Drei Minuten mit dem Hauch des Schicksals von Dahlie (Das ist das Ende.) ================================================================================ Kapitel 16: Das Ende des Schicksals. ------------------------------------ Rose hatte den Bannkreis fallen gelassen. Ein gewaltiger Fehler. Mit Ira konnte sie es nicht aufnehmen. Statt ihm die Stirn zu bieten, schien sie ein Spielball für Ira zu sein. Immer wieder hallte sein irres Lachen durch die Halle und Rose bereute ihr törichtes Handeln. Innerhalb kürzester Zeit hatte ihr die Todsünde zwei Rippen gebrochen. Mit einer Wucht, die sie beinahe hätte ohnmächtig werden lassen, war sie gegen die hohe Wand aus Stein geschleudert worden. Gelassen tänzelte Ira auf sie zu und spielte mit dem langen Stab in seinen knochigen Händen. Sie wollte sich aufrappeln, doch Ira hob nur eine Hand, vollführte eine simple Geste und Rose schrie auf. Es fühlte sich an wie der Cruciatus. Schmerzen schossen durch ihren Körper. Eine Qual, die sie beinahe aus ihren Erinnerungen verdrängt hatte. »Na, na«, sprach Ira sichtlich amüsiert. »Nun reiß dich mal zusammen, ist ja nicht so, als würde ich an dir herumexperimentieren. Die Flüche sollten alte Bekannte sein.« Der Schmerz hörte abrupt auf und Rose keuchte laut. Der kühle Boden brannte auf ihrem Gesicht und sie schluckte. Ihre Haut kribbelte angespannt und ihr Herz schlug heftig in ihrer Brust. Ira beugte sich leicht zu ihr herunter und stützte sich auf seinem Stab ab. »Wenn ich es mir recht überlege, dann ist es nie zu schade, ein paar Erinnerungen wieder aufzufrischen.« Der Cruciatus folterte sie erneut und Ira schien Gefallen daran zu finden, ihr ein paar Sekunden Ruhe zu gönnen, nur um sie dann wieder spüren zu lassen, dass sie so viel wert war, wie Staub zu seinen Füßen. Mit dem Stab brach er ihr die Hand, indem er genüsslich das Ende auf ihr absetzte und sich unter seinem vollen Gewicht abstützte und erhob. Etwas knackte, doch Rose vernahm den Bruch kaum, da der Cruciatus keinen Unterschied von Schmerz zuließ. Rose lief der Speichel aus dem Mund, kalter Schweiß überzog ihren Körper und zum ersten Mal keimte in ihr der Gedanke auf, dass doch bitte alles nur noch ein Ende haben sollte. Sie hörte, dass Goodale zu ihr sprach, aber die Worte drangen nicht zu ihr durch. Sie war eine Weasley und es war erniedrigend, dass sie sich nicht besser zur Wehr setzten konnte. Mit der letzten Kraft, die sie aufbringen konnte, sammelte sie sich und wollte sich aufrichten. In ihrer unverletzten Hand hielt sie noch immer die letzte Perle. Ihr Zauberstab lag zerbrochen in der verletzten Hand. Sie sollte sich selbst schützen, aber stattdessen wog sie die Chance ab, Ira einzusperren. Plötzlich und ohne, dass sie damit gerechnet hatte, wandte sich die Todsünde ab und sie erkannte verschwommen eine weitere Gestalt. Blonde Haare, das Gesicht verdeckt unter einer Maske. Superbia, die Todsünde des Hochmuts, tänzelte auf Ira zu und kicherte: »In dir steckt ja doch eine Spielernatur.« Ira antwortete darauf nicht, sondern fragte: »Was willst du hier?« Die jüngere Todsünde drehte sich wie eine Primaballerina um sich selbst. »Luxuria schickt mich, du sollst ihr helfen. Scheint so, als hätten ein paar Menschen es geschafft, sie ein wenig einzuschränken.« Dies war der Moment, den Rose nutzte. Sie ließ die letzte Perle rollen. Unter großen Kraftaufwand drehte sie ihren völlig geschwächten Körper und nahm den zerbrochenen Zauberstab in die unverletzte Hand. Immer wieder wurde ihre Sicht getrübt und sie zwang sich, zu blinzeln. Ihr Herz schlug bis zum Hals und sie betete zu Merlin, dass sie diese paar Sekunden keine Aufmerksamkeit auf sich zog. Ihre Nerven waren bereits zum Zerreißen angespannt. Plötzlich und völlig unerwartet fuhr Superbia herum, zu Roses Glück in die andere Richtung, sie kreischte hysterisch: »Nein!« Auch Ira folgte nun ihrem Blick und dann ging alles ganz schnell. Rose nutze die Chance, die sich ihr nicht zweimal bieten würde, und schickte einen Confringo-Zauber in Richtung Perle, die sich nur wenige Zentimeter von Superbias Füßen entfernt befand. Die Perle explodierte, der Bannkreis glitt hoch. Erschöpft, aber auch im Bewusstsein, dass sie die andere Todsünde nicht aufhalten konnte, sackte sie kraftlos in sich zusammen. Ira erstarrte. Schockiert sah er, dass der leblose Körper des Malfoys verschwunden war, dann wich er von Superbia zurück, da ein Bannkreis hochzog und er keinen falls mit eingesperrt werden wollte. Es passierte beinahe alles gleichzeitig. »Du-«, flüsterte er aufgebracht in Roses Richtung und hob seinen Stab. Er wollte diesem überflüssigen Kriechtier den Rest geben, als er von seinen Füßen gerissen wurde. Doch, noch bevor Ira mit Wucht gegen eine Säule prallte, fing er sich in der Luft ab und seine wütenden Augen glitten durch den großen Saal. Scorpius stand mit erhobenem Zauberstab am Fuß der Treppe. Äußerlich vollkommen ruhig hatte er seinen Blick auf die Todsünde gerichtet. Kreischend sauste Ira durch die Luft, doch eine unsichtbare Wand warf ihn zurück. Innerhalb kürzester Zeit hatte Scorpius drei Adversus-Moenia-Zauber im gesamten Saal verteilt. Er hatte zwischen Ira und Rose eine unsichtbare Schutzwand hochgezogen und zwischen Ira und ihm noch zwei, die Letzte endete am Fuß der Treppe. Die braunen Augen des Malfoys blickten die Todsünde verachtend an. Er ignorierte Iras Gewaltausbrüche. Immer wieder versuchte Ira die Schutzwand zu durchbrechen und Scorpius wusste, es würde nur eine Frage der Zeit sein, bis es der Todsünde auch gelang. Scorpius drehte sich um und wollte die Treppen erklimmen. Seine Füße waren schwer wie Blei, als hätte man Gewichte dran fest gezauberte, doch er setzte tapfer einen Fuß vor dem Nächsten. Dann hielt er jedoch inne. Er riss die Augen auf und sein Mund wurde seltsam trocken. Jemand erwartete ihn acht Stufen höher und Scorpius blinzelte. Richard sah ihn an und ihm wurde bewusst, welche Stimme ihn dazu verführt hatte, ein Tor zu öffnen, welches grausames Verderben über die Welt brachte. „Verräter!“, klagte Richard ihn an. Scorpius glaubte, dass sich eine eiskalte Hand um sein Herz legte. Traurigkeit breitete sich in ihm aus. Sein bester Freund verkörperte seine Vergangenheit und auf grausamer Art und Weise begriff Scorpius, dass er nicht nur das Schlechte an der dunklen Zeit verdrängt hatte, sondern auch das Gute. „Richard, ich-!“, weiter kam er nicht, denn die Stufen vor ihm fingen Feuer. Hohe Flammen schlugen ihm entgegen. „Ich habe dir vertraut. Darauf, dass du dich nicht ändern würdest. Darauf, dass ich dir wichtig bin. Wichtig genug, damit du an mich denkst, dass du zurück willst.“ Seine Stimme ertrank in Schmerz und Verachtung. „Aber du, du hast mich einfach vergessen. Ich war dir nichts wert!“ Scorpius blieb stehen und hielt schützend die Hände vor sein Gesicht. Er fühlte sich schrecklich. Angst, Druck und Panik erfassten ihn. Er musste zum Tor, er musste es schließen und das am besten, bevor Ira hinter ihm die zweite Schutzwand durchbrach. Gleichzeitig war es nicht irgendjemand der vor ihm stand, sondern Richard. „Habe Vertrauen in ihn.“ Scorpius zuckte zusammen. Die Stimme ließ eine Gänsehaut über seinen Körper rieseln. Er wagte es kaum sich umzudrehen und schloss die Augen, als er die nächsten Worte vernahm. „Erinnere ihn daran, was euch verbunden hat. Vertraue darauf, dass er dich versteht, so wie er es früher getan hat.“ Die Stimme seines Großvaters sprach ihm Mut zu. Am liebsten hätte Scorpius ihn in den Arm geschlossen, aber er wusste, dass dies nicht möglich war. Zögernd drehte er sich um. Hinter ihm befand sich niemand, aber er fühlte sich, als würde jemand dort stehen. Jemand, der dafür da war, ihn zu begleiten und zu unterstützen. Scorpius ließ die Hände sinken und tat das, was nicht lebensmüder hätte sein können. Er trat einfach durch die Flammen. Das Gewicht an seinen Füßen kostete ihn Kraft, die Hitze schlug hoch, aber je mehr Stufen er bezwang, umso mehr ließ die Hitze nach. „Erinnerst du dich daran, als wir beide unter meinem Bruder lernen mussten?“, sprach er ruhig. „Wir haben den Tag herbeigesehnt, an dem wir unser eigener Herr sind und selbst entscheiden konnten, wie wir handeln, was wir tun und als richtig erachten.“ Richard regte sich nicht. Scorpius fuhr fort: „In der neuen Welt kann ich über meine Entscheidungen selbst bestimmen. Ich bin ein freier Mensch.“ Etwas in Richards Gesicht zuckte. Scorpius schnaufte: „Wenn ich hätte sterben wollen, dann hätte ich nur die Grenze von Russland überqueren müssen. Aber ich entschied mich zu kämpfen und der neuen Welt zu beweisen, dass ich ein Recht auf Freiheit habe und sie verdiene.“ Er blieb stehen. „Jetzt bin ich ein Leiter des Phönix Ordens.“ „Sie haben dich gequält“, warf Richard mit eiskalter Stimme ein. „Ich war dabei, ohne, dass du mich bemerkt hast, und wage es nicht mich anzulügen. Es war erbärmlich. Sie gingen mit dir um, wie mit einem Schlammblut.“ Scorpius stimmte dem zu und erwiderte: „Das mag sein, denn in der neuen Welt zählt dein Können, dein Charakter und vor allem dein Herz.“ Er sah, dass Richard die Lippen aufeinander presste, ihm fehlten noch fünf Stufen. Seine Hände waren schweißnass und hinter ihm durchbrach Ira die erste Schutzwand. Wie zerspringendes Glas brach der Fluch zusammen und rieselte in tausend Einzelteile zu Boden. Scorpius bemühte sich, sich davon nicht ablenken zu lassen. „Du bist alleine. Elliott ist dir keine Hilfe“, sprach Richard schneidend und zum ersten Mal musste Scorpius lächeln. Dies schien seinen besten Freund zu verwirren. Richard runzelte die Stirn. Scorpius antwortete: „Nein, ich habe Freunde gefunden. Albus kam mich zum Beispiel viel besuchen. Er zog mit mir durch die Kneipen und lenkte mich ab. Wusstest du, dass es wieder Quidditchspiele gibt? Sie sind in echten Stadien sogar noch besser, als in den Erzählungen der alten Leute. Iwan und Andrej haben mich ein paar Mal mitgenommen und mir versucht weiszumachen, dass es rote und gelbe Karten beim Quidditch gibt.“ Er lächelte und hielt kurz inne, dann sprach er: „Aber das weißt du sicher, immerhin warst du dabei, wo auch immer ich mich aufgehalten habe.“ Richard sah aus, als hätte Scorpius ihn vor den Kopf gestoßen und in diesem Moment überwand er die restlichen Stufen. „Ich will ehrlich sein. Mit Albus zu trinken ist witzig, aber an deine Trinkfestigkeit kommt er natürlich nicht dran.“ „Ist das so?“, fragte Richard und die harte Linie seiner Lippen wurde weicher. Scorpius nickte: „Natürlich. Jetzt muss ich mich ans Limit halten, weil einer muss ja dafür sorgen, dass man im richtigen Bett landet.“ Richard sah ihn schweigend an und Scorpius erschrak selbst darüber, dass ihm die Erinnerung an all das, was er mit seinem besten Freund erlebt hatte, so blass vorkam. Mit jedem Schritt gewann sie jedoch an Farbe. Nun stand er vor ihm und Scorpius schluckte: „Es tut mir leid.“ Es waren schlichte Worte, aber sie sorgten dafür, dass Richard ihn ansah. Die Wut verschwand aus seinem Gesicht und die Flammen erloschen. Der Todesser sah ihn stumm an. „Ich vermisse dich“, brach es aus Scorpius heraus. „Aber immer wenn ich an dich denke, dann tut es weh und macht mich traurig, weil du nicht da bist. Mir kam es leichter vor, wenn ich nicht mehr an dich denke.“ Das Geständnis kam ihm so leicht über die Lippen, als hätten die Worte nur darauf gewartet, nach draußen zu dringen. Scorpius sah auf die Stufen, er schämte sich dafür, dass er Richards Andenken nicht gewürdigt hatte, auch, wenn sein Freund als Todesser in der neuen Welt als verachtenswert angesehen wurde. Trotzdem war Richard ihm immer ein guter bester Freund gewesen. „Wenn du kommst, dann sehen wir uns ein Quidditchspiel zusammen an. Ich möchte, dass du mir die Regeln erklärst.“ Scorpius blickte auf. Seine Augen weiteten sich leicht und er sah, wie Richard lächelte. Der Hass, die Wut und die Enttäuschung schienen von ihm gewichen zu sein. Er trat an Scorpius vorbei und der Malfoy drehte sich um. Langsam löste sich die Gestalt von Richard auf und ganz kurz glaubte Scorpius, dass am Fuß der Treppe jemand neben ihm stand, so als würde ihn jemand abholen. Der Kloß in seinem Hals schmolz. Nur schwer riss er sich von der Verflüchtigung los und kämpfte sich wieder weiter hoch zum Tor. Erst jetzt hörte er, wie Ira brutal gegen die Schutzwand kämpfte. Ihm rannte die Zeit davon. »Das wagst du nicht!«, kreischte Ira, doch Scorpius ließ sich davon nicht aufhalten. Er erreichte die letzte Stufe und warf sich gegen das offene Tor. Jeder Muskel in seinem Körper tat weh und war angespannt. Seine Gedanken galten nur diesem Tor, das geschlossen werden musste, und mit jedem Millimeter, den er es bewegte, wurden dunkle Schatten wieder ins Innere gezogen. Kräftiger Wind fuhr durch seine schweißnassen Haare. Nur noch ein bisschen, dann hatte er es geschafft. In dem Moment, in dem das Tor zu fiel, brach die Schutzwand am Fuß der Treppe und Ira raste auf ihn zu. Ohne nachzudenken, fuhr Scorpius herum und schützte sich mit einem Cave-Inimicum-Zauber. Er ließ Ira nur einmal abprallen, aber das war für Scorpius gut genug, sodass er sich in Position bringen konnte. Die dunkle Blutspur, welche sich die Treppen hinauf zog, bemerkte er nicht. Es wirkte, als hätten die Schatten mit dem Blut ihrer Opfer ein Andenken hinterlassen. Das Scorpius gegen eine Todsünde kämpfte, daran dachte er nicht und ließ sich nicht einschüchtern. Viel mehr bewegte sich sein Körper fast ganz von alleine, als Ira versuchte, ihn zu zerreißen. Als der Kampf am anderen Ende des Saals verlegt wurde und Ira ihn hasserfüllt anstarrte, ballte Scorpius mit der Hand eine Faust. Lange hatte er sich nicht mehr so lebendig und kraftvoll gefühlt. Es war, als würde sein Körper nach langer Zeit endlich einmal wieder ihm gehören. Langsam sah er auf die Todsünde und in seinen Augen blitze etwas auf, was weder Ira noch Superbia je gesehen hatten. Superbia, die am anderen Ende, nicht weit von Rose in einem Bannkreis eingesperrt war, verfolgte das Duell mit Schrecken. Sie hatte noch nie erlebt, dass es einen Menschen gab, der sich gegen eine Todsünde behaupten konnte und zum ersten Mal, seit sie im Dienst des Diabolus stand, hatte Superbia Angst. Angst, dass sich der menschliche Zauberer, sie als Nächstes vorknöpfen könnte. Atmen fiel ihr schwer und Rose vermutete, dass die gebrochenen Rippen daran einen großen Teil der Schuld trugen. Sie lag auf der Seite. Hysterische Schreie drangen an ihr Ohr. Wie lange war sie ohnmächtig gewesen? Jegliches Zeitgefühl hatte sie verloren. Der metallische Geschmack von Blut lag auf ihrer Zunge. Sie blinzelte und versuchte die schemenhaften Gestalten zu erkennen. Ihr wurde eiskalt, als sie Iras Stimme zuordnen konnte. »Ich werde dich heimsuchen, dich verfluchen, dich auf ewig-« Rose hob zaghaft den Kopf. Sie zitterte und sah mit an, wie die älteste aller Todsünden auf dem Bauch lag, gefesselt durch magische Seile, die jedes Glied des lebendigen Skeletts streckten und dafür sorgten, dass sich kein einziger Knochen bewegen konnte. Der Stab mit dem Totenschädel lag in zwei gebrochen ganz in der Nähe. Rose runzelte die Stirn und drehte sich auf den Bauch. Es war ihr unbegreiflich, wie es dazu gekommen war. Unter enormen Schmerzen wollte sie sich mit den Armen hochhieven. Sie blickte nun zu dem Mann, der auf die Todsünde zutrat. Der Zauberstab in seinen Händen veränderte sich und es kam ihr vor, als würde er die Grundzüge eines Schwertes annehmen. »Wenn du das tust, dann werde ich-« „Es ist mir egal, was du tun wirst.“ Atemlos beobachtete Rose, wie Scorpius seinen Zauberstab mit beiden Händen umfasste und sich einen Augenblick später ein magisches Schwert in seinen Händen befand. Kurz glaubte Rose, dass es sich um das Schwert von Gryffindor handelte, aber dieses war, ihres Wissens nach, vor langer Zeit verloren gegangen. Nun sauste es herunter und starr vor Schreck sah sie mit an, wie Scorpius Ira enthauptete. Der Kopf rollte, schwarzes Blut besudelte Scorpius und mit einem Mal war es still im Saal. Rose hörte nur sich selbst keuchen und es ängstigte sie, als sie erkannte, dass Scorpius sich ruhig das Blut aus dem Gesicht wischte und keine Spuren der Erschöpfung zeigte. Selbst die große Wunde, die sich über seine Schulter zog, schien ihn nicht zu beeinträchtigen. Das Schwert verwandelte sich wieder in seinen Zauberstab zurück und kurz blieb er reglos stehen, so als müsste er selbst erst begreifen, dass Iras Körper sich tatsächlich nicht mehr bewegte. Dann hob er den Kopf und stieg über die Leiche. Scorpius schritt auf Rose zu und sie konnte beobachten, dass sich seine Miene veränderte, fast, als würde sich mit jedem Schritt auch sein Wesen ändern. Die Distanz, die Scorpius in einem Duell heraufbeschwor ließ ihn wie jemand Fremdes erscheinen. Emotionslos, undurchschaubar und gefährlich hatte man ihn als Todesser beschrieben. Jedes Ordensmitglied, das eine Begegnung mit ihm als Siebzehnjährigen überlebte, nannte ihn wahnsinnig genial. Es waren Beschreibungen, die sie fast vergessen hatte. Beinahe hätte sie der Angst nachgegeben, doch als Scorpius vor ihr auf die Knie fiel und sie seine Stimme hörte, löste sich all die Angst in Luft auf. Sie spürte, dass ihre Rippen heilten und das Atmen ihr wieder leichter fiel. Sanft drehte er sie auf den Rücken und sie sah in kummervolle braune Augen. Niemand sagte etwas, stattdessen atmete Rose tief durch und ließ geschehen, das Scorpius über ihre Wange strich und sie behutsam in den Arm nahm. Sie lauschte seinem Herzschlag. Schließlich hob Scorpius Rose vorsichtig hoch. Als er aufstand, sah er noch einmal zu Superbia, diese wich ängstlich in ihrem Bannkreis zurück. Er hatte das Verlangen, sich auch um die zweite Todsünde zu kümmern, als ihm diese Entscheidung jedoch abgenommen wurde. Ein junger Mann erschien direkt in dem Bannkreis und Superbia atmete erleichtert aus. Ohne das Scorpius wusste woher, wurde ihm klar, dass dies Diabolus sein musste. Er erschien einfach mitten im Bannkreis, so als würde es ihn auch keine Mühe kosten, diesen zu zerstören. Doch statt seine Macht zu demonstrieren, sprach die Gestalt: „Wir gehen. Unsere Zeit ist abgelaufen.“ Ergeben verbeugte sich Superbia und sank auf die Knie. Kurz sah der Herr der Unterwelt über seine Schulter und Scorpius zwang sich, keine Miene zu verziehen, obwohl das junge Gesicht ihn schockierte. Die hellblauen Augen sahen auf die geköpfte Todsünde und Diabolus' Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Nun drehte sich Diabolus komplett um und sprach: „Meinen Respekt, Mr. Malfoy. Ich habe Sie unterschätzt, aber mir scheint, als ist es gängig, dass Sie dazu neigen, Ihr Umfeld zu verblüffen. Ihnen ist jedoch bewusst, dass eine Todsünde nicht mehr sterben kann?“ Scorpius presste die Kiefer zusammen, er entspannte sich allerdings wieder, als Diabolus versprach: „In diesem Leben wird Ira Ihren Weg nicht mehr kreuzen. Eine Wiedergeburt und Regeneration kostet Zeit und so sehr ich das große Drama auch liebe, aber ein Menschenleben überdauert kein Jahrhundert.“ Darüber schien er ernsthaft traurig zu sein und schüttelte mitleidig den Kopf. „Richten Sie Mr. Potter meine Grüße aus und das ich mich darauf freue, unsere Unterhaltung eines Tages fortzuführen.“ Noch bevor ein weiteres Wort verloren wurde, war Diabolus samt Superbia verschwunden. Rose und Scorpius sahen, dass sich die Überreste von Ira langsam auflösten und das Tor zum Reich der Toten wie Nebel zerfloss. Stille herrschte zwischen ihnen. Es war ein kostbarer Moment, der ihnen die Möglichkeit gab, Luft zu holen. „Lass uns nach Hause gehen“, sprach Scorpius und zum ersten Mal vernahm Rose die Müdigkeit in seiner Stimme. Sie schlang die Arme um ihn und schloss die Augen. Sekunden später waren sie appariert und das Nächste, was sie spürte, war ein kühler Wind auf ihrer Haut. Sie befanden sich am Bahnhof King’s Cross auf jenem Gleis, wo ihre Geschichte begonnen hatte. Er war leer, Züge standen still, alles wirkte, als wären die Menschen von diesem Planeten verschwunden. Dann glitt jedoch die Sonne hinter den Wolken hervor. Zuerst schwach, schließlich vertrieb sie die Schatten und spendete Wärme. Das erste Mal seit April. - - - James wünschte sich, Dominique hätte ihn mit sich genommen. Mit beiden Händen hielt er die schwache Hand seiner Frau fest. Molly lag auf einer Trage mitten im überfüllten St.-Mungo-Hospital. Hinter ihnen rannten Heiler und Medimagier hin und her. Der Strom an Verletzte ließ nur langsam nach. Tränen rannen James über die Wangen. Das Loch in Mollys Brust war furchtbar und als Alice durch einen Kamin in Hogwarts gerauscht war, hatte er gewusst, dass etwas Schlimmes passiert sein musste. Mitten im Kampf waren die Geister verschwunden, in Hogwarts war es so still geworden, dass man den Wind hatte hören können, der durch die Korridore fegte und Staub aufwirbelte, so als würde er die Spuren der Schlacht schon beseitigen wollen. Niemand hatte gewusst, warum der Kampf plötzlich eingestellt worden war und erst eine ganze Stunde später, als man sicher war, dass alles vorbei war, war Jubel ausgebrochen. Nun saß er bei Molly und war bei ihr, als sie die letzten Atemzüge machte. „Du darfst mich nicht alleine lassen“, sprach James und küsste ihre Hand. „Bitte. Ich brauche dich. Charlotte braucht dich. Wer erklärt ihr den Hexenkram? Wie kriege ich sie satt? Ich kann nicht kochen. Wer schläft neben mir und schimpft mich wach, weil ich schnarche?“ Molly lachte, dabei hustete sie Blut und James drehte sie vorsichtig, sodass sie nicht erstickte. Jede Sekunde mehr mit seiner Frau war wie ein Wettlauf mit der Zeit. Er setzte sich hinter sie, hielt sie fest in seinen Arme und sah, wie die Wunde sich weiter ausbreitete. Feine schwarze Äderchen krochen Mollys Hals empor und James war froh, das Charlotte ihre Mutter so nicht sah. Er atmete tief ihren Geruch ein, der ihn immer an zu Hause erinnert hatte. „Versprichst du mir drei Dinge?“, hörte er Mollys Stimme und legte sein Kinn auf ihre Schulter. James signalisierte ihr so, dass er aufmerksam war. Er würde ihr alles versprechen. „Du schiebst kein Drama, wenn Charlotte anfängt, Jungen zu treffen.“ James schnappte nach Luft, doch dann verkniff er sich den Protest und sprach lediglich: „Ich werde es versuchen, aber wenn sie einen totalen Bergtroll aufsammelt, dann habe ich ja wohl ein Veto-Recht.“ „Hast du.“ Er hörte aus der Stimme heraus, dass Molly lächelte. „Das Zweite wäre, dass du endlich die Terrasse baust, die schon ewig eine Baustelle ist.“ James schwieg und schloss die Augen. Die Terrasse. Als Molly und er in das kleine Haus am Waldrand eingezogen waren, da hatten sie allerhand reparieren müssen. Nach einem harten Arbeitstag hatten sie im Gras gesessen, mit einer Flasche Elfenwein und darüber gefachsimpelt, was sie alles noch ändern wollten. Bei der Terrasse waren sie sich ungewohnt einig gewesen. Ein Liegestuhl, ein Grill und vor allem ein langer Tisch für alle Weasleys sollten Platz finden. Sie hatten davon geredet, jedes Jahr ein kleines Sommerfest zu veranstalten. Ein Tag, an dem sich die gesamte Familie traf und jeder essen und trinken sollte, bis er nicht mehr konnte. Selbst über die Musikliste hatten Molly und James bereits gestritten und sich dann auf Umberto Hasenfuß geeinigt, einen alten blinden Jazzsänger, der den dunklen Krieg überlebt hatte und nun auf großen politischen Veranstaltungen auftrat. „Damit darf ich mir aber Zeit lassen und Hilfe holen?“, fragte James und Molly nahm seine Hand in ihre. Ihr Kopf lehnte an seiner Brust und James war es egal, dass das schwarze Blut auf seine Kleidung abfärbte. „Natürlich darfst du dir Hilfe holen. Aber passe auf deine Daumen auf und hab' den Verbandskasten in der Nähe.“ Ihre Stimme wurde leise und er bemerkte, dass Molly aufgehört hatte zu schwitzen, stattdessen wurde sie kälter. „Das Dritte, und das musst du wirklich einhalten. Versprich mir, dass du nicht alleine bleibst, sondern jemanden findest, der dich glücklich macht.“ James schluckte. Nein, das konnte er nicht. Er würde ihr alles versprechen, aber bei dieser Vorstellung sträubte sich in seinem Innersten alles. Molly drückte ihre Lippen auf seinen Handdrücken, eine Geste, die für sie beide etwas sehr Intimes hatte. Es war das stumme 'ich liebe dich' das sie in der Öffentlichkeit teilten. Langsam sank ihre Hand und während er versuchte nicht an dem Kloß im Hals zu ersticken, spürte er, wie der Körper in seinen Armen langsam erschlaffte. Mollys Kopf nickte weg, ihr Griff ließ nach und so starb sie. Sanft, bei ihm und ließ ihn alleine zurück. James weinte. Es war ihm egal, das man seine Tränen sah, ihn immer wieder verzweifelt schluchzen hörte und er ein jämmerliches Bild abgab. Er drückte ihren toten Körper an sich, versuchte alles Erdenkliche, ihren Geruch in sich aufzusaugen, sie zu halten, als könnte er sie noch einmal verlieren. James wusste nicht, wie lange er auf dem Boden saß, weinte und versuchte sich nicht von dem Schmerz überwältigen zu lassen. Irgendwann lösten sanfte Hände seinen Griff von Molly und sie entglitt ihm. Jemand nahm ihn in die Arme und hielt ihn fest. James war es egal, wer es war. Er hörte die leise, beruhigende Stimme seiner Schwester nicht. Molly würde nie wieder nach Hause kommen. Eine Tatsache, die in ihm etwas sterben ließ. Sein Herz krampfte sich zusammen und verursachte ihm größere Schmerzen, als es je eine Todsünde gekonnt hätte. - - - Drei Tage später stand Albus auf den Highgate Cemeter. Er befand sich in der letzten Reihe. In der einen Hand hielt er einen schwarzen Regenschirm mit der anderen einen Gehstock, der ihm half zu laufen. Der Pastor hielt mit seiner dramatischen Stimme eine Trauerrede, die nur Schwermut weckte. Erst vor einem Tag hatten sie Molly, seine Schwägerin beerdigt. James hatte verlangt, dass es die Farbe Schwarz nicht gab, weil auch Charlotte sich verabschieden sollte. Dort war die Trauergesellschaft ganz in Bunt gekommen. Jetzt versanken sie in einem Meer aus schwarzen Umhängen. Der Himmel war dunkel, es regnete und der gesamte Friedhof war erschreckend düster und triste. Alice, welche neben ihm stand und ihre Hand auf seine legte, welche den Stock erfasste, sah ihn stumm an. Albus wendete den Blick jedoch schnell wieder ab. Er konnte nicht ertragen, dass sie in seinen Augen sah, wie sehr er litt. Stattdessen sah er, wie seine Tante Angelina weinend in den Armen seines Onkels lag und ihrer Trauer fast keinen Ausdruck verleihen konnte. Sämtliche Weasleys und Potters hatten sich eingefunden. Etliche Gesichter, die Albus nicht kannte, erwiesen seinem besten Freund die letzte Ehre und er fühlte sich so fehl am Platz, dass er sich am liebsten in Luft auflösen würde. Das einzige bekannte Gesicht, das ihm Trost spendete, war Scorpius‘ und als dieser seine Hand auf seine Schulter legte, wurde die Last etwas leichter. Plötzlich war es still und Albus begriff, dass man auf ihn wartete. Sein Onkel hatte ihn gebeten, ein paar Zeilen zu sagen, und da er dem fürchterlichen Pastor keine Aufmerksamkeit mehr geschenkt hatte, hatte er seinen Einsatz verpasst. Nun humpelte er durch die Menge, jeder machte ihm Platz und schließlich blieb er vor dem Sarg und dem Rednerpult stehen. Er schluckte hart und ließ sich von Hugo den Schirm halten. Albus stellte seinen Stock ab und faltete mit tauben Händen die Rede auseinander, die er vorbereitet hatte, doch jetzt kam ihm jedes Wort wie eine Verschwendung vor. Er atmete tief aus und versuchte das klamme Gefühl in seiner Brust zu vermeiden. „Wenn du an mich denkst, erinnere dich an die Stunde, in welcher du mich am liebsten hattest“, sprach er mit ruhiger Stimme. „So wollte ich eigentlich beginnen und vom Ende des Lebens reden, philosophisch werden und einen dramatischen, respektvollen Schluss finden. Aber wenn ich jetzt über die Aussage nachdenke, dann würde meine Rede nicht von Fred selbst handeln, sondern von jemand Fremden.“ Albus schwieg und faltete die Rede wieder zusammen, die sich so falsch anfühlte, dass er glaubte, das Papier würde ihn verbrennen. „Ich habe Fred zu meinem Lieblingscousin ernannt, als er mir zu Weihnachten seine Tüte Zitronenbrausebonbons gab“, begann er und sah seine Tante Audrey lächeln, schließlich hatten sie ihre Kindheit bei ihr in der Obhut verbracht. Albus seufzte dramatisch: „Hätte ich allerdings gewusst, dass nur noch drei Bonbons drin waren, dann hätte ich es mir überlegt, ihm meine letzte Packung Knallfrösche zu geben.“ Er hörte Gelächter, seine Tante Angelina wischte sich die Tränen beiseite. Jetzt fühlte sich alles, was er sagte richtig an, denn seine Worte handelten von Fred und nicht von jemandem, den sie für immer verloren hatten. „Knallfrösche. Freds Leben war ein einziger Knall. Er konnte nie genug vom verzauberten Sprengstoff bekommen. Er liebte die bunten Farben und den Überraschungseffekt. Vor sieben Jahren erschuf er damit Hoffnung. Einen Dank hat er nie gewollt. Er war glücklich, wenn er etwas erschaffen konnte, was niemand je zuvor gesehen hatte. Gelungen ist ihm das bei mir zumindest immer.“ Die Bilder von einem prächtigen Feuerwerk zogen an ihm vorbei, ebenso sah er das Gesicht seines besten Freundes vor sich, mit Ruß überzogen, die Haare angebrannt, aber ein breites Lächeln auf seinen Lippen. Albus schwieg kurz und betrachtete den dunklen Sarg. Offen gestand er: „Ich habe sieben Jahre nicht mit Fred gesprochen, aber er war bis zuletzt mein bester Freund, denn ich wusste immer, wenn ich verloren war, würde er kommen. Er würde mich suchen, mich retten und mich dann ohrfeigen und mich anbrüllen, ich solle gefälligst aufhören die Prinzessin zu spielen und meinen Hintern in die Höhe wuchten.“ Ein paar Leute lachten und selbst Albus' Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. „Das letzte Mal, als er mich schüttelte, versprachen wir uns, dass wir, sobald wir könnten, endlich unseren ersten gemeinsamen Feuerwhisky miteinander trinken würden.“ Er presste die Lippen aufeinander und dachte an den Abend vor der Schlacht, an dem sie in der Großen Halle von Hogwarts gesessen hatten. Da es sich um eine Schule handelte, war Alkohol verboten gewesen und ihre Gedanken waren um andere Dinge gekreist. Trotzdem hatte Fred ihn daran erinnert, dass sie es nie geschafft hatten, einen Feuerwhisky miteinander zu trinken, und das unbedingt nachholen musste. Es hatte wie ein Versprechen geklungen, eine Abmachung zwischen ihnen beide. „Es tut mir leid, dass es dazu nicht kommen wird. Denn ich konnte Fred nicht so retten, wie er es oft bei mir getan hat. Ich bin mir jedoch sicher, dass er es mir nicht grämt, denn selbst er würde zugeben müssen, dass es schwer ist, in einem Prinzessinnenkleid zu kämpfen.“ Die Stimmung änderte sich. Neben der Traurigkeit spürte er nun auch etwas, was er nicht in Worte fassen konnte. Die Luft schien leichter zu werden, viele fanden wieder den Mut tief zu atmen, so als würde man eine Kette lösen, die sich um ihr Herz gelegt hatte. Albus hatte das Gefühl, dass der Regen nun das Blut der Schlacht von der Erde wegspülen würde. Die Gräber wurden wieder sauber, die Wege veränderten sich. Langsam eroberte sich die Natur ihr inneres Gleichgewicht zurück. Es war, als würde der Himmel sagen, dass sie sich nicht von der Trauer um geliebte Menschen erdrücken lassen sollten. „Lange habe ich überlegt, was ich ihm sagen würde, wenn ich noch einmal die Gelegenheit hätte, mit ihm zu sprechen.“ Die letzten Worte, sie kamen ihm so brutal endgültig vor, dass er sich Zeit ließ. „Die Antwort ist, ich würde nicht mit ihm sprechen, ich würde mit ihm gehen, denn das wäre ein Zeichen dafür, dass es auch für mich Zeit wäre, mich zu verabschieden.“ Albus rieb sich mit dem Ärmel über die Augen. Dass seine Brille dabei leicht verrutsche, ignorierte er und hoffte, dass er sich weiter zusammenreißen konnte. Jetzt wollte er nicht zeigen, wie zerrissen er sich wirklich fühlte. Seine letzten Worte galten Fred, er sah auf den Sarg und seine Stimme klang schwer belegt: „Ich hoffe also, dass du wo auch immer du jetzt bist, schon einmal schaust, wo wir den besten Feuerwhisky trinken können.“ Die Leute lachten, dieses Mal herzlich und dann sah er, wie Louis sich vor dem alten Plattenspieler herunterbeugte und langsam die ersten Töne von I want it all ertönten. Fred hatte die rockigen Kobolde geliebt, er hätte gewollt, dass man ihn mit seinen liebsten Song verabschiedete. Die ersten Regenschirme traten nach vorne und es überraschte Albus, als er sah, dass Hugo eine kleine Kerze, die in einem Glas steckte, neben den Sarg legte. Onkel Percy tat es ihm gleich und nach und nach verwandelte sich das Grab in ein kleines Flammenmeer. Jedes Licht stand für eine Träne, für einen Gedanken und für ein Herz, das vermisste. Der Regen wurde schwächer und schließlich klappten die Leute ihre Schirme ein. „Geh schon einmal vor“, sprach Albus, als auch Alice sich verabschiedet hatte und auf ihn zu warten schien. Sie küsste ihn sanft auf die Wange und nahm seinen Schirm mit. Scorpius legte gerade seine Kerze nieder und eine Strähne von Einhornhaar auf den Sarg. Albus wusste mittlerweile, dass es für Scorpius ein Ritual war. Er hatte so viele Leute verabschiedet, sie er einst gekannt hatte, selbst Todesser, die das Ministerium hatte hinrichten lassen. Als er ihn gefragt hatte, was das Einhornhaar bedeuteten sollte, hatte er ihm erklärt, dass der Verstorbene den Weg ins Licht finden sollte, seinen Frieden machte und den dunklen Pfad verließ. „Wir sehen uns später“, sprach Scorpius und klopfte Albus kurz auf die Schulter, dann ging er an ihm vorbei, direkt auf Rose zu und ergriff ihre Hand. Stumm sah Albus ihnen nach. Erst als er der Letzte am Grab war, humpelte er auf den Sarg zu und zog etwas aus seiner Manteltasche. Die Flasche Feuerwhisky stellte er ab, dann zog er seinen Zauberstab hervor und ließ zwei kleine Gläser erscheinen, die sich nun mit der roten Flüssigkeit füllten. Ein Glas stellte er auf den Sarg und dann stieß er mit dem seinen an. „Auf den Frieden, Freddy“, sprach Albus leise und trank. Das leere Glas stellte er neben das Volle. Und ganz plötzlich überrollte ihn die Traurigkeit, auf die er schon die ganze Zeit wartete. Die sanften Sonnenstrahlen, die nun durch die dunklen Wolken brachen, trösteten ihn nicht. Die goldenen Strahlen vertrieben die Trostlosigkeit auf dem Friedhof und tauchten ihn in eine warme Farbe. „Albus Potter, richtig?“ Die helle Stimme riss ihn aus seinen Gedanken und Albus wischte sich mit dem Ärmel über die Augen, dann drehte er sich langsam auf seinem Stock stützend um. Eine junge blonde Hexe, in einem schwarzen Kleid kam auf ihn zu und er erinnerte sich an ihren Namen. Sofia Wilhern, sie kam aus Deutschland, er hatte sie des Öfteren bei Molly und auch einmal bei Fred gesehen. Sie sah fürchterlich aus, so als hätte sie viel geweint. „Ich“, begann sie, allerdings unterbrach sie sich auch sofort wieder und sah auf den Sarg. Sie schluckte und versuchte einen zweiten Anlauf: „Ich war dabei, als Fred starb.“ Ihre Stimme war klar und ruhig und als sie den Blick wieder auf Albus richtete, atmete sie tief durch. „Tut mir leid, so wollte ich nicht anfangen.“ Sie öffnete nun ihre Tasche und zog etwas hervor, das Albus direkt als den Tarnumhang seines Vaters erkannte. „Ich glaube, der gehört Ihnen.“ Sofia hielt ihn Albus hin und dieser wollte ihn gerade ergreifen, doch dann fasste ihre andere Hand nach seiner und er blickte sie irritiert an. „Eigentlich wollte Fred Sie selbst fragen, aber er wollte das nicht auf einem Sprung machen, sondern ganz feierlich, wenn Sie mit ihm einen Feuerwhisky trinken“, sie nickte auf das Glas, welches nun auf dem Sarg stand. „Aber, ich weiß nicht, wie ich das alles schaffen soll, wenn ich nicht selbst frage, weil er wird mir keine Antwort, keinen Rat, nichts mehr geben. Dabei wollte er Sie unbedingt um etwas Wichtiges bitten.“ „Um was wollte er mich bitten?“, sprach Albus ruhig, da er sah, wie sie anfing zu weinen. „Roxanne braucht einen Patenonkel. Einer, der ihr zeigt, wie man richtig fliegt und er meinte, wenn sie schon in späteren Jahren rebellieren soll, dann sollte sie jemanden haben, der ihr beibringt, wie man es richtig machte. Ich habe das nie verstanden, aber ihm war es wichtig, dass Sie das sind und-“ Albus verstand nicht, denn Sofia redete immer schneller. „Wer ist Roxanne?“ „Ich kann sie erst in sieben Monaten vorstellen, oh Merlin, und wenn Ihre Familie einen Test verlangt, dass sie auch wirklich eine Weasley ist, dann ist das natürlich in Ordnung und ich werde-!“ Albus starrte sie an. Es dauerte nur den Bruchteil eines Augenblicks und er verstand, was Sofia ihm sagen wollte. Er lachte und weinte gleichzeitig. Die Schleusen brachen. „Es tut mir leid, ich habe kein Talent dafür, solche Nachrichten zu überbringen.“ „Scheiße, dieser riesen Flubberwurm! Ich hätte wissen müssen, dass er sich mit einem Knall verabschiedet!“, fluchte Albus halbherzig und mit lachender Stimme. „I-Ich weiß nicht was ich sagen soll, außer, dass ich ihr natürlich zeige, wie man fliegt. Zum Teufel, ich zeige ihr auch, wie man Hausarrest bis an sein Lebensende bekommt.“ Albus ergriff Sofias Hand. Er wusste, wo sich sämtliche Potters und Weasleys nun befanden und es wurde Zeit sie in der Familie willkommen zu heißen. „Sie – du, ich meine, also … wir müssen das bei einem Tee besprechen. Einem mit Schuss für mich und auch für Freds Eltern und einen mit Milch für dich.“ Sofia lachte und versuchte verzweifelt sich die Tränen aus dem Gesicht zu wischen, so als wollte sie trotz der dunklen Ränder unter ihren Augen, noch einen guten Eindruck machen. Albus zog sie mit sich, kurz sah er noch einmal über seine Schulter. Er würde Fred besuchen kommen und bei jedem Besuch würde er schimpfen. Etwas anderes hatte sein bester Freund nicht verdient. Als Albus mit Sofia am Rand des Friedhofs apparierte, erhob sich das volle Glas mit Feuerwhisky und stieß gegen das Leere. Fortsetzung folgt... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)