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Die Geschichten des Nilpferd-Reiters

Sinnlose (?) Merkwürdigkeiten in und um Goldstadt
von

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Tag 1 - Der Himmel fällt uns auf den Kopf

Sinnlose (?) Merkwürdigkeiten in und um Goldstadt
 

Heute war ein besonderer Tag.

Ein ganz besonders beschissener Tag!

Warum? Einfach – ich war gerade eben gefeuert worden.

Einfach so!!! Dabei hatte mein Chef mich stets in den höchsten Tönen gelobt (was nicht unbedingt das tollste Erlebnis auf Erden war, da er sowieso schon eine extrem piepsige Stimme hatte) und er hatte sogar darüber nachgedacht, mich zu befördern – so nächsten Monat vielleicht – wenn ihm nicht irgendjemand gezwitschert hätte, dass ich ein klitzekleines Drogenproblemchen hatte.

Sollte ich den verantwortlichen Vogel jemals in die Finger kriegen und zum singen bringen, werde ich ihm anschließend jede verdammte Feder einzeln ausreißen.

Verflucht seien meine verfluchten Mitarbeiter!
 

Verdammt – das war jetzt doppelt verflucht.

Scheiße.

Scheiß Tag!

Scheiß Drogen...

Wie viele Flüche waren das jetzt schon?
 

Jedenfalls wurde es natürlich noch beschissener, was auch sonst?

Passend zu meiner doch recht tristen Situation musste sich nun der Himmel binnen wenigen Augenblicken um mindestens 28 Farbnuancen verdunkeln.

Toll! Wirklich klasse!

Ich hatte jetzt doch wirklich schon genug damit zu tun, nicht plötzlich eines Morgens mit Vollbart aufzuwachen und dann unter die Brücke im Park zu ziehen – den ersten Schritt dazu hatte ich ja heute schon geschafft – aber nein, jetzt würde ich wahrscheinlich gleich auch noch ziemlich nass werden.

Gedankenverloren strich ich mir über mein Kinn. Keine Stoppeln. Natürlich nicht, hatte ich noch nie gehabt! Genauso wenig, wie einen verfuckten Regenschirm – schon wieder ein Fluch.

Und ich könnte sich jetzt nicht mal einen kaufen – kein Geld.

Scheiß Drogen...
 

Ich blickte zum Himmel auf und stutzte.

Gut, offenbar hatte ich vorhin mit dem 'ziemlich nass werden' die Untertreibung des Jahrtausends ausgesprochen. Das da oben sah eher so aus, als ob jemand gerade wirklich angepisst war und meiner Auffassung von 'nass werden' eine neue Definition verpassen wollte – und das war definitiv nicht gut!
 

Am Himmel türmten sich schwarze Wolken auf (die 28 Farbnuancen waren somit auch eine Untertreibung. Bekam ich einen Preis, wenn ich das heute noch oft genug machte?), hoch und bedrohlich wie ein riesiges Gebirge, dass jeden Moment einstürzen könnte, um die gesamte Stadt unter sich zu begraben. Irgendwie fand ich den Spruch „Der Himmel fällt uns auf den Kopf“ aus Asterix plötzlich extrem passend. Man könnte es fast mit der Angst zu tun bekommen. Aber halt nur fast.

Es war still.

Und wenn ich genau hingehört hätte, hätte ich vielleicht bemerkt, dass es zu still war.

Quasi wie die Ruhe vor dem Sturm. Nur ohne Sturm, aber mit einer hurricanähnlichen Wolkenwand direkt über mir und tausend mal schlimmer.
 

Und dann passierte etwas, womit ich nun wirklich nicht gerechnet hatte – der Himmel fiel mir wirklich auf den Kopf!

Zumindest löste sich plötzlich ein riesiger, dunkler Brocken Wolke vom restlichen schwarzen Himmel ab und fiel.

Ich sollte wirklich langsam die Finger von den Drogen lassen.

Scheiß Drogen.
 

Meine Hand weilte noch immer an meinem stoppelfreien Kinn, während ich mich nun unsicher umsah, das fallende Wolkenstück (welches übrigens mindestens die Ausmaße eines besonders dicken Pottwals hatte und für mich irgendwie nach einer Tasse starkem Kaffee aussah) stets in den Augenwinkeln.
 

Einige Leute, die auch in den Himmel geschaut hatten, schrien und fingen an wild mit den Armen fuchtelnd umher zu rennen (entweder sie hatten größere Koordinationsprobleme als ich, wenn ich absolut zugedröhnt war, oder aber sie schafften es in ihrer Panik einfach nicht ordentlich in den Himmel zu zeigen). Natürlich folgten noch mehr Blicke in das schwarze Etwas über ihnen und noch mehr Menschen begannen zu schreien und zu rennen. Unwillkürlich musste ich an einen Ameisenhaufen denken und grinsen. Und daran, dass sich irgendeiner meiner alten Lehrer sicherlich tierisch über diese oskarreife Kettenreaktion gefreut hätte. (Vielleicht mein Chemielehrer, aber der war ja leider bei einem schief gelaufenen Schülerexperiment einiger Gliedmaßen beraubt worden und drei Stunden später im Krankenhaus verstorben. Ich glaube, es war mein Experiment gewesen, das da explodiert war...)
 

Aber hey, wenn die anderen das Gleiche sahen wie ich, lag es dieses Mal wenigstens nicht an den Drogen!

Dennoch bezweifelte ich irgendwie, dass sie auch meine wunderbare Sicht auf dieses fliegende rosa Nilpferd teilten.
 

Nachdenklich strich ich mir erneut über das immer noch stoppelfreie Kinn.

Wegrennen war total sinnlos.

Nein wirklich, hallo?! Das süße Wolkenstückchen da war groß genug, den ganzen Bezirk unter sich zu begraben! Das konnte lustig werden...
 

Nur ruhig bleiben!

Es ist nur Wasserdampf, der da auf dich zurast!

Und es waren doch die Drogen!

Nur Wasserdampf – verdammt viel Wasserdampf.

Seit wann sahen Wahnvorstellungen (oder besser gesagt Massenhalluzinationen) so real aus?
 

Geräuschlos (warum eigentlich? Müsste da nicht zumindest etwas Wind entstehen?) kam das Wölkchen immer näher und platschte schließlich (natürlich nicht geräuschlos) auf die Stadt und somit auch auf mich.
 

'Nass werden' hatte nun eine neue Bedeutung und ich meine Bestätigung, dass Wolken wirklich nur Wasserdampf waren (allerdings extrem kalter Wasserdampf!) und das ganze hier keine Einbildung.

(Wäre ja noch schöner – eine ganze Stadt landet in der Psychiatrie. Das hatte was, klang titelblattverdächtig.) Ich ließ meine Hand sinken und versuchte mir eine wasserdurchtränkte Strähne aus dem Gesicht zu pusten, was mir natürlich nicht gelingen wollte.

Sollte ich morgen mit Vollbart aufwachen hatte ich ein Problem. 'Unter der Brücke im Park' war nämlich keine Option mehr – ich stand bis zur Brust in Wasser und überlegte, wie ich diesen Zustand von 'nass' am besten umschreiben könnte. Sollte ich vielleicht einfach ein neues Wort dafür kreieren?

Das Wasser verflüchtigte sich recht schnell, ging mir jetzt nur noch bis zur Hüfte. Wer wusste schon, welche arme Sau an der tiefsten Stelle der Stadt wohnte und am Ende das ganze Wasser aus seinem Keller pumpen durfte...

Ja, eine Schortneuwöpfung wäre jetzt genau das Richtige, ich brauchte nur noch eine Idee...
 

Ich sah mich um.

Zum Glück war es nur ein 'kleines' Stück Wolke gewesen. Ich versuchte mir dummer Weise vorzustellen, was passieren würde, wenn wirklich der ganze Himmel auf einmal runter kommen würde.

Wahrscheinlich sähe die Stadt binnen Millisekunden aus, wie während einer schönsten Flutwelle.

Vielleicht würde sogar der Singvogel unter meinen ehemaligen Mitarbeitern absaufen? (Hoffen durfte man doch noch, oder?)

Zu doof nur, dass es in der nächsten Nähe kein Meer oder ähnlich großes Gewässer gab – und somit war der Vergleich für die Katz.
 

Ich blickte erneut zum Himmel.

Fuck!

Hätte ich nur nichts gesagt – äh, gedacht!
 

Denn jetzt bewegte sich auf einmal das ganze verdammte Wolkengebirge mit atemberaubender Geschwindigkeit auf die Erde zu.

Scheiß Tag!

Scheiß Drogen!!

Ich werde sofort morgen mit dem Zeug aufhören, ehrlich!
 

Hatte ich schon mal erwähnt, dass das heute ein echt beschissener Tag war?

Nein? Gut, es war ein echt beschissener Tag. Wahrscheinlich der beschissenste in meinem ganzen Leben. (Okay, in dem Moment hatte ich mir wirklich nicht vorstellen können, dass es doch noch schlimmer kommen konnte...)
 

...ein Glück, dass ich vor Jahren mal mein Seepferdchen gemacht hatte...

Ha! Selbst im Angesicht der nicht mal mehr 50 Meter entfernten Wolkenfront, gegen die die chinesische Mauer nur ein winziger Gartenzaun war, hielt mein Sarkasmus stets zu mir. Wie schön.

Ich schluckte.

Und das fliegende rosa Nilpferd grinste.
 

Scheiß Tag.

Tag 2 - Auf ins Abenteuer!

Sinnlose (?) Merkwürdigkeiten in und um Goldstadt
 

Es gab gute Tage und Tage, die alles mögliche abgesehen von „gut“ waren.

An letzteren lernte man für gewöhnlich das Meiste.

Und so habe auch ich gestern eine ganze Menge gelernt.

Zum Beispiel, dass Nilpferde grinsen können.

Dass es eine gesteigerte Form des Zustandes „nass“ gibt.

Und dass mir kanariengelbe Regenklamotten überhaupt nicht standen und diese sich zudem ganz furchtbar mit dem rosa Rücken des Nilpferdes bissen, auf welchem ich gerade saß.
 

Man merke sich: rosa Nilpferd * Ich in gelben Regenklamotten = Irks.
 

Eine einfache Gleichung und auch für jedes Kleinstkind verständlich.

Okay, vielleicht nicht für Kleinstkinder, aber wen interessierte das schon?

Mich jedenfalls gerade nicht.

Ich hatte andere Sorgen.

Und in etwa 20 Gazillionen an unbeantworteten Fragen.
 

Warum Gelb?

Weshalb lebe ich noch?

Wieso wurde ich das Gefühl nicht los, dass das alles keine Halluzination ist?

Falls es doch eine war, wer hatte mir da was genau in die Drogen gemischt?

Wieso trugen diese Winz-Flügel ein etwa eine Tonne schweres Nilpferd und mich noch dazu?

Wer war Schuld an meinem Jobverlust?

Und natürlich:

Wer hatte die Götter so verärgert, dass sie uns den Himmel auf den Kopf fallen ließen?
 

Fragen über Fragen und keine Antworten.

Obwohl, doch – manches konnte ich mir beantworten.
 

Gelb sind die Regenklamotten, damit Autofahrer die kleinen Wänster, die natürlich trotz des schlechten Wetters draußen spielen müssen, besser erkennen, anvisieren und umbolzen können. War halt schön neonfarben und nicht zu übersehen.
 

Wobei sich bei einer beantworteten Frage gleich tausend neue stellten:

Warum gerade ich?

Und: Wieso nicht irgendjemand anderes?
 

Ich war nun zwischendurch fast so verzweifelt, dass ich am liebsten meinen kleinen rosa Freund unter mir gefragt hätte, aber ich konnte mich gerade noch rechtzeitig zur Raison bringen.

Meine Gedanken fanden allerdings trotzdem (oder gerade deshalb) nicht so wirklich Ruhe und fingen stattdessen (gegen meinen Willen wohl gemerkt!) damit an, herum zu philosophieren.

Das klang dann in etwa so:

Das Nilpferd hat extrem lange Wimpern – es braucht einen Namen – es ist rosa – vielleicht hat es schon einen Namen – vielleicht ist es ein Mädchen – vielleicht wache ich bald auf – vielleicht kann es sprechen – gibt es bald Mittag?

Dinge, die für das Wohlergehen und Überleben der Welt natürlich unbedingt zu klären wären...
 

Ach, Sarkasmus, mein Freund... ich weiß nicht so recht.

Irgendwann gestern muss ich doch den Zeitpunkt verpasst haben, an dem sich alles dazu gewendet hat, wie es jetzt ist, oder?

Aber wo waren die verdammten Anzeichen, die Vorwarnungen, die Untertitel???
 

Und mal wieder eine neue Frage: Wen darf ich jetzt für all den Mist hier verklagen?
 

Nun ja, ein Gutes hatten die ganzen Fragen ja...

Ich fluchte nicht mehr so viel.

Und die Tatsache, dass ich seit etwa 13 Stunden auf dem Rücken eines rosa Nilpferdes umher flog, hatte unweigerlich dazu geführt, dass ich seit meiner Feuerung meine Finger weder an eine Zigarette, noch an jegliche Form von Alkohol oder Drogen gelegt hatte.

Sollte ich eigentlich auch gut finden – tat ich aber nicht!

Eine Zigarette hätte mich nun wenigstens etwas beruhigt und Drogen hätten dafür gesorgt, dass ich mir den Kopf nicht über Milliarden von Sinnlosigkeiten zerbrechen würde, die gerade offenbar mein Leben bestimmten!
 

Hach, dass konnte doch alles nicht wahr sein!!!

Es war zum Haare raufen!!! (Was ich allerdings dank der gelben Regenkappe gerade nicht tun konnte und was mich daher noch mehr frustrierte...)

Ich meine, wieso –
 

...Moment.
 

Sanken wir gerade oder verschob sich die Erde nach oben?

Eigentlich auch egal, denn wie rum man es auch drehte, der Wasseroberfläche, die derzeit die meisten Häuser der Stadt unter sich versteckte, kamen wir bei beiden Möglichkeiten beunruhigend näher.
 

Wenn man es so betrachtete, fand ich, dass sich das Kanariengelb gar nicht so sehr mit dem Nilpferdrosa biss – jedenfalls nicht, solange wir weg vom Wasser blieben!!!!!!!

Seitdem gestern Nachmittag eine riesige Wolke auf mich gestürzt war, hatte ich ein leichte Aversion gegen das nasse Element.

Verständlich, oder?

Doch irgendwie war es im Anbetracht der Umstände, unter denen ich die vorangegangenen 24 Stunden verlebt hatte, recht unwahrscheinlich, dass sich die Hoffnung, jetzt nicht baden zu gehen, erfüllen würde.

Wäre ja auch zu schön gewesen.

Andererseits war aber auch soviel unglaubliches passiert, dass natürlich in dem Moment, in dem wir das Wasser berühren, ein zwischendimensionales Tor zu einer Parallelwelt aufgehen könnte und ich somit nicht nass werde.

Denn hey!

Wer hätte denn bitte schön auch damit gerechnet, dass ich nicht sterbe, obwohl mindestens 457.978.632 Tonnen Wasser auf mich stürzten und ich stattdessen von einer meiner Halluzinationen (Sorry, mein rosa Freund, aber ich glaube immer noch nicht, dass du echt bist- bitte verzeih mir) errettet werde und nach einer kurzen Koma-Attacke in luftigen und extrem stylischen Regenklamotten aufwache?

Genau. Niemand.

Außer Einstein vielleicht, für den war ja schließlich alles irgendwie relativ.
 

...

Was zum...?

Vielleicht sollte ich doch an Rosa (so werde ich ab jetzt passender Weise meine Nilpferd-Freundin nennen, Scheiß auf's Geschlecht!) und an das Unglaubliche glauben?

Oder an die Börse gehen und spekulieren.

Das wäre auch noch eine Möglichkeit.

Eine Möglichkeit, die mich wieder zu Geld bringen könnte!

Warum ich plötzlich diese Idee hatte?

Nun ja, direkt vor meiner und Rosas Nase tat sich soeben ein riesiges zwischendimensionales Tor auf.

Zumindest sah es so aus, wie ich mir ein zwischendimensionales Tor vorstellen würde.
 

Ob ein Hamburger erscheinen würde, wenn ich jetzt an einen dachte?

Mein Magen wäre dafür.

Aber zuerst hieß es wohl anschnallen, Augen zu und durch.

Das Tor vor uns schien nämlich auf einmal den Drang zu verspüren, uns mit einem gewaltigen Sog in sein Inneres zu ziehen.

Dumm nur, dass Rosa keine Sicherheitsgurte hatte.

Nur zwei Flügel, die zwar etwas größer als die einer Taube, aber auch ein ganzes Stück zierlicher waren.
 

Ein panischer Blick nach rechts, nach links und – batsch!

Verwirrt und mit Schmerzen im Gesicht, griff ich nach dem Etwas, dass mir da gerade gegen die Nase gedonnert war.

...? ...!

Wie passend.

Ein kanariengelber Regenschirm.
 

Mehr aus Reflex, als aus Verstand (der würde mir in meiner derzeitigen Situation sowieso nur begrenzt weiterhelfen, wie ich denke), öffnete ich ihn und hielt mich krampfhaft an dessen Griff und Rosas Rücken fest.
 

Na dann!

Auf ins Abenteuer!

Tag 3 - In der Spiegelwelt

Sinnlose (?) Merkwürdigkeiten in und um Goldstadt
 

Tag, Nacht. Tag, Nacht. Ein ständiger Wechsel. Naturgesetz.

Und nichts und niemand kann etwas daran ändern.

Aber natürlich gibt es für alle Regeln eine Ausnahme.

In diesem Fall hieß sie: „riesiges zwischendimensionales Tor zu einer Parallelwelt“.
 

Seit Rosa und ich dieses nämlich durchschritten, oder besser gesagt durchflogen hatten, schien es in einer Tour Tag zu sein. Oder aber auch Nacht. Ganz so sicher war ich mir da nicht, da ich bisher weder Sonne noch Mond gesehen hatte, und das schon seit Tagen!

... Okay, streicht den letzten Nebensatz.
 

Um genau zu sein, sah hier alles genau so aus, wie vor dem zwischendimensionalen Tor. Es war fast, als wären wir in einen Spiegel geflogen, und nun wären wir auf der anderen Seite.

Spiegel fand ich, war wirklich eine gute Beschreibung für das Ganze, denn alles, was vorher links war, schien jetzt rechts zu sein.

Und noch einen Unterschied gab es zur „realen“ Welt. (Ich behaupte jetzt einfach mal, dass der Ort, an dem ich mich bis 13 Stunden nach meinem Jobverlust befunden hatte, die reale Welt war und das hier nur ein Paralleluniversum.)

Alles schien seine Farbe verloren zu haben. Es war, als hätte man einen extrem starken Entsättigungsfilter über die gesamte Stadt gejagt, denn alles war nun grau.

So grau, wie der Himmel über uns, der dafür sorgte, dass ich jegliches Zeitgefühl verlor.
 

Wirklich alles war grau.

Nun gut. Nicht ganz alles.

Aus irgendeinem Grund wurden Rosa und ich nicht entsättigt und erstrahlten auch weiterhin in unseren wunderbaren Neonfarben diese triste Welt.
 

Und da sollte man mal keine Depressionen bekommen.

An sich wäre jetzt die perfekte Gelegenheit aus Verzweiflung mit dem Rauchen anzufangen.

Zwei Sachen – ich korrigiere mich, drei Sachen – waren dabei aber eher hinderlich und wussten diese Tat zu vereiteln.
 

Erstens: Die gesamte Stadt stand unter Wasser. Man(n), in diesem Fall ich, könnte also nicht mal Zigaretten kaufen, wenn man wollte. (Was, wie ich anmerken würde, durchaus der Fall war.)

Zweitens: Ich war immer noch pleite. Daraus resultiert das gleiche, wie bei erstens.

Drittens: Ich war bereits Kettenraucher.
 

Okay, vielleicht sollte ich mich nur noch als Raucher betiteln, denn meine Lunge musste schon erstaunlich lange keine weiteren Rauchschäden mehr ertragen.
 

Inzwischen hatte ich mich mal wieder überzeugt, dass das alles hier nur eine Halluzination war. Oder eine Strafe der Götter, die mich lehren wollten, wie gefährlich der Griff zur Flasche und bewusstseinserweiternden Substanzen sein konnte.

Als ob ich das nicht schon wüsste...
 

Gerade so konnte ich mich von dem spontanen Impuls mich einfach von Rosa herunter in die Fluten zu stürzen, um mich zu ertränken, abhalten.

Wer weiß, wenn ich hier auf einem rosa Nilpferd herumflattere, vielleicht käme dann bald eine Tankstelle vorbeigeflogen.

Allerdings müsste ich mich an dieser dann auf Grund spontanen (okay, eigentlich eher chronischen) Geldmangels kostenfrei bedienen, was wiederum zu einer erneuten Bestrafung durch die Götter führen würde.

Vergessen wir also diesen Gedanken.
 

Um mich wenigstens etwas von diesen tristen Überlegungen abzulenken, sah ich mich wieder um – schließlich hatte ich seit „Wirklich alles ist grau.“ nur noch stur und ohne Fokus gerade aus gestarrt. Leider sorgte das, was ich da so erblickte nicht gerade für das Gefühl nun unbedingt in Freudenjubel ausbrechen zu müssen.

Eher im Gegenteil.
 

Grauer, wolkenloser Himmel über mir, graues – nein, stahlgraues, Wasser unter mir. Graue, noch nicht ganz im Wasser versunkene Hochhausdächer.

Menschen?

Fehlanzeige. Nicht mal graue Menschen waren zu sehen. Auch keine, die auf den Dächern saßen, auch keine, die um ihr Leben paddelten.

Da wirklich nicht mal das geringste bisschen an Leben zu entdecken war, wirkte die ganze Szenerie noch seltsamer, befremdlicher und auch ein wenig beklemmend.
 

Zum Glück riss mich Rosa aus der mich plötzlich befangenden Lethargie, indem sie in einen raschen Landeanflug überging, und der kam so schnell, dass ich meine gelbe Regenkappe und meinen Schirm festhalten musste.

Ich fragte mich, ob wir schon wieder durch ein zwischendimensionales Tor fliegen wollte, denn Rosa steuerte gerade auf die Wasseroberfläche zu.
 

Doch, wie ich es eigentlich inzwischen gewohnt sein sollte (und was aber natürlich noch lange nicht der Fall war!), tauchte plötzlich eines der vom Wasser verschluckten Hochhäuser aus den grauen Wellen auf.

Das Dach wurde immer größer.

Und das lag nicht daran, dass wir näher kamen!

Nein!

Das Dach breitete sich in alle Richtungen aus, als ob es zu einer Landebahn werden wollte.

Fehlte nur noch, dass überall Leuchtstreifen auftauchten und ein Flugeinweiser Rosa und mich mit bunten Fähnchen vollwinkte.
 

Vielleicht sollte ich es noch einmal mit dem Hamburger und den Zigaretten probieren.

Nur zur Ablenkung – ober nein, besser! - Zur Landeangst-Bekämpfung natürlich!

Komm schon, Junge!

Fest kniff ich meine Augen zusammen und dachte angestrengt:

Hamburger, Zigaretten. Hamburger. Zigaretten. Hamburger! Zigaretten!

Zaghaft öffnete ich ein Auge und öffnete sofort enttäuscht das Zweite.

Nichts war erschie- WUAAAAHH!
 

Vor meinem Kopf schwebten plötzlich ein Hamburger (warum nur hatte ich an diese mickrigen McDonalds-1-Euro-Hamburger gedacht???) und ein Packung Zigaretten (wenigsten da hatte ich an meine Lieblingsmarke gedacht!) - ich konnte mein Glück kaum fassen!

Gerade wollte ich überglücklich nach beidem greifen, als Rosa plötzlich einen heftigen Ruck nach unten machte und mich somit auch einige Meter nach unten riss, während mein zwei Herzobjekte weiterhin oben in der Luft schwebten und sich binnen Millisekunden viel zu weit von mir entfernten.
 

Während ich mich an Rosa festklammerte (wie ich das machte, war mir in diesem Moment selbst unklar – schließlich gab es nichts woran man sich hätte festhalten können) und absolut geschockt und sogar noch geschockter den Kopf nach hinten schmiss, um meinem kurzweiligen Glück hinterher zu weinen, setzte Rosa ohne mir Bescheid zu geben, zur Landung an.

Dass sie mir nicht Bescheid geben konnte, da sie des Sprechens ja nicht mächtig war, war mir in dem Moment egal, in dem ich auf Grund ihres sehr abrupten Abstoppens von ihr kopfüber herunter fiel, mich sehr unsanft überschlug und schließlich noch unsanfter nach einer kurzen Schlitterpartie auf meinem in Gelb gekleideten Hintern landete.
 

Als ich mich wütend zu ihr umdrehte und sie mit noch immer schmerzverzehrtem Gesicht anschaute, bildete ich mir tatsächlich ein, dass sie mich vorwurfsvoll anblickte.

Natürlich konnte das nicht sein, oder? Sie würde mir doch nicht wegen des Hamburgers und der Zigaretten böse sein... können... oder?
 

Sehr verunsichert richtete ich mich, mir den Hintern reibend, auf. Oder versuchte es zumindest.

Denn da das Hochhaus ja gerade erst aus dem Wasser geschossen war, war es immer noch extrem nass und auch rutschig, sodass ich immer wieder hinfiel.
 

Nach einigen weiteren Versuchen und dem gekonnten Ignorieren der seltsamen Stiefelgeräusche, die ich seit einigen Sekunden vernahm und die ich mir 100 % nur einbildete, schaffte ich es endlich wenigstens auf meine Knie zu kommen.

Dann verstummten plötzlich (endlich!) die patschenden Stiefelgeräusche.

Ich blickte auf, als ich einen Schatten bemerkte, der da ohne die fehlende Sonne eigentlich nicht sein dürfte, und was ich dann erblickte, verwirrte mich mehr als alles andere, dass ich bisher erlebt hatte. Zumindest seit dem Wolkensturz.
 

Ich musste jetzt ganz dringend eine rauchen. Ganz dringend!

Sei still, Magen! Scheiß auf den Hamburger.

In meinen Augenwinkeln bemerkte ich, dass mein Wunsch mal wieder und diesmal völlig unpassend in Erfüllung ging.
 

Ich schluckte, traute mich nicht meinen Blick abzuwenden, oder gar nach den Zigaretten zu greifen, obwohl ich sie nun wirklich sehr, sehr dringend gebrauchen könnte.

Denn jetzt brauchte ich meine beiden Hände nur für eines: beten.

Tag 4 - unerklärbare Erklärungen

Sinnlose (?) Merkwürdigkeiten in und um Goldstadt
 

Plötzlich schossen mir Erinnerungen in den Kopf – Erinnerungen an den sozialen Tag zu meiner Schulzeit.

Während ich kläglich scheiternd versuchte mich zu beruhigen, wurde die Erinnerung stärker.

Ich hatte diesen Tag immer schamlos ausgenutzt um die Schule zu schwänzen. Wahrscheinlich wurde ich nicht mal für meinen Drogenmissbrauch von den Göttern bestraft, sondern für mein unverschämtes und sündiges Jugendverhalten…
 

Meine Gedanken kehrten ins Hier und Jetzt zurück und mein Blick fokussierte sich. Leider half alles in Erinnerung schwelgen und alles beten nichts. Was vielleicht auch daran lag, dass ich entgegen meiner häufigen Behauptungen nicht gläubig war. Zumindest nicht richtig.
 

Und da standen sie vor mir. Die Helden. Die Möchtegern-Helden, die wohl gerade aus der Gosse gekrochen waren. Oder in diesem Falle aus den Tiefen eines plötzlich aus dem Wasser aufgetauchten Hochhauses.

Ganz vorne stand selbstbewusst und Angst einflössend Ölwechsel-Woman, gefolgt von Gießkannen-Man und Wandweiß-Woman. Das Schlusslicht bildete Aktenkopier-Man, der mit seiner schiefen Brille etwas fehl am Platz wirkte. Andererseits machte er mir mit seiner Erscheinung fast noch mehr Angst, als Ölwechsel-Woman…

Ehrlich, die Vier sahen aus wie die Helden des sozialen Tags in Hamburg – wie kreativ.
 

Ölwechsel-Woman warf mir nun einen Blick zu, den ich nicht deuten konnte oder vielleicht auch einfach nicht deuten wollte.

Warum zum Teufel sah dieses Weib aus wie meine Ex, nur mit Ölmessstab in der Hand???

Das war total unsinnig!

Anna hatte Null Ahnung von Autos gehabt!
 

Eine neue Theorie kam mir in den Sinn, wie ich da immer noch vor den vier Horrorgestalten auf dem nassen Boden kniete und nebenbei mitbekam, dass Rosa schleichend hinter mich getrampelt war.

Das Alles hier hatte gar nicht mit den Göttern zu tun!

Es war ein perfider Racheplan von Anna!

Sie wollte mir heimzahlen, dass ich sie hin und wieder belogen und das ein oder andere Mal auch betrogen hatte.

Meistens mit ihrer besten Freundin…
 

Wie sie das alles hier anstellte, wusste ich zwar noch nicht so ganz, aber Frauen konnten ja bekanntlich zu allem fähig sein.
 

Meiner neuen Idee sicher wollte ich Ölwechsel-Woman böse anstarren, was sich aber in meinem Zustand panischer Angst vor dem, was Anna mit dem Messstab alles anstellen konnte, als sehr schwierig erwies.
 

Und dann schwang sie plötzlich den Messstab, und ich wusste ich würde sterben! Ich kniff die Augen zusammen und wartete darauf, dass sich dieses Öl-befleckte Ding in meinen Kopf bohrte, doch nichts geschah. Zaghaft öffnete ich mein linkes Auge.
 

Und musste feststellen, dass Anna wohl zu viel Schwung geholt hatte. Den Aktenkopier-Man schaute verwundert auf seine Brust, in der das Instrument des Grauens nun steckte.
 

Zunächst versuchte Anna das Ding wieder herauszuziehen, ließ jedoch recht schnell davon ab, da es einfach zu tief steckte und wandte sich stattdessen wieder mir zu.
 

Natürlich passierte, was passieren musste. Sie wollte reden. Und wie immer, wenn sie das tat, schaltete mein Kopf plötzlich auf Durchzug und ich bekam nichts mehr mit. Denn Anna war zwar wirklich ein heißes Gestell (auch wenn sie in Sachen Bettsport noch einiges zu lernen hatte), aber eben auch nur solange sie ihren Mund nur für meine tieferen Körperregionen öffnete. Und zwar wirklich nur dafür. Ihre Stimme war der reinste Horror. Noch schlimmer als die Pieps-Stimme meines ehemaligen Chefs, und das sollte schon etwas heißen. Ihre Stimme hatte etwas von einem quietschenden Reibeisen, dass in der DDR hergestellt worden war und daher nur eine Mischung aus Berlinerisch und Sächsisch beherrschte.
 

Während ich über den Klang ihrer Stimme sinnierte und nebenbei versuchte ebendiese auszublenden, glitt mein Blick über die restlichen Helder der jämmerlichen Truppe vor mir. Aktenkopier-Man versuchte noch immer den Messstab aus seinem Oberkörper zu ziehen. Bisher erfolglos. Und Wandweiß-Woman und Gießkannen-Man hatten offenbar keinerlei Interesse ihm dabei zu helfen. Die beiden schienen eher mitbekommen zu haben, dass ich Anna in keinster Weise zuhörte und tuschelten nun leise über mein Verhalten. Irgendwie kamen sie mir auch bekannt vor. Nur woher?
 

Während ich noch in meinen leider nicht gerade bestens funktionierendem Gedächtnis wühlte, musste ich leider feststellen, dass ich Annas Stimme nur noch bedingt ausblenden konnte. Immer wieder blieben einzelne Wörter ihre wahrscheinlich sehr bewegenden oder aber doch eher beleidigenden Rede in meinem Gehörgang hängen.
 

Blablabla, Welt, blablabla, retten, blablablabla, du, blablablabla Sex, blablabl- Moment!
 

Hatte Anna gerade etwas von Sex gesagt?

Plötzlich waren meine Lauscher weit aufgestellt und mein Schmerzempfinden unterdrückt. Interessiert schaute ich sie nun an, jedoch hatte sie sich offenbar entschieden, gerade jetzt, wo es interessant wurde, mit ihrer Ansprache fertig zu sein. Mist. Vielleicht hätte ich doch zuhören sollen.

...

Nein.
 

Aktenkopier-Man hatte inzwischen aufgegeben und stand jetzt sichtlich angepisst hinter den anderen, während er versuchte die Arme vor der Brust zu verschränken. Jedoch konnte er sich wohl nicht entscheiden, ob er sie über dem Messstab, oder darunter verschränken sollte. Gießkannen-Man hatte Erbarmen und zog mit einem Ruck den Stab aus seinem Oberkörper. Aus Reflex hatte ich sofort die Augen geschlossen, denn ich wollte weder erstens spritzendes Blut ins Auge bekommen, noch zweitens, überhaupt Blut spritzen sehen.
 

Da aber zum zweiten Mal an diesem Tage (okay, ich gebe es zu, ich war mir immer noch nicht sicher, ob es überhaupt Tag war) nichts geschah, sah ich mich gezwungen, die Augen erneut zu öffnen.
 

...

Sie waren weg.

Einfach verschwunden.

In Luft aufgelöst. Oder besser in Grauheit und Wasser.
 

Dieses stieg nämlich aus spontaner Freude an der Sache wieder und begann sich in meine gelben Stiefel zu schleichen.

Rosa stupste mich von hinten an und ich verstand.

Oder auch nicht.

Auf jeden Fall zog ich mich schleunigst an ihr hoch und setzte mich auf ihren Rücken, damit wir das sinkende Schiff – äh, Haus, verlassen kannten.
 

Als Rosa sich mit winzigen Flügelschlägen in die Lüfte erhob, versuchte ich das eben erlebte zu verstehen.

Es musste doch alles einen Sinn haben, oder? Irgendeinen beschissenen Sinn gab es immer.
 

Früher, als ich noch ein kleines Kind gewesen war, hatte ich oft meine Großeltern am Arsch der Welt besucht. An sich hatte es mir da nie sonderlich gut gefallen (woran das wohl lag?), aber mein Onkel war auch immer dort gewesen. Eigentlich hatte er ja für sein Studium lernen sollen, doch die meiste Zeit hatte er nur Tomb Raider oder die alten Mario-Spiele gezockt und ich durfte ihm immer dabei zu sehen.
 

Der Sinn dieser Spiele war klar gewesen.

Überlebe. Finde den Schatz. Rette die Prinzessin.
 

Ich blickte auf die grauen Wellen, die sich über dem Hochhaus im Wind bewegten.
 

Wir hatten nun die Höhe erreicht, auf der noch immer mein gewünschter Hamburger und meine ersten Zigaretten hingen. Beides schnappte ich mir und fiel sogleich gierig (okay, sagen wir die Wahrheit. Ich fiel sogleich gesittet) über sie her.
 

Der Hamburger schmeckte scheiße, die Zigarette tat gut.
 

Wenn man so die Wassermassen hier betrachtete war eines klar: Diese Welt brauchte einen Klemptner!
 

...und das war sicher nicht ich!



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