Die geschriebene Geschichte von HubertOswell (历史文) ================================================================================ Kapitel 1: Erinnerungen ----------------------- Tausende und abertausende Regale, Millionen von Büchern, unzählig viele dicht beschriebene Seiten, jede einzelne davon sauber datiert. Eine Sammlung von Erinnerungen. Wenn man einen Band aufschlägt, öffnet man damit eine Tür in eine vergangene Zeit, an einen unbestimmten Ort, der heute möglicherweise einen anderen Namen trägt oder schon gar nicht mehr existiert. Wie der Besitzer dieser Bibliothek. Niemand weiß, wohin er verschwunden ist. Nicht einmal die, die ihm nahe standen. Nur wann er verschwand, lässt sich leicht herausfinden. Der letzte Eintrag in den Büchern verrät es, die letzte beschriebene Seite, bevor nur noch leere, weiße Seiten folgen. Er hatte wohl nicht damit gerechnet, dass er so bald verschwinden würde. Im Gegenteil, ganze Bücher in dieser Bibliothek enthalten nichts als leere Seiten. Eines Tages werden sie vielleicht noch gefüllt werden, wenn ihr Besitzer wiederkehrt. Doch daran glaubt man kaum. Immerhin ist der Besitzer schon seit mehr als fünfzig Jahren unauffindbar. Wenn man ihn kennt, kann man zwar noch immer seine Spuren finden, doch diese Spuren sind nur ein Abglanz früherer Blütezeiten. Beim Lesen der Bände fällt einem auf, dass der Schreiber der Tagebucheinträgen einmal sehr mächtig gewesen sein musste und es sogar zu einigem Einfluss in der Politik und zu einigem Ruhm in den Wissenschaften gebracht hatte. Doch wie so oft, wenn man es zu hitzig anging, währte das nicht ewig. Nach nur wenigen Jahren des Aufstiegs folgte schnell die Ernüchterung, bevor er es dann wieder zu Ruhm und Anerkennung brachte. Natürlich hatte er einen tiefen Einfluss auf die Geschichte gehabt, hatte auch in der allgemeinen Geschichte der Welt einige Seiten geschrieben. Doch nun ist alles still in der Bibliothek. Wäre es nicht unhörbar, würde man nur das Rieseln des Staubs hören, der sich auf und zwischen den Regalen und Büchern sammelte. Manche Gänge zwischen den Regalen konnte man nicht mehr betreten, ohne tiefe Spuren im Staubteppich zu hinterlassen. In anderen wiederum konnte man nur den Staub der vergangenen 50 Jahre finden, statt dem von Jahrhunderten. Einige der Bände hatte der Besitzer wohl lieber heraus gesucht als andere. Noch heute ist die Bibliothek genau so wie vor 50 Jahren, als sie zurückgelassen wurde. Noch immer liegt der Band aufgeschlagen auf dem einzigen Schreibtisch des gewaltigen Raums, noch immer liegt eine Feder daneben und das Tintenfass, das sich in all den Jahren merklich geleert hatte, stand noch immer offen. Der letzte Eintrag des Verschwundenen ist für jeden sichtbar, der vor dem Pult steht. Beim Überfliegen stellt man fest, dass er wohl schon etwas von seinem Verschwinden geahnt haben musste. Doch er hatte nicht damit gerechnet, dass es so schnell kommen würde. Wohin er verschwunden war, wusste niemand. Einige suchten und suchen nach ihm, doch niemand findet mehr als bloße Spuren. Ein Teil von ihm scheint noch immer zu existieren, doch seine ganze, vollständige Existenz scheint für immer verschwunden zu sein, ohne wiederkehren zu können. Zumindest nicht so, wie er einst war. Doch nicht alle wünschen sich seine Rückkehr. Genauso viele von denen, die ihn kannten, sind auch der Meinung, dass die Welt ohne ihn ein besserer Ort ist. Zumindest ein friedlicherer. Von dem Ort, an den er verschwunden ist, lässt sich nichts sagen. Die, die dorthin verschwunden sind, kehrten nur sehr selten wieder. Und die, die es doch taten, konnte sich nicht daran erinnern, wie es war, sie sagten nur, dass sie doch niemals weg waren. Ein Ort also, der wie unsere Welt ist. Oder einer, der die Erinnerung verschlingt.  Manche Gerüchte sagen auch, dass er nur bei einem anderen einziehen musste und darum nicht mehr in seine Bibliothek kommen könnte. Doch nur aus so einem Grund unauffindbar zu sein, scheint doch unbefriedigend. Auch hatte der Besitzer der Bibliothek wohl nicht den Charakter dazu, mit einem anderen zusammen zu leben, zumindest nach dem, was sich aus seinen Tagebüchern über ihn erfahren lässt. Für ihn gab es nur drei Arten von Menschen:Unterlegene, Feinde und Verbündete. Mit einem Verbündeten ließ er sich so wenig wie möglich ein. Einen Unterlegenen hätte er wohl eher zu sich geholt, als bei ihm einzuziehen. Ein Feind war also das, was noch bliebe. Doch dieser müsste ihn verschleppt haben, um ihn an sich zu binden. Eine Erklärung für sein Verschwinden wäre das schon, doch ihm nicht wünschenswert. Die Bibliothek sollte mal wieder gewischt werden und den Büchern fehlt mehr und mehr die Pflege. Aus einigen rissigen Lederbänden aus längst vergangener Zeit lösen sich schon die Seiten, manche zerfallen auch gleich, wenn man sie nur in die Hand nimmt. Doch wenn man sie richtig anfasst, öffnen sie einem Türe in jede Zeit, an viele Orte, ohne dafür einen Preis zu verlangen. Doch dazu müsste sie erst jemand aufschlagen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)