Neon Genesis Evangelion - Humanitas nova von Diclonius01 ================================================================================ Kapitel 1: Ouvertüre -------------------- Neon Genesis Evangelion -Humanitas nova- Ouvertüre Disclaimer: Alle hier verwendeten Charaktere gehören Gainax, bzw. Lynn Okamoto. Ich habe keine Rechte an ihnen. Außerdem verdiene ich mit dieser Geschichte keinen einzigen Heller. Wer würde für so einen Mist, wie ich ihn hier verzapfe, auch zahlen wollen. Zankoku na tenshi no these These vom Grausamen Engel Ein kaum wahrnehmbarer Geruch von frischem Blut zog in die Zelle. Ein Junge, kaum 14 Jahre alt und mit frischen und älteren Verletzungen übersät, hing dort mit den Armen an einer kalten, schmucklosen steril-weißen Kachelwand. Die Ketten, mit denen er an die Wand gefesselt war, klirrten leise, als er den Kopf hob. Ein schmales Lächeln zierte seine Lippen. Shinji Ikari seufzte. Eine geschlagene halbe Stunde hatte er nun auf seine Verabredung gewartet, trotz der dringenden Aufforderung der Sicherheitskräfte von Neo-Tokyo 3, sich in die Bunker zurückzuziehen. Mittlerweile hatte er keine Hoffnung mehr, dass die Person auftauchen würde. Langsam zog er den Brief, den er vor einigen Tagen erhalten hatte, aus der Hosentasche. Sein Vater hatte ihm geschrieben, auch wenn es nur zwei Worte waren, so hatte der Junge sich doch gefreut. Zwei Worte. -Komm her.- Im Briefumschlag war noch ein Foto derjenigen Person, die ihn hier, in der zukünftigen Hauptstadt Japans nach der Zerstörung Alt-Tokyos, abholen sollte. Es zeigte eine junge, recht hübsche dunkelhaarige Frau. Sie trug recht freizügige Kleidung, ein bauchfreies Top und eine sehr kurze Hose, und hatte sich nach vorne gebeugt, so dass man einen guten Blick in ihren Ausschnitt hatte. Die rechte Hand hatte sie zum Victory-Zeichen geformt. Ihr Name stand auf der Rückseite des Fotos. „Misato Katsuragi.“ murmelte Shinji. „Tja, die Verabredung wäre dann ja geplatzt. Ich sollte mir einen Bunker suchen.“ Er drehte sich um und stutze kurz. Ihm gegenüber stand ein Mädchen, etwa in seinem Alter. Sie hatte kurze, bläulich-weiße Haare, rote Augen und eine sehr helle Haut, sie trug ein etwa knielanges, blaues Kleid, mit einer weißen Bluse darunter. Um den Hals hatte sie eine rote Schleife. Stumm und ohne eine Regung zu zeigen stand sie auf der anderen Straßenseite und schien ihn zu mustern. Shinji zuckte zusammen, als ein Knall die Stille, die um sie herum herrschte, zerbrach. Ein hohes, kaum zu ertragendes Pfeifen schrillte durch die Luft, als der Schalldruck die Stromleitungen in der Umgebung zum vibrieren brachte Der Junge schloss die Augen und presste sich die Finger in die Ohren. Als er sich wieder aus der Schockstarre löste und auf sah, merkte er, dass das Mädchen, welches er noch vor wenigen Minuten überrascht angestarrt hatte, verschwunden war. Perplex suchte er die Umgebung nach einem Zeichen ab, dass er sie sich nicht nur eingebildet hatte. Das nahe Dröhnen von Flugzeugturbinen ließ ihn herumwirbeln. Was er sah verschlug ihm die Sprache. Ein leises Scheppern erklang, als der Gefangene sich seiner Ketten entledigte. Törichte Menschen, hatten sie doch seine Kraft so immens unterschätzt.Mit einem schmerzvollem Ächzen erhob er sich. Selbst einem Wesen wie ihm, doch so viel widerstandsfähiger als ein Mensch, machte die schiere Anzahl seiner Verletzungen zu schaffen. Aber er konnte es sich jetzt nicht erlauben aufzugeben. Dies hier war seine letzte Chance, aus dem Institut zu entkommen. Entschlossen richtete er seinen Blick auf die Tür, die sofort, scheinbar von etwas sehr starken getroffen, in Fetzen ging. Langsam schlurfte die Gestalt durch den Türrahmen. Er stockte. Mit überraschtem Blick betrachtete er das Bild, was sich ihm auf dem Gang bot. Links und rechts lagen Körperteile, die ihren ehemaligen Besitzern mit brutaler Gewalt herausgerissen worden waren. Wer auch immer vor wenigen Minuten den Gang passiert hatte, hatte ganze Arbeit geleistet. „Alle Achtung“ entfuhr es ihm. Er schloss die Augen, versuchte die Anwesenheit seiner Artgenossen hier im Gebäude zu erspüren. Tatsächlich war einer der vielen kleinen Punkte in seiner Wahrnehmung in Bewegung. Wieder verzogen sich seine Mundwinkel zu einem leisen, kaum wahrnehmbaren Lächeln. Er wusste wo der andere hin wollte. Er wusste, das auch sein Ziel dort lag. Er musste einfach nur den Spuren, die der andere hinterließ, folgen. Shinji starrte entsetzt geradeaus. Er sah vier bis fünf grau-grüne Kampfjets, die etwas beschossen. Etwas war hier der richtige Ausdruck. Die Kreatur, die den Kampffliegern gegenüberstand war entfernt menschenähnlich, wenn man von der Tatsache absah, dass die Arme dieses Wesens affenhaft verlängert waren, sie reichten fast bis zum Boden. Außerdem hatte es keinen Kopf. Das, was vielleicht so etwas wie ein darstellen sollte, saß zwischen den Schultern auf dem Brustkorb. Alles in allem war dieses Wesen mehr die Karikatur eines Menschen. Doch der auffälligste Unterschied war, das dieses Ding rund vierzig Meter hoch war. Kaum hatte es die Stadt betreten, begannen die Flugzeuge ihre Raketenlast auf es abzufeuern. Noch bevor der Staub sich wieder gelegt hatte schoss ein Strahl aus violettem Licht aus der Wolke hervor und traf einen der Kampfjets. Dieser trudelte zu Boden, wo er dich neben dem vor Schreck vollkommen erstarrten Shinji aufschlug. Der konnte gerade noch die Arme heben, als der Angreifer auf das Wrack trat und es zur Explosion brachte. Noch bevor er die Augen, die er mit einen Armen vor der Explosion geschützt hatte, wieder öffnen konnte, hörte er direkt vor sich, wie ein Auto mit quietschenden Reifen zu Stehen kam und eine Tür des Fahrzeuges aufgestoßen wurde. Er öffnete die Augen und sah, das der Fahrer des Wagens die Frau vom Foto war, diesmal jedoch trug sie eine etwas kurze Uniform, eine Baskenmütze und eine Sonnenbrille. „'Tschuldigung, bin etwas spät dran.“ Sie nickte einladend. „Steig ein!“ Father and Son Vater und Sohn Im Kontrollraum im Hauptquartier der Organisation Nerv war die Hölle los. Überall liefen aufgeregte Menschen herum und schrien Nachrichten, aktuelle Daten und Befehle durch die Gegend. Auf einem Podest, etwa 30 Meter über dem organisierten Chaos saßen an einem Tisch drei in den Uniformen der japanischen Streitkräfte gekleidete Männer. An den Abzeichen auf ihren Schultern konnte man erkennen, dass es sich um drei Generäle handelte. Soeben war einer der drei mit einem Bericht von der , der sie gerade telefonisch erreichte, beschäftigt. Als er den Hörer wieder auflegte richteten seine Kollegen fragende Blicke an ihn. „Der Angriff der VTOL ist gescheitert.“ „Dann soll die dritte Panzerdivision jetzt das Ziel angreifen.“ „Raketenbasen, Bomber, Panzer, alles was wir haben muss jetzt attackieren.“ Einige Meter hinter ihnen saß ein sonnenbebrillter Mann, wohl in den Mitvierzigern, an einem hölzernen Schreibtisch. Den Kopf hatte er auf seine verschränkten Hände aufgestützt. „Ich hätte nie gedacht, dass sie so schnell angreifen würden.“, ertönte eine leise Stimme hinter ihm. Sie gehörte zu einem etwa sechzig Jährigen Mann, der hinter dem Angesprochenen stand, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. „Sie haben uns lange genug Zeit gelassen.“ antwortete dieser kühl. „Die Ankunft des vierten Engels. Alles geschieht so, wie es im Szenario vor raus gesehen ist.“ Währenddessen schienen auch die erweiterten Truppenmittel keinen Schaden an dem Angreifer angerichtet zu haben. Freiheit! Zum ersten mal in seinem Leben sog er frische Luft in seine Lungen. Aber er hatte keine Zeit diesen Augenblick zu genießen. Sicher würden die Wachleute des Institutes sich bald von dem Schlag, den ihnen der Andere zugefügt hatte, erholen. Eilig sah er sich nach einem Fluchtweg um. Doch überall wo er hinsah war Wasser. Endloses Wasser. Zwar konnte er am Horizont ihm gegenüber die Silhouette von Land erkennen, jedoch schien der Weg bis dorthin unüberbrückbar, zumal er noch nie in diesem Maße mit dem nassen Element in Berührung gekommen war. Plötzlich hörte er wie hinter ihm auf ihn angelegt wurde. Blitzartig fuhr der Junge herum. Etwa zwanzig Gewehrläufe waren auf ihn gerichtet. Irritiert zog er die Augenbrauen zusammen. Waren sie sich nicht darüber im klaren, was ihnen dort gegenüberstand? Jedenfalls hatte er besseres zu tun, als sich mit den Sicherheitskräften dieser Einrichtung abzugeben. Unerwartet hörte er hinter sich das getrappel schwer bestiefelter Füße. Überrascht sah er über seine Schulter. Was er sah, versetzte in in Aufregung. Die Wachleute, die hinter ihm ihre Waffen anlegten, waren von der Meerseite gekommen,hinter ihnen trieb etwas im Meer, etwas, was ihn auf die andere Seite des großen Wassers bringen konnte. Er begann zu lächeln. Mit röhrendem Motor schoss der blaue Renault Montan über die Straße aus Neo-Tokyo 3 heraus. Drinnen saßen eine junge, etwa 20 Jahre alte Frau und ein etwas verängstigter, dunkelhaariger Junge. Hinter ihnen war das Donnern von Geschützen und das Pfeifen von Marschflugkörpern zu hören. Als das Auto sich einige Kilometer von der Stadt entfernt hatte, bremste es und kam rutschend und mit quietschenden Reifen zum Stehen. Misato beugte sich aus dem Beifahrerfenster und nahm ein elektronisches Fernglas in die Hand. Mit diesem blickt sie, sich über Shinji's Schoss beugend, in Richtung der Schlacht. Immer noch berieten die drei Generäle im Nervhauptquartier, was gegen dieses, vor kurzem als Engel bezeichnete, Geschöpf zu tun sei. Soeben erhob einer der drei seine Stimme. „Mit allem Respekt, aber weder Marschflugkörper, noch Bomben, geschweige denn sonstige konventionelle Waffensysteme können dem Ziel etwas anhaben.“ „Aber es ist zu gefährlich, Notfallplan R1-A zu verwenden!“ brüllte sein Nebenmann und zerbrach dabei den dritten Bleistift infolge an diesem Tag. „Wir haben leider keine Wahl“ bemerkte der dritte, ermüdet von den ewigen Streitereien seiner Kameraden. Der zweite seufzte ergeben. Dann griff er nach einem Telefonhörer auf seinem Teil des großen Tisches. „Hier General Kobayashi! Erbitte Leitung zum Oberkommando für Autorisation für Notfallplan R1-A!“ Nach einigen Minuten nickte der Telefonierende kurz, dann legte er auf. „Wir haben die Autorisation, geben Sie die Befehle!“ Durch ihr Fernglas, bei welchem sie schon lange die Zoomfunktion auf das Maximum hin strapazierte, konnte Misato beobachten, wie die angreifenden Flugzeuge sich in Windeseile aus der Gefechtszone zurückzogen. Erschrocken sah sie auf. „Die haben doch nicht vor... Die wollen doch nicht etwa eine N² einsetzen!“ Blitzartig drückte sie den Kopf ihres Beifahrers herunter. „Los, in Deckung!“ Dann gab es einen hellen Blitz, es donnerte laut, und einige Sekunden später wurde der Sportwagen von der Druckwelle erfasst. „Jaaa, wir haben es geschafft!“ Die drei Militärs waren aufgesprungen. Der in der Mitte drehte sich nun zu den beiden schweigenden Männern hinter ihm um. „Tja, da ist nichts für ihr kleines Spielzeug übrig geblieben. Zu schade.“ Keiner der Angesprochenen zeigte auch nur eine Regung. Währenddessen wurden die Bildsensoren der fixierten Drohnen durch die Druckwelle außer Betrieb gesetzt. Langsam und mit einigermaßen schmerzenden Gliedmaßen richtete Shinji sich auf. Sofort begann er aus zu spucken. Misato sah ihn fragend an. „Ich habe Sand in den Mund gekriegt.“ beschwerte er sich leise. „Naja, es gibt schlimmeres. Kannst du mal kurz hier anfassen, bitte?“ Zusammen stemmten sie sich gegen den Wagen, der bei der unfreiwilligen Flugreise auf der Seite gelandet war, und brachten ihn mit einiger Anstrengung wieder in die richtige Position. „Danke, ohne dich hätte ich das nie geschafft.“ sagte die dunkelhaarige Frau zu Shinji. Dieser lächelte bloß schüchtern. „Sooo, du bist also Shinji Ikari, nicht war?“ „Ja.“ „Ich bin Misato Katsuragi. Darf ich Shinji-kun zu dir sagen?“ „Ja.“ „Bist ja nicht gerade gesprächig.“ „Ja.“ Misato warf ihm einen missmutigen Blick zu. „Na gut, rein mit dir.“ sagte sie und deutete auf das nun etwas verbeulte Auto. „Wir erhalten soeben wieder ein Bild.“ kam es von der Kontrollebene, dreißig Meter unter den Kommandanten. Sofort starrte jeder wie gebannt auf den großen Monitor vor ihnen. Was sie sahen lies die Generäle blass werden. Deutlich zu sehen war eine große, kopflose Gestalt mit langen Armen. „Der Engel ist durch ein AT-Feld geschützt. Nichts kann ihm etwas anhaben.“ sagte der alte Mann , der hinter demjenigen stand, der von den Militärs vorhin noch verspottet worden war. „Ja.“ antwortete der Angesprochene kurz angebunden. Währenddessen ließ sich einer der Armeekommandanten auf seinen Stuhl fallen, während derjenige, der schon vorher die Angewohnheit gezeigt hatte, emotional zu werden, schlug mit der Faust auf den Tisch „Gottverdammtes Ungeheuer!“. Der auf dem Stuhl, General Kobayashi, drehte sich nun nach hinten um. „Wir sind hilf- und ratlos. Sie haben ab jetzt das Kommando.“ Derjenige, den er angesprochen hatte, stand schon auf einer Transportplattform, die ihn von der Kommandoebene in die unteren Bereiche des Hauptquartieres bringen würde. „Fuyutsuki, machen sie Einheit 01 startklar.“ Der Andere sah ihn erschrocken an. „EVA 01? Aber Rei ist immer noch nicht wieder hergestellt, wir haben somit keinen Piloten.“ „Lassen Sie das meine Sorge sein. Der Pilot von Einheit Eins ist schon auf dem Weg hierher.“ Die Plattform setzte sich in Bewegung und lies den offensichtlich im Subkommandantenrang befindlichen Mann mit seinen Gedanken alleine zurück. „Ist das wirklich in Ordnung, was Sie da tun, Katsuragi-san?“ fragte Shinji. „Nun ja, immerhin bin ich ein Nervmitglied, damit gehöre ich indirekt zur UN, und das bringt gewisse Privilegien mit sich. Außerdem...“ sagte sie mit Blick auf die Autobatterien, die auf dem Rücksitz lagen. „Außerdem sind sie ja nur ausgeborgt, oder?“ Shinji blickte wieder nach vorne. „Trotzdem ist es nicht ok, wenn man einfach irgendetwas wegnimmt, ohne dem Besitzer Bescheid zu sagen.“ genervt sah Misato ihn an „Kleiner Moralapostel.“ zischte sie zwischen den Zähnen hervor. „Ich mich, wer von uns beiden das Kind ist, Katsuragi-san“ sagte Shinji, ohne sie anzusehen. „Na Warte, das gibt Rache!“. Ein Beobachter von außen hätte aus den Waghalsigen Manövern des Wagens schließen können, dass der Fahrer mindestens drei Promille im Blut hatte. Einige Minuten und halsbrecherische Autostunts weniger stand der Wagen gut befestigt in einem offenen Transportwagon eines automatischen Cartrains, der sie immer weiter in die Tiefe der Erde brachte. Drinnen starrte Misato die an ihnen vorbeiziehende Wand an. „Hast du den Brief noch?“, fragte sie. Ohne zu antworten zog Shinji einen etwas zerknüllten Zettel aus der Tasche. „Gut, da müsste auch noch ein Ausweis dabei sein.“ Langsam nahm der Junge die Karte heraus und sah sie nachdenklich an. „Werde ich etwas mit der Arbeit meines Vaters zu tun haben, wenn wir da sind?“.fragte er sie, ohne auf zusehen. „Vielleicht, ich weiß es nicht. Was weißt du eigentlich über die Arbeit meines Vaters?“ „Nichts. Wir haben lange nicht mehr miteinander gesprochen.“ Misato zog eine Augenbraue hoch. „Er hat mich damals im Stich gelassen...“ murmelte ihr Nebenmann leise. „Du scheinst ja kein sonderlich gutes Verhältnis zu deinem Vater zu haben.“ Sie lächelte bitter. „Da haben wir ja was gemeinsam.“ Plötzlich verschwand die eintönig-graue Wand, und eine gigantische, von Magnetschienen durchzogene und licht durchflutete Höhle tat sich auf. An ihrem Boden war eine Stahlpyramide zu erkennen, auf der ein rotes Feigenblatt prangte. Staunend drückte Shinji sich die Nase am Fenster des Autos platt. „Wow, eine echte Geofront!“ rief er fasziniert. Misato musste lächeln. „Ja, das hier ist der Neubeginn nach dem Second Impact, eine Festung für die Menschheit.“ Wenig später standen sie in einem Gang mit weißer Kachelwand. Unschlüssig verharrte Misato an einer Abzweigung, wohl nicht wissend, welchen Gang sie nehmen sollte. Als Shinji zu ihr aufschloss lachte sie etwas nervös. „Ähhähä, ich habe mich nicht verlaufen oder so, keine Angst, ich weiß ganz genau wo es lang geht.“ *Ok, ich habe mich doch vielleicht ein ganz kleines bisschen verlaufen.* Als sie ein rascheln hörte, drehte sie sich um. „Ah, Hallo Ritsuko!“ Sie blickte in das missmutige Gesicht einer Frau mittleren Alters, die über einer blauen Bluse und einem kurzen schwarzen Rock einen weißen Kittel trug. Sie rümpfte die Nase. „Das ist das letzte mal, dass ich Sie wieder einsammle, Leutnant-Kommandant Katsuragi, haben wir uns verstanden!“ Die konnte nur ein beschämtes Lachen von sich geben, was die andere allerdings nicht beachtete. Ihr Blick ging zu Shinji, der versuchte, sich möglichst im Hintergrund zu halten. „Ist das der Junge?“ Misato blickte auf. „Ja.“ „Freut mich.“ sagte die ältere Frau. Sie reichte ihm die Hand. „Ritsuko Akagi, Leiterin der wissenschaftlichen Abteilung hier bei Nerv. Du musst Shinji-kun sein.“ „Ja.“ Wenige Minuten später führte die Wissenschaftlerin die beiden anderen in einen dunklen Raum. „Shinji, das, was ich dir jetzt zeigen werde unterliegt strengster Geheimhaltung.“ warnte sie ihn, bevor sie das Licht anmachen ließ. Was er sah lies Shinji vor Schreck starr werden. Vor ihm, aus einem See rötlich-oranger Flüssigkeit, ragte ein gut 8 Meter großer, metallener Kopf. „Was ist das?“ fragte er, als er die Sprache wiederfand. „Das ist die ultimative Kampfmaschine in Menschengestalt, das ist Evangelion Einheit 01.“ antwortete Ritsuko. „Genau. Und du wirst der Pilot sein.“ tönte eine Stimme von einem Steg, etwas weiter oben in der Hangarhalle. Misato wirbelte zu Ritsuko herum „Was?! Das könnt ihr doch nicht machen, er ist gerade hier angekommen.“ „Es tut mir Leid, aber wir haben keine andere Wahl.“ antwortete die Angesprochene kühl. Shinji reagierte nicht darauf. Er hatte nur Augen, für den Mann, der ihn von oben her mit absolut gefühllosem Blick anstarrte. Dieser erwiderte den Blick. „Wir haben uns lange nicht mehr gesehen, … Sohn.“ Lose Control Kontrolle verlieren Hasserfüllt sah Shinji seinen Vater an. Dieser hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt und sah ihn aus seinen kalten, durch eine orange getönte Sonnenbrille verdeckten Augen an. „Du willst also, dass ich in dieses...dieses Ding steige?!“ „Vollkommen korrekt. Nur du kannst ihn steuern.“ „Warum?“ unterdrückter Zorn schwang in der Stimme des Sohnes mit. „Warum“, fuhr er fort, als der alte Ikari nicht reagierte. „Warum hast du dich die ganzen Jahre nicht ein einziges mal auch nur erkundigt, wie es mir geht?“ Der Alte schwieg weiter. „Wie es mir geht braucht dich ja nicht zu kümmern. Aber wenn du mich brauchst, dann interessiere ich dich wieder, ja?! Vergiss es! Ich werde nicht in dieses Ding steigen!“ „Aber wir brauchen dich!“, fuhr Misato ihn an. „Du hast doch gesehen, was draußen geschieht! Du musst uns helfen, du bist der einzige, der das kann!“ „NEIN!“, brüllte Shinji. Sein Vater auf dem Steg über ihm zeigte immer noch keine Regung. „Ist das deine Antwort?“ fragte er ihn. „Gut.“ Der Mann wandte sich zu der Wand neben ihm, die vollständig aus Kamera gespeisten Bildschirmen bestand. „Rei?“ Einer der Bildschirme wechselte das Bild. Ein simpler 'Sound only'-Schriftzug war darauf zu sehen. „Ja?“ erklang eine leise, ton- und emotionslose Stimme. „Du hast es gehört. Der Neue ist untauglich. Du wirst Einheit eins steuern.“ „Ja.“ So schön hatte es doch begonnen. Fast ohne größere Probleme hatte er die Wachleute beseitigt. Gut, es hatte etwas länger gebraucht, mit dem Boot fertig zu werden, immerhin hatte er noch nie einen Außenbordmotor gesehen, geschweige denn gesteuert. Jedoch hatte er es dann auch nach dem hundertsten Versuch (oder war es der dreihundert zehnte gewesen?) geschafft, den Motor zum laufen zu bringen. Danach hatte er noch eine dreiviertel Stunde benötigt, die Steuerung so weit zu lernen, dass das Zodiac sich in die richtige Richtung bewegte. Nach einer, mehrere Stunden dauernden, etwas seekranken Überfahrt war er dann auch schließlich am Ufer angelangt. Überall um ihn herum hatten alte Häuserruinen aus dem Wasser geragt, dahinter war eine menschenleere Stadt zu sehen gewesen. Ohne irgendwelche Vorsicht walten zu lassen - wozu auch, es war ja niemand zu sehen – war er an Land gegangen. Langsam und ohne erkennbare Hast hatte er dann das völlig entvölkerte Städtchen betreten. Plötzlich war die Stille von lauten Explosionen zerrissen worden, die ihn dazu gebracht hatten, instinktiv eine Verteidigungsstellung anzunehmen. Von der Szene, die sich vor ihm abgespielt hatte, war er vollkommen überrascht worden. Jetzt hetzte er durch die Stadt, auf der Suche nach einem sicheren Ort, einem Ort, an dem er dem Chaos entkommen konnte. Seine Flucht führte ihn zurück zum Strand, dessen Verlauf er folgte. Kurz darauf wurde dieser durch eine Kaimauer abgelöst, die von Lagerhäusern gesäumt wurde. Er fixierte eines, dass ihm als Zufluchtsort geeignet schien, wechselte in vollem Lauf die Richtung und schoss ohne ab zu bremsen in das leere Gebäude herein. Drinnen stützte er sich auf seinen Knien ab und rang nach Luft. Hier war er für die nächsten Momente sicher, so dachte er. Langsam lies er den Blick durch die große Halle schweifen. Es war ein leerer Raum, wenn man mal von dem Müll und den Schrottteilen, die im gesamten Lagerhaus verstreut lagen, ab. Das Dach wurde von Stahlträgern gestützt, die aber schon begonnen hatten Rost anzusetzen. Immer noch schwer atmend ging er zu einem dieser Träger, lehnte sich an diesen an und lies sich zu Boden gleiten. Erschöpft schloss er die Augen. Sofort fiel er in einen Traum losen Schlaf. Eine Explosion ließ ihn aufschrecken. Gerade noch rechtzeitig konnte er die auf ihn herabstürzenden Mauerteile mit seinen auffangen und sie neben sich auf den Boden aufschlagen lassen. Ohne zu zögern rannte er, seinem Instinkt folgend aus dem Versteck, weiteren herabstürzenden Trümmerteilen ausweichend. Hektisch blickte er sich nach Fluchtmöglichkeiten um. Dann begann er, in Richtung des Stadtzentrums zu fliehen. Ritsuko spannte sich. In Befehlston rief sie: „Persönlichkeitsprofil Shinji Ikari deaktivieren! EVA mit Profil Rei Ayanami rebooten!“ Wortlos stand Shinji daneben, den Kopf gesenkt. Er blickte erst auf, als ein Krankenbett herein gefahren wurde. Er realisierte zuerst gar nicht, was ihn daran stutzig machte, erst als er die auf dem Bett transportierte Person genauer betrachtete, wusste er, dass sie ihm irgendwo her bekannt vorkam. Der hellblaue Haarschopf, der zu sehen war, erinnerte ihn an irgendjemanden, und plötzlich wurde ihm klar an wen. Sie war das Mädchen, das er in der Stadt, bevor das Monster angegriffen hatte! Anstatt des blauen Kleides von vorhin trug sie nun einen eng anliegenden, blau-weißen, Ärmel losen Anzug. Auf ihrer Brust waren zwei Nullen abgedruckt. Entsetzt sah Shinji, dass sie Verbände um den Arm und den Kopf trug, dass sie an einen Tropf angeschlossen war. Unter der Regunslosigkeit ihrer Augen konnte er eine unendliche Müdigkeit erkennen. Oben in der Stadt, mittlerweile war die Nacht hereingebrochen, schien der Engel sein Ziel gefunden zu haben. Zumindest stoppte er seinen nunmehr ungestörten Vormarsch. Dann blitzten seine Augen kurz auf. Eine große, violette, kreuzförmige Explosion zerriss die Nacht. Die Explosion erschütterte die gesamte Geofront. Auch Shinji im Hangar von EVA 01 konnte sich kaum auf den Beinen halten. Neben sich hörte er ein scheppern, als das Krankenbett, auf dem das Mädchen gelagert war, umkippte. Sofort lief er los, kniete sich neben sie, hob sie auf. Sofort wimmerte die Blauhaarige und gab einen kurzen Schmerzensschrei von sich. Er fühlte etwas feuchtes an der Hand, mit der er ihren Rücken stützte. Langsam hob er sie sich vor das Gesicht. Die Handfläche war rot. Er schloss die Augen, wollte den Anblick des Blutes auf seiner Hand aus seiner Wahrnehmung verbannen. * Ich darf nicht weglaufen, ich darf nicht weglaufen, ICH DARF NICHT WEGLAUFEN! * Er öffnete die Augen und hob den Kopf, bis er seinem Vater direkt in die Augen sehen konnte. „Ich mach es.“ Seit zwei Stunden war er nun damit beschäftigt,durch die Stadt zu hetzen. Während er lief, zermarterte er sein Hirn, im Versuch, die Geschehnisse der letzten Stunde zu verstehen. Immer wieder waren Trümmerteile niedergeprasselt, immer wieder hatte er entweder ausweichen, oder aber die Teile mit seinen zerschlagen müssen. Plötzlich blieb er stehen. Lauschte in die Nacht. Außer den immer wieder durch die Nacht donnernden Explosionen war noch etwas anderes zu hören, etwas menschlicheres. Ein wimmern. Langsam drehte er sich in die Richtung des Geräusches. Etwas hatte sich an ihm verändert. Ruhig schritt er los. Die Hektik, de er noch vor wenigen Minuten verströmt hatte war vollkommen von ihm gewichen. Er ging auf ein kleineres, noch relativ unbeschädigtes Gebäude zu. Ein grausames lächeln glitt über sein Gesicht. Die Pupillen seiner burgunderfarbenen Augen waren verengt, die Augen selbst so geweitet, dass das Weiße in ihnen zu sehen war. Er fühlte weder Panik noch Angst. Einzig und allein die Gier nach Menschenleben strömte durch seinen Körper und treib ihn immer weiter an. Ja, er würde sie schaffen, eine Welt in der er leben konnte, eine Welt ohne Menschen, so wie es ihm seine Instinkte befahlen. Shinji fühlte sich unbehaglich, als er nach den zwei Steuerknüppeln, die vor seinem Pilotensitz montiert waren, griff. Wenige Minuten zuvor hatte man ihn in ein langes Metallrohr bugsiert. Dies sollte also das des großen Kampfroboters sein. Ihm entzog sich allerdings, wie man diese Maschine steuern sollte, während man außerhalb in einem Metallzylinder saß. Im Kontrollzentrum dagegen ging es hoch her. Alles wurde auf den Start des EVA's vorbereitet. Misato stand inmitten des Trubels. Ihre Aufgabe würde sein, die Operation zu beginnen und dem Piloten taktische Anweisungen zu geben. Um die Aktivierung würde sich Ritsuko kümmern. Diese stand hinter ihrer Assistentin, einer kleinen, zierlichen, schwarzhaarigen jungen Frau in einer beigen Uniform mit einem roten Streifen an jeder Schulter. „Entry Plug bereit zum einführen.“, meldet sie. Die ältere Frau nickte. „Einführungssequenz initialisieren!“ Durch das große Fenster an der zum Cage hin liegenden Wand konnte man sehen, wie der lange Metallzylinder in das Genick des Evangelion's versenkt wurde. „Entry Plug in Position!“, kam die Bestätigung. „Gut“ Ritsuko nickte. „LCL einfüllen!“ Im Plug merkte Shinji plötzlich, wie eine merkwürdige, zähe, orangefarbene Flüssigkeit in den Hohlraum ein zuströmen begann. Erschrocken hob er den Kopf, versuchte wie ein Ertrinkender verzweifelt so lange wie möglich an der Luft zu bleiben. Eine ruhige, etwas rauchige, weibliche Stimme drang an sein Ohr. „Keine Angst.“ Ritsuko's Stimme schallte aus dem Funkgerät. „Atme die Flüssigkeit ein! Das LCL wird deine Lungen mit Sauerstoff versorgen.“ Kurz darauf spürte er, wie sein Körper nach der Luft, die er jetzt anhielt, um die Flüssigkeit nicht einzuatmen, verlangte. Unwillkürlich füllte er seine Lungen. Der blutähnliche Geschmack des LCL ließ ihn kurz würgen. Jedoch fühlte er, wie die Gier seines Körpers nach Luft nachließ. Der Mann, der neben Dr. Akagi an einem anderem Computerbildschirm saß, ein kurzhaariger Brillenträger, der sich genauso wie sie in den Mittzwanzigern befand, blickte kurz auf. „LCL-Sauerstoffanreicherung im grünen Bereich.“ „Nervenverknüpfung initialisieren!“ Überrascht merkte Shinji auf, als er merkwürdige Muster auf der Innenwand des Entry Plugs sah. Erst nach einigen Sekunden veränderten sich diese Muster zu einem Bild der Umgebung. Die Wissenschaftlerin drehte sich wieder zu ihrer Assistentin vor ihr. „Beginne mit Synchronisation. A10-Nervenverbindung hergestellt. Synapsen 1 bis 10000 verbunden. Erreichen der absoluten Borderline in 10...9...8...7...6...5...4...3...2...1 Borderline clear! Einheit 01 erfolgreich aktiviert. Synchronwert liegt bei“ die kleine Frau stockte kurz. „49,9 Prozent.“ Ritsuko beugte sich über ihre Schulter. „Alle Achtung. Dabei trägt er noch nicht einmal einen Plugsuit.“ Sie drehte sich zu Misato. „Lt. Commander!?“ Die Angesprochene nickte. „EVA 01 startbereit machen!“ „Ja!“ Ein anderer Mann, er trug etwa Schulterlange Haare und war wohl auch so alt wie seine beiden Nebenleute hackte schnell auf seiner Tastatur herum. Im Cage dröhnten Warnsignale durch die Gegend. Durch einen Lautsprecher war die dringende Aufforderung, den Hangar sofort zu räumen. Dann wurde die Kühlflüssigkeit, die den EVA umgab, abgelassen. Schlussendlich wurden die Sicherungen entfernt, die den Evangelion in den Cage banden. Im Kontrollzentrum drehte Aoba sich zu Misato um. „Alle Sicherungen entfernt, EVA wird zu Startrampe transportiert.“ „Sehr gut. Startkanal öffnen!“ „Sofort!“ Maya Ibuki blickte auf ihren Bildschirm. „Startkanal clear, haben grünes Licht!“. Misato schloss kurz die Augen, atmete durch. Dann wandte sie sich zu ihrem Vorgesetzten um. Commander Ikari saß in seiner üblichen Haltung, das Kinn auf die verschränkten Hände aufgestützt. „Soll ich das Startsignal geben, Commander?“ „Natürlich.“ Sie blickte wieder nach vorn. „Evangelion-Unit 01 start!“ Langsam betrat er das Haus und blickte sich um. Er stand in einem kurzem, geradem Flur. Links und rechts waren Türen zu sehen. Aus einer Tür konnte er das Wimmern hören, was ihn her geführt hatte. Ruhig ging er in die Richtung des Geräusches, Mordlust schimmerte in seinen Augen. Er öffnete die Tür. Vor ihm stand ein kleines Mädchen, etwa fünf Jahre alt. Seine Vektoren schoben sich langsam nach vorne, in die Richtung des Kindes, dass zur Wand gewandt am Boden hockte und weinte. Dann zuckte er zurück. Irgendetwas hinderte ihn daran die Kleine einfach zu zerfetzen. Er fasste sich an den Kopf, als hätte er Schmerzen. Ein Gesicht erschien kurz vor seinem inneren Auge. Mit einem leisen, wütendem knurren versuchte er die Erinnerung zu verscheuchen. Shinji wurde plötzlich in den Pilotensitz gedrückt, als Evangelion Einheit 01 mit einer Beschleunigung von nahezu 4G an die Erdoberfläche geschleudert wurde. Mit einem Ruck kam die Maschine zu stehen. Durch die Augen des EVA's konnte er seine Umgebung sehen. Und direkt vor ihm war etwas zu sehen, was er eigentlich nicht sehen wollte. Dort stand eine, ihm bekannte, kopflose und langarmige Gestalt. Er brauchte eine Weile, um zu realisieren, dass Misatos Stimme aus dem Intercom drang. „Alles in Ordnung bei dir Shinji? Gut, dann werden wir jetzt den EVA freigeben.“ Unten im Central Dogma wandte Lt. Commander Misato Katsuragi sich an ihre Untergebenen. „Letzte Sperrvorrichtung lösen, Evangelion Unit 01, lift off!“ Oben konnte man sehen, wie sich die Klammern, die den Roboter an die Schienen banden, welche ihn auf seiner Plattform nach oben geleitet hatten, lösten. Sofort fiel der Oberkörper der Maschine nach vorne. Langsam bekam er seinen Geist wieder unter Kontrolle. Mittlerweile hatte das Kind bemerkt, dass jemand hinter ihm stand. Sie sah ihn aus großen, überraschten Augen an. Wieder brachte er seine Vektoren in Angriffsposition. In Shinji's Kopf herrschte gähnende Leere. Nicht nur, dass er in einem rund 40 Meter hohen Kampfroboter saß und nebenbei keine Ahnung hatte, wie er ihn steuern sollte, ihm gegenüber stand ein nicht minder großes Wesen und starrte ihn aus kleinen, bösartigen roten Augen an. Eine Bewegung in seinem rechten Augenwinkel sagte ihm, dass der Intercom sich geöffnet hatte. Er blickte auf den holografischen Bildschirm. Auf der anderen Seite der Verbindung sah ihm Ritsuko ins Gesicht. „Gut, Shinji. Hör mir gut zu, ich werde dir jetzt erklären, wie du den EVA steuerst.“ Sie mache eine Pause. „Du musst dir einfach nur denken, was er machen soll. Also setze jetzt in Gedanken einen Fuß vor den anderen, klar?!“ Der junge Pilot schluckte. * Also gut, dann einen Fuß... * der EVA hob langsam einen seiner dick gepanzerten Füße und ließ ihn einige Dutzend Meer weiter wieder auf den Boden krachen. * Vor den anderen. * Nun versuchte der Evangelion dies auch mit dem zweiten, scheiterte jedoch und verlor das Gleichgewicht. Shinji rieb sich schmerzhaft den Kopf. Es war keine angenehme Erfahrung, aus vierzig Metern Höhe hin zu fallen. Er sah auf, und schrie in Panik. Mitten in seiner Sicht stand der Engel, starrte auf ihn herab. Er hörte Misatos Stimme, die ihn eindringlich aufforderte, aufzustehen. Dann wurde der EVA gepackt und in die Höhe gehoben. Krampfhaft fasste er sich an seinen Arm, als er merkte, wie er zu brechen begann. Durch den Funk versuchte Ritsuko ihm klar zu machen, dass es nicht sein Arm sei, nur das neuronale Interface teilte ihm den Zustand der Maschine mit. Dann brach der Arm des Evangelion's. Ein scharfer Schmerz durchzuckte den Piloten. „Rechter Arm schwer beschädigt! Schaltkreise werden getrennt!“ „Wo bleiben die Defensivsysteme des EVA's, Maya?!“ Ritsuko beugte sich über die Schulter ihrer Assistentin. „Ich weiß es nicht! Das AT-Feld springt nicht an!“ Plötzlich sprang eine Alarmmeldung auf den Bildschirm. „Der Engel greift die Kopfpanzerung von Einheit 01 an!“ Die Schläge waren kaum auszuhalten. Immer heftiger schlug der Engel mit seiner Violetten Energielanze zu. Durch die Neuroverbindung fühlte Shinji, wie die Waffe seines Gegners wieder und wieder auf das Auge des EVA's einstieß. Dann brach die Kopfpanzerung, und der gewaltige, 8 Meter große Schädel wurde glatt durchschlagen. Mit einem lauten Krachen prallte der EVA auf ein Hochhaus und blieb liegen. „Kopfpanzerung zerstört!“ Mayas stimme klang panisch. „Synapsenverbindungen trennen sich! Keine Lebenszeichen vom Piloten!“ Misatos Blick war ernst. „Wir haben keine Wahl. Operation abbrechen! Evakuiert den Piloten!“ Maya nickte. Sie gab den Befehl in ihre Tastatur ein. Dann erstarrte sie. „Der EVA verweigert den Befehl!“ Plötzlich kam wieder Leben in den Evangelion. Das vorher erloschene rechte Auge glühte wieder auf. Ritsuko's Auge weiteten sich, als die neuen Werte den Hochleistungsrechner erreichten. „Maya, was ist da los?“ „Der EVA hat sich selbstständig reaktiviert!“ „Das ist unmöglich!“ Misato sah ihre Freundin entsetzt an. „Heißt das, der EVA gerät...“ Die Wissenschaftlerin sah nicht minder entsetzt zurück. „Außer Kontrolle!“ Er machte sich bereit den Schmerz des Kindes zu kosten. Langsam glitten die Vektoren nach vorne, auf sein Opfer zu. Ein teuflisches Grinsen legte sich auf seine Lippen. Dann hielt er inne. Die Köpfe beider schossen synchron nach oben, als ein lautes Knirschen von der Decke des Zimmers erklang. Risse begannen sich durch das Mauerwerk zu ziehen. Starr vor Schreck stand das Mädchen vor ihm, sah nach oben. Dann brach der Raum zusammen. Blitzschnell schossen seine Vektoren auf das Kind zu. Memory 1 Erinnerung 1 *Warum? * Fassungslos versuchte er zu realisieren, was er gerade getan hatte. Immer noch hielt er den kleinen, jetzt zitternden Körper an sich gedrückt, während er die Trümmerteile, die sie ansonsten beide unter sich begraben hätten, mit seinen Vektoren festhielt. Die Kleine war ein Mensch, ein Feind! Etwas, was beseitigt werden musste! Dies schienen ihm seine Instinkte ins Gesicht zu schreien. Er achtete nicht darauf, unterdrückte den Blutrausch. Sie war ein Feind, dennoch hatte er sie mit seinem Körper und Leben beschützt. Er blickte nach unten, auf ihren hellbraunen Schopf. Nachdenklich betrachtete er das Kind. Dann schloss er kurz die Augen. Erschöpfung machte sich in ihm breit. Lange würde er die Trümmer nicht mehr halten können. Sein Blick fuhr durch den Raum, auf der Suche nach einem Fluchtweg. Als er eine laute Explosion hörte drückte er das Mädchen, das nun vor Angst laut Aufschrie, an sich. Danach hörte er dumpfe Schläge, gleich den Schritten eines Riesen. Dann war alles Still, nur das Knirschen der Mauerteile war zu hören. Er öffnete die Augen. Immer noch spürte er, wie das Gewicht von Beton und Stein schwer auf seinen lastete. Er musste wohl einen sicheren Ort für die Nacht schaffen, an dem er sich erholen und über eine Lösung nachdenken konnte. Vorsichtig entfernte er einen Vektor aus seiner Stütze und begann, damit eine Grube zu graben. Als sie seiner Meinung nach tief genug schien, kroch er mit dem Kind herein und senkte ein großes Trümmerstück herab, dass er so bearbeitete, dass ein Luftloch blieb, und deckte damit das Nachtquartier ab.Danach ließ er vorsichtig die restlichen Mauerstücke auf die Grube herunter krachen. Mittlerweile weinte das Kind. Langsam wiegte er sie in seinen Armen vor und zurück. Irgendwie erinnerte sie ihn an etwas aus seiner Vergangenheit. Schließlich schlief sie erschöpft ein. Vorsichtig bettete er das Kind, ihren Kopf an eine der Grubenwände gelehnt. Dann legte auch er sich hin und begann über einen Ausweg nachzudenken Doch er merkte bald, dass es nichts brachte. Also schloss auch er die Augen. Langsam ließ auch er sich in die wohlige Dunkelheit des Schlafes gleiten. „Er ist jetzt bei 19 J.“ „Abschussenergie weiter erhöhen.“ Eine Gruppe von Wissenschaftlern stand in einem kleinen, mit Computern und Messgeräten vollgestopften Raum. Durch ein aus Panzerglas gefertigtes Fenster beobachteten sie einen Jungen, ungefähr dreizehn bis vierzehn Jahre alt, mit blau-grün meliertem Haar. Er hockte, mit den Händen an eine klinisch-weiße Kachelwand gefesselt, in einer Lache aus getrocknetem Blut. Ihm gegenüber war eine automatische Großprojektilkanone an die decke montiert, die gerade wieder auf ihn feuerte. Ungebremst raste die Kugel auf seinen Kopf zu, bis sie, als wäre sie auf eine unsichtbare Wand geprallt, direkt vor seinem Gesicht stoppte. „20 J abgeblockt.“ „Leistung weiter steigern.“ Der Wissenschaftler, der gerade gesprochen hatte, wohl de Versuchsleiter, ein Mann mittleren Alters mit dunkelbraunen Haaren, blickte durch das Fenster. Interessiert beobachtete er den laufenden Versuch. Sarah Collins ballte verkrampft eine Faust in der Tasche ihres Kittels, ihre Fingernägel bohrten sich beinahe in ihr Fleisch. Sie hasste diese Versuche, hasste sie, seitdem sie hier angefangen hatte. Die Diclonii. Sie wusste, welche Gefahr sie darstellten, seitdem sie gesehen hatte wie einem Wachmann ohne mit der Wimper zu zucken den Arm ausgerissen hatte. Mit ihren Vektoren. Einfach so. Sie waren brutal, Monster. Dennoch hatten sie so etwas wie das nicht verdient. Sie hatten nicht verdient, dass man sie wie Versuchstiere behandelte, wenn an sie nicht schon kurz nach der Geburt tötete. Manchmal fragte sie sich, wer hier die wahre Bestie war. Sie wandte sich an den Versuchsleiter. „Dr. Kurama, ist es nicht langsam genug?“ Der Angesprochene sah sie durch seine schmale Brille an. „Warum?“ „Es ist viel zu wenig Zeit nach dem letzten Versuch vergangen. Er konnte sich noch nicht erholen. Sie wissen doch, wie wertvoll die Diclonii der ersten Generation sind. Außerdem kann sich seine Vektorleistung seit dem letzten Experiment nicht nennenswert vergrößert haben.“ „Haben sie Beweise für ihre Behauptungen?“ Sarah öffnete den Mund. Und schloss ihn sofort wieder. Natürlich hätte sie mit so einer Aussage rechnen müssen. Dr. Kurama dachte nun mal so. Die Diclonii waren ausschließlich Monster für ihn, nur als Forschungsobjekte wertvoll. Als Versuchskaninchen. „Objekt Nr. 13 getroffen, Schussleistung bei 40 J.“ Kurama notierte die Ergebnisse. „Gut, wir beenden die Versuche an dieser Stelle. Weiter zu Nr. 15.“ Die Forscher verließen den Raum. Allein Sarah stand noch da, kaum unterdrückter Zorn und Verachtung für ihren Vorgesetzten stand ihr im Gesicht. Dann machte sie auf dem Absatz kehrt und durchschritt die Tür. Sie betrat die Zelle. Vor ihr hing der junge Diclonius in den Ketten. Als er den Kopf hob, offenbarte er einige frische Blutrinnsale, die sein Gesicht herabliefen. Müde sah er sie aus seinen burgunderfarbenen Augen an. Sein Blick war schon lange stumpf geworden, entbehrte selbst den Hass, den andere seiner Artgenossen gegenüber Menschen offen zur Schau stellten. Das markanteste Merkmal seiner Art, die Hörner, waren schon vor einiger Zeit bei Versuchen dieser Art abgebrochen. Sarah ging auf ihn zu. Sanft legte sie ihm ihre Hand an seine Wange. Sie war, seitdem sie vor fünf Jahren hier hin gekommen war, seine Bezugsperson gewesen. Sie war der einzige Mensch, den er so nah an sich heran ließ, ohne sie augenblicklich mit seinen Vektoren durch den Raum zu schleudern. „Yúsan.“ Sie lehnte ihre Stirn an die seine. „Wie lange noch, Onee-chan?“ Seine Stimme klang brüchig, schwach. „Bald, Yúsan,bald.“ Seine Tränen mischten sich unter sein Blut. Memory 2 Erinnerung 2 Collins blieb bei ihm, bis er eingeschlafen war. Ihr braunes Haar war mittlerweile von seinem getrocknetem Blut verklebt. Sie blickte auf den Diclonius herab. Selbst zum Schlafen hing er in den Ketten, hockte in seinem eigenen Blut. „Good night, nii-chan.“ Sie wandte sich zum gehen. Der Flur war beinahe menschenleer. Die meisten ihrer Kollegen lagen schon im Bett. Nur hie und da patrouillierten noch einige Wachleute. *Irgendwie deprimierend.* Nicht nur die leere, die Sterilität des Komplexes, die unheimliche Distanz zu jedwedem Leben, war ihr zuwider. Mehr noch widerten sie ihre Kollegen an, ihre anthropozentrische und chauvinistische Art an Experimente heran zu gehen. Am meisten jedoch verachtete und hasste sie sich selbst. Seufzend schüttelte sie den Kopf, um diese Gedanken zu vertreiben. Mit gesenktem Blick betrat sie ihr Zimmer. Langsam öffnete er seine Augen. Sofort war das Wummern, das von der Kopfverletzung herrührte, wieder da. Er stöhnte leise und ließ sich in den Ketten hängen. Er reagierte nicht, als ein Wagen mit seiner Nahrungsration für diesen Morgen von einem Wachmann herein geschoben wurde. Er wurde von der jungen Frau begleitet, die sich immer um ihn kümmerte. Mittlerweile war sie ein Teil seiner Familie, die er nicht hatte. Mit einem leisen Klacken öffneten sich die Handschellen, die ihn an die Wand fesselten. Der Diclonius sackte auf die Knie und wäre beinahe vorne über gekippt. Sanfte Hände fingen ihn auf. Als er den Blick hob, sah er in ihr Gesicht. *Onee-chan.* Sie lächelte ihn an. „Ganz ruhig, Yúsan. Komm, ich helfe dir.“ Vorsichtig zog sie ihn auf die Beine. Dann führte sie ihn zum Wagen. Der Wachmann zuckte zusammen, als er von dem Jungen fixiert wurde. Allein die Anwesenheit seiner geliebten verhinderte, dass er den verängstigten Menschen mit seinen Vektoren an die Wand schmetterte. Kurz darauf widmete er seine gesamte Aufmerksamkeit der Nahrungsaufnahme. Er schlang seine Mahlzeit gierig herunter. Nachdem er geendet hatte, blickte er wieder den Wachmann feindselig an, der zusammenzuckte und nervös an seinem Halfter herumspielte. Die junge Wissenschaftlerin, die die ganze Zeit daneben gestanden hatte, legte dem Mann eine Hand auf die Schulter. „Ich glaube, es wäre besser, wenn sie jetzt gehen.“ „Aber, der Diclonius! Wenn er Sie angreift?“ Die Frau lächelte sanft. „Das wird nicht passieren.“ Mit diesen Worten schob sie die Wache auf den Gang. Der junge Diclonius sah dem Menschen hinterher. Die Augen hatte er zu einem hasserfüllten Spalt zusammengekniffen. Eine sanfte Hand auf seiner Schulter riss ihn aus seinen Mordphantasien. „Geht es dir besser?“ Yúsan nickte. Sie zog ihn in eine Umarmung. „Yúsan?“ Der Angesprochene sah sie fragend an. „Danke.“ Dann ließ sie ihn los und verließ den Raum. Verwirrt starrte ihr der Diclonius hinterher. Sie schämte sich. Sie schämte sich, weil sie Angst vor ihm hatte. Sarah wusste, dass Yúsan, der ja zu ihr aufsah, ihr nie etwas antun würde. Dennoch hatte sie Angst vor der unglaublichen Kraft, die die Diclonii durch ihre Vektoren erhielten, diese hochfrequent schwingenden, zusätzlichen Gliedmaßen, die stark genug waren, einen Elefanten in Stücke zu reißen, schnell genug um einen Kugelhagel abzuwehren, und die scharf genug waren, dicksten Stahl zu zerschneiden wie ein warmes Messer Butter zerschnitt. Und sie hatte Angst vor dem unglaublichem Hass, den diese neue Spezies den Menschen entgegenbrachte. Ein bitteres Lächeln erschlich sich Zutritt zu ihren Lippen, als ihr durch den Kopf ging, was diesen Hass ausgelöst hatte. *Keiner besser als der andere* Collins hatte zu viele Fehler begangen in der Vergangenheit. Sie hatte ohne Protest dem Leid, dass hier geschah, zugesehen. Nun würde sie endlich handeln, ihre Fehler wieder gut machen. Ihr Schützling würde bald nicht mehr leiden müssen. Sarah hoffte, diesmal keinen Fehler zu begehen. Mittlerweile war er wieder angekettet worden. Er hatte sich nicht, wie sonst üblich, gewehrt,er war zu perplex gewesen, um zu reagieren. Nun hing er wieder an der Wand und dachte über das eben geschehene nach. Sie war wie sonst gewesen. Trotzdem war etwas an ihrem Verhalten, was er nicht einzuordnen verstand. Während er noch seinen Gedanken nachhing, begannen an einem anderen Ort im Institut, einige hundert Meter unter ihm, die Ereignisse ins Rollen zu kommen. Ein wunderbarer Ort, ein Ort, von dem die Zukunft dieses Planeten, dieser armseligen Menschheit ausging. Der alte Kakuzawa verzog die Lippen zu einem eisigen Lächeln. Er war ein Mann um die siebzig, hatte schütteres, graues Haar und trug einen braunen Anzug. Er schloss seine schmalen Augen, als er Schritte hörte. „Ah, mein Sohn, du bist gekommen.“ Der andere, ein Mann Mitte dreißig, hob den Kopf. „Wie du gerufen hast, Vater.“ Jetzt drehte sich der Alte herum. „Tu nicht so gehorsam!“ „Was willst du von mir? Immerhin verschwende ich hier meine kostbare Zeit, die ich auch für den aufwenden könnte.“ Das eiskalte Lächeln des alten Kakuzawas wurde breiter, sadistischer. „Sollten wir nicht unseren baldigen Aufstieg feiern, mein Sohn, an dem Ort unserer Ahnen?“ Er breitete die Arme aus, als wollte er die gigantische Tropfsteinhöhle, mitsamt dem riesigen See, der sich in ihrer Mitte befand, umarmen. „Was ist, hast du keinen Hunger?“ Sarah sah von dem Essen, in dem sie jetzt schon seit fünf Minuten lustlos herumgestochert hatte, auf. Vor ihr saß Mashiro Kisaragi, die Sekretärin von Dr. Kurama, ein kleine, quirlige, etwas hyperaktive Frau. Sarah schüttelte den Kopf. „Nein, es ist nur...“ „Liebeskummer? Oh, ich glaube, da kann ich dir helfen. Wer ist denn eigentlich der Unmensch, der...“ Sarah musste lächeln. Ihre Freundin schaffte es immer wieder, alle dunklen Gedanken aus ihrem Kopf zu vertreiben. „Nein, keinen Liebeskummer.“ unterbrach sie den Redefluss ihrer Tischgenossin. „Nicht?“ „Nein..., ich glaube, ich brauche einfach nur Urlaub.“ „Oh, ja, das kann ich verstehen. Weißt du ich würde ja gerne mal wieder einfach nur in der Sonne liegen, auf Okinawa, und dann würde ich...“ Mit einem immer breiter werdendem Lächeln lauschte Collins dem Monolog ihrer Freundin. Nach zwei Stunden pausenlosen Redens sah Kisaragi auf ihre Uhr. „Um Himmels Willen, schon so spät! Ich muss sofort los, sonst reißt mir der Chef den Kopf ab!“ In Windeseile packte sie ihre Sachen zusammen, verabschiedete sich von ihrem ermatteten Opfer und verließ die Kantine. Mit einem müden Seufzen entschied sich Collins, heute ihre Arbeit Arbeit sein zu lassen, und schleppte sich in ihr Zimmer. Sie musste ausgeruht sein, immerhin hatte sie heute noch etwas wichtiges zu erledigen. Es war schon recht spät, als sie aufstand. Sie atmete tief durch und begann, alles für ihren Plan vorzubereiten. Platsch. Langsam löste sich ein Tropfen von dem Schaltpult und landete in einer kleinen Pfütze auf dem Boden. Platsch. Der Raum war vollkommen dunkel, nur das Licht, welches von den Monitoren ausging, offenbarte das grinsende Gesicht des jungen Kakuzawas. Gebannt starrte er auf einen der Überwachungsmonitore. „Du machst dich ganz gut.“ Er ließ ein leises Glucksen vernehmen. „So, Kleine, dann wollen wir dich mal laufen lassen.“ Er drückte einen Knopf, worauf sich einige Meter weiter eine gepanzerte Tür öffnete und den Blick auf eine nackte, junge Frau, die eine stählerne Gesichtsmaske trug, freigab. „Nun geh schon, Lucy. Wir wollen doch nicht, dass du mit dem Alten vorlieb nehmen musst, nicht wahr mein Freund?“ Er tätschelte dem Wachmann, der neben ihm auf dem Pult lag die Schulter. Das schwache Licht, was in seine glasigen Augen fiel, verriet, dass er tot war. Sarah hechtete durch den Gang, als eine laute Alarmsirene ertönte. Ruckartig blieb sie stehen und lauschte auf die Durchsage. „Objekt Nr. 1 ist ausgebrochen, wiederhole, Objekt Nr. 1 ist ausgebrochen. Alle Wachleute haben sich augenblicklich zu bewaffnen und in Position zu begeben, alle Wachleute haben sich augenblicklich zu bewaffnen und in Position zu begeben“ Die junge Wissenschaftlerin sog scharf die Luft ein. Sie wusste, wer dieses Objekt Nr. 1 war, und sie wusste, dass es besser war, die nächste Zeit nicht auf dem Gang zu sein. Trotzdem lief sie weiter, in der Hoffnung, dem Experiment auf dem Weg nicht zu begegnen. Mittlerweile war Chaos ausgebrochen. Überall liefen Wachmänner Kreuz und quer durch die Gänge, in Richtung der Kasernen, um sich Waffen zu besorgen, und in Richtung der Positionen, die sie während des Gefechts einzunehmen hatten. Yúsan nahm in seiner Zelle nichts von dem Tumult, der sich draußen abspielte, wahr. Langsam tappte die nackte Gestalt über die Gänge, auf ihrem Weg jeden tötend, der es wagte, in ihr Blickfeld zu kommen. Langsam zog der Blutgeruch in die Zelle und riss Yúsan aus seinen Gedanken. Er lächelte, als er die Chance witterte, seinem Gefängnis zu entkommen. Sofort begann er mit seinen Vektoren auf den Punkt seiner Fesseln ein zu prügeln, von dem er spürte, dass es der Schwachpunkt der Konstruktion war. Eine viertel Stunde, die ihm wie Jahre erschien, später, gaben seine Fesseln den Schlägen nach. Sein Körper straffte sich, als er sein Gewicht selbst halten musste. Dann erhob sich der Diclonius langsam und ging zur Zellentür, die er mit seinen Vektoren aufbrach. Draußen sah er überrascht auf diverse abgeschlagene Körperteile, die im Flur verstreut lagen, die zugehörigen Leichen waren nicht weit von ihnen entfernt. Er kam nicht umhin, den Verursacher des Blutbades zu bewundern, für die simple Konsequenz, mit der er hier gewütet hatte; niemand, der hier gewesen war, als der andere Diclonius passiert hatte, war noch am leben. Er tastete mit seinem Geist nach seinen Artgenossen. Nun folgte er der Spur, die der Andere hinterlassen hatte. Immer wieder musste er dabei über Leichen hinweg steigen, die wohl in ihrem Leben den Fehler begangen hatten, sich dem Anderen in den Weg zu stellen.Es machte ihm nichts aus, als er aber den ersten kopflosen Körper in weißem Kittel sah, fühlte er etwas, was neu für ihn war. Sorge. Er hatte Angst unter den Körpern den einer Person, die ihm nur zu sehr am Herzen lag zu finden. Als weitere tote Wissenschaftler folgten, von denen die meisten kopflos waren, beschleunigte er seine Schritte. *Onee-chan, wo bist du?!* „Onee-chan!“ Er begann, die Leichen und abgetrennten Köpfe genauer zu untersuchen, hoffend, nicht auf diese eine Person zu stoßen. Aufgeregt hetzte er um die Ecke. Dann zuckte er zurück. Von der anderen Seite des Ganges, die, wie der gesamte Komplex, im Dunkeln lag, konnte er ein leises Wimmern hören. Vorsichtig näherte er sich der Quelle des Geräusches. Vor ihm hockte die junge Wissenschaftlerin im Blut der Anderen und schluchzte. Sie reagierte kaum als er sich ihr näherte und kurz hinter ihr stehen blieb. Nach einer Weile drehte sie langsam den Kopf und sah an ihm hoch. „Yúsan!“ Sie warf sich ihm um den Hals. Erleichterung machte sich in dem Diclonius breit. „Onee-chan.“ Er fasste den Entschluss, das Verhalten, was sie an den Tag gelegt hatte, wenn er nach einem dieser grausamen Experimente am Boden lag, zu kopieren. Langsam und vorsichtig legte er die Arme um sie. Nachdem sie sich beruhigt hatte, fasste sie ihn am Handgelenk. Sanft, aber entschieden zog sie ihn hinter sich her. „Was ist, Onee-chan?“ Der Junge war sichtlich verwirrt, als ihr lächeln sah. Sarah blieb stehen. „Hör mal. Yúsan, du willst doch frei sein, oder?“ Der Angesprochene nickte , immer noch verwirrt. „Dann komm mit, ich bringe dich hier raus!“ Sie rannte wieder los, ihn immer noch im Schlepptau. Kurze Zeit später kamen sie bei Sarahs Räumlichkeiten an. Sofort begann sie, in einem ihrer Schränke zu wühlen. Aus diesem förderte sie ein weites T-Shirt, eine etwas angerissene Jeans und Turnschuhe zutage. Sie drückte ihm die Kleidung in die Hand. Collins musste lachen, als sie seinen Gesichtsausdruck sah. „Ich glaube nicht, dass du so nach draußen gehen solltest.“ Der Diclonius zog eine Augenbraue hoch. Was meinte sie? „Naja, draußen läuft man in der Regel nicht...“ sie stockte kurz. „nackt rum.“ Yúsan zuckte mit den Schultern und ließ sich von ihr zeigen, wie man sich anzog. Dann drehte sie sich wieder zu ihrem Schrank um und holte eine kleine Kiste hervor. Als sie diese öffnete, kamen unzählige kleiner Utensilien, wohl Erinnerungsstücke, zum Vorschein. Sie nahm ein kleines Foto heraus. Es zeigte eine junge Frau, die ein neugeborenes Kind hielt. Hinter ihr stand ein Mann mit braunem Haar und Vollbart, der seine Arme um die Frau gelegt hatte. Neben den beiden stand ein Mädchen und lachte in die Kamera. Das Auffälligste jedoch war das Bündel, was die Frau hielt. Ein kleine, blauer Haarschopf lugte heraus. „Lies mal, was auf der Rückseite steht, Yúsan.“ Verwirrt starrte er sie an. „Hör mal, ich habe dir doch beigebracht zu lesen. Und jetzt mach schon.“ sagte Sarah ungeduldig. Langsam drehte Yúsan das Foto um. A picture of my beautifull family, to remember a wonderfull time: Richard, Luise, Sarah and John LeFévrier, 3rd of July, 2001 Tränen bildeten sich in den Augen des Diclonius als er den menschenleeren Gang entlang lief, der Freiheit entgegen. Traurig sah Sarah ihrem ehemaligen Schützling hinterher. „Farewell, little one.“ Einen Stockwerk höher erhielt Lucy gerade einen Streifschuss, als sie die panzerbrechende Kugel, die auf ihren Kopf abgefeuert wurde, mit ihren Vektoren ablenkte, und stürzte in das Meer. „Da lebt noch einer!“ Langsam regte sich wieder Leben im Diclonius. John öffnete die Augen. Er brauchte einige Sekunden um sich zu orientieren. Er war immer noch in der Grube, die er gegraben hatte. Das kleine Mädchen hatte sich an ihn gekuschelt. Er kniff die Augen zusammen, als Licht in das Versteck einbrach. Als sich seine Augen wieder an die Helligkeit gewöhnt hatten, sah er eine Gestalt in orangem Schutzanzug. Er lächelte. Ersteinmal würde er sich wohl bedeckt halten müssen. Sein Lächeln wurde breiter. *Danke, Onee-chan* Kapitel 2: Rezitativ -------------------- Yesterday Gestern Langsam und mühselig öffnete Shinji die Augen. Müde blickte er nach oben. *Schon wieder eine fremde Zimmerdecke.* Er hasste fremde Räume, Räume, in der er seinen Mitmenschen nahezu schutzlos ausgeliefert zu sein schien. Es machte ihm Angst. Bilder erschienen vor seinem inneren Auge, Bilder, die er am liebsten wieder vergessen würde. Es waren die Erinnerungen an den gestrigen Tag. Die Erinnerungen vom Kampf gegen den Engel, an Angst, Schmerz und an … nichts. Es war diese Lücke in seinen Erinnerungen, die ihm am meisten zu schaffen machte. Sie begann, als das Monster den Kopf von EVA 01 durchbohrte. Zum Zeitpunkt, als der Film wieder einsetzte war der Gegner verschwunden und die Umgebung vollständig zertrümmert. Nach einer Weile erhob er sich aus dem Krankenbett und streifte die Kleidungsstücke, die neben ihm bereit lagen, über. Irgendjemand war wohl so freundlich gewesen, diese nach Blut riechende Flüssigkeit, in der er während des Steuerns des EVA's gesessen hatte, abzuwaschen. Langsam trottete er aus dem Krankenzimmer in Richtung Dachterrasse. John stand am Geländer und betrachtete die Stadt unter ihm. Sein ganzer Körper war mit Verbänden eingeschnürt, die Ärzte hatten es sich gestern Abend nicht nehmen lassen, ihn vollständig in Stoff ein zu wickeln. Er seufzte. Am liebsten hätte er diese Leute, die ihm nur allzu aufdringlich zu Leibe gerückt waren, an die nächste Wand geschmettert. Er wusste allerdings, was gegen eine solche Aktion sprach. Wollte er nicht geschnappt werden, musste er seine Spuren verwischen, und das hieß: unauffällig sein. Ein leises Quietschen riss ihn aus seinen Gedanken. Hinter ihm war ein mittelgroßer, braun haariger Junge mit dunklen - fast schwarzen - müden Augen aus der Stahltür gekommen, welche auf das Krankenhausdach geführt hatte. Seine Blicke folgten ihm, als er sich an das Geländer stellte, einige Meter von ihm entfernt. Sein Gesicht kam John bekannt vor. „Ich kenne dich irgendwo her.“ Keine Antwort. Der Andere sah ihn kurz an und blickte dann wieder auf die Stadt. John kniff die Augen zusammen. Er versuchte sich angestrengt zu erinnern. Plötzlich blitzte in seinem Geist ein Bild auf. Seine Lippen verzogen sich zu einem kaum merklichem Lächeln. „Hat man dich nicht gestern aus dieser Maschine heraus geholt?“ Der Angesprochene zuckte zusammen. Johns Lächeln wurde breiter. „Du steuerst das Ding, nicht wahr?“ Keine Frage, eine Feststellung. Der Andere nickte langsam. „Wie heißt du?“ Der Junge sah ihn schüchtern an. „Sh..Shinji. Shinji Ikari.“ *Geht doch* „Freut mich. Ich bin John LeFévrier.“ Der Name, den er erst gestern erhalten, nein, zurückbekommen hatte, war noch ungewohnt. Er sah seinen Gegenüber an, musterte ihn. Er schien unsicher, nervös. John konnte sein Gegenüber sehr gut verstehen. Er fühlte selber so, war er doch in eine völlig neue, unbekannte Situation gestoßen worden. Plötzlich fragte er sich, wie es dem Kind, was er gerettet hatte, wohl gehen mochte. Sie war gestern sofort zu ihren Eltern gebracht worden. John merkte recht schnell, dass der Andere nicht von sich aus mit ihm reden würde. Das Problematische an dieser Situation war nur, dass er so gut wie keine Erfahrung mit zwischenmenschlicher Kommunikation hatte. Die einzige Person, mit der er wirklich Kontakt hatte, war seine Bezugsperson, seine große Schwester gewesen. Andererseits musste er mit anderen kommunizieren, friedlich kommunizieren, um den Anschein eines gewöhnlichen Menschen aufrecht zu erhalten. „Lebst du hier?“ Ungeschickter Beginn, aber trotzdem nicht übel für den Anfang. Shinji war der andere nicht geheuer. Irgendetwas, und nicht nur die merkwürdige Haarfarbe, war ihm an dem Gegenüber nicht geheuer. „Nein.“ Die Frage des Jungen beantwortete er so knapp wie möglich. Andere Menschen, zumal so merkwürdig wie dieser John, machten ihm Angst. Er entschied sich, in die Offensive zu gehen. „Dein Name, er ist merkwürdig. Wo kommst du her?“ Kurz flackerte etwas Unsicherheit in den Augen seines Gegenübers auf. Sie verschwand jedoch so schnell, dass Shinji sich im Nachhinein nicht sicher war, ob dort überhaupt etwas gewesen war. Mit dieser Frage hatte John nicht gerechnet. *Verdammt, was sage ich nun?* Zu sagen, dass er sein gesamtes bisheriges Leben in einem Hochsicherheitslabor verbracht hatte, als Versuchskaninchen, war unmöglich. Eine Krankenschwester, die gerade auf das Dach gerannt kam, rettete ihn. „He, du da!“ Sie deutete auf John. „Niemand hat dir erlaubt, dein Bett zu verlassen!“ Kurz zuckten seine Vektoren nach vorne. Dann besann er sich eines besseren. „Los, komm!“ Die Frau packte ihn am Handgelenk und zerrte ihn rein. „Deine Verbände müssen gewechselt werden.“ Mit einem Nicken verabschiedete John sich von Shinji. Im Heruntergehen verzogen sich seine Lippen wieder zu einem Lächeln. *Das könnte interessant werden.* Shinji starrte dem merkwürdigen Jungen hinterher. Dann stieß er sich vom Geländer ab und folgte ihm ins Gebäude. Er saß nun schon seit einer Stunde im Warteraum, wartete auf... Ja, worauf eigentlich? Er wusste es selbst nicht. Gedankenverloren sah er seinen Arm an. Sehr gut erinnerte er sich noch an den Schmerz vom gestrigen Kampf. Er hatte gefühlt, wie der Arm gebrochen wurde. Der, den er jetzt anstarrte, war ganz. Shinji blickte auf, als ein großer Schatten das Sonnenlicht aussperrte. Vor ihm wurde ein großes Stück der stark verbeulten Kopfpanzerung von EVA 01 mit einem Kran abtransportiert. Er sah das Stück Titanium an, sein Blick aber ging hindurch. Er legte sich seine Hand auf das linke Auge. Misato ging durch den Krankenhausflur. Sie hatte den Befehl bekommen, den , wie Commander Ikari seinen Sohn genannt hatte, abzuholen. *Kaltschnäuziger, rücksichtsloser Bastard* Der arme Shinji, der gestern gegen seinen Willen den EVA gesteuert hatte, tat ihr Leid. Er hatte gestern einen völligen Kollaps erlitten. Ein überlastetes Nervensystem, wie Ritsuko ihm attestiert hatte. *Wir können froh sein, wenn er sich auch nur halbwegs wieder erholt. Damit er den EVA wieder steuern kann.* Sofort schalt sie sich für diesen Gedanken. Sie begann langsam genauso rücksichtslos zu werden wie der Alte. Aber nicht nur wegen Shinji war sie hier. Der andere Junge, den Leute von Nerv gestern aus den Ruinen eines kleineren Einfamilienhauses geholt hatten, ging ihr nicht mehr aus dem Kopf. Dort, wo Shinji mit seelischen Narben übersät war, trug er körperliche. Sie hatte zugesehen, wie er im provisorischen Feldhauptquartier eine erste Behandlung erhalten hatte. Die Kleidung die er am Leib gehabt hatte, welche Farbe sie vorher auch gehabt haben mochte, war grau-braun vom Staub mit roten Streifen, die eindeutig auf Blut zurückzuführen waren. Das Entblößen seines Oberkörpers hatte Dutzende alte Wunden zu Tage gefördert. Bei Gelegenheit musste sie ihn mal fragen, wie er zu ihnen gekommen war. Zu all dem Überfluss war dieses Kind gestern vom Marduk-Institut als das 4th Children identifiziert worden. Misato seufzte. Ein Unglück kam wohl selten allein. Die Offizierin sah kurz auf das Klemmbrett, das sie unter ihren Arm geklemmt hatte. Darauf zu sehen war die Krankenakte von Shinji Ikari. Der andere schien keine zu besitzen, ebenso wenig wie eine Vergangenheit. Der einzige Hinweis war der Name, den er genannt hatte. LeFévrier. Sie hatte die ganze Nacht in den digitalen Archiven des Magi-Systemes recherchiert und war tatsächlich auf etwas gestoßen: Sein Vater war wohl kommandierender Offizier in der Nerv-Außenbasis in Großbritannien, seine Mutter als Wissenschaftlerin am Bau von EVA 07 beteiligt gewesen. Die Akten, die im Archiv katalogisiert waren, standen ab dem Jahr 2002 unter strengster Geheimhaltung. Es war merkwürdig, nur der Commander, der Subcommander und die Leiterin der wissenschaftlichen Abteilung hatten Zugang. Eines Tages musste sie Ritsuko darüber ausfragen. „Verzeihung?“ Misato hielte eine Krankenschwester an und zückte ihren Dienstausweis. „Können Sie mir sagen, wo ich Ikari, Shinji hier finden kann?“ Die Angesprochene zuckte nur mit den Schultern. „Keine Ahnung.“ Dann war sie wieder weg. Misato schüttelte den Kopf. Sie suchte weiter. Im Warteraum wurde sie endlich fündig. Dort saß Shinji, und starrte Löcher in das Teil des Kopfpanzers von Einheit 01, welches gerade vor dem Fenster abtransportiert wurde. „Shinji.“ Der Junge starrte weiter. „Shinji!“ Misato legte nun etwas mehr Nachdruck in ihre Stimme. Jetzt reagierte er. Aus müden Augen sah er sie an. „Komm, wir müssen dir noch eine Unterkunft suchen.“ Mit Shinji im Schlepptau zog sie über die mal mehr und mal minder bevölkerten Gänge des Nerv-Militärkrankenhauses. *Jetzt noch Nummer 2* Diesmal fand sie schneller, was sie suchte, dank dem Gezeter, welches aus einem Behandlungszimmer drang. „Weg von mir mit dem Teil! Ich sagte, du sollst wegbleiben““ „Aber, Junge das ist doch nur...“ Eine Gestalt mit freiem Oberkörper stürmte heraus, verfolgt von einem Arzt, der eine Spritze in der Hand hielt. John blickte sich panisch nach Fluchtmöglichkeiten um. Dann sah er eine junge Frau, die, gefolgt von dem Jungen, den er vor einer Stunde auf dem Dach kennen gelernt hatte, auf dem Gang in seine Richtung ging. Schnell raste er auf sie zu und versteckte sich hinter ihrem Rücken. „Der Kerl will mich umbringen mit diesem Ding da!“ Er deutete auf den Arzt. „Bitte, rette mich!!“ Er sah, wie die Augenbrauen der Frau fast bis unter den Haaransatz wanderten. „Wovon redest du, Junge?“ Ihr Blick wanderte zu der Gestalt im weißen Kittel, die ihm gerade noch zu Leibe rücken wollte. Dieser hob abwehrend die Hände. „Ich versuche nur, ihn zu behandeln.“ Die Frau sah wieder zu ihm. „Was?“ fragte John nervös. Sie holte Luft und fing an zu schimpfen wie ein Rohrspatz. Er konnte nur noch die Wörter 'Idiot' und 'Memme' sowie die Frage, ob er denn ein Mann sein wolle, aus dem Redeschwall herausfiltern. Wenn er zwischen dem Tod durch den Weißkittel und dem Tod durch eine wild gewordene Furie wählen musste, so nahm er doch lieber ersteres. Bevor die Frau irgendwie anderweitig aktiv werden konnte, floh er wieder ins Behandlungszimmer. Innerlich lachte Misato sich tot. Es war leicht gewesen ihm einen Schrecken einzujagen. Ihr breites Grinsen beibehaltend blieb sie vor der Tür des Behandlungszimmers stehen. Ihr Blick fiel nach rechts, zu Shinji. Auch ihn hatte ihr kleiner beeindruckt. Eine halbe Stunde später verließen sie zu dritt das Militärkrankenhaus in Richtung Geofront. Shinji trottete hinten drein, hoffend, dass Misato wenigstens diesmal im ersten Versuch an ihrem Ziel ankam. Vor einem Aufzug blieben sie stehen. Er erstarrte, als die Tür sich öffnete. Vor ihm stand sein Vater, angetan in seiner Uniform als Oberster Kommandant der Hauptbasis von Nerv. Auf seiner Nase trug er seine orange getönte Brille, durch die er seinen Sohn eiskalt anstarrte. Dann schloss sich die Fahrstuhltür wieder, und ließ einen geschockten Shinji zurück. Misato sah in kurz mit einem undefinierbaren Ausdruck in ihren Augen an, dann zog sie die beiden Jungen weiter, zum nächsten Fahrstuhl. „Ikari Shinji hat eine Wohnung in Bezirk 32, LeFévrier John eine Wohnung in Bezirk 11 in Neo-Toky 3 zugewiesen bekommen.“ Misato sah geschockt aus. „Heißt das etwa, das zwei 14 Jahre alte Kinder mitten in der Großstadt mutterseelenallein wohnen sollen?“ Der Verwaltungsmitarbeiter sah sie aus ruhigen Augen an. „Damit habe ich mich nicht zu befassen, Lt. Commander Katsuragi.“ Misato wollte gerade wieder eine Schimpftirade auf die Verwaltung loslassen, als Shinji sich einschaltete. „Es macht mir nichts aus allein zu wohnen, Misato. Ich bin es gewohnt.“ Er meinte es ehrlich. John dagegen zog nur die Augenbrauen zusammen. Er hatte ja überhaupt keine Erfahrung, wie man überhaupt in dieser Welt da draußen lebte, wie sollte er es dann alleine schaffen zu funktionieren. Selbst wenn er Mitbewohner hatte, würde es schwer sein, die Tatsache zu verbergen, dass er zum ersten Mahl in seinem Leben sich frei bewegen konnte, und überhaupt keine Ahnung hatte, wie die Welt der Menschen funktionierte. Dem Diclonius kamen ernste Zweifel an der Durchführbarkeit seines Planes, unter zu tauchen. Ihm kam jedoch die entrüstete Misato zu Hilfe, die die beiden, ohne ein Wort der Höflichkeit an den Nervmitarbeiter zu verlieren, aus dem Raum zerrte. Als sie auf dem Flur standen, blieb die Frau unvermittelt stehen, wobei Shinji ungebremst in sie hinein rannte und sofort begann, sich hemmungslos zu entschuldigen. „Ihr wohnt bei mir.“ Zwei Paar Augen sahen sie perplex an. John wollte gerade eine Frage stellen, aber da hatte Misato sich auch schon herum gedreht und war weitergegangen, nicht ohne über die gefühl- und ahnungslosen Beamten der Stadt zu schimpfen. Schließlich fand sie, was sie suchte. Ein Telefon. Sie wählte Ritsuko auf ihrer Privatnummer an und begann ihr lang und breit die Situation zu schildern. „Und du hast tatsächlich vor, zwei Jungen bei dir wohnen zu lassen?“, drang die rauchige Stimme der Chefwissenschaftlerin aus dem Hörer. Sie hatte einen gewissen skeptischen Unterton. „Keine Angst, ich mach das schon.“ Misato kicherte kurz. „Ich werde ihnen schon nicht ihre Jungfäulichkeit rauben.“ Sofort riss sie den Hörer von ihrem Ohr weg, als Ritsuko begann zu schimpfen wie ein ganzer Schwarm von Spatzen. „Einfach keinen Humor, die Leute heutzutage.“, sagte Misato. Home, sweet home Süßes Zuhause Mit laut röhrendem Motor bretterte der blaue Renault Montan die Straße entlang. Der Fahrer des Wagens, eine junge Frau, für die anscheinend keine Verkehrsregeln galten, hatte sich nach vorne über das Lenkrad gebeugt und fuhr, als müsse sie die Rallye Dakar gewinnen. Ihre beiden Mitfahrer hatten sich in ihre jeweiligen Schockreaktionen zurückgezogen. Misato war unverschämt fröhlich im Vergleich zum zitternden Shinji auf dem Beifahrersitz und John, der sich auf dem Rücksitz die Hand vor den Mund hielt, um sich nicht zu übergeben. Soeben hatte sie den festen Entschluss gefasst, ihre neuen Mitbewohner mit einer Party willkommen zu heißen. Nun raste sie in Richtung eines 24-Stunden Marktes, um ihre Vorräte dementsprechend zu erweitern. Der Diclonius hatte sie genauestens beobachtet. Vor allem ihr Verhalten gegenüber der älteren Frau hinter dem Tisch war interessant gewesen, als sie ihr zuerst die Gegenstände, bei denen es sich, wie er annahm, um Essen handelte, gegeben und dann gegen merkwürdige Stoffstreifen und Metallstücke zurückgetauscht hatte. Er würde später mehr darüber herausfinden müssen. Im Moment hatte er mehr das Problem, seinen ohnehin schon spärlichen Mageninhalt bei sich zu behalten. Die Höllenfahrt stoppte an einem Felsvorsprung über der Stadt. Misato stieg aus und bedeutete ihnen zu folgen. Vom Geländer, dass die Drei vom Abgrund trennte, hatten sie einen großartigen Ausblick über Neo-Tokyo 3. Das bezog sich in diesem Falle nicht auf die Stadt selbst. „Sie sieht irgendwie leer aus.“, bemerkte Shinji. John nickte. „Ein trauriges Bild.“ Ihre Fahrerin grinste. „Wartet's nur ab.“ Einige Minuten später dröhnten Sirenen in die abendliche Stille. Rote Warnleuchten glühten in der Stadt auf, als langsam einige Bodenplatten im Stadtzentrum auf glitten. Langsam schraubten sich die Wolkenkratzer der Stadt in die Höhe, befreit aus ihrer Verbunkerung in der Geofront. Dicke, stählerne Halterungen fixierten die Gebäude, als sie ihre endgültige Höhe erreicht hatte. Die beiden Jungen hatten staunend dem Spektakel beigewohnt. Nun deutete Misato auf die Stadt. „Schau, das hier ist das wahre Neo-Tokyo 3, die Stadt die du gerettet hast Shinji.“ Eine Stunde später hatten sie vor einem etwas heruntergekommenen Apartmenthaus in relativer Nähe zum Nervhauptquartieres geparkt. Nun standen sie vor einer Tür im vierten Stock des Gebäudes. Neben der Tür, auf dem Außengang, waren einige Kisten aufgestapelt, auf die Misato nun deutete. „Sieh mal, Shinji, deine Sachen wurden schon abgeliefert.“ Dann zog sie eine Chipkarte durch einen Kartenleser, der neben der Apartmenttür an der Wand hing. Sofort glitt die Tür zur Seite. „Na dann, hereinspaziert in euer neues Zuhause.“ Als sie merkte, das Shinji immer noch vor der Schwelle stand, stockte sie. „Was ist?“ „St...Störe ich auch wirklich nicht?“ Die junge Frau stemmte die Hände in die Hüften. „Na, hör mal, das hier ist dein Zuhause! Natürlich störst du nicht!“ Zögerlich trat Shinji über die Schwelle. „Willkommen daheim.“ Misato knuffte ihn. „Ich weiß, ist ein wenig unordentlich hier, bin aber erst selbst hier eingezogen.“, kam ihre Stimme aus einem kleinen Raum im hinteren Teil der Wohnung. Ein bisschen unordentlich war ein bisschen...untertrieben. Selbst der Diclonius, der keine Ahnung von Wohnungen oder Ordnung besaß, rümpfte die Nase. Misatos Kopf lugte um die Ecke. „Macht es euch irgendwo bequem, müsst euch halt etwas Platz frei schaufeln.“ Die beiden Jungen sahen sich ungläubig und fassungslos an. Nachdem sie nach mühseliger Aufräumarbeit ein wenig Platz auf und um ihn herum geschaffen hatten, saßen sie nun zu dritt am kleinen Esstisch, der mit Fertiggerichten beladen war. Misato stürzte, gefolgt von einem lauten Freudenschrei, eine Dose Bier der Marke Yebisu herunter. Währenddessen vernichtete John einen Teller nach dem anderen. Shinji saß an seinem Platz und sah in die Runde. Sein Essen hatte er nicht angerührt. Er fühlte sich irgendwie fehl am Platze. „Du hast ja noch gar nichts gegessen. Hast du keinen Hunger?“ Er sah in Misatos Richtung „Doch, ich...“ Die Frau plusterte sich auf. „Aha., es schmeckt dir also nicht!“ Dann beruhigte sie sich plötzlich. „Ich weiß, was ihr jetzt brauch. Ein Bad!“ Sie hob dozierend den Zeigefinger. „Baden erfrischt Körper und Seele.“ Shinji war in der Zwischenzeit immer kleiner geworden. Jetzt wagte er es wieder, den Blick zu heben. „Ja.“ Misato zog eine Augenbraue hoch. „Ist das alles, was du sagen kannst?“ „Ähm... Ja.“ „Ja, ja, immer nur ja! Du willst doch ein Mann sein, und kein verweichlichter Jasager!“ Misato hatte sich während diesem Ausbruch über die Tischplatte gelehnt und mit einem Schlag ihrer Faust auf dieselbe ihren Worten Nachdruck verliehen. Jetzt ließ sie sich zurück auf ihren Stuhl fallen. „Ach, was rede ich denn hier, ab ins Bad mit euch!“ Nach einem ereignis- und pinguinreichem Bad – Shinji hatte eine plötzliche und etwas peinliche Begegnung, immerhin war er unangezogen vor Misato in der Wohnküche aufgetaucht, mit PenPen, Misatos Warmwasserpinguin – hatten sich nun alle drei auf ihre Zimmer verteilt. John lag, angezogen wie er die Wohnung betreten hatte, mit ausgebreiteten Armen auf seinem Futon auf dem Rücken und schnarchte. Es war unglaublich bequem im Vergleich zu den Schlafbegebenheiten, die er vorher, im Labor, gehabt hatte. Shinji dagegen lag wach. Er hatte die Kopfhörer seines SDAT-Players auf den Ohren und starrte an die Zimmerdecke. Sie war ihm fremd. Wieder hatte er Angst, Angst davor, keinen Halt, keinen Schutz vor seinen Mitmenschen zu haben. Er seufzte. Es half nichts, da musste er durch, irgendwann, so hoffte er, würde wenigstens die Zimmerdecke ihm bekannt sein, würde ihm Halt geben. Auch Misato lag wach. Sie telefonierte mit Ritsuko, sie sprachen über die beiden neuen, das 3rd Children und das 4th Children. Gerade kam die EVA-Einheit des 4th zur Sprache. „Also, Ritsuko, wann kommt denn EVA 03?“ „Nicht EVA 03, EVA 07.“ „Wie bitte? Habe ich richtig gehört? Wir haben EVA 02 gerade fertiggestellt, da kommt schon EVA 07?“ „Ja, die Briten waren erstaunlich effektiv, was den Bau des EVA's anging. Deshalb ist er sogar vor den anderen EVA-Produktionseinheiten fertig geworden. Und das obwohl...“ „Obwohl was?“ „Nun ja, EVA 04 und EVA 07 sind beide Prototypen für den serienmäßigen Einsatz der S²-Engine in der EVA-Serie.“ Misatos Kinnlade klappte herunter. „Also hat EVA 07 eine...?“ „Funktionstüchtige S²-Einheit, wenn man den Briten glauben darf. Sie haben zwar nach eigener Aussage nur einen Testlauf durchgeführt, aber den mit Erfolg.“ Misato fand ihre Sprache wieder. „Dann müssen wir nur noch abwarten, was die Amerikaner mit EVA 04 für Ergebnisse erhalten.“ „Genau.“ „Wann wird er...“ „Geliefert? Am Samstag soll das Flugzeug von London aus starten. Die voraussichtliche Ankunft ist dann am Montag in der nächsten Woche.“ „Gut, dann bis morgen, Ritsuko.“ „Bis morgen.“ Misato legte den Hörer beiseite. *EVA 07, war das nicht...* Waking up Mit dem lauten dröhnen seiner Hilfsraketen hob der Neopan 400 vom Flughafen des Militärstützpunktes ab. Unter seinem Bauch, in einer dafür vorgesehenen Einbuchtung des Rumpfes, war ein einfarbiger, marineblauer Evangelion befestigt. Schnell entfernte sich das Flugzeug in den wolkenlosen, blauen Himmel. Hikari Horaki war sauer. Wiedermal hatte dieser verdammte Suzuhara seinen Klassendienst geschwänzt. Wütend stapfte sie zu seinem Platz. „Suzuhara!“ Der Angesprochene schreckte aus seinem Schlaf. „Suzuhara! Was hast du für eine Entschuldigung für deinen nicht gemachten Klassendienst!?“ Der Junge schluckte. Er war mittelgroß, recht durch trainiert und trug, statt der Schuluniform, die für Jungen aus einem weißen Hemd und einer schwarzen Hose bestand, einen dunkelblauen Jogginganzug. „Ähm Klassensprecherin, das war so, ähh...“ „Naja, er musste gestern noch schnell was erledigen, wegen seiner Schwester und so.“, kam ihm ein Junge mit schulterlangen, hellbraunen Haaren und großer, runder Brille zu Hilfe. „Hat dich jemand gefragt, Aida?“, fauchte Hikari ihn an. Sie war allerdings schon etwas besänftigt. Seitdem sie beinahe unter einem einstürzenden Gebäude begraben worden wäre, litt Toji's kleine Schwester unter einem Trauma und extremer Angst, im Dunkeln und alleine zu sein. Außerdem, und sie wurde ein wenig rot bei dem Gedanken, was allerdings niemandem auffiel, konnte sie Suzuhara sowieso alles verzeihen. „Na gut, Suzuhara, wir lassen es diesmal darauf beruhen. Aber beim nächsten mal machst du deine Arbeit, verstanden?“ Toji nickte eilig. „Ja, Klassensprecherin.“ Nachdem sie gegangen war, wandte er sich an den Jungen, den Hikari gerade eben noch mit Aida angesprochen hatte. „Danke, Kensuke, ich schulde dir was.“ „Kein Problem. Aber du, sag mal, ich habe gehört, dass wir zwei Neue kriegen. Was meinst du, ob es zwei Mädels sind?“ Kensuke sah verträumt durch seine Brillengläser. „Wie, dich interessiert mal etwas, was keine Uniform trägt?“ Toji musterte ihn missbilligend. Dann lehnte er sich auf seinem Stuhl zurück, vergewisserte sich, dass die Furie von einer Klassensprecherin nicht in der Nähe war und legte die Beine auf den Tisch. „Aber schön wär's, da hast du recht.“ Er fiel fast vom Stuhl, als Hikari ihre Kommandos gab. „Aufstehen! Verbeugen! Hinsetzen!“ Sofort brachte er sich in eine unverfänglichere Sitzhaltung und tat interessiert. Der Lehrer, ein in etwa siebzig Jahre alter Mann, stand vor der Klasse. „Wie ihr sicher schon gehört habt, kommen heute zwei neue Mitschüler zu euch.“ Er blickte zur Tür. „Kommt herein!“ Enttäuscht legte Kensuke den Kopf auf den Tisch. „Och nö, nur Kerle.“ Shinji war nervös. Er hasste es, wenn man ihn anstarrte. Er holte tief Luft, als wolle er sich auf einen Sprung ins kalte Wasser vorbereiten. Dann begann er, sich vor zu stellen. Nachdem er geendet hatte, begann John, offensichtlich ruhiger als er, zu sprechen. Die ersten Stunden Schule in seinem Leben waren... langweilig gewesen. Was interessierte ihn, wenn irgendwo am anderen Ende der Welt, vor seiner Geburt ein Steinchen aufgeprallt war. John bettete den Kopf auf seinen Armen und seufzte leise. Tarnung hin oder her, das hier war zu viel. Mit einem leisen Seufzen schloss er die Augen und genehmigte sich ein Schläfchen. Danach würde sein Tag, wenn er es richtig verstanden hatte, spannend genug werden. Ein lautes Klingeln weckte ihn aus seinem wohlverdienten Schlummer.Noch etwas benommen hob er den Kopf. Er sah sich um, und bemerkte wie die Klasse sich lehrte. Aus seinem Augenwinkel bekam er mit, wie Shinji die Box, die er heute morgen mit Essen gefüllt hatte, aus seiner Tasche nahm. John beeilte sich, es ihm nach zu tun und folgte ihm auf das Schuldach. Oben angekommen kamen beide nicht umhin zu bemerken, dass es ein relativ beliebter Ort für die Pause war. Ohne nachzudenken gingen die beiden zu einer Gruppe, die aus drei ihrer Klassenkameraden, inklusive der Klassensprecherin, bestand. „Dürfen wir uns dazusetzen?“, fragte Shinji höflich. Hikari lächelte. „Natürlich.“ Die beiden Jungen setzten sich dazu und packten ihre Bento aus. Sie hatten gerade begonnen zu essen (wobei John wieder zuschlug, als stünde eine Hungersnot bevor), als der Junge im Jogginganzug von seinem Essen aufsah. „Sag mal, John,... so heißt du doch, oder?“ Der Angesprochene nickte. „Woher hast du eigentlich diese Haarfarbe? Sind die von Natur aus so oder sind die gefärbt?“ John schluckte den Bissen, den er gerade im Mund gehabt hatte herunter. „Von Natur aus.“ „Wie, du bist mit blauen Haaren geboren worden?“ Der Junge mit der Brille hatte sich eingemischt. „Ja. Ist das so komisch?“ „Ähm...“ Die anderen beiden sahen sich betreten an. Da schaltete sich Hikari in die Diskussion ein: „Toji! Kensuke! Lasst ihn in Ruhe!“ Der als Toji angesprochene verdrehte die Augen. „Ist ja schon gut, Klassensprecherin.“ Horaki richtete die Augen auf John. „Ich muss mich für das Verhalten der beiden entschuldigen.“ Da er keine Ahnung hatte, wie er sich verhalten sollte, zuckte er bloß mit den Schultern. „Also, zurück zum letzten Thema.“, sagte Kensuke nach einem kurzen Moment der Stille. „Habt ihr irgendeine Ahnung, wer …?“ Wieder verdrehte Toji die Augen „Nein, wir wissen nicht, wer dieses Ding gesteuert hat. Das fragst du schon zum dritten mal.“ Als das erwähnt wurde, zuckte Shinji zusammen. Kensuke drehte den Kopf in seine Richtung. „Weißt du es etwa?“ „N...Naja, ich, ähhh...“ John zog die Augenbrauen hoch, während Hikari nun Kensuke an keifte, er solle doch die Neuen nicht mit solchen Fragen belästigen, wenn es ihnen unangenehm sei. „Ähhhm,“, meldete Shinji sich zu Wort: „i...ich bin der Pilot.“ Er schien verunsichert. Sofort sprang Aida auf. „Waaas? Du?“ Er war außer sich vor Freude. „Cooool! Oh, wie gern würde ich mit dir tauschen! Ich bin grün vor Neid.“ Toji sah Shinji einfach nur an. Dann wandte er sich wieder seinem Bento zu. Hikari brachte währenddessen Kensuke wiedereinmal zur Raison. John sah sich diese Szene an. Er wusste, wovon sie sprachen, besser als sie alle, mit Ausnahme von Shinji. Schließlich waren es die beiden Giganten gewesen, die ihn zur Flucht durch die Stadt getrieben hatten, und damit auch in das Haus, in dem er auf das Mädchen gestoßen war. Misatos Ankündigung vom Frühstückstisch kam ihm wieder in den Sinn. 'John, du wirst heute Nachmittag bitte auch mitkommen, ja? Wir würden gerne etwas ausprobieren, und dazu brauchen wir deine Hilfe.' Er war zuerst vorsichtig geworden, zu sehr hatte diese Bitte nach dem Laboratorium, aus dem er gerade entkommen war, gerochen. Schließlich hatte er zugesagt. Wenn sie als Menschen einen anderen Menschen die gleichen Tests machen ließen, dann würde es relativ ungefährlich werden. *Wenn der Andere, ähhhm, ich glaube, er hieß Shinji, in einem dieser Dinger saß, dann...* Langsam stellte sich ein Gefühl der Nervosität bei ihm ein. Er hasste es, nervös zu sein. Nach der Schule hatte sie Misato mit ihrem Auto abgefangen. Obwohl es ihm zuwider war, noch ein weiteres mal in diese Höllenkiste auf Rädern zu steigen, noch dazu mit dieser Fahrerin, überwand John seinen Ekel und kletterte in den Wagen. Er hatte sich kaum angeschnallt, da raste Misato schon, jedweder Verkehrsordnung spottend, in Richtung Stadtmitte davon. Am Hauptquartier angekommen torkelten die beiden Jungen aus dem Wagen. Nur mit Mühe konnte John verhindern, dass sein Mageninhalt seinen Körper verließ. Schwer atmend stützte er sich auf einen Metallpfosten auf. „Hey, John, wo bleibst du?“ Der Diclonius blickte auf und sah Misato und Shinji, wie sie schon in Richtung eines Aufzuges gegangen waren. Mit einem mürrischen Knurren stieß er sich vom Pfosten ab und schloss zu ihnen auf. Im Inneren des Hauptquartieres wartete Ritsuko auf sie. Sie blickte kurz Shinji, und dann John an. „Shinji?“ „Ja?“ Kannst du bitte schon ein mal zu den Umkleiden vorgehen? Sie sind den Gang herunter und dann die vorletzte Tür, drinnen ist ein Spind mit deinem Plugsuit. Den musst du anziehen, wenn du damit fertig bist muss du auf den Knopf am linken Handgelenk drücken, damit der Anzug sich an deine Körperform anpasst. Du musst dabei darauf achten, dass der Plugsuit auf der Haut anliegt, und zwar am ganzen Körper, hast du verstanden?“ „Ja.“ „Gut, dann bis gleich, ich hole dich an der Tür ab, wenn wir hier fertig sind.“ „Ja.“ „So, und nun zu uns.“, sagte die Chefwissenschaftlerin zu John, nachdem Shinji sich auf den Weg gemacht hatte. „Du bist also John LeFévrier. Nun gut, wir werden mit dir heute ein paar Basistests machen, Misato hat bestimmt mit dir schon darüber geredet. Du wirst, genauso wie Shinji, dich zur Umkleide begeben. Dort ist auch ein Spind mit deinem Namen. Der Plugsuit da drin ist zwar nicht deiner, aber er sollte passen. Jetzt los mit dir.“ John nickte und trottete in Richtung der Umkleideräume davon. Drinnen hatte Shinji sich schon seinen dunkelblau-weißen Anzug fast angelegt, er hing ein wenig schlaff um seinen Körper, als John die Kabine betrat. Ohne auf den Anderen zu achten ging er durch den Raum, auf der Suche nach seinem Spind. Auf allen waren Schilder angebracht, die meisten leer, doch auf einem stand, in lateinischen Schriftzeichen, sein Name. Mit einem leisen Quietschen öffnete er die Tür. Drinnen lag ein Bündel, was sich bei näherem Hinsehen als Plugsuit entpuppte. Er hatte die selbe Farbe wie Shinji's. Skeptisch betrachtete der Diclonius den Anzug. *Es hilft wohl alles nichts.* Mit einem müden Seufzen begann er sich um zu ziehen. Mit einem leisen Zischen passte der Anzug sich seiner Körperform an, als er auf den Knopf am Handgelenk drückte. Dann gesellte er sich zu Shinji, der schon vor der Tür stand. „Stimmt das?“ Überrascht sah der Andere ihn an. „W...Was soll stimmen?“ „Na, dass du am Kampf vorgestern beteiligt warst.“ Shinji sah betreten zu Boden. „N...Naja,...ja.“ John wollte gerade weitere Fragen stellen, als die Wissenschaftlerin, die sie vorhin hier hin geschickt hatte, auf sie zu kam. „Ihr seid schon fertig? Gut. Dann folgt mir bitte.“ Sie drehte sich um und eilte davon, Shinji und John hinter ihr. Beim Cage von Einheit eins stoppte sie. „Shinji, du wirst hier reingehen. Erschrecke dich nicht, wir haben EVA 01 die Panzerung abgenommen, deshalb sieht er ein wenig... nackt aus. Steig einfach in den Entry Plug.“ „Verstanden.“ Der Junge betrat den Raum. „So, und wir beide gehen noch ein wenig weiter.“ Im Laufen stellte die Frau sich als Ritsuko Akagi vor, etwas, was sie John nicht unbedingt sympathischer macht, seiner Meinung trug sie zu viel weiß. Einige Minuten später kamen sie in einer anderen Halle an. „Das hier ist der Testraum. Maya?“ Eine junge Frau kam au sie zu. „Ja?“ „Das hier ist der Junge. Würdest du dich bitte darum kümmern, dass er getestet wird?“ „Natürlich, Ritsuko-Sempai.“ Sie beugte sich zu dem Jungen. „Na, dann komm.“ Sie führte ihn zu einem langen Stahlzylinder, der zur Hälfte in einer orangen Flüssigkeit steckte. „Würdest du hier bitte einsteigen?“ Maya deutete auf eine Einstiegsluke. „Setze dich einfach nur rein, und erschrecke dich bitte nicht, wir werden gleich eine Flüssigkeit in den Plug einfüllen, du kannst aber in ihr atmen.“ John knurrte kurz. Dann kletterte er widerwillig in den Entry Plug. Drinnen war es eng, man hatte nur für einen länglichen, metallenen Sitz Platz gehalten. Umständlich kletterte John in den Plug und auf den Pilotensitz. Dann streckte er die Beine in die dafür vorgesehenen Schienen und fasste die beiden Griffe vor ihm, die wohl zur Kontrolle von irgendetwas dienten. Er merkte auf, als Mayas Stimme an seine Ohren drang. „Bist du bereit?“, fragte sie. „Gut.“, sagte sie, als er bejahte. „Dann werden wir den Plug jetzt befüllen.“ Erschrocken blickte er in Richtung seiner Füße, als die selbe Flüssigkeit einströmte, wie diejenige, die den Entry Plug umgab. „Keine Angst, du kannst da drin Atmen, glaub mir.“ John erschauerte, als die Flüssigkeit in seine Lungen strömte. „Das ist ja widerlich!“ „Was ist?“ „Diese komische Flüssigkeit, sie schmeckt...“ „Wie Blut?“ „Ja.“ „Stimmt, aber gleich arbeiten die Filtersysteme im Plug. Dann dürfte der Blutgeschmack weitestgehend verschwinden. So, dann initialisieren wir jetzt die Synchronisation.“ Ein merkwürdiges Gefühl beschlich ihn, als die Systeme ihre Arbeit aufnahmen. Etwas weiter entfernt, in einem kleineren Kontrollraum, saß Ritsuko auf einem Stuhl und ging, neben dem Kaffee trinken, ihrer Lieblingsbeschäftigung nach. Sie rauchte. „Sag mal, Misato, wie hast du ihn eigentlich dazu gebracht, wieder in den EVA zu steigen?“ Katsuragi seufzte. „Ich weiß es nicht. Aber ich denke, dass er es tut, weil es ihm gesagt wurde.“ Die Wissenschaftlerin blies den Rauch aus ihren Lungen. „Alles tun, was einem gesagt wird, huh? Auch ein Weg mit dem Leben um zu gehen.“ Sie blickten durch die Glasscheibe, die sie vom Cage trennte. Drinnen war EVA 01 an mehreren Halterungen im Raum befestigt. Die Panzerung hatte man vollständig entfernt. Sie war zu beschädigt gewesen, man würde morgen eine Neue anbringen. Die darunter zum Vorschein kommenden Komponenten widerlegten diejenigen, die den Kampfkoloss für eine Maschine hielten. Es waren diverse organische Komponenten zu sehen, Knochen, ein rudimentärer Brustkorb. Im abgedeckten Schädel konnte man ein lastwagengroßes Gehirn erkennen. Die Kabel, die an verschiedenen Positionen an den Evangelion angeschlossen waren, sandten unentwegt Informationen an die Magi, die drei ebenfalls organischen Superrechner des Hauptquartieres, und wieder zurück zum EVA. Shinji saß im Entry Plug von Einheit eins und blickte starr auf die Simulation, die man in den EVA einspeiste. *Ins Visier nehmen... und abdrücken* Diese Worte hatte ihm Dr. Akagi noch vor dem Training eingeschärft. Sie hatten ihm Befohlen, noch einmal in den Evangelion zu steigen. Für sie war er nur ein Werkzeug, das war ihm klar. Er hatte es dennoch getan. Vielleicht würde er so doch noch sicherstellen können, das er nicht nutzlos war. Vielleicht würde sein Vater wieder auf ihn achten. *Ins Visier nehmen... und abdrücken* Triefend kam John aus dem Test Plug. Widerwärtig! Jetzt, wo er nach mehreren Stunden mit diesen Tests fertig war, stank er am ganzen Körper nach dieser Flüssigkeit, die Maya als LCL bezeichnet hatte. Sich lauthals beschwerend marschierte er in die Umkleideräume, warf den Plugsuit beiseite und verschwand unter die Dusche. Er stöhnte, als er an die Aussicht einer weiteren fahrt mit seinem Vormund Misato dachte. Die Luft entwich aus den Lungen des Söldners, als er getroffen auf dem Boden aufschlug. Als er aufsah, sah er diejenige Frau breitbeinig über seinem Brustkorb stehen, die er hatte töten sollen. Der Wind hatte sich gedreht. Der Jäger war zum Gejagten geworden. Ihre Lippen verzogen sich zu einem grausamen Lächeln. „Na, hast du deinen Spaß?“ Sie hatte ihn garantiert. Fight! Nach zwei Stunden Fahrt waren sie nun in Matsushiro. Dort sollte der neue EVA ankommen, den Shinji mit Einheit eins nach Neo-Tokyo 3 eskortieren sollte. Misato beobachtete den Himmel. Jeden Moment konnte das Flugzeug, welches EVA 07 brachte, durch die heute zahlreichen Wolken brechen. Neben ihr stand John und sah sich, eher gelangweilt, die Umgebung an. Shinji war schon im Plug von Einheit eins und erwartete weitere Befehle. Ein lautes Dröhnen kündigte die erwartete Transportmaschine an. Kurze Zeit später brach sie, von den Augen aller Anwesenden verfolgt, durch die Wolkendecke. Mit quietschenden Reifen setzte das Flugzeug auf die vorbereitete Landestrecke auf. Misato hob ihr Funkgerät zum Mund. „Shinji, sobald der EVA aus den Halterungen entfernt ist, bringst du ihn zum Transporter, klar?“ Langsam schoben sich die Transportschienen unter dem gigantischen Flugzeug hervor. John riss überrascht die Augen auf. Das hier sollte also sein EVA werden. Ein tonnenschwerer Gigant, der ihn aus zwei leeren Augen anzustarren schien. Als die Transportschienen weit genug unter der Maschine herausgefahren waren, griff Einheit eins mit beiden Armen unter den anderen Evangelion, und hob ihn, nachdem die Halterungen gelöst worden waren, vorsichtig auf den bereitstehenden Tieflader, der den EVA nun über Land nach Neo-Tokyo 3 transportieren sollte. Nachdem der blaue Koloss fest auf dem Lastwagen verzurrt war, setzte sich der Tross in Bewegung, vorneweg Misato und John im Renault Montan, dahinter der Lastzug mit dem Evangelion, der von EVA 01 abgeschirmt wurde. Sie würden die Stadt um Mitternacht erreichen. Mit einem kräftigen Schlag eines seiner Vektoren zertrümmerte John den Wecker, der es gewagt hatte, ihn so früh au seinem Schlaf zu reißen. Dann stemmte er sich hoch. Es war eine kurze Nacht gewesen, obwohl er sich nach dem späten Essen sofort aufs Ohr gelegt hatte. Er quälte sich aus seinem Zimmer. Draußen war es schon, trotz der frühen Tageszeit, recht warm. Nach den großen klimatischen Veränderungen durch den Second Impact gehörten Jahreszeiten der Vergangenheit an. Im Jahre 2015 herrschte das gesamte Jahr über ein heißer Einheitssommer. Müde und ohne ein Wort zu sprechen trotteten Shinji und John den Schulweg entlang. Ein Ruf ließ sie beide aus ihrer Trance aufschrecken. „Hey, Shinji! John! Wartet kurz!“ Toji und Kensuke kamen auf sie zu gelaufen. Aida schien aufgeregt zu sein. „Wisst ihr schon? Gestern wurde ein neuer EVA geliefert!“ Die beiden Piloten sahen einander an. Dann verpassten sie dem Schwätzer beide eine Kopfnuss. „Was glaubst du denn?!“ John begann, seine angestaute Wut über das seiner Meinung nach zu frühe Erwachen an ihm aus zu lassen. „Wir beide sind Piloten! PILOTEN, hast du kapiert du hirnloser Vollidiot!?“ Kensuke duckte sich weg. „Jaja, hab ja verstanden. Und, wie sieht der neue aus?“ „Wie'n EVA, halt.“ Johns Ärger hatte sich immer noch nicht ganz verflüchtigt. Der Andere ignorierte ihn. „Mann, ich bin ja so neidisch. Ich will auch so'n Teil steuern!“ „Schnauze, Kensuke!“, ließ Toji vernehmen. Die drei Menschen begannen sofort zu schwatzen. John blieb still und sah nachdenklich auf den Boden. Der erste Teil des Unterrichts war, zur einvernehmlichen Freude der Schülerschaft, um. Shinji lag auf dem Schuldach und beobachtete die Wolken. Es war ruhig. Schön ruhig. Alle anderen hatten sich im Schatten der Bäume versammelt. Ihnen war der Tag schlichtweg zu heiß. Ihm aber machte die Hitze nichts aus. Im Gegenteil, gab sie ihm doch Gelegenheit, ohne die Anwesenheit der Anderen, nur mit der Musik aus seinem SDAT-Player, die Stille zu genießen und nachzudenken. Er hob seine Hand, begutachtete sie. Dann ließ er sie wieder fallen. Shinji schloss die Augen. Er hörte, wie jemand auf das Dach kam und sich neben ihn auf den steinernen Boden setzte. Der Junge hielt die Augen weiterhin geschlossen, hoffend, das der Andere ihn nicht ansprechen möge. „Sag mal, Shinji, kann ich dich was fragen?“ Er öffnete die Augen. „Was denn?“ John lehnte sich gegen das Geländer. „Wie fühlt es sich an, einen EVA zu steuern?“ „Naja, es ist schwer zu beschreiben.“ John sah ihn fragend an, doch bevor Shinji weiter sprechen konnte, betrat Ayanami das Dach. „Wir sollen ins Hauptquartier kommen.“ Shinji richtete sich auf. „Warum?“ „Wir werden angegriffen.“ „Zielobjekt nähert sich weiter.“ Im Central Dogma herrschte Chaos. Alarmsirenen schrillten und Personal rannte hektisch hin und her. Einzig und allein drei Personen schienen Ruhe zu bewahren. Der Subkommandant stand auf seinem angestammten Platz, Ritsuko stand bei Maya und analysierte die Situation, während Misato erste Befehle, die die Bereitstellung der Stadteigenen Verteidigung betrafen. Der Kommandant war abwesend. Vor Ungefähr einer viertel Stunde war über dem Westpazifik ein unbekanntes Objekt erschienen, das direkt auf die japanische Küste zuhielt. Die Sensoren, die Nerv in ganz Japan platziert hatte, brachten schnell die Information, dass das Objekt ein AT-Feld besaß. Ein Engel. Sofort war das gesamte Hauptquartier in Alarmbereitschaft gewesen, EVA 01 war sofort startklar gemacht worden und auch für EVA 07 hatte man Startvorbereitungen getroffen. Jetzt fehlten nur noch die Piloten. Die waren gerade an einem Expresslift zur Geofront angekommen. Ohne ein Wort miteinander zu sprechen betraten sie ihn und fuhren gemeinsam hinab. Der erste Einsatz in einem EVA stand unmittelbar bevor. John spürte, wie sich die bedrückte Stimmung, die er heute gefühlt hatte, sich noch verstärkte. Er hatte gedacht, dass es ihn freuen würde, eine Chance zu bekommen, wie ein Mensch zu existieren, etwas zu bedeuten. Er schloss die Augen. Im Hauptquartier angekommen stürmten die beiden Jungen sofort zur Umkleide. Kurz vor der Tür wurden sie allerdings von einem Nervmitarbeiter abgefangen, der sie anwies, sich sofort in den Kontrollraum zu begeben. Misato begann sich bereits zu fragen, wo die Piloten denn ab blieben, als die Tür zum Kontrollraum sich öffnete. Sie machte sofort ihrem Ärger über die zwei in der Tür stehenden Gestalten Luft. „Wo habt ihr denn so lange gesteckt?!“, keifte sie los und wollte gerade schon in eine längere Standpauke einsteigen, als das Aufkreischen von Alarmsirenen sie wieder zurück in die Realität holte. „Zielobjekt hat Küste erreicht, nehmen es jetzt unter Beschuss!“ Die taktische Offizierin straffte sich. „Egal, darüber können wir später reden. Shinji, du wirst mit EVA 01 das Ziel abfangen und bekämpfen. John, du wirst hier im Hauptquartier bis auf weiteres als Reserve zurückbleiben. Verstanden?!“ „Ja!“ Einstimmig bestätigten die Piloten ihren Befehl. Im Umkleideraum ließ sich John auf die Sitzbank fallen und lehnte seinen Kopf gegen seinen Spind. Ein leises Rascheln verriet ihm, dass Shinji sich umzog. „Shinji?“ „Ja?“ Der Diclonius öffnete die Augen. „Viel Glück.“ Der Andere sah ihn kurz an. Dann bedankte er sich und verließ den Raum. „Alle Systeme im grünen Bereich, EVA 01 startklar.“ Shinji lehnte sich auf seinem Pilotensitz zurück. *Wieder im EVA. Und Vater ist noch nicht einmal da um mir zu zu sehen.* Müde saß er im Plug, als der EVA aus dem Cage herausgefahren und zur Erdoberfläche geschossen wurde. Er richtete sich erst auf, als er den Ruck spürte, der ihm sagte, dass der EVA an der Oberfläche angelangt war. Aufgeregt plappernd aßen die Schüler im Schutzraum. Unter ihnen versuchte Kensuke mithilfe der Empfangsfunktion seiner Kamera ein Bild der Lage oben in der Stadt zu erhalten. „Hach, Mist. Die haben Nachrichtensperre verhängt, und wir Zivilisten werden mal wieder im Dunkeln gelassen.“ „Pech.“ Toji neben ihm sah zur Seite. „Du, Toji, ich muss dich was fragen.“ „Na dann, frag schon!“ „Hikari sollte nicht mithören.“ Suzuhara grinste schief. „Versteh schon.“ Dann stand er auf. „Hey, Klassensprecherin!“ Das sommersprossige Mädchen drehte sich um „Was ist Suzuhara?“ „Kensuke und ich müssen mal wohin.“ Die Augen des Mädchens verengten sich misstrauisch. „Na Gut.“ „Danke.“ Sie sah den beiden hinterher, als sie den Raum verließen, und nahm sich fest vor, sie heute nicht aus den Augen zu lassen. „Also, Toji, was meinst du?“ Der Angesprochene seufzte gespielt ermüdet. „Du lässt dich doch sowieso nicht von deinem Willen abbringen. Na gut, wir gehen.“ Kensuke lachte auf. „Ich wusste doch, dass ich mich auf dich verlassen kann.“ Zusammen mit Toji verließ er Toilette, nicht das Mädchen, dass hinter ihnen her schlich, zu bemerken. „Shinji?“ Ritsuko's Stimme drang aus dem Intercom. „Ja?“ „Denk immer daran, Ziel ins Visier nehmen und abdrücken.“ „Genau.“, schaltete Misato sich ein. „Du wirst den Engel zuerst mit der Gatling angreifen. Während du es beschießt wirst du das AT-Feld des Gegners neutralisieren, alles wie gehabt.“ „Ja.“ Die Betonwand, die den diesmal in einer Gebäudeattrappe verborgenen Turbolift verdeckte, klappte zur Seite. Sofort stürmte der EVA heraus und schnappte sich das mehrläufige Gewehr, dass ihm aus einem Waffenspeicher angegeben wurde. Sofort richtete er die Waffe auf den Gegner. Die kreisförmig angebrachten Läufe begannen sich zu drehen, als er das Feuer eröffnete. „Whoa, cool!“ Kensuke war außer sich vor Freude, als er beobachtete, wie der grün-violette Riese aus dem Lift kam, das Gewehr packte und auf den Engel schoss. Auch Toji und Hikari, die sich im Hintergrund hielt, sahen sich das Geschehen mit einer Mischung aus merkwürdiger Faszination und purem Entsetzten an. Sie standen auf einer Aussichtsplattform, die an einem Hügelhang am Rande der Stadt lag. Normalerweise war dies ein Ort, an dem sich abends Pärchen trafen um einige romantische Stunden mit Blick auf Neo-Tokyo 3 zu verbringen. Eigentlich hatte sie sie zurückbringen wollen, aber nun stand Hikari mit offenem Mund hinter den beiden Jungen und beobachtete fassungslos, was sich da vor ihr abspielte. Langsam bereute sie es, ihnen gefolgt zu sein, aber ihr Pflichtgefühl wies sie sofort darauf hin, dass das ihre Aufgabe als Klassensprecherin sei. Genauso, wie jetzt Toji und Kensuke wieder dazu zu bewegen, zum Klassenverband zurückzukehren. Wie immer gab sie ihrem Pflichtgefühl nach. „Suzuhara! Aida!“, bellte sie. Der Junge im Jogginganzug schreckte zusammen. *Mist, die Klassensprecherin!* Hikari wollte gerade damit anfangen, los zu schimpfen, als eine heftige Erschütterung sie und die anderen Beiden von den Füßen riss. Als das Mädchen es wieder wagte, die Augen zu öffnen erstarrte sie vor Schreck. Die gigantische, tonnenschwere Hand von EVA 01 hatte alle drei nur um Millimeter verfehlt. Shinji sah panisch dem Engel ins Gesicht. Wenn man es überhaupt so bezeichnen konnte. Diese zwei riesigen, entfernt Augen ähnelnden, Flecken, die auf dem des Engels prangten, schienen ihm nun geradewegs in die Seele zu blicken. Er hatte auf den Engel gefeuert, bis sein Magazin leer gewesen war. Dann hatte er gewartet, bis die sich legende Staubwolke das Ergebnis seiner Arbeit offenbarte. Die Stimme Misatos, die ihn durch den Funk angebrüllt hatte, das der Staub dem Gegner Deckung geben würde, hatte er gar nicht beachtet. Da waren plötzlich zwei violette Peitschenarme aus der Wolke geschossen, hatten EVA 01 meterweit nach hinten geschleudert und ganz nebenbei mehrere Gebäude in Stücke geschnitten. Er solle aufstehen hatte Misato ihm per Intercom zu gebrüllt, aufstehen und sich die Ersatzwaffe nehmen. Er hatte nicht gekonnt. Er war liegen geblieben, hatte den Engel in Todesangst angestarrt. Dann hatte der Gegner wieder zugeschlagen und ihn weiter geschleudert. Shinji hatte die Augen vor seinem Schicksal verschlossen. Ganz sicher würde er hier sterben müssen! Ein Alarmton hatte ihn aus seinen Gedanken gerissen. Die Energieanzeige auf seinem rechten Handschuh hatte begonnen von fünf abwärts zu zählen. Das Umbilinkalkabel! Es war durchtrennt worden. Ein weiterer Pipton hatte ihn dann auf etwas aufmerksam gemacht. Zitternd drehte er seinen Kopf nach links und sah seinen drei Klassenkameraden ins Gesicht. „Umbilinkalkabel wurde durchtrennt! EVA 01 hat auf externe Energie umgeschaltet.“ Aoba hatte sich zu ihr herumgedreht. Plötzlich öffnete sich ein Fenster auf einem Computerbildschirm. Es zeigte die Aufnahme der Außenkameras des Evangelion. „Sind das nicht drei Klassenkameraden von Shinji?“, fragte Misato, als das Programm die persönlichen Daten der drei Jugendlichen anzeigte. „Verdammt!“ Dann richtete sie sich auf. „Shinji, du musst die drei sofort in deinen Entry Plug aufnehmen. Wir fahren ihn aus.“ Toji, Kensuke und Hikari sahen, wie der Nackenbereich von Einheit eins aufklappte und der Entry Plug ausfuhr. Fragend sahen sie einander an. „Los, steigt ein!“ „Was ist das denn?“, kreischte Hikari, als sie beim Klettern in den Entry Plug in das LCL eintauchte. Dann ging plötzlich das Licht an. Sie sahen Shinji, wie er sich an den beiden Steuerhebeln festklammerte und durch die aufgrund der im Moment unsicheren Verbindung zum EVA flackernde Außenansicht starrte. Dann fühlten sie, wie der Plug sich in Bewegung setzte und eingefahren wurde. „Einheit eins soll sich sofort zurückziehen!“ Misato verschränkte die Arme. Die Situation gefiel ihr überhaupt nicht. *Einheit null ist in Kryostase, Einheit sieben wurde noch nicht getestet, wäre aber theoretisch einsatzbereit. Andererseits wissen wir selbst nichts über die Fuktionstüchtigkeit der S²-Engine. Die Daten der Briten sind zu dürftig. Wir müssen wohl Einheit eins neu bestücken und wieder einsetzten. Hoffentlich reißt Shinji sich diesmal zusammen!* Sie kniff die Augen zusammen. Alle Köpfe drehten sich nach hinten, als de Kommandant die Stimme erhob. „Schicken Sie Einheit sieben raus!“ „Aber...“ Dr. Akagis Gesicht offenbarte ernste Zweifel. „Wir haben bis jetzt weder Harmonix- noch Synchrontests mit EVA 07 und dem 4th Children durchgeführt. Wir wissen nicht wie sich der Evangelion und der Pilot zueinander verhalten. Die S² wurde auch noch nicht ausreichend getestet.“ „Dann startet der EVA eben auf externe Energieversorgung.“ „Und der Pilot?“, schaltete Misato sich ein. „Er hat bisher keine Ausbildung erhal...!“ „Egal!“ In der Tür stand John, er trug einen schwarzen Plugsuit, auf den in weißen Ziffern seine Nummer als Children aufgedruckt war. Er sah zum Kommandanten. Dieser fixierte ihn. „Pilot LeFévrier, sofort zu ihrer Einheit!“ Ohne Antwort zu geben stürmte der Junge in Richtung des Cage's von EVA 07 davon. John saß im Entry Plug. Seine Hände krampften sich um die Steuerhebel. Ein merkwürdiges Gefühl wallte tief in ihm auf. Es war keine Angst, die kannte er nur zur Genüge, es waren aber auch nicht seine Killerinstinkte. Langsam tastete er im Geiste danach. Die Emotion war ihm unbekannt, doch es war ihm beileibe nicht unangenehm. Er fühlte sich warm und geborgen. Er lehnte sich zurück. Nachdenken konnte er auch noch später. Die Stimme von Ritsuko holte ihn aus seinen Gedanken. Er gab ein kurz angebundenes Knurren von sich, als sie sein befinden abfragte. „Externe Energieversorgung hergestellt, beginne mit dem Laden der internen Akkumulatoren!“, meldete Makoto. Akagi nickte. „Synchronisation initialisieren!“ „Jawohl!“, bestätigte Ibuki. Das unbekannte Gefühl verstärkte sich, als die Synchronisation einsetzte. Überrascht schnappte er nach Luft, als er begann, den Körper des Evangelion zu fühlen. „Alles in Ordnung bei dir?“, hörte er Misatos Stimme. „Ja.“ „Gut“, antwortete die junge Offizierin. „Der Status vom Akkumulator?“ „Interner Akkumulator geladen, Anschluss bereit für externe Versorgung.“ Misato wandte sich an Maya. „Startkanal?“ „Clear, haben grünes Licht.“ „EVA 07 zur Startplattform!“ Im Pilotensitz spürte John, wie der EVA sich rückwärts zu bewegen begann. Er sah durch das visuelle Interface, wie die große Halle des Cage's an ihm vorbeizog. Dann gab es einen Ruck, als die Haltebolzen der Abschussplattform einrasteten. Dann wurde der EVA an die Oberfläche geschickt. Er brauchte einige Sekunden, um seine Sinne wieder zu finden. John schüttelte benommen den Kopf. Dann blickte er sich um, um sich zu orientieren. „Bereit?“ Misato sah ihn fragend durch die visuelle Verbindung an. „Ja.“ „Weißt du, wie du den EVA steuerst?“ *Da denken die aber früh dran.* Er zog eine Augenbraue hoch „Wie?“ „Denk dir einfach, was der EVA machen soll.“ „Verstanden.“ Misato nickte. „Also gut, das Ziel ist circa einen Kilometer von dir entfernt, du solltest es auf dem taktischen Monitor haben. Du sollst den Engel beschäftigen und den Rückzug von Einheit eins deckten, klar?“ „Ja.“ Der Kanal wechselte zu Ritsuko. „John, hör mir gut zu. Einheit sieben verfügt zwar über eine Interne Energiequelle, wir haben sie aber noch nicht ausreichend getestet. Deshalb erhält der EVA seine Energie über ein Umbilinkalkabel. Du musst unter allen Umständen dafür sorgen, dass es nicht durchtrennt wird, verstanden?“ Der Diclonius nickte und richtete den Blick wieder nach vorne. Als die Halteklammern gelöst wurden spürte er, wie der Oberkörper des EVA's nach vorne zu kippen begann. Sofort spannte im Geiste die Muskulatur des Torsos an und merkte, wie der Gigant sich stabilisierte. Der blaue Evangelion fixierte den entfernt an eine Schlange erinnernden Engel und stürmte los. Mit einem lauten Knall traf Einheit sieben auf das AT-Feld des Gegners. John fluchte innerlich, als er auf ein orange glühendes Hindernis traf. Instinktiv lies er seine Vektoren nach vorne schlagen, musste sich dann aber in Erinnerung rufen, dass der EVA über keine verfügte. Er stemmte sich mit aller Kraft gegen das AT-Feld. „Konzentriere dich!“ „Was?“ Ritsuko's Stimme brachte ihn aus dem Konzept. „Du musst selbst ein AT-Feld aufbauen und das des Engels neutralisieren!“ „Wie denn?!“ Die Tatsache, dass er nicht an seinen Gegner herankam machte ihn wütend. „Konzentriere dich auf das, was du willst, also darauf, durch das AT-Feld zu brechen.“ *Was mache ich denn hier die ganze Zeit* Er kniff die Augen zusammen. „Einheit sieben baut AT-Feld auf, Phasenvarianz passt sich dem Ziel an!“, meldete Maya. Auf dem großen Bildschirm im Kontrollraum konnte man sehen, wie der EVA langsam an Boden gewann. Aus Einheit eins hatte Shinji beobachtet, wie Einheit sieben sich auf den Engel gestürzt hatte. Nun saß er im Entry Plug und beobachtete gebannt Johns Versuche, den Engel zu bekämpfen. Erst Kensukes Stimme holte ihn in die Realität zurück. „Hey, Shinji, du hasst gerade einen Rückzugbefehl bekommen!“ „Verdammt!“, fluchte der Pilot, als er auf die Energieanzeige blickte. Der Evangelion hatte nur noch für anderthalb Minuten Strom! Ein Aufschrei von Seiten Hikaris ließ ihn wieder aufblicken. Einheit sieben war durch das AT-Feld gebrochen, war aber im Gegenzug von einem der Peitschenarme des Engels durchbohrt worden und krümmte sich nun vor Schmerz. Einige Tropfen dunkelroter Flüssigkeit fielen zu Boden. Dann packte der EVA die Waffe und begann, den Gegner zu sich heranzuziehen. Langsam richtete sich der gehörnte, purpur-grüne Evangelion auf. Dann öffnete sich das linke Schultermagazin. Hyuga drehte sich zu Misato um. „Prog-Messer von Einheit eins wurde aktiviert.“ Die Offizierin ballte die Faust. *Du verdammter Vollidiot!* Mit einem lauten Schrei ließ Shinji seine Kampfmaschine auf den Feind losstürmen, die Progressivklinge in beiden Händen haltend. Kensuke und Toji klammerten sich mit aufgerissenen Augen an seinen Pilotensitz, Hikari war schon längst Ohnmächtig geworden und hing nun in Suzuharas Armen. Der andere EVA blickte auf. Nach kurzer, nur Sekundenbruchteile andauernder Überraschung packte er den Engel nun auch am anderen Arm und riss ihn herum, so dass EVA 01 nur das Prog-Messer in seinen Kern zu stoßen brauchte. Mit einem lauten Krachen prallte die Klinge auf die rotglühende Sphäre des Engels. Immer noch laut brüllend versuchte Shinji, das Messer mit beiden Händen in den Leib des Gegners zu drücken. Laute Alarmtöne versuchten ihn auf die Gefahr der immer weiter abnehmenden Energiereserven hinzuweisen. Noch zwanzig Sekunden! Es zeigten sich kleine Risse auf der Sphäre. Noch zehn Sekunden! Die Risse wurden größer. Noch fünf! Vier! Drei! Zwei! Eine! Stille. Nichts war mehr zu hören, außer das Schluchzen des Piloten. Dann ging eine heftige Erschütterung durch den EVA, als er mit einem lauten Krachen wieder auf dem Hügel landete. *Verdammt* Es hatte nichts gebracht. Shinji's Prog-Messer steckte zwar immer noch im Kern, der auch reichlich lädiert aussah, aber der Engel war noch am Leben. Mit einem Tritt beförderte John den Feind auf Abstand. Dann zog er seine eigenen Progressivklingen und brachte sich in Angriffsstellung. Mit einem lauten Knurren stürzte er sich auf seien Kontrahenten. Die beiden Peitschenarme schossen auf ihn zu. Ein scharfer Schmerz durchzuckte ihn, als eine der gepanzerten Hände durch die messerscharfen Waffen abgetrennt wurde. Er hielt kurz inne, versuchte den Schmerz zu verdauen. Dann griff er weiter an. Mit einem schnellen Hieb seiner verbliebenen Klinge trennte er eine der Halterungen der Arme ab. Dann wirbelte er herum, verpasste dem Engel dabei einen langen Schnitt quer über den und rammte seine Waffe direkt neben Shinji's in den Kern. Diesmal war es von Erfolg gekrönt. Der Engel quoll auf und zerplatzte in eine hellrote Flüssigkeit, die auf den Evangelion herabregnete. Conflict „Weißt du was du angerichtet hast?“ „Was denn?“ Shinji's Stimme klang matt, irgendwie desinteressiert. „Du hast einen direkten Befehl missachtet, du hast wertvolles Material beschädigt und das schlimmste ist: Du hast drei deiner Mitschüler unnötig in Gefahr gebracht! Hast du dazu noch irgendetwas zu sagen?“ Seine Erziehungsberechtigte und direkte Vorgesetzte schäumte vor Wut. „Wir haben gewonnen, ist doch das wichtigste. Das ist es doch, stimmt?“ Der junge Pilot hatte die ganze Zeit zu Boden gesehen. Misato riss nun der Gedultsfaden. Sie packte den Jungen grob am Kragen und riss ihn hoch. „Sag mal, was glaubst du eigentlich, was du hier tust?“ „Naja, denn EVA steuern. Das ist es doch, was ihr von mir wollt. Zu etwas anderes werde ich doch nicht gebraucht.“ Die ganze Zeit mied er ihren Blick. Katsuragi wollte gerade zu einer lauten Tirade ansetzten, als sie sich eines besseren besann. Sie ließ ihn los und ging in Richtung Tür der Arrestzelle. Auf dem Flur drehte sie sich noch einmal zu ihm um. „Niemand zwingt dich, wieder in den EVA zu steigen. Du kannst genauso gut aufstehen und für immer verschwinden. Aber du solltest mal darüber nachdenken, ob andere nicht doch noch etwas anderes als den EVA-Piloten Shinji Ikari in dir sehen.“ Mit diesen Worten machte sie auf dem Absatz kehrt und knallte die Tür zu. Dahinter saß Shinji zusammengesunken auf dem Boden. Wie schön die frische Luft doch war im Vergleich zum LCL. John seufzte. Dann schloss er plötzlich mit ernster Miene die Augen. Da war noch ein Anderer! Er kannte diese Präsenz irgendwo her. Irgendwann würde er dem nachgehen müssen. *Aber nicht jetzt.*, dachte er, während er sich seine frisch ein bandagierte linke Hand rieb. Er hatte aus dem Gefecht ein verstauchtes Handgelenk davon getragen. Ärgerlich! Die alten Verbände waren gerade ab, da hingen schon neue an ihm. Als er ihm vertraute Stimmen hörte, sah er sich um. Ein paar Meter von ihm entfernt saßen Toji, Kensuke und Hikari auf einer Bank vor dem Eingang in die Geofront und schwatzten über das erfolgreich überstandene Abenteuer. Ein Lächeln glitt über seine Lippen. Es konnte nicht Schaden, sich ein wenig in Gesellschaft zu begeben. Eigentlich hatte Hikari den beiden Jungen noch eine Standpauke verpassen wollen. Das war jedoch schnell vergessen gewesen, als sie dann von einem Moment auf den anderen mitten in einen Kampf zweier hochhausgroßer und tonnenschwerer Giganten geraten war. Nun redete sie mit den beiden über die Ereignisse. „Es war so cool, ich mein, wir saßen in einem richtigen EVA!“ Kensuke war hin und weg. Toji sah in nur skeptisch an. „Na so schien es ja nicht gewesen zu sein.“, murmelte er in sich hinein. Er hatte immer noch das Bild des vor mentaler Erschöpfung weinenden Shinji im Kopf. Außerdem war er irgendwie froh, der dunklen Vorahnung, die ihn im Entry Plug beschlichen hatte, entkommen zu sein. Auch Hikari war anderer Meinung. „Glaub ich nicht!“, antwortete sie lautstark. „Wieso denn?“ Der Militärfreak schien überrascht zu sein, dass irgendjemand nicht gerne in einem Evangelion sitzen könnte. „Naja, als dieses Monster den anderen EVA...“ „Hey!“ Sie blickten alle drei auf und sahen John auf sie zukommen. Er trug ein dunkelgraues T-Shirt, eine alte Jeans und eine über die Schulter geworfene, leichte Jacke. Seine linke Hand war bandagiert. „John, wo kommst du denn her?“ Hikari war ganz überrascht, einen ihrer Klassenkameraden, der noch, wie ihr jetzt auffiel, während der Verbunkerung gefehlt hatte, aus dem Hauptquartier von Nerv kam. „Ähm, Hikari, er ist auch Pilot.“, raunte Toji ihr ins Ohr. Perplex drehte sie sich zu ihm um. „Stimmt, er hat recht.“, bestätigte John lachend. „Ich bin auch Pilot.“ Dann fiel der Blick der Klassensprecherin auf die Linke ihres Gegenübers. „Was hast du mit deiner Hand gemacht?“, fragte sie entsetzt. „Nur verstaucht sagt der Arzt. Ist mir vorhin im EVA passiert. Ist aber nicht weiter schlimm.“ Hikari atmete erleichtert aus. Wenn sie auch manchmal etwas grob mit ihrer Klasse umging, so lag ihr doch das Wohlergehen von jedem einzelnen am Herzen. „Sag mal, wie fühlt es sich an, einen EVA zu steuern?“ Kensuke war ganz begeistert. „Willst du das wirklich wissen?“ Missmutig legte John die Stirn in Falten, als der bebrillte Junge energisch nickte. „Es. Tut. Verdammt. Weh.“ Dann wandte er sich wieder an Toji und Hikari. „Was macht ihr jetzt eigentlich noch?“ Suzuhara zuckte mit den Schultern. „Naja, nach Hause gehen halt.“ Verschüchtert hob Hikari die Hand. „Ich würde noch gerne beim Tempel vorbei gehen. Wollt ihr mitkommen?“ Toji sah zur Seite, damit sie nicht merkte, wie er ein wenig rot wurde. „Ich komme meinetwegen mit.“ Mit schräg gelegten Kopf beobachtete er das Verhalten der beiden. Menschen waren doch zu merkwürdig. Die zwei Jugendlichen schienen einander nicht in die Augen sehen zu können, ohne einen leichten Rotschimmer auf den Wangen zu bekommen. Und was war ein Tempel? „Ich komme auch mit, wenn ihr nichts dagegen habt.“ Beide schüttelten schnell den Kopf. „Also ich habe noch etwas anderes vor.“ sagte Kensuke kopfschüttelnd. „Sorry, ich muss echt passen.“ Mit zum Abschied erhobener Hand gingen sie ihre Wege. Während er ging betrachtete er John mit einem Blick, der 'Du Idiot' zu sagen schien. Sie waren einige hundert Meter gegangen, als John plötzlich stehen geblieben war. Da war noch eine zweite Präsenz, hasserfüllt, aber auch ins tiefste innere verletzt. „Was ist?“ Toji und Hikari waren schon ein wenig weitergegangen. Nun standen sie vor ihm und sahen ihn fragend an. „Nein, es ist nichts.“, antwortete er schnell und schloss zu ihnen auf. Vielleicht würden sie sich doch von der zweiten Präsenz entfernen. Es kam jedoch anders. Sie entfernten sich nicht von ihr, wie er gehofft hatte, sondern gingen direkt auf sie zu. Auch die zweite Präsenz, die er schon vor dem Eingang der Geofront bemerkt hatte, schien sich nun auf sie zu zu bewegen, nein, sie war schon bei ihr angekommen. Seine Nackenhaare stellten sich auf, als die Luft vor Aggression zu knistern begann. Dies hier könnte gefährlich werden, und es könnte sich als sehr problematisch für ihn erweisen, wenn seine beiden Klassenkameraden verletzt werden würden. Irgendwie war sein Verhalten merkwürdig. Schon seitdem sie losgegangen waren schien er nervös zu sein. Immer wieder sah er sich um, als würde er fürchten, von einem unbekannten Schatten verfolgt zu werden. Toji tat so, als würde er das Verhalten seines Klassenkameraden nicht bemerken und versuchte stattdessen sich zu einem Gespräch mit Hikari zu überwinden. „Ähm, Klassensprecherin, warum bist du uns eigentlich gefolgt?“ Sofort ohrfeigte er sich geistig. Die Angesprochene plusterte sich auf. „Na warum wohl, Suzuhara!“, schalt sie ihn. „Ihr seid mitten während des Ausnahmezustandes aus dem Bunker verschwunden! Ihr seid so verantwortungslos! Was wäre denn, wenn alle machen würden was sie wollen! Dafür gibt es einen Monat Klassendienst extra!“ *Was wäre, wenn dir und Kensuke etwas passiert wäre?*, fügte sie im Geiste noch hinzu., während sie einen leichten Rotschimmer auf ihrer Wange erhielt. Suzuhara merkte es nicht. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, sich über sein furchtbares Schicksal zu beschweren. Ohne es zu merken erreichten sie den Tempelfriedhof, der den Hügel, auf dem der Sakralbau stand, säumte. Immer noch schimpfend, lamentierend und schweigend betraten die drei die Ruhestätte. Ein lauter Aufschrei ließ sie innehalten und überrascht aufsehen. Teile einiger zertrümmerter Grabstelen flogen in ihre Richtung. Es wa zu spät zum reagieren. Toji und Hikari konnten nur mit offenen Mündern den steinernen Geschossen entgegensehen. Er hatte sich schützend vor Hikari gestellt, als die Steine plötzlich mitten in der Luft in ihrem Flug innehielten. Ein blau-grauer Blitz schoss an ihnen vorbei, als John in Richtung des Ursprungs der Geschosse rannte. Innerlich fluchend hetzte der junge Diclonius über den Friedhof. Warum gerade jetzt? Er hatte doch zu hoffen gewagt, dem Institut für immer entkommen zu sein, aber das Auftauchen zweier Artgenossen machte seine Hoffnung vollkommen zunichte. Er drehte den Kopf, als er schnelle Schritte hinter sich hörte. Toji und Hikari folgten ihm. „Warte, John, wo willst du hin?“, rief ihm der Junge im Jogginganzug hinterher. Abrupt blieb der Angesprochene stehen und ließ seine beiden Klassenkameraden in sich herein laufen. „Was wollt ihr hier?“, fragte er sie schroff, als sie bei ihm angelangt waren. „W...Wie bitte?“ Überrascht über den unfreundlichen Ton des Anderen sah Hikari auf. „Verschwindet!“ „Warum das denn?!“ Der Diclonius zog die Augenbrauen zusammen. „Dann seid ihr tot.“ Er sah in unverständige und entsetzte Augen. „Hört mir mal gut zu. Ich habe zwar nicht unbedingt das Verlangen, Menschen zu helfen, aber ich würde Probleme bekommen, würde euch etwas passieren.“ Er atmete tief durch und seufzte. „Also, da vorne ist gerade ein Kampf im Gange, in den ihr als Menschen noch weniger gehört als in den von heute Mittag.“ Verwirrte Fragen ihrerseits und heftiger Protest seinerseits schlugen ihm entgegen. Er zerschlug eine der Stelen mit seinen Vektoren, um für Ruhe zu sorgen. „Erstens: Nein, ich bin kein Mensch und ich habe nicht vor, dir auf die Nase zu binden, was ich bin. Und zweitens: Ihr dürft mir gerne folgen, ich werde aber nicht groß auf euch Rücksicht nehmen und kann und will euch nicht garantieren, dass ihr in einem Stück davonkommt.“ Mit diesen Worten machte er auf dem Absatz kehrt und marschierte weiter in Richtung des Kampfes. Ein weiterer Schrei schallte über den Tempelfriedhof, diesmal war er von Schmerzen durchtränkt. Die Aura von Hass und grausamer Befriedigung wurde immer stärker. Dann betrat John den Kampfplatz. In einer wachsenden Blutlache vor ihm saß ein junges Mädchen, etwa in ihrem Alter. Sie hatte kurze rosafarbene Haare, trug ein mittlerweile etwas abgerissenes schwarz-weißes Kleid. Ein ganz gewöhnliches Mädchen also, wären da nicht die zwei Hörner auf ihrem Kopf und der abgetrennte Arm, dessen blutenden Stumpf sie sich hielt, gewesen. Ungefähr einen Meter von ihr entfernt stand eine etwas ältere, rothaarige Frau. Ihre ebenfalls blutroten Augen hatten die Andere fixiert und auf ihrem durchaus nicht hässlichem Gesicht war ein grausames Lächeln zu erkennen. Dann blickte sie zu John. „Oh, hat sich der andere auch einmal hier her bequemt.“ Sie deutete auf die Verwundete. „Und, wurdest du auch von diesen Bastarden geschickt?“ „Meinst du die vom Institut?“ Wider Willen musste er kurz auflachen. „Nein, ich würde mich niemals von Menschen herumkommandieren lassen.“ Er nickte in Richtung des immer noch zitternden und wimmernden Mädchens vor ihm. „Du warst das, oder?“ „Die Göre wollte mich zurück schleifen.“ Missbilligend zog John eine Augenbraue hoch. „Musstest du sie gleich so zu richten? Sie gehört immerhin zu unserer beider Art.“ Er ging in eine Defensivhaltung, als einige dutzend größerer Steine von ihren Vektoren angehoben wurden. Ihr lächeln wurde breiter. „Du hast Mitleid, nicht wahr?“ Als er nickte verschwand sofort jede annähernd freundliche Regung von ihrem Gesicht. „Sie ist eine Verräterin, die mich an die Menschen verkaufen wollte.“, zischte sie wütend. „Sie verdient nichts besseres.“ Müde schloss er die Augen. Dann machte er sich bereit. „Toji! Hikari! Ich weiß, dass ihr da hinter dem Stein steht. Kommt raus und macht euch wenigstens nützlich, indem ihr die Kleine aus dem weg schafft!“ Zögerlich traten seine beiden Mitschüler hinter der Stele hervor. Sofort verengten sich die Augen der anderen. Mit einem beinahe beiläufigem Schlag ihrer Vektoren verwandelte sie die hochgehobenen Steine in tödliche Geschosse. Nur mit Mühe konnte John sie auffangen. Er war überrascht von ihrer schieren Kraft. „Los, macht schon!“ Und auf einen für ihn nicht näher definierbaren Impuls fügte er noch hinzu: „Ich halte euch den Rücken frei, aber schafft mir die Andere aus dem Weg!“ Sofort rannte Toji los und packte das Mädchen. Dann zog er sie vom Kampfplatz. Derweil hatte John seinerseits begonnen, sie zu attackieren, indem er die Trümmer zurückgeschleudert hatte. Jetzt wartete er auf eine Gelegenheit, sie direkt anzugreifen. „Warum lässt du dieses Vieh am leben?“, fragte sie ihn. „Vieh?“ „Menschen.“ „Warum sind sie Vieh?“ „Weil sie uns ständig verraten und quälen.“ Ihr Gesicht verzog sich zu einer hämischen Grimasse. „Warte es nur ab, dich werden sie auch bald hintergehen.“ John ließ einige Steine auf sie nieder hageln. „Egal.“, knurrte er. „Es ist mir egal, ob sie mich hintergehen, wenn sie mich nur in Ruhe leben lassen.“ „In Ruhe leben lassen?“ Sie musste lachen. Dann revanchierte sie sich mit einem wahren Projektilregen. „Sie werden dich nicht in Ruhe lassen, bis du sie alle tötest. Wir Diclonii können nicht mit ihnen existieren. Nur ohne sie kann es einen Platz für uns geben.“ Er wich zwei Meter zurück, als die Geschosse auf ihn niederprasselten. Dann attackierte er sie direkt. Ihre Vektoren verhakten sich in einem stillen Kampf, den keiner von beiden zu gewinnen schien, vollkommen fixiert auf den jeweils anderen. Erst das trockene Geräusch von Gewehren, die angelegt wurden, riss sie aus ihrer Konzentration. Aus der Menge der Soldaten, die sie umstellt hatte trat Doktor Kurama. „Lucy.“ I'm right...., am I? „Wo ist Nana?!“, fragte er ruhig. „Nana?“, fragte John verwirrt. Er hatte sich trotz der auf ihn gerichteten Gewehrläufe wieder vollkommen entspannt. Lucy betrachtete ihn verächtlich. „Sicher diese kleine Göre, die ihr mir geschickt habt, oder?“ „Wo ist sie?!“, sagte Kurama mit allmählich lauter werdender Stimme. „Wo ist sie?“ Ein sadistisches Grinsen ging über ihr Gesicht. „Welches Körperteil meist du?“ „Du elende...“, brauste Kurama auf, kurz davor, jegliche Selbstkontrolle zu verlieren. „Die Kleine von vorhin?“. fragte John. Dann erhob er die Stimme: „Hikari, Toji! Ihr könnt raus kommen!“ Er deutete nach hinten, auf seine zwei Klassenkameraden, die das Mädchen, dessen Armstumpf mittlerweile abgebunden war, wie John befriedigt feststellte, hinter einem Grabstein hervor kamen. „Suchst du dieses Mädchen?“ Der Wissenschaftler, der gerade noch auf suizidale Art und Weise auf Lucy losgehen wollte, hielt inne und sah zu ihnen. John hatte sich umgedreht und dem Mädchen auf die Beine geholfen. Er stützte sie, bis sie Kurama erreicht hatten. Nana hob schwach den Kopf und sah dem Mann ins Gesicht. „Papa.“ Er nahm sie von John entgegen. „Nana. Dein Arm...Er muss wehtun.“ „Papa. Kannst du mir verzeihen?“ „Natürlich.“ „Du, dahinten, da ist ein Mädchen...Sie ist in den Baum geflogen.“ „Du bist der Mann hinter der Scheibe, oder?“ Kurama blickte auf. John war mittlerweile wieder auf Abstand gegangen und vor seine Freunde getreten. Skeptisch musterte der Junge den Wissenschaftler. „Ja, genau, du bist der Mann hinter der Scheibe, der die ganze Zeit zu gesehen hat.“ Seine Stimme triefte vor Verachtung und Ekel. „Was willst du, uns zurückbringen?“ Kurama richtete sich auf. „Ihr seid eine Gefahr für die Menschheit. Solange ihr nicht in Gewahrsam seid, ist diese Stadt nicht sicher.“ Der junge Diclonius kniff die Augen zusammen. „Toji?“ Der Angesprochene blickte auf. „Ja?“ „Nimm Hikari und verschwinde von hier. Die Leute hier werden gleich schießen, und ich kann euch nicht vor allen Kugeln schützen.“ Er sah nach hinten. „Bis morgen.“ Dann drehte er sich wieder zu Lucy, Kurama, Nana und den Soldaten zurück. „Wie erbärmlich! Du sorgst dich ja um deine Menschenfreunde.“, spottete Lucy, bevor sie die Flucht ergriff, nicht ohne nebenbei zwei Soldaten zu enthaupten. John ließ es kalt, selbst als das Blut der beiden Männer auf ihn herabregnete. „Was werdet ihr machen, wenn ich nein sage?“, fragte er. „Werdet ihr mich töten?“ Kurama sah in durchdringend an. „Ja.“ Ein trockenes, bitteres Lachen entglitt dem Diclonius. „Nein. Los, tötet mich! Versucht es!“ Sofort machten die Soldaten sich schussbereit und kreisten ihn ein. Er schloss die Augen und bereitete sich auf den Kampf vor. „Nein! Bitte nicht, Papa.“ Alle Augen richteten sich auf Nana. John sah ihr kurz in die Augen. Dann drehte er sich herum und ging, alle anwesenden ignorierend. Einer der Soldaten sah Kurama fragend an. „Nein, Hauptmann. Es ist gut.“, antwortete er auf den Blick. „Wir gehen. Macht den Larzaretthubschrauber bereit!“ Dann hob er Nana hoch und trug sie zum Vehikel. Er ging langsam den Hügel hinab zur Straße. 'Warte es nur ab, dich werden sie auch bald hintergehen.' Er verzog die Mundwinkel. Er hoffte, dass die rothaarige Frau im Unrecht war. In Gedanken versunken betrat er die Straße. Er bemerkte nicht, dass Toji und Hikari auf der anderen Straßenseite standen und ihm hinterher sahen. Es war schon dunkel, als er Misatos Apartmentblock erreichte. Erschöpft schleppte er sich die Treppe hoch bis in den sechsten Stock. Dann holte er die Schlüsselkarte hervor, während er auf die Wohnungstür zuging. Die Tür öffnete sich, gerade, als der die Karte durch den Sensor ziehen wollte. Im Flur dahinter stand Misato mit ernstem Gesicht. „Ich glaube, du musst uns was erzählen.“, sagte sie, als sie ihn sanft, aber bestimmt am Arm packte, ihn über die Schwelle zog und in die Küche führte. Am Tisch saßen Toji und Hikari. *Sie hatte doch recht.*, dachte er, als er die beiden betreten und mit gesenktem Blick vor ihm sitzen sah. „Ich soll euch erzählen, was ich wirklich bin und was ich hier will, nicht wahr?“ Sein Vormund sah ihm ernst in die Augen. „Du hast es erfasst. Schieß los!“ John seufzte. „Gut, aber es wird eine sehr lange Geschichte.“ Dann ließ er sich auf einen Stuhl fallen und begann die Geschichte zu erzählen. Er berichtete von seinen Jahren als Versuchsobjekt im Institut, ließ dabei nicht die kleinste Kleinigkeit aus, als er die Grausamkeit der Experimente beschrieb, erzählte aber auch von Sarah, die ihn davor bewahrt hatte, während der ganze Zeit den Verstand zu verlieren. Dann legte er ihnen dar, wie er Lucy's Ausbruch genutzt hatte, um selbst zu entkommen und wie er durch die Stadt geflohen war, um dem Kampf zwischen EVA 01 und dem Engel zu entkommen und wie er am Ende mit dem kleinen Mädchen im eingestürzten Haus gelandet war. Er lehnte sich mit geschlossenen Augen auf seinem Stuhl zurück, als er geendet hatte. „So, das ist alles. Wollt ihr noch mehr wissen?“ Er ließ dabei seine Augen über die kleine Runde schweifen. Er sah eine Reihe betroffener und ängstlicher Gesichter. „Nichts?“ Er erhob sich. „Gut. Ich leg mich hin.“ Dann verschwand er auf seinem Zimmer. Die Drei saßen noch eine Weile in der Küche. Schweigend starrten sie auf den Tisch und dachten über John's Geschichte nach. Toji fand als erster die Sprache wieder. „Diese Geschichte... Sie ist beinahe unglaublich.“ Misato pflichtete ihm bei. „Ja.“ *Das jemand so jung sein kann und schon so viel erleben musste...*, fügte sie in Gedanken hinzu. Dann straffte sie sich. „Ihr zwei solltet nach Hause gehen, sonst bekommt ihr noch Ärger! Los, ich fahr euch.“ Da die beiden Jugendlichen außer Stande waren, irgend ein Wort zu sagen, nickten sie einfach nur. Zu dritt verließen sie das Apartment. John lag auf seinem Futon und hatte sich die Decke über den Kopf gezogen. Er lag wach. An schlafen war nicht zu denken, zu tief hatten sich die damaligen Erlebnisse in seine Seele gebrannt. Jetzt, nachdem er seine Geschichte erzählt hatte, erlebte er alles noch einmal, spürte noch einmal die schmerzhaften Experimente der Forscher, aber auch noch einmal die liebevollen Umarmungen seiner Schwester. *Onee-chan.* Eine Träne rann über seine Wange. Leise schloss Misato die Wohnungstür. Sie wusste nicht mehr weiter. Sie hatte seinen Erzählungen entnehmen können, wie gefährlich der Umgang mit seiner Spezies war. Dennoch, sie wollte und konnte ihm nicht nicht mehr zumuten, als jetzt schon der Fall war. Sie öffnete den Kühlschrank und nahm einer der zahlreichen Dosen Yebisu-Bier heraus. Mit einem Zischen öffnete sich der Verschluss. Mittlerweile schämte sie sich, ihn überhaupt gezwungen zu haben, seine Geschichte preiszugeben. Logisch, sie würde so etwas auch niemals irgendjemandem erzählen wollen. Dann trank sie die Dose mit einem Schluck aus. John hörte, wie die Zimmertür aufgeschoben wurde. Er blieb einfach liegen. „John?“ Der Diclonius antwortete nicht. „John, ich weiß jetzt, was du durchmachen musstest. Wenn du Hilfe brauchst...Du kannst dich an mich wenden, ja?“ Die Tür schloss sich wieder. *Hilfe? Vertrauen? Kann ich das?* In einem fast vollkommen dunklen Raum fand das konspirative Treffen, dem Commander Ikari beiwohnte, stand. Der Mann saß ungefähr in der Mitte, umgeben von neun schwarzen Monolithen, auf denen eine Maske mit sieben stilisierten weinenden Augen und ein Schriftzug abgebildet war: SEELE. Soeben richtete der als SEELE01 bezeichnete Monolith das Wort an Ikari. „Die Engel sind zurück. Der vierte und fünfte, beide wurden sie ausgeschaltet. Dennoch wurde Einheit sieben ernsthaft beschädigt. Die Schäden an Einheit eins sind verschmerzbar, wenn sie auch das Budget, das Nerv bewilligt wurde, arg strapazieren. Ikari! Ich erwarte, dass Sie in Zukunft vorsichtiger mit den EVA's umgehen werden.“ „Natürlich.“, antwortete dieser regungslos. „Es wird alles so kommen, wie es in den Schriftrollen von Quamran prophezeit wird. Das Szenario wird mit aller Konsequenz ausgeführt.“ „Sehr gut, Ikari. Wir verlassen uns darauf. Nun denn, mich haben auch andere Berichte ereilt, bezüglich des vierten Kindes.“ Er machte eine Pause. „Stimmt es, mein Freund, dass ihre Leute den Piloten belästigt haben?“ „Bedauerlicherweise, ja.“, ertönte die Stimme von SEELE04 im Raum. „Einige übereifrige Mitarbeiter meiner Organisation haben eigenständig gehandelt. Sie sind bereits zurechtgewiesen und haben...anderweitige Befehle erhalten. Das vierte Kind wird in Zukunft nicht mehr belästigt werden.“ „Das freut mich zu hören. Ich hoffe zu unser aller Wohl, dass Ihre Vorkehrungen ausreichend sind. Nun denn, so sei es. Das Komitee wird sich für heute zurückziehen. Wir verlassen uns auf Sie, Ikari. Es geht um das Wohl der gesamten Menschheit.“ Mit diesen Worten verschwanden die Monolithen aus dem Raum. Der Commander saß immer noch an seiner angestammten Position. Nichts ließ seine Gedanken erkennen. „Das Szenario wird zur vollen Zufriedenheit vorangebracht.“, sagte er, als er den Raum verließ. John saß alleine auf dem Schuldach. Er hatte keine Lust, mit irgendjemandem zu sprechen. Allerdings würde sowieso niemand seiner mit ihm unterhalten wollen. Warum auch? Er dachte über seine Begegnung mit der anderen Diclonius nach, Lucy. Ihre Worte gingen ihm im Kopf umher. Wie ein Damoklesschwert schienen sie über ihm zu hängen. Aber Misato hatte sich nicht von ihm abgewandt, schoss es ihm durch den Kopf. Nein, das hatte sie wirklich nicht. Sie hatte am morgen sich noch fröhlich wie eh und je gegeben, hatte wie immer ihr morgendliches Bier mit einem lauten Jubelschrei gefeiert. Dann hatte sie ihm angeboten, ihn zur Schule zu fahren. Er hatte dankend abgelehnt. Nicht nur, dass er ihren Fahrstil verabscheute, er wollte alleine mit sich und seinen Gedanken sein. Sie hatte es wohl gespürt, und ihn nicht weiter belästigt. Kurz darauf war er in Richtung Schule aufgebrochen. Shinji war gestern nicht nach Hause gekommen, fiel es ihm wieder ein. Er war derart nicht bei der Sache gewesen, dass sein Fehlen vollkommen an ihm vorübergegangen war. Nach der Schule müsste er mal Misato nach ihm fragen. Verwundert zog er die Augenbraue hoch, als Toji das Flachdach betrat und sich neben ihn setzte. Nach einer Weile peinlicher Stille begann er zu sprechen. „Das Mädchen, was du gerettet hast, das war meine kleine Schwester.“ Verwundert sah der Diclonius ihn an. „Wirklich?“ „Ja. Ich möchte mich bei dir bedanken.“ John lächelte. „Nicht der Rede wert.“ „Doch!“ Dann herrschte eine Weile Stille zwischen den beiden. „Weißt du, wegen deiner Geschichte gestern, naja, äh, es tut mir Leid.“ Jetzt war John sprachlos. Er hatte viel erwartet, das hier war ihm jedoch nicht einmal im Traume eingefallen. „Ähhh, wie?“ „Naja, wir hatten Angst gestern, muss ich zugeben. Du warst plötzlich so... anders. Und dann dieses Mädchen. Na du weißt schon, die, die den Arm verloren hat. Dass wir dann Misato dazu gebracht haben deine Geschichte aus dir heraus zu pressen, das tut mir echt Leid.“ Erst starrte der Angesprochene ihn ungläubig an. Dann wandelte sich seine Miene zu einem ehrlichen Lächeln. „Danke Toji.“ Dann stand er auf und ging zur Tür. Im Rahmen drehte er sich nochmal zu seinem Klassenkameraden um. „Falls du es noch nicht gemerkt hast: Es hat vor fünf Minuten geklingelt.“ Sofort sprang der Junge im Jogginganzug auf und hastete mit ihm die Treppe herunter. Alles in allem verlief heute der Tag besser, als am Morgen erwartet. Das Verhalten seiner Klassenkameraden ihm gegenüber hatte sich nicht verändert. Und doch, Toji und Hikari waren in seiner Gegenwart stiller und vorsichtiger, als hätten sie mehr Respekt vor ihm als früher. Aber im Grunde genommen konnte es ihm egal sein. Tief in ihm nagte der Zweifel. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)