabt hätte, was man so schön ein 'normales Leben' nennt. Die Erkenntnis. Ich glaube, sowas läuft gemeinhin unter dem Begriff Trauma. Aber heißt das, ich muss mich jetzt mein ganzes Leben wie ein Opfer verhalten? Heißt das etwa, ich darf nichts anderes können als jammern und schwach sein? Das ist es doch, was diese falschen Prediger aus Konoha die ganze Zeit wollten. 'Bleib schön brav zu Hause, Sasuke' hier, 'komm schön brav zurück, Sasuke' da, 'wir setzen dir eine Dosis heile-Welt-Fassade und dafür vergisst du am besten einfach alles, ist doch sowieso nichts gewesen, war da was?' Ich könnte kotzen. Aber warum eigentlich nicht, wirklich beurteilen kann das sowieso niemand. Dann bin ich eben verrückt. Fein, in Ordnung, ich erkläre mich hiermit für nicht zurechnungsfähig. Bekomme ich jetzt meine Familie zurück? Nein, es ist doch, wie ich es schon vermutet habe. Ich habe überhaupt nichts davon, mir vorzustellen, ich wäre verrückt. Es reicht nicht einmal aus, mich für ein paar langweilige Minuten zu amüsieren. Denn selbst wenn ich es wäre – macht das mein und Itachis Leid etwa weniger real? Verrückt oder nicht, die ganze Frage ist völlig irrelevant. Die Ältesten wären immer noch Mörder, und ich wäre dennoch zu allem bereit, das ist es, was zählt. Was zählt, ist all die Zeit, in der mein Bruder hätte leben können, richtig leben, nicht als Ausgestoßener, als Verbannter, sondern in Ruhe und Frieden, mit mir zusammen... Was zählt ist, dass ihm all diese Zeit geraubt worden ist, dass andere das Glück gestohlen haben, das ihm gehört hätte! Es tut so weh, daran zu denken, aber die Wahrheit ist: Solange ich der Welt meinen Standpunkt klarmachen kann, kann ich es ertragen. Von außen mögen mir ruhig Attribute angehängt werden, die von 'gefallen' bis 'des Wahnsinns' reichen, sollen sie mich doch Verbrecher oder Mörder nennen – ich weiß, dass ich im Recht bin. Diese unerträgliche Konzentration aus Schmerz in meinem Inneren muss einen echten, realen Grund haben. Ich weiß, dass sie einen Grund hat, ich kann ihn zurückverfolgen, und deswegen wird auch mein Verstand diesen Irrsinn überleben. Schamlosigkeit, Zynismus und Doppelmoral durchdringen die großen Nationen bis zum Kern, das ist der Grund. Diese alten Monster, die sich 'weise Ratgeber' nennen, haben viel zu viel Macht über das Schicksal einzelner Menschen. Noch ein Grund. Es macht mich ganz krank. Sie können einfach mit dem Finger schnipsen und ein Leben zerstören, einen ganzen Clan ausrotten, und dann erlaubt man ihnen, so weiterzumachen wie zuvor. Ein Leben in Ehren, mit Vetorecht und Vorbildfunktion. Was für ein System soll das sein? Erwartet irgendjemand ernsthaft, ich würde auch nur ein Fünkchen Motivation verspüren, mich dafür einzusetzen? Wie verblendet muss man sein? Natürlich. Da muss ich ja nicht lange überlegen. Naruto, mal wieder. Meinetwegen kämpfen wir zuerst, mir ist egal, mit wem ich anfange. Ich werde nicht versagen, weder gegen ihn noch gegen den ganzen Rest. Ich werde meine Wahrheit um jeden Preis gegen sie verteidigen, und wenn ich dabei jede atmende Seele unter der Sonne gegen mich aufbringe. Was Konoha meiner Familie angetan hat, ist zum Himmel schreiendes Unrecht, und niemand hört hin. Alle pressen sie fest die Augen zusammen und halten sich die Ohren zu und hoffen in ihrer feigen Scheinheiligkeit, das Unwetter schon irgendwie zu überstehen. Aber das Unwetter, das ich über die Welt bringe, wird nicht einfach vorbeigehen. Ich werde dafür sorgen, dass ihnen wahrlich Hören und Sehen vergeht, ganz so wie sie es sich wünschen: Denn wenn ich mit ihnen fertig bin, werden sie weder Augen noch Ohren haben, die zu verschließen sie sich so anstrengen. Niemand hat hingesehen, niemand seine Stimme erhoben, als sie Itachi gezwungen haben, seine Gefühle zu verraten und seine Menschlichkeit zu verkaufen. Er sollte Konoha den Frieden erkaufen und das ganze Reich beschützen, doch wer hat ihn beschützt? Was hat Konoha für seinen wertvollen Frieden getan? Hört, hört: Konoha hat die ganze Bürde der Verantwortung für seine Zukunft, tausende von Menschenleben, große Worte wie Glück und Hoffnung und Liebe auf die Schultern eines einzigen jungen Mannes geladen, und tat selbst nichts, absolut nichts, für ihn. Ach was. Sie sind noch viel niedrigträchtiger als das! Sie haben ihre eigene Schande, die ganze Last ihres Versagens ihm aufgeladen, um das Gesicht zu wahren! Sie haben sich gierig seine Fähigkeiten als Ninja und seine menschliche Güte zunutze gemacht, und als sie ihn nicht mehr brauchten, haben sie ihn weggeworfen und wie Dreck behandelt. Ist es das, was du unter Glück verstehst, Konoha? Ist dies das Fundament, auf dem deine Zukunft gebaut sein soll? Was ist dein Frieden wert, wenn er durch das grausamste, unmenschlichste Verbrechen erkauft ist? Ich sage: Das ist überhaupt kein Frieden. Es ist eine Perversion von Frieden, es ist ein einziger Abgrund aus Lügen und Korruption. Oh, ich kann es fühlen. Mit jedem Gedanken, den ich denke, mit jedem Bild von Hass und Zerstörung, das mir in den Sinn springt, binden sich seine Augen enger an mich. Ich kann spüren, wie unsere Nervenbahnen zusammenwachsen. Er sieht jetzt, was ich sehe, und er feuert mich an. Wenn Opfer wie das meines Bruders „Alltag“ wären, wie Danzou es hingestellt hat, warum hatten sie dann solche Angst davor, es könnte herauskommen? Warum habt ihr strahlenden Helden von Konoha nicht auch einfach mich aus dem Weg geschafft und riskiert, dass Itachi redet? Dass ich noch hier bin, ist Beweis genug: Was ihr getan habt ist unverzeihlich und ihr konntet es euch nicht leisten, dass die anderen Nationen davon erfahren. Aber woher diese Arroganz, diese Selbstgefälligkeit? Ihr müsst doch gewusst haben, dass das Schicksal euch irgendwann dafür holen würde. Was jetzt über euch kommt, habt ihr selbst hervorgerufen, und ihr seid Narren, wenn ihr euch diese zehn Jahre zurückgelehnt und in ein falsches Gefühl der Sicherheit gewiegt habt. Klar, zunächst lief ja alles nach Plan für euch: Mich habt ihr auch benutzt, wie es dreister kaum geht, ihr habt Itachi durch mich aus dem Weg geräumt. Er ist keine Gefahr mehr für euch. Aber ich bin nicht tot, ich bin hier und am Leben und ich habe vor, unangenehm zu werden. Sehr unangenehm. Ich, um dessen unwissendes kleines Leben ihr damals so hochmütig verhandelt habt, bin nicht mehr klein und unwissend. Zu dumm, nicht wahr, Danzou? Mein Bruder und ich, wir hätten ein Leben haben können. Eine Familie, eine glückliche Kindheit, Freunde. Ich habe nie besonders sein wollen, es hätte mir nichts ausgemacht, der ewige Zweite hinter Itachi zu sein, solange mir sein Herz sicher war und das unserer Eltern. Konoha hat das alles zerstört. Warum soll ich nun plötzlich Einsicht haben und Verständnis zeigen, wo den Uchiha über Generationen hinweg nichts als Vorurteile und Misstrauen entgegengebracht worden sind? Sie haben ihren Anführer und Kriegshelden verstoßen, weil sie keinen Krieg mehr wollten! Sie wollten verhandeln statt kämpfen! Und was bekamen sie dafür? Ausgrenzung, Diskriminierung und den Tod. Den Teufel werde ich tun und das alles einfach schlucken. Den Teufel werde ich tun und mich einfach umbringen und mundtot machen lassen! Konoha ist die Verkörperung von allem Verachtenswerten auf dieser Welt: Der Kopf eine vergreiste, verknöcherte Führungsriege, die vor keiner Niedrigkeit und keiner menschenunwürdigen Untat zurückschreckt, der Bauch fett und aufgedunsen vor gestohlenem Wohlstand, die Füße an den Wurzeln verrottet und verfault. Jede Zelle in seinem Körper nährt das Ungetüm und trägt seine Verbrechen mit. Jede einzelne Zelle ist ein Teil davon und lacht meinen Bruder aus, wie leicht er sich hat ausnutzen lassen, wie dumm er gewesen ist, wie einfach zu manipulieren. Sie lachen, weil sie noch am Leben sind und er nicht. Sie alle sind Itachis Folterknechte. Dieses aufgeblähte Monstrum hat auf meinen Bruder und meinen Clan gespuckt und sie unter seinen Sohlen zermalmt, während es immerfort lachte, lachte, lachte, und nun werde ich es endlich zu Fall bringen und seiner widerwärtigen Existenz ein für alle Mal ein Ende setzen. Itachi, höre meine Worte: Ich trete gegen einen Giganten an, und ich habe die Macht dazu. Du hast sie mir gegeben. Ich als Einziger kann und werde nicht stillschweigen, und wenn ich dabei den letzten Rest von dem zerstören muss, was wir einst Heimat genannt haben. Und wenn ich dadurch für immer der Einsamkeit in die Hände falle, weil niemand mehr da sein wird, der die Hand nach mir ausstreckt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)