Drei Minuten mit dem Hauch des Schicksals von Dahlie (Das ist das Ende.) ================================================================================ Kapitel 13: Die sieben Wegweiser. --------------------------------- Schweigend sah Rose ihre Freunde an. Sie befanden sich im Schlafzimmer von Scorpius. Draußen war es noch immer dunkel und sie war sich sicher, dass dies auch genauso bleiben würde. Die Umwelt spielte verrückt, die Natur war nicht mehr ihr eigener Herr. Dies würde den blutenden Regen erklären, die Tage voller Finsternis und den Nebel, der ganz Amerika verschluckt zu haben schien. Jetzt war Scorpius weg, mehrere Anschläge, die niemand erklären konnte, in den Vordergrund gerückt und ein inoffizieller Krieg stand vor der Tür. Die sieben Todsünden schienen als Täter identifiziert zu sein und nichts passte auch nur ansatzweise im Kopf von Rose Weasley zusammen. Immer wieder ging sie auf und ab und dachte nach. Sie hatte die Erinnerungen von Scorpius gesehen, aber etwas schien zu fehlen. „Scorpius muss noch etwas hinterlassen haben“, sprach Fred, der sich die Erinnerungen gerade noch einmal angesehen hatte. Auf dem Sessel in der Ecke saß Albus und schien geistig abwesend immer wieder Tarotkarten zu mischen. Alice dagegen kroch aus dem Schrank und seufzte. Das Zimmer glich einem Schlachtfeld, denn wie auch Fred, waren sie alle überzeugt, dass Scorpius sie nicht nur mit Erinnerungen zurückgelassen hätte. „Er ist ein schlauer Junge“, führte Fred weiter aus. „Sobald er etwas davon gemerkt hat, dass mit ihm selbst etwas nicht stimmt, wird er etwas unternommen haben.“ Albus lachte verkniffen. „Das Problem ist, dass Super-Malfoy sich mit seinem Denken in Bereichen bewegt, die wir nur erahnen können. Es gab Pläne vor sieben Jahren, bei denen bin ich nur durchgestiegen, weil er sie mir mit Unterstützung von Schachfiguren erläutert hat.“ Alice setzte sich auf ihre Hacken und seufzte, sie sah durch das Zimmer, die Bettdecke war zerwühlt, die Matratze aufgeschlitzt, alle Schubladen ausgeräumt, Möbel verrückt. Innerlich war sie so angespannt, wie ein Flitzbogen. Zu schade, dass sie mit Accio nicht all ihre Probleme lösen konnten. Immerhin mussten sie wissen was sie suchten. Und das konnte aktuell alles Mögliche sein. „Wieso muss er immer um drei Ecken denken?“, beschwerte sie sich und Fred lächelte sie aufmunternd an. Er wirkte müde, aber der Drang danach, zu finden, was sie eventuell alle retten könnte, hielt ihn wach. „Weil ihm sonst wohl jemand auf die Schliche gekommen wäre.“ Frustriert setzte sich Rose auf das misshandelte Bett und vergrub das Gesicht in den Händen. Sie atmete tief durch, denn noch immer saß der Schock darüber, was sie in Scorpius Erinnerungen gesehen hatte, tief. Der Verrat von ihrem Vater, den Schmerz den Scorpius durchlebt hatte, die Angst in Russland und die Tatsache, dass er sie nie vergessen hatte, nagten an ihr. Am liebsten hätte sie ihn angesehen, ihm gesagt, wie leid ihr alles tat und ihn einfach nur berührt, ihn in den Arm genommen, sein Haar berührt, in seine klugen Augen gesehen, ihn einfach nur da gewusst. Rose sah auf und blickte zu ihren Freunden. Fred sah durch einige Bücher, in der Hoffnung, dass Seiten fehlten, Scorpius etwas reingelegt hätte, oder auch nur irgendetwas getan hatte. Alice riss sämtliche Nähte der Kleidung auf, um zu überprüfen, ob sie ein Versteck fand. Lediglich Albus saß in dem Sessel und mischte die Tarotkarten. Sie runzelte die Stirn. „Al, was tust du da?“ Statt sofort zu antworten, mischte er weiter, dann hielt er inne. Sein Gesicht war ernst, aber auch überrascht. „Hier fehlen Karten.“ „Was?“ Rose stand auf. Das war doch absurd. „Wahrscheinlich sind sie verloren gegangen.“ Albus sah sie an, zweifelnd und so, als wüsste er selbst nicht, wie er die fehlenden Karten einordnen sollte. Lediglich Alice war misstrauisch: „Wirklich? Wie viele sind es?“ Rose rollte mit den Augen und tippte sich gegen die Stirn, doch Alice stand empört auf: „Komm schon, bei Scorpius musst du auf jeden verdammten Knopf achten. Also, wie viele fehlen.“ „Sechs, na ja eigentlich sieben, wenn man die Deckblattkarte mitrechnet, aber die Zählt nicht wirklich dazu.“ In diesem Moment sahen sie sich alle nacheinander an. Sofort bildeten sie einen Kreis um Albus und dieser versuchte herauszufinden welche. „Das Problem ist, es handelt sich um die Karten aus Avalon, die sind anders, als jene von Emrys. Avalons Karten ändern sich, die von Emrys sind immer gleich.“ Rose erinnerte sich. Ihre Mutter hatte ihr einmal erzählt, dass, wenn man Avalon-Karten vererbte, die Karten sich selbst neu mischten, mit neuen Bildern und Vorhersagen und es deshalb kaum Zauberer gab, die jene Karten richtig lesen konnten. Die Karten von Emrys blieben immer gleich, die von Avalon änderten sich nach dem Tod des Besitzers. „Warte mal“, schaltete sich Fred ein. „Das ist sinnlos, wenn sich die Karten eh ändern, ich meine, wir können nicht wissen, welche fehlen, weil wir den Stapel nicht kennen.“ „Außer-“, Alice nahm Albus die Karten aus der Hand und begann sie zu durchwühlen, dann legte sie zwei zur Seite. „Die blutige Zofe, der dreiköpfige Hund und das Traumschloss, diese drei Karten sind immer dabei, aber das Traumschloss fehlt.“ Es war ein Ansatz. Wie aus der Pistole geschossen sprach Albus: „Hogwarts.“ Verwirrt sah man ihn an und er erläuterte: „Die Karte muss etwas darstellen und Hogwarts ist das einzige Schloss, welches Scorpius kennt und das noch steht, wenn ihr euch erinnert.“ Nach diesen Worten griff er nach seinem Stock und Rose fühlte, wie Schwindel sie erfasste. Es ging alles so schnell. Bevor sie richtig darüber nachdenken konnte, stürmten ihre Freunde schon zum Kamin und flohten direkt nach Hogwarts. Obwohl inoffiziell ein Krieg ausgebrochen war, war das Schloss äußerst belebt. Die ersten Schüler gingen zum Frühstück. Sie hörte den Lärm aus der Ankunftshalle und klopfte sich gerade die Asche vom Mantel, als Albus auf seiner Krücke schon weiter hastete. Wie konnte jemand, der dem Tod knapp von der Klippe gesprungen war, sich dermaßen schnell bewegen? Ein Blick auf Alice sagte ihr, dass diese dasselbe dachte. Schwer atmend stand Albus in der Ankunftshalle, gefühlte tausend Schritte halten an den hohen Wänden zurück und unzählige Schüler in Uniformen schritten an ihm vorbei. Albus sah sich um. Dann kam Fred bei ihm an und die beiden Hexen folgten. Rechts und links von der großen Treppe standen Skulpturen, alles schien wie immer. Kurz streifte ein elfjähriges Mädchen Albus und er hörte, wie sie das Lied vom kleinen Geist munter vor sich her summte. Er schüttelte den Kopf. „Was jetzt?“ Fragend sah er die anderen an und dann zuckte Fred mit den Schultern, zog seinen Zauberstab aus dem Umhang und sprach: „Accio Scorpius' Tarotkarten.“ „Ernsthaft?“, Alice griff sich an die Stirn und Fred gestand: „Hey, irgendwo müssen wir doch mal anfangen.“ „Ja, aber ein Denker wie Scorpius wird das nicht so einfach machen, er wird tausend verschiedene Spuren legen und-!“ „Leute?“ Rose traute ihren Augen nicht, aber zwei Karten flatterten auf sie zu. Geschickt fing sie diese ab. Auf der Ersten entdeckte sie ein kitschiges Zuckerschloss. Auf der zweiten Karte befanden sich römische Zahlen, die sich sanft auf und ab bewegten. Wieder bildeten sie einen Kreis, glotzten erst auf das zuckerhafte Traumschloss und dann auf die nichtssagenden Zahlen. „Sein Geburtstag?“, fragte Fred, doch Rose verneinte und Albus warf ein: „Feletonnummer, wie bei den Muggeln?“ „Nein“, entschied Alice und nahm sie Rose aus der Hand. „Es sieht nach Koordinaten aus“ Ihr entschlossener Blick ließ keinen Zweifel aufkommen. Trotzdem war Rose das Ganze suspekt. Wenn es Koordinaten waren, warum scheuchte Scorpius sie von Ort zu Ort? Wieso hatte er die Karten nicht zusammen irgendwo versteckt? Sie wünschte sich einfach, er möge auftauchen. Als sie hinter ihren Freunden zurück zum Kamin ging, sah sie kurz in die große Halle und erinnerte sich daran, wie es war mit Scorpius hier zu sein. Zuerst hatten Albus und Fred ihn ganz genau hier angegriffen. Ein Schmunzeln glitt über ihre Lippen. Hogwarts und Scorpius – das hatte irgendwie gepasst, denn an diesem Ort hatte er sich bewegt, als hätte er schon immer hierhin gehört. Die Schüler speisten zusammen an den langen Haustischen, unterhielten sich fröhlich, nichts ahnend, was eventuell bevorstehen könnte. Kurz wünschte Rose sich, sie würde dazu gehören. - - - Scorpius zuckte zusammen. Sein ganzer Körper krümmte sich und ein Schmerz überfiel ihn, der ihn an seine Grenzen brachte. Schweiß lief über seine Stirn. Seine Kleidung war feucht und er schmeckte einen fahlen Geschmack auf der Zunge. Jeder Knochen im Leib tat ihm weh. Er lag auf rauem Gestein. Nur langsam brachte er es über sich, die Augen zu öffnen. Dabei spürte er ein heftiges Brennen auf der Netzhaut. Irgendwo kicherte eine Stimme. Sie schien ihn auszulachen und es dauerte, bis Scorpius Superbia erkannte. Die kindliche Todsünde des Hochmuts amüsierte sich scheinbar prächtig. »Ich liebe es, wenn sich angeblich große Helden am Boden krümmen.« Ein Tritt glitt direkt zwischen seine Rippen und Scorpius stöhnte laut auf. Es war ein Indiz dafür, dass Todsünden verflucht real sein konnten. »Superbia, hör auf unseren Gast zu verwöhnen.« Ira. Die Todsünde des Zorns befand sich weiter rechts, aber Scorpius konnte ihn nicht erkennen. Sein Umfeld erschien ihm merkwürdig dunkel und unscharf. Fast so, als würde er durch viel zu starke Brillengläser schauen. Es roch nach verwestem Fleisch, nach Kälte und Feuchtigkeit. Er verließ sich auf all seine Sinne, doch ohne seine Augen konnte er wenig ausrichten. Außerdem nahm ihm der Schmerz die Konzentration. Seine Haut fühlte sich an, als würde sie verbrennen, jeder Atemzug tat weh. Jede weitere Sekunde wünschte er sich, es würde aufhören. Der Schmerz mochte verklingen, die Dunkelheit weichen und alles endlich ein Ende haben. Zu Beginn hatte er sich an alles festgehalten, was er liebte. Rose, seine besten Freunde, seine Neffen, seine Schwester, seine Mutter, sein Vater, aber all dies schien zu verschwinden. Das Licht seiner inneren Hoffnung schien auszugehen. Scorpius versuchte sich an die Wärme zu erinnern, die Rose ihm gab. Doch immer stärker erinnerte er sich stattdessen an die Einsamkeit, die er die größte Zeit seines Lebens verspürte hatte. Die Angst und das Gefühl von Vergessenheit. »Ich zeige dir, wie man einen Gast richtig behandelt«, sprach Ira. Einen Herzschlag später schrie Scorpius vor Schmerzen auf. Er schaffte es noch nicht einmal seinen Körper zu krümmen, stattdessen regte er sich überhaupt nicht mehr. Selbst das Atmen vergaß er vor Pein. Als würden tausend Volt durch seinen Körper schießen, ihn Abertausende von Nadeln gleichzeitig zerstechen, schrie er. Kurze Zeit später war ihm selbst das Schreien nicht mehr möglich. Nie hatte ihm auch nur ein Crucio so viel Schmerzen bereitet. Irgendwann, nach Minuten, Stunden oder Tagen, er vermochte es nicht zu sagen, hörte es auf. Reglos lag er auf dem nassen Stein. Er fühlte überhaupt nichts mehr. Leere umhüllte ihn. Immer wieder wünschte er sich, es würde aufhören. Warum wurde er nicht müde? Warum konnte er nicht einfach sterben? All seine Sinne schwanden und irgendwo in ihm drin zerbrach etwas. Die Stimmen der Todsünden drangen nicht mehr zu ihm durch. Er sehnte sich nach dem Ende, alles würde er ertragen, solange endlich alles aufhören würde. Scorpius schloss die Augen, er wollte schreien, seinen Schmerz Ausdruck verleihen, aber er konnte nicht. „Sc... orp...“ Nein, nicht jetzt. Er wollte nicht hören, nicht fühlen, er wollte einfach nur verschwinden. „Scorpius.“ Da war es wieder, jemand rief seinen Namen. „Du musst dagegen ankämpfen.“ Weshalb? Was brachte das alles? Er würde sowieso sterben, kämpfen würde es nur hinauszögern und ihm höllische Schmerzen bescheren. Nein. Alles, was er tun würde, wäre gar nichts. Da war etwas. Ganz sanft und leicht. Aber er hatte es gespürt. Sich von dem närrischen Gefühl von Hoffnung leiten lassen, griff er auf das letzte Bisschen Kraft zurück, dass sich noch in seinen Gliedern befand. Schwerfällig öffnete er die Augen. Erneut waren die Umrisse unscharf, aber dieses Mal stand keine Todsünde vor ihm. Dazu war die Person zu hell, dafür fühlte sich ihre Anwesenheit zu warm an. „Du musst leben, hörst du mich! Du darfst jetzt nicht aufgeben.“ Die Frage nach dem Warum, kam nicht über seine Lippen. Dafür schlug sein Herz plötzlich heftig gegen seine Brust, aufgeregt und vor allem zum ersten Mal wieder so, dass er etwas anderes wahrnahm als Schmerz, Hoffnungslosigkeit und Einsamkeit. Jemand berührte ihn, ganz zart, ein Geruch stieg ihm in die Nase und es traf Scorpius wie die Wucht einer gigantischen Welle, als er den Duft erkannte. Es war Jahre her, seit er ihn zum letzten Mal vernommen hatte. Ein Lächeln glitt über seine trockenen und rissigen Lippen. „Großvater“, hauchte er, und obwohl er die hellen Schatten nicht richtig sehen konnte, wusste er, dass er recht hatte. Kurz fragte er sich, ob er halluzinierte, aber dann wurde Scorpius bewusst, dass er sich die Wärme nicht eingebildet hatte. „Du darfst nicht sterben“, wiederholte die Stimme eindringlich. „Du musst durchhalten!“ Durchhalten, hallte es in seinem Kopf wieder. Scorpius musste die Augen schließen, zu sehr strengte es ihn an. „Er wird kommen, das verspreche ich dir!“ Scorpius fragte nicht danach, wer kommen mochte, es war ihm egal und kümmerte ihn nicht. Noch einmal vernahm er den vertrauten Duft und sein Geist griff gerade wieder nach einer Handvoll Hoffnung, als erneut ein unbeschreiblicher Schmerz durch seinen Körper fuhr. - - - Sie standen mitten in einem Park und Rose brauchte etwas, bis sie den Ort zuordnen konnte. Der Central Park in New York. Hoher Nebel nahm die Umwelt ein. Er stieg bis zu ihren Waden und war so dicht wie Milch. Sie erkannte Bäume, einige Laternen. Anders als in England war es hier nicht dunkel. Aber in England gab es auch keinen Nebel, der die Umwelt verschwinden ließ. Es war kalt und es fröstelte sie. Als sie sich umdrehte, erkannte sie mehrere Tische und Sitzgelegenheiten aus Stein. Auf den Tischen waren jeweils Schachbretter befestigt. Sie betrachtete die vereinsamten Figuren. Es wirkte, als hätten die Spieler sie einfach stehen gelassen und aufgehört, das Spiel zu Ende zu bringen. „Schach?“, Alice' Stimme hallte durch die Luft und Albus betrachtete die ganzen Bretter. Rose ließ sich auf einem Sitz nieder und betrachtete die abgenutzten Figuren. Sie erinnerte sich daran, dass sie einst mit Scorpius gespielt hatte, nur, um ihn hinzuhalten. Stattdessen hatte sie ihn näher kennengelernt und dem Schicksal eine Fügung gegeben. Ihre Wangen wurden rot, denn sie dachte an den Kuss, der kurz darauf folgte. Plötzlich kam ihr ein Gedanke, weshalb sie hastig aufsprang. Vielleicht konnte es ja sein, dass er auf diese Weise eine Nachricht hinterlassen hatte! Mit klopfenden Herzen besah sich Rose jedes einzelne Schachbrett, betrachtete die Art der positionierten Figuren und hoffte, dass sie sich nicht irrte. „Was genau suchst du?“, erkundigte sich Fred, doch sie hatte keine Zeit, sich zu erklären. Dann sah sie das passende Brett und schnappte nach Luft. „Ich glaube, ich habe etwas.“ Die Figuren standen genau so, wie damals, als sie das Spiel gegen ihn verloren hatte. Doch eins war anders. Rose sah, dass ein weißer und ein schwarzer Springer vertauscht worden waren. Sie lächelte, denn der Springer war Scorpius' Lieblingsfigur beim Schach. Dies sollte den Tag symbolisieren, an dem er die Seiten gewechselt hatte. Mit kalten Fingerspitzen hob sie den schwarzen Reiter auf der falschen Seite hoch, dann verwandelte sich das Schachbrett und sie sah auf eine Karte unter einer Glasschutzwand innerhalb des Brettes. Gemeinsam beugten sich die Freunde vor und sahen auf eine Karte mit einem schlechten Omen. „Das Tor der Auferstehung“, sprach Fred mit rauer Stimme. „Weiß einer, was das bedeuten soll?“ Albus sah sie nacheinander an. Er schien verunsichert. „Ich weiß nicht, ob es hilft, aber als ich Scorpius einmal in Russland besucht habe, sind wir durch ein Tor gegangen, das sich Auferstehungstor nennt.“ „Wo ist es genau?“, wollte Rose wissen und Albus sprach: „In Moskau, ganz in der Nähe vom roten Platz.“ Daraufhin sagte niemand etwas. Ihnen allen war klar, dass sie auf der richtigen Spur waren. Ein letztes Mal sah Rose durch den leeren Park und ihr Herz fühlte sich schwer an, wenn sie daran dachte, dass hier unter normalen Umständen ständig Muggel spazieren gingen. Ihr Blick kreuzte den von Albus und sie beide wussten, dass sie sich daran erinnerten, dass Scorpius durch die Sperre an Bewegungsmöglichkeiten sein Leben riskiert haben musste, um hier eine Fährte zu legen. Sekunden später apparierten sie. Anders als Rose, Alice und Fred brauchte Albus nicht lange um sich zurechtzufinden. „Ich verstehe immer noch nicht, was Scorpius uns eigentlich sagen möchte“, sprach Alice, doch anders als sie, schien Fred nicht nervös über diese Unwissenheit zu sein. „Es sind sechs Karten, die fehlen. Wir haben erst drei. Vielleicht erscheint am Ende eine Erinnerung oder so etwas.“ Er klang zuversichtlich, aber Rose glaubte nicht an eine Erinnerung. Das wäre viel zu einfach und zu gefährlich, falls jemand dem Rätsel auf die Spur gekommen wäre. Sie schritten durch das rote Auferstehungstor. Für die wunderbare Architektur hatte in diesem Augenblick keiner Zeit, stattdessen versuchten sie, die eisige Luft zu ignorieren. Es fiel ihnen schwer zu atmen, der Boden war glatt und beinahe hätte Albus sich humpelnd auf seine fünf Buchstaben gelegt. Schließlich standen sie inmitten des roten Platzes. Weit und breit war einfach nichts, außer ein paar Muggel-Kinder, die mit Kreide auf den unebenen Boden malten. „Sackgasse“, sprach Alice vernichtend und Rose ging frustriert in die Hocke. Fred strich sich durch die roten Haare und Albus brauchte eine Verschnaufpause. Dieses Herumirren machte sie nicht gerade schlauer und ein Gefühl sagte ihnen, dass die Zeit ihnen davon rannte. Am zwölften September sollte etwas Schreckliches passieren. Das war bereits übermorgen und sie tappten vollkommen im Dunklen. Niemand kannte den Ort, den Feind oder irgendetwas. Fred versuchte, sich nicht verrückt zu machen. Stattdessen ging er auf die Kinder zu. Es machte ihn stutzig, dass diese gerade auf diesem schlechten Boden malte. Eins von ihnen trällerte leise das Lied vom kleinen Geist. „Drei mal drei, es ist so weit, wir alle tanzen bald.“ Die unschuldige Stimme klang, als wäre nichts Ungewöhnliches daran, dass sich kein einziger Muggel in der Nähe befand. Fred blickte auf das Bild, dass die Kinder malten, dann riss er die Augen auf und rief: „Die nächste Karte ist das schwarze Einhorn.“ Tatsächlich erkannten alle vier auf dem Boden die etwas unbeholfene Karte. Albus presste die Kiefer aufeinander und gestand: „Und ich weiß sogar, was sie bedeutet.“ Sein Blick wurde ernst. „Es ist etwas, über das Scorpius und ich einmal gesprochen haben. Ich hätte nie gedacht, dass er sich daran erinnern würde.“ „Warum?“, fragte Rose und Albus sah noch einmal auf die Karte. „Weil es nicht unsere Sternstunde war. Ich habe ihn hier besucht und damals haben wir ziemlich viel getrunken. Jedenfalls, wir müssen zu jemanden, der der letzte seiner Art ist.“ „Seiner Art?“, Fred schien verwirrt, doch dann verstand er. „Als der letzte Todesser fiel, erwachten die Todsünden, aber er war nicht der Letzte.“ Der Potter nickte. „Richtig, wir müssen zu Parkinson. Er ist der Letzte und einzige noch lebende Todesser, der sich mit der neuen Welt nicht abgefunden hat.“ - - - Harter Regen klopfte gegen die Scheiben, überall brannten Kerzen. Es war merkwürdig ruhig auf Malfoy-Manor. Das einzige, was Elliott hörte, war, wie sein Sohn im Nebenzimmer in leisen Tönen sang. „Zwei mal zwei, es passiert allerlei. Der kleine Geist ist da und eilt herbei.“ Den halben Vormittag sang Floyd es schon und er schien nie müde zu werden. Strophe rauf, Strophe runter. Corwin hatte erst damit aufgehört, als Elliott ihn dazu verleiten konnte, eine Runde Schnippschnapp mit ihm zu spielen. Er genoss es, in das zufriedene Gesicht seines Sohnes zu blicken. Schließlich wusste er nicht, wie viel Zeit ihm noch blieb. Zu viele Dinge hatte er durch das Schweigen seiner Frau verpasst. Den ersten Schrei der Zwillinge, ihren ersten Schritt, das erste Wort ... und so wie es aussah, würde er sie vielleicht noch nicht einmal aufwachsen sehen. Am liebsten hätte er Mirabelle geschüttelt, sie angeschrien und sie unaufhaltsam nach den Warum gefragt, aber offen gestanden, kannte er die Antwort und konnte es ihr noch nicht einmal verdenken. Sie liebte die neue Welt und hatte es als einen Neuanfang gesehen. Alles, was sie getan hatte, war ihre Chance zu nutzen, ihr Leben so zu führen, wie sie es wollte. Er war in ihren Plänen nicht inbegriffen gewesen. Zumindest damals nicht. Mittlerweile war Elliott sich nicht mehr sicher. Die Arten, wie sie ihn ansah, berührte und wie sie sich verhielt, widersprachen sich. Es bedrückte ihn, dass er wohl nie herausfinden würde, was wirklich in ihr vorging. In der letzten Besprechung hatte Harry Potter fallen gelassen, was kommen würde. Etwas Böses, dessen Namen sie nicht kannten, ebenso, dass niemand wusste, wo es zuschlagen würde. Die ganze Welt stand dem Grauen offen, so verletzlich und ungeschützt, wie eine Jungfer in Not. „Dad, du bist dran.“ Im ersten Moment reagierte Elliott nicht, dann begriff er, dass Corwin ihn gespannt ansah. Er blinzelte, denn es war das erste Mal, dass er Dad genannt wurde. Der Junge versteckte sich hinter seinen Karten und wendete so den Blick ab. Trotzdem konnte Elliott das Grinsen und die roten Wangen dahinter erahnen. Alleine, wie er seine Füße baumeln ließ, in einem bestimmten Takt, verriet seine Freude. Gerade wollte er seine Karte ziehen, als er Stimmen aus dem Untergeschoss hörte. Insgesamt vier, sie alle redeten durcheinander und fragten immer wieder nach ihm. Neugierig legte Corwin seine Karten nieder und wollte zur Tür rennen, als Elliott ihm am Kragen erfasste und ihm sagte, er solle ins Nebenzimmer zu Floyd gehen. Eher widerwillig gehorchte Corwin. „Blöder Erwachsenenkram!“, schimpfte er und trottete davon. Elliott trat in den Flur und erblickte Weasley, Longbottom, Potter und noch einmal Weasley. Sie redeten so durcheinander, dass er versucht war, über sie alle einen Schweigezauber zu legen. Erst als Claire energisch nach Ruhe verlangte, verstummten sie und begannen sich zu erklären. Sie wurden je auf einen Stuhl gedrückt, bewaffnet mit einer Tasse Tee. „Wir suchen eine bestimmte Tarotkarte“, durchbrach Rose schließlich das Chaos. Sie erläuterte die Suche, die sie bislang hinter sich hatten. Claire, welche neben Elliott stand, wirkte skeptisch. „Ihr glaubt wirklich, mein Bruder hätte so eine Spur gelegt?“ „Ja“, Alice nickte heftig, doch die junge Malfoy wehrte ab. „Ich wüsste es, wenn Scorpius etwas hiergelassen hätte, was so wichtig ist. Wie kommt ihr überhaupt darauf, dass die Karte hier wäre?“ Kurz trat betretenes Schweigen ein. Dann zog Albus die Karte vom schwarzen Einhorn hervor und legte sie auf den Tisch. Die grünen Augen sahen Elliott an. „Das schwarze Einhorn ist das letzte seiner Art.“ Er brauchte sich nicht zu erklären, denn obwohl es wie ein Tritt in die Magengrube war, konnte Elliott die Vermutung nachvollziehen. „Ich verstehe“, sprach er und nahm es ihnen noch nicht einmal übel. Er war der letzte Todesser, der die neue Welt ablehnte. Zumindest konnte man es so sehen. Vorsichtig griff Elliott nach der Karte und sah sie an. Das stolze schwarze Einhorn, es wirkte einsam, wie es sich in seiner erhabenen Pracht präsentierte. Zumindest war er das nun nicht mehr. Ohne darüber nachzudenken, sah er zu der offenen Tür und zu seinen Jungs, wie sie spielten. Er hörte Corwin, wie er mit sich selbst sprach und Floyd, wie er noch immer das Lied vom kleinen Geist sang. Dann griff er automatisch nach der Hand seiner Frau und umschloss diese fest. Er spürte, dass sie dies erwiderte. Schließlich passierte etwas, was sie alle in Staunen versetzte. Das schwarze Einhorn verwandelte sich in ein Weißes. Niemand sagte etwas, stattdessen sahen sie alle auf die Karte. „Nun“, sprach Fred langsam. „Das war unerwartet.“ Elliott reichte die Karte zurück, dann sah er auf Corwin, der im Türrahmen stand und etwas in den Händen hielt. Ohne ein Wort zu sagen, streckte er die Hand aus. Rose griff danach und blickte auf eine weitere Tarotkarte. Dieses Mal entdeckte sie die Karte des Rattenfängers. „Onkel Scorpius hat gesagt, wir sollen das für dich aufbewahren und dir geben, wenn du auch eine hast.“ Hinter ihm stand Floyd. Dieser hatte ein Märchenbuch in der Hand und als Rose es entgegennahm, erkannte sie die Märchen von Beedle dem Barden. Das Buch war klein und passte beinahe in jede Manteltasche. „Du sollst es bei dir behalten“, wies Floyd drauf hin. „Es ist wichtig.“ Dann machten die Zwillinge kehrt und beschäftigten sich wieder im Nebenraum. Völlig irritiert versuchte Claire etwas zu sagen, aber ihr fiel nichts ein, was sie darauf antworten konnte. Rose dagegen musterte die Karte, ebenso wie Alice welche sprach: „Irgendein Hinweis für die nächste Karte?“ „Nein.“ Sie begannen zu diskutieren. Zuerst über die Elemente in der Karte, dann testeten sie mehrere Zauber, um vielleicht unsichtbare Tinte sichtbar zu machen. Aber all dies blieb ohne Erfolg. Schließlich ließen sie sich sogar von Corwin zu dem Ort bringen, wo er die Karte versteckt hatte. Der Malkasten seines Bruders erbrachte ebenfalls keine Hinweise. Frustriert ließ Rose den Kopf auf den Tisch sinken. Mittlerweile waren drei Stunden vergangen und sie waren immer noch nicht weiter. „Sind wir in einer Sackgasse?“, wollte Rose wissen, denn auch ihre Freunde schienen vor einem übergroßen Rätsel zu stehen. Alice musterte nun alle Karten zusammen, Fred hatte die Orte auf einer Karte eingetragen. Lediglich Albus betrachtete immer noch die Rattenfängerkarte. Vor ihnen dampfte mittlerweile je ihre zweite Tasse Tee und ein Teller voller Sandwichs wartete darauf, gegessen zu werden, doch keiner von ihnen verspürte Hunger. Die Zeit eilte. „Vielleicht denken wir zu kompliziert“, sprach Fred nachdenklich und musterte noch einmal die Karte. Niemand außer Albus antwortete ihm: „Das denke ich auch. Was ist, wenn die Karte ein Portschlüssel ist?“ Sofort sahen alle auf und der Potter erklärte: „Vielleicht müssen wir sie nur alle gleichzeitig anfassen und Scorpius hat sich auf die Erben von Hogwarts spezialisiert.“ „Aber dazu gehören ich und Rose nicht und Luna ist tot“, warf Fred ein. Doch für dieses Problem hatte Albus ebenfalls eine Lösung. „Ich denke, dass Scorpius euch als festen Bestandteil mit eingebunden hat, immerhin wart ihr von Anfang bis zum Ende dabei und ein Teil von dem ganzen Widerstand.“ Da sie fanden, dass es ein Versuch wert war, streckten sie, über den Tisch hinweg, alle die Hand aus und berührten die Karte des Rattenfängers, die Albus ihnen hinhielt. Just, als Rose sie als Letzte berührte, drehte sich die Umwelt und sie begriff, dass sie tatsächlich auf einen Portschlüssel getroffen waren. Das Einzige, was sie nicht verstand, war die Tatsache, dass das Malfoy-Anwesen gegen solche Magie gesichert war und der Portschlüssel trotzdem funktionierte. „Frag nicht“, war das Erste, was Alice ihr sagte, als ihre Blicke sich auf festen Boden wieder begegneten. Gruseligerweise befanden sie sich auf einem stockdunklen Friedhof. Nur die alten Öllaternen erhellten die schmalen Pfade zwischen den Gräbern. Kühler Wind sorgte für Gänsehaut und irgendwo knirschte etwas. Gras war über einige Gräber gewachsen, andere wurden von verwelkten Blumen geschmückt. „Wir sind auf dem Friedhof in Eastleigh“, stellte Fred fest und Alice runzelte die Stirn, weshalb er hastighinzu setzte: „Ich habe eine Zeit lang hier gewohnt und kenne die kleine Stadt gut.“ Rose folgte Albus, der ein paar Schritte davon humpelte und sich umsah. Viel zu entdecken gab es nicht, nur abgenutzte Steine in Form der Gräber. Einige sahen aus wie Kreuze, andere wirkten schmucklos und schlicht. Der Ort behagt Rose nicht, denn der Himmel war so pechschwarz wie die Nacht. Gleichzeitig roch es staubig, nach Fäulnis und etwas Nassem, das sie nicht einordnen konnte. Was wollte Scorpius ihnen hier mitteilen? Dass sie bald sterben würden? Es war ja nicht so, als würden sie nicht wissen, dass etwas Schlimmes bevorstand. „Leute“, riss Fred die Aufmerksamkeit an sich und Rose und Albus drehten sich um. Das Gesicht des Rotfuchses war blass und er wirkte etwas durcheinander. „Seht auf die Daten auf den Steinen.“ Sofort zog Rose ihren Zauberstab, sprach: „Lumos“ und ging in die Hocke. Nach dem dritten Grab verstand sie, was er sagen wollte, doch es war Albus, der es offen aussprach: „In diesem Grab liegen Kinder und keines ist älter geworden als sieben.“ Die Zahl sieben jagte Rose einen Schauer über den Rücken. Sieben Jahre Frieden, sieben Todsünden und nun das. Sie waren weit von einem Zufall entfernt. „Und die nächste Karte ist sogar schrecklicherweise die Karte der gestohlenen Kinder“, setzte Alice sie in Kenntnis, denn sie hatte einen Grabstein gefunden, in dessen Ecke eine Tarotkarte abgebildet war. Wegen der Dunkelheit und dem hochgewachsenen Gras, war sie nicht direkt zu erkennen gewesen. Rose blieb regungslos stehen. Sie dachte an die anderen Karten, an die Orte und die Art wie Scorpius seine Fährten legen würde. Es war, als würde ein Schleier aus Nebel, der ihr die klare Sicht auf die Dinge genommen hatte, fallen. Mit einem Mal wusste sie ganz genau, was Scorpius ihr sagen wollte. Ein Stein fiel von ihrem Herzen, die Anspannung – wenngleich ihr die Nachricht nicht gefiel – wich von ihr. Langsam drehte sie sich zu ihren Freunden um. Ihre Kehle fühlte sich an wie zugeschnürt. „Ich habe die Lösung. Das, was Scorpius uns sagen will, liegt direkt vor uns.“ - - - Der nächste Weg führte sie direkt zu Harry Potter. Es war schwierig ihn im Zaubereiministerium zu finden. Überall verlangte man Passwörter, bis es Albus reichte und er den Auroren entgegen brüllte, er würde ihnen gleich zeigen, wie viele 'Passwörter' er kennen würde. Es dauerte und je länger es dauerte, umso nervöser wurde Rose. Schließlich hatte sie alle Karten und Orte an einer leeren Wand, in einem abgeschotteten Raum befestigt und ihren Onkel aufgetrieben. Harry sah aus, als wäre er in den letzten Stunden um zehn Jahre gealtert. In seiner Begleitung befanden sich ihre Eltern und Rose spürte, wie die Wut in ihr aufstieg, als sie das Gesicht ihres Vaters sah. Sie hatte nicht vergessen, was er Scorpius angetan hatte. Stumm fragte sie sich, wie er damit leben konnte, jemanden so erpresst zu haben. Er hatte Scorpius keine Wahl gelassen und dazu beigetragen, dass sie unter schmerzhaften Kummer gelitten hatte. Obwohl ihr Vater gewusst hatte, wie wichtig ihr Scorpius war, hatte er nicht den kleinsten Versuch unternommen, etwas von diesem Schmerz von ihr zu nehmen. Hermine setzte sich erschöpft auf einen freien Stuhl, Ron tat es ihr gleich. Lediglich Harry blieb stehen und Alice erklärte ihm bereits, dass sie einer Spur von Scorpius gefolgt waren und er wichtige Hinweise hinterlassen hatte, die ihnen vielleicht helfen würden. „Ihr seid euch ganz sicher, dass Scorpius die Hinweise hinterlassen hat und nicht zum Beispiel eine Todsünde?“, fragte Harry ernst nach, aber bevor jemand das bekräftigen konnte, sprach Ron dazwischen: „Das kann doch völlig egal sein. Malfoy ist weg, das spricht für sich. Er steht mit den Todsünden unter einer Decke.“ Rose ballte die Hände zu Fäusten. Am liebsten hätte sie direkt ihren Zauberstab gezogen, doch sie wurde von Harry überrascht. Mit einer harten Miene drehte dieser sich zu seinem besten Freund um: „Unterlass das urteilen! Wir wissen nichts, außer das am zwölften September etwas Schreckliches passieren wird. Das ist alles, was wir haben und falls du es noch nicht bemerkt hast; die Zeit rennt uns nur so davon.“ Es war das erste Mal, das Rose ihren Onkel so hart sprechen hörte. Er wirkte streng, angespannt, und als sie seinen Blick auffing, wurde ihr bewusst, dass die Angst der Todesser nie unbegründet geblieben war. Denn Harry war nicht nur ein talentierter Auror, sondern strahlte etwas aus, was ihr Angst machen würde, wenn sie nicht auf derselben Seite stehen würden. „Ich vertraue Scorpius. Er hat mir nie einen Grund gegeben, es nicht zu tun, sondern stattdessen noch sein Leben riskiert, um die neue Welt zu schützen. Er wurde hier offen angefeindet und niemand hat es ihm leicht gemacht. Trotzdem ist er geblieben, um zu helfen.“ Die Aussage des Auserwählten war schlicht gewählt. Er nickte Rose zu und sie fing an zu erklären: „Scorpius hat sechs Karten hinterlassen, sie alle und die Orte, an denen wir sie gefunden haben, bedeuten etwas.“ Sie begann mit der Karte des Traumschlosses. Die Aussage war simpel, denn sie symbolisierte ein fremdes Königreich: „Wahrscheinlich das Reich von Diabolus. Es ist das Reich der Toten, oder?“ Ihre Mutter nickte. „Wir assoziieren ihn mit dem Begriff des Teufels, aber er ist auch als König vom Reich der Toten zu verstehen.“ „Die nächste Karte war ein Koordinatenfeld. Die Karte an sich ist nicht wichtig, außer sie sagt Unendlichkeit aus. Der Ort, der uns erwartete...“ „War friedlich“, unterbrach Fred verwirrt. Rose hob einen Finger: „Ja, so sah es aus, aber die Schachbretter wirkten so arrangiert, als würde eine Schlacht bevorstehen. Genau das will er uns damit sagen, allerdings ist die Anzahl der Gegner enorm, es wird also eine gigantische Armee sein, die auf uns wartet.“ Sofort sah sie das Entsetzen in den Gesichtern der anderen, aber Rose war noch nicht fertig. Sie erklärte, dass die Schlacht auf dem roten Platz in Russland stattfinden würde, weil das Tor der Auferstehung als Portal für die Unterwelt dienen würde. Das schwarze Einhorn bereitete sie darauf vor, dass sie bekannte Gesichter wiedersehen würden. Unter anderem viele Todesser, die unter der Hand des Orden des Phönix gestorben waren. „Dann kam der Rattenfänger, wir haben sie von Corwin. Habt ihr das Lied gehört, dass wir immer wieder vernommen haben?“ „Der kleine Geist“, warf Albus tonlos ein und jeder konnte sich daraus seinen Reim machen. In dem Lied vom kleinen Geist ging es um die Ankündigung, dass der Geist kommen würde, aus der Vergangenheit in die Gegenwart, dazu noch mit einem Knall. Er würde sich dann holen, was er wollte. Da es ein Kinderlied war, glaubten viele Halbwüchsige an Süßigkeiten oder Spielzeug, aber in einem anderen Kontext bekam es eine ganz andere Bedeutung. „Neben der Schlacht“, sprach Rose heiser „wird jemand kommen und versuchen die Kinder zu manipulieren.“ Das schreckliche Vorhaben, das sich offenbarte, ließ ihre Hände vor Angst um die unschuldigen Geschöpfe zittern. Sie zeigte auf die letzte Karte – die gestohlenen Kinder. Diabolus würde sie alle mit einer Schlacht auf dem roten Platz ablenken, dann würde er sich persönlich alle Kinder holen, die nach dem Krieg geboren waren und das Glück der neuen Welt, gekostet hatten. Dies war seine Rache. So brachte er Unglück, Leid und Chaos über die Welt. Indem er ihr das Unschuldigste nahm, was sie zu bieten hatte. Es gab also zwei Fronten, den roten Platz und jeden Ort, an dem ein Kind unter acht Jahren lebte, welches aus der magischen Welt stammte. „Wir müssen sie schützen! Sie alle!“, donnerte Harry. Er sah zu Hermine und Ron, eine stumme Kommunikation fand statt. „Außerdem brauchen wir jeden Einzelnen, der in der Lage ist zu kämpfen, am roten Platz. Ruft sofort zu einer Notsitzung ein! Wir müssen sofort handeln!“ Sofort wurden Stühle gerückt, doch während jeder nach draußen stürmte, sah Rose auf die Karten, die nun in fester Form alle ordentlich an der Wand klebten. Das letzte Rätsel hatte sie für sich behalten. Sie hatte eine Möglichkeit gefunden, Scorpius' Aufenthaltsort zu finden. Zuerst hatte sie es als einen törichten Gedanken abgetan, aber als sie alle Karten in der Hand gehalten hatte, war ihr die Wärme aufgefallen. Wärme, die sie vermuten ließ, dass alle sechs Karten eine Siebte bilden würden. Ihre Gedanken wollte sie nicht laut aussprechen, nicht vor ihrem Vater. Vielleicht blieb ihr ein geglückter Moment, in dem sie sich unsichtbar machen konnte, um zu verschwinden. Rose war bewusst, dass sie so ihre Freunde im Kampf im Stich lassen würde, aber ihr Herz sagte ihr, wenn sie nicht sehr bald handeln würde, dann wäre es zu spät. Sie stolperte aus dem Raum, dann sah sie etwa fünf Meter entfernt ihren Onkel stehen. Seine Augen waren auf einen festen Punkt fixiert und sie wollte gerade fragen, was mit ihm los war, als es ihr wie Schuppen von den Augen fiel. Ihr Körper spannte sich genauso an, wie der ihres Onkels. Harry hob den Kopf. Seine Miene war versteinert, doch seine Augen voller Furcht. Dann sprach er die vernichtende Tatsache aus, die ihnen alle den Tod bringen würde. „Wir wissen nicht, wie man Diabolus und seine Armee aufhält.“ - - - Es war kalt. Seine Glieder taub. Jemand hatte eine Hand um sein Herz gelegt und drückte zu. Die Luft wurde dünn. Scorpius glaubte, dass sich sein Herzschlag verlangsamte. Biologisch dürfte es kaum möglich sein, so etwas selbst zu spüren. Doch das Schlagen hatte eine kurze Zeit in seinen Ohren widergehallt. Jetzt glaubte er zu hören, wie es aufhörte. Sein Bewusstsein schwand. Er hatte alles gegeben, seinen Freunden einen Hinweis hinterlassen, der Hexe, die er liebte, wissen lassen, dass er es tat und er hatte sich selbst aus dem Verkehr gezogen. Mit seinem Geist würden keine Anschläge mehr geplant werden. Leben waren gerettet. Scorpius versuchte Erleichterung und Zufriedenheit zu spüren, doch stattdessen war da nur eine einsame Leere. Die braunen Augen waren offen, aber sie starrten einfach nur vor sich hin. Der Glanz verschwand. Wo blieben das Licht und die Wärme, die man angeblich spürte, wenn man starb? Ging man alleine auf die andere Seite? In seinem Blickfeld bewegte sich etwas. Waren Superbia und Ira zurück? Würden sie ihn weiter quälen? Scorpius wollte die Augen schließen, dann spürte er einen Windhauch. Er wirkte so schrecklich real. Schließlich drang eine Stimme durch den Nebel seiner Wahrnehmung. Im ersten Moment glaubte er an eine Einbildung, bis ihm sein letztes Bisschen Verstand sagte, dass es wohl auch genau so eine sein würde. Eine dunkle Gestalt kam auf ihn zu, dann beugte sie sich über ihn und Scorpius wollte die Augen schließen. Sein Tod schien gekommen zu sein. „Deine Pläne waren immer die Besten und da hat sich scheinbar auch nach sieben Jahren nicht dran geändert.“ Die Stimme klang amüsiert. „Ich wusste schon, warum ich lieber unter dir gearbeitet habe, anstatt unter deinem Bruder.“ Scorpius zwang sich die Augen so weit er konnte aufzureißen. Er roch Nikotin, allerdings eine bestimmte Sorte Zigaretten. Eine Sorte, die er in der neuen Welt nie wieder gefunden hatte. Die Umwelt blieb unscharf, doch jene Gestalt, die sich zu ihm runter gehockt hatte und ihm ein breites Grinsen schenkte, bekam immer schärfere Kanten. Kurz vergaß Scorpius all seinen Schmerz und sah reglos auf die Gestalt. Als wäre er um keinen Tag gealtert, grinste ihn sein bester Freund aus dunklen Tagen an. Richard Zabini trug die Kleidung eines Todessers, er roch noch nach Tod und sah aus, als hätte er sich fertiggemacht, damit sie einen neuen Auftrag ausfüllen konnten. Wie in Trance sah er Richard an, saugte jedes einzelne Merkmal in sich auf. Dass seine Schmerzen verschwanden und sich sein Körper ganz langsam anfühlte, als würde er sich inmitten eines Nebels auflösen, realisierte er nicht mehr. Seit der neuen Welt hatte Scorpius nie wieder ein Wort über Richard verloren. Warum, konnte nur er alleine sagen. An dem Tag, als die neue Welt aufstand, verlor er alles. Seine Familie, seinen besten Freund und die Hexe, die er liebte. Noch mehr Qualen hätten ihn umgebracht. Jede Erinnerung an Richard hatte er verdrängt, denn obwohl Richard und er in einer dunklen Zeit aufeinandergetroffen waren, hatte er auch immer etwas Licht mit in seine Welt gebracht. „Du siehst scheiße aus“, sprach Richard ohne Beschönigungen und Scorpius lachte. Zumindest glaubte er, dass er lachte. Alles, was er wusste, war, dass ihm diese Reaktion gut tat. Richard tat es ihm gleich und gerade, als Scorpius wünschte, dieser Moment würde ewig dauern, verstummte Richard und sah ihn schweigend an. Dann lächelte er und der Ausdruck seiner Augen veränderte sich. Er hielt ihm die Hand hin, damit er Scorpius beim Aufstehen helfen konnte und es wirkte, als würde er jeden Moment sagen- „Komm, Kumpel, es ist Zeit für dich zu gehen.“ Fortsetzung folgt... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)