Thirteen Steps Leading Up to the Gallows von Phillia (Der Gärtner ist immer der Mörder.) ================================================================================ Kapitel 1: Step 1 ----------------- Bedrohlich hatten sich die Wolken zusammengezogen, und als würden sie die Welt unter sich verschlingen wollen, starrten sie finster auf die Passanten hinab, die gerade aus der grauen, schmutzigen Pferdekutsche stiegen. Der Wagen ächzte, als die Türen geschlossen wurden, aber so war er eben. Mit einem ernsten Nicken verabschiedete sich der Kutscher – erst in sechs Stunden würde er an diesen abgelegenen Ort zurückkehren, um seine Gäste abzuholen. Das einzige, was der Himmel sich noch nicht erlaubt hatte, war, seine Wut in Form von Regen auf die Erde zu schicken, aber so, wie zwei müde Augenpaare das sahen, würde es nicht mehr lange dauern, bis dies geschehen würde, und so beeilten ihre Besitzer sich, unter das Vordach zu gelangen, das Wärme und einen Auftrag versprach. Es war ein imposantes Haus, mit blendend weißer, verschnörkelter Fassade. Am Rande der Treppenstufen vor dem Eingang bewachten je ein mit Blattgold verzierter Löwe und ein Bär das Gebäude. Man konnte aufgrund der zugezogenen Vorhänge nicht einen einzigen Blick in das Innere des Hauses werfen. Ein paar Momente verstrichen, dann griff Albrecht Fontane – gekleidet in einem schlichten braunen Tweedanzug – nach dem die schwere Mahagonitür dominierenden Türklopfer in Form eines sich selbst verspeisenden Adlers und klopfte ein einziges Mal. Nur wenige Sekunden später wurde die schwere Tür aufgezogen und eine kleine Frau blickte die beiden Männer unter dichten Locken an. Zuerst betrat Fritz das Haus und sah sich mit desinteressiert wirkendem Blick um. Die Frau sprach Albrecht an. „Sind Sie der Detektiv?“, fragte sie in neugierig-verstörtem Tonfall. Albrecht hob in einer abwehrenden Geste die Hände, dann blickte er kurz zu Fritz. Die drei Fliegen, die ihn ansonsten immer surrend begleiteten, hatten es sich auf dem dunklen Bowler gemütlich gemacht und der ältere Mann sah sich noch immer abwesend um. Albrecht kannte diesen Blick. Er nickte der jungen Frau zu. „Ja.“ Sie knickste auf wackeligen Beinen. Man sah auf den ersten Blick, dass sie ein Hausmädchen war und sie schien auch recht selbstsicher zu sein – nur nicht in Anwesenheit dieser beiden Männer. Schwielige, an harte Arbeit gewöhnte Hände schlossen die Tür wieder, und sie lief den beiden voraus. „Bitte folgen Sie mir. Die Dame erwartete Sie sehnsüchtigst.“ Das Haus war alt und lang, und es verströmte den typischen Geruch altmodischer Häuser nach süßlicher Verwesung. Die Gänge reichten bis in tiefe, samtene Dunkelheit hinauf, denn die Petroleumlampen an den Wänden verströmten nur ein oberflächliches Licht. Albrecht ließ sich etwas zurückfallen, bis er Seite an Seite mit Fritz laufen konnte. Seine Stimme war genauso gedämpft wie das Licht. „Chef, sie denkt, ich sei der Detektiv.“ Keine Reaktion von Fritz. „Äh, wenn Sie das Missverständnis aufklären wollen, jetzt am Anfang wäre es bestimmt klug.“ Erneut keine Reaktion. Geduldig wartete Albrecht einige Minuten lang ab. Der abgenutzte Läufer au dem Boden – reich verziert und gleichzeitig schmutzig – reichte noch eine Weile. „Nein.... das ist gut so.“ Fritz nickte, eher zu sich selbst als zu Albrecht, und ließ seinen Blick über die lange Ahnengallerie schweifen. Jedes Gemälde an der Wand war von einem eigenen goldenen Rahmen eingefasst und zeigte die Anfänge des heimischen Geschlechts bis in das schwärzeste Mittelalter hinein. Am Ende des langen Ganges stand ein hochgewachsener Mann und deutete ein Verbeugung an, als die drei in Sichtweite kamen. Das Hausmädchen – sie hatte sich ihnen als „Anna“ vorgestellt – verschwand in einer Seitentür, nun, als der Chefbutler die Gäste in Empfang nehmen konnte. „Guten Tag, die Herren. Sollten Sie irgendetwas benötigen, dann zögern Sie nicht, mich anzusprechen. Mein Name ist Georg.“ Der elegante schwarze Anzug wurde in einer weiteren angedeuteten Verbeugung verknittert. „Sind Sie bereit für die Dame des Hauses?“ Albrecht, nachdem er sichergestellt hatte, dass Fritz noch immer damit beschäftigt war, die Portraits an den Wänden anzustarren, nickte schweigend, und die Flügeltüren öffneten sich in einen größeren Raum. Auch hier waren die Fenster von Vorhängen bedeckt. Der Läufer verwandelte sich magischerweise in einen asiatisch anmutenden, feinen Seidenteppich; jenes Flair wurde von den Laternen auf den Lacktischen und den Wandteppichen mit Szenen aus dem koreanischen Alltagsleben unterstützt. In einem modern wirkenden Stuhl saß eine Frau in einem grünen Kleid mit feinen Silberbestickungen, und sie hielt ein Baby in den Armen; auf dem dunklen Tisch neben ihr saß ein etwa fünfjähriger Junge und sobald die beiden Detektive eingetreten waren, war er aufgesprungen und war zu ihnen gerannt. Seine Haare waren unglaublich hell, fast schon weiß, als er Albrecht am Anzug zog und etwas unverständliches krähte. Der Butler betrachtete das Kind mit einem enervierten Blick und scheuchte es mit einer Handbewegung fort. Sofort stand die Frau auf, und es enthüllte sich, dass ihr linkes Bein nur noch ein langes Stück Holz war. Sie lächelte breit und Albrechts Nackenhaare stellten sich auf. Er war gewöhnt daran, dass die Frauen der vornehmen Gesellschaft alles zu sein schienen, was sie nicht waren, aber diese Frau schien die Kunst der Illusion perfektioniert zu haben. Die Mundwinkel schienen aus Blei gegossen und unverrückbar zu sein. Friedlich schlief das kleine blonde Baby auf ihren Armen. Der Butler verneigte sich vor ihr. „Misses, die beiden Detektive.“ Er warf den beiden einen Blick zu. „Und das ist Frau Henriette, die Herrin des Hauses. Ihr-“ „Danke Georg“, erklang ihr Stimme und sie brach ihren Bediensteten abrupt ab, „den Rest kann ich auch selbst mit den Herren besprechen. Aber bringen Sie bitte Roland zu seinem Hauslehrer.“ „Natürlich, Misses.“ Er trat einen Schritt zurück und schien mit der Wand zu verschmelzen, während er Roland an der Hand nahm und mit ihm aus dem Zimmer schritt. Albrecht zog seinen Hut und drückte ihn an seine Brust. Fritz' Blick war glasig nach vorne gerichtet; sein Bowler blieb schief auf seinem Kopf. In Henriettes Augen zeigte sich subtile Irritation. Als nach fünf Sekunden noch immer nicht die übliche, der Etikette entsprechenden Handlung geschehen war, schien sie sich entschieden zu haben, darüber hinwegzusehen. Nach dem üblichen Geplänkel fanden sich Albrecht und Fritz auf zwei Stühlen wieder, mit je einem Glas Scotch in der Hand und mit der Hausherrin ihnen gegenüber sitzend. Das Baby schlief noch immer friedlich und ruhig. „Meine Herren, herzlich Willkommen in unserem bescheidenen Heim. Darf ich Ihnen meinen Sohn Hein vorstellen?“ Stolz sah sie auf den blonden Jungen mit lichtem Haar auf ihren Armen hinab. „Mein anderer Sohn hört auf den Namen Roland. Er möchte eines Tages der Polizei beitreten, aber für einen Jungen seines Standes ist das natürlich unangebracht, wie meine verehrte Mutter auch immer sagt.“ Sie lachte leise und höchst unamüsiert. „Nun, weswegen ich Sie rufen ließ... es geht um unser geliebtes Haustier, Maria, ein Schwertfisch. Seit einem Tag scheint die Arme spurlos verschwunden zu sein aus unserem kleinen Teich. Auch Otto, unser Knecht, der für den Fischteich verantwortlich ist, weiß nicht, was mit ihr geschehen sein könnte. Sie, meine Herren, sollen den Fisch wiederfinden.“ Albrecht sah sie verwirrt an. Sie hatte den besten Detektiv der Stadt rufen lassen, um einen Fisch wiederzufinden? Das war seltsam, verlangte Fritz doch eine hohe Bezahlung und erschien diese Familie nicht unglaublich wohlhabend. Natürlich, reich genug für Bedienstete und dieses beeindruckende Haus, aber dennoch gehörten sie auf jeden Fall nicht zu der obersten Schicht, die normalen Kunden ihrer kleinen Detektei. Außerdem verursachte sie ein flaues Gefühl in seinem Magen. Von irgendwo kannte er diese Frau, er konnte nur den Finger nicht genau darauf legen. Diese Verwirrung teilte er seiner Umwelt mit. „Ein Fisch?“ Er hob eine Augenbraue. Fritz betrachtete indes den Lacktisch und die Spiegelung der simplen Decke in seinem Getränk. Henriette nickte. „Sie können sich keine Vorstellung davon machen, wie wichtig dieser Fisch für uns ist.“ Ihr Blick huschte auf eine große Standuhr, dann erhob sie sich und strich mit einer freien Hand ihr Kleid glatt. Nachdem sie eine Klingel geläutet hatte, eilte die Amme – ein junges, braunhaariges Mädchen mit gestickten Kirschen auf der Schürze – herbei und nahm Hein aus den Armen der Mutter. „Wenn Sie wünschen, können Sie als erstes den Tatort besichtigen und mit Otto reden.“ bot sie den beiden Detektiven an. Albrecht nickte. Fritz widersprach nicht, im Gegenteil, er stand auf und folgte Henriette schwerfällig, also schien er von diesem Plan angetan zu sein. Die drei Fliegen summten laut und die Stille durchschneidend um seinen Kopf herum. Der Teich befand sich in einem Wintergarten. Nachdem sich die langen Finger der Hausherrin um den Türgriff gelegt hatten und die Tür schwungvoll öffneten, erstarrten die drei Menschen. Mit diesem Anblick hatten sie nicht gerechnet. 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