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Terèse

Roman mit Perspektivwechseln
von

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Das Mädchen im Schnee

Diese Geschichte widme ich ganz bestimmten Leuten, ohne jene würde es diese überhaupt nicht geben.
 

Als allerersten natürlich mein lieber Erdmännchen AG. Das RPG gab den Characktären ihre Tiefe und teilweise auch ihre Geschichten. Und natürlich danke ich ihm für die vielen Stunden, die er mir bereits geschenkt hat.
 

Dann wäre da noch... Tja, wie soll ich sie nennen? Den Spitznamen den ich für sie habe gefällt ihr nicht und ihre Spitznamen gefallen mir nicht. Und ihren bürgerlichen Namen möchte ich hier nicht nennen. Nun, nennen wir sie ---chocola---, wie sie hier bei Animexx heißt. Ihr danke ich für die konstruktive, aber witzig vorgetragene, Kritik. Und natürlich für die Beantwortung der inhaltlichen Fragen. (Wie jemand sein soll, ob jemand sterben soll, usw)
 

Viel Spaß beim Lesen der Geschichte, ich bin immer offen für konstuktive Kritik!
 

Gruß,

Pinsel.
 

1.1.Mágurix
 

Der Schnee stob ihm ins Gesicht, während er gegen den Wind ankämpfte. Mürrisch stapfte er weiter durch den kniehohen Schnee. Simpkin und Bodmin wurden langsam schneller, sie rochen das nahe Lagerfeuer und erhofften sich davon einen warmen Ofen und vor allem ein windgeschütztes Plätzchen. Simpkin und Bodmin waren sehr edle Tiere und Mágurix war stolz darauf, sie sein Eigen nennen zu dürfen. Die Namen der vier anderen Hunde, die den beiden folgten, kannte Mágurix nicht. Er hatte sie nur ausgeliehen um den Fisch nach Hause bringen zu können. Sein Hundeschlitten war auch gut beladen, aber nicht mit Fisch. Mágurix war gar nicht bis zu dem vereisten See gekommen. Davor war ihm dieses seltsame Mädchen begegnet. Sie hatte in einer Schneewehe gelegen und hätte Simpkin sie nicht gefunden, wäre er einfach vorbeigegangen. Das Mädchen hatte in der Kälte gerade mal ein einfaches Gewand aus ungefärbtem Leinen getragen. Seltsamerweise zeigte sie trotzdem keinerlei Erfrierungserscheinungen. Sie ist sogar relativ warm gewesen. Mágurix hatte sie in eine Decke gewickelt und auf den Hundeschlitten geladen. Vor ihm tauchte das Lager auf. Als er ankam, bellten die Hunde erfreut und die Bewohner kamen aus den Iglus, verwundert, dass Mágurix bereits zurück war. Als sie sahen, was Mágurix da auf dem Schlitten hatte, ging es recht schnell. Sie brachten das Mädchen in ein etwas abgelegenes Iglu. Es war die Behausung von Mágurix. Mágurix war der Heiler der Gemeinschaft und außerdem sehr geschickt bei Fischfang und Jagd. Er ließ das Mädchen auf den Tisch legen. Mágurix konnte keine Lebenszeichen feststellen, aber ihn irritierte, dass das Mädchen noch immer warm war. Inzwischen müsste es längst erkaltet sein. Er suchte sie nach Wunden ab, dabei versuchte er nicht so genau hinzusehen, aber mehrmals stieg ihm die Schamesröte ins Gesicht, bar ihres doch schon sehr fraulichen Körpers. Doch auch hier fand er nichts. Sie blieb ihm ein Rätsel und er wollte sich schon abwenden, in der Annahme sie seit tot, als sie plötzlich nach Luft rang. Mágurix fühlte nach ihrem Puls und er schlug wieder. Erst viel zu schnell, dann viel zu langsam, doch nach einer Weile hatte er sich normalisiert. Auch ihre Atmung war erst sehr unregelmäßig, bevor sie in normalen Bahnen verlief.
 

1.2.Kendrick
 

Kendrick fluchte in einer Sprache, die wohl nur er verstand. Er hatte geschafft, dass Terèse zumindest warm blieb, was bei den eisigen Temperaturen gar nicht so einfach war. Doch Terèse war tot, daran konnte er nichts ändern. Oder? Er hatte oft genug fasziniert die vielen Vorgänge beobachtet, die Terèse´s Körper am laufen hielten und sich darüber gewundert, wie viel in Terèse vorging, ohne dass sie es ahnte. Kendrick bemerkte, wie sich langsam das Gehirn Terèse´s zersetzte, er musste sich beeilen. Er dehnte sich aus, bis er jeden einzelnen Muskel Terèse spürte. Er fing mit dem Herzen an, er brauchte eine Weile, bis er den richtigen Rhythmus gefunden hatte. Einen weiteren Moment brauchte er, bis er verstand, dass er Terèse atmen lassen musste, damit das Blut sich auch mit Sauerstoff anreichern konnte. Terèse atmete wieder und ihr Herz schlug ruhig. Doch ihr Hirn war schwer geschädigt. Kendrick hielt Herz und Lunge in gang und versuchte gleichzeitig die geschädigten Nerven zu ersetzten. Das war für ihn gar nicht so einfach. Schließlich war ihm das menschliche Wesen fremd, obwohl er inzwischen fast 18 Winter in Terèse´s Körper verweielte. Er wollte sie nicht verlieren, auch wenn sie ihn oft zu Weißglut bracht, liebte er dieses Mädchen. Nein, inzwischen war sie schon eine junge Frau. Kendrick verdoppelte seine Anstrengungen und endlich gelang es ihm ein paar Nervenstränge zu ersetzten. Langsam arbeitete er sich vor und nach und nach war Terèse´s Körper wieder lebensfähig. Dennoch wachte sie nicht auf. Kendrick verzweifelte, dennoch wachte er weiter über ihren Herzschlag und ihre Atmung. Er spürte wie sich ihre Muskeln entspannten, dankbar wieder mit Sauerstoff versorgt zu werden. Ganz langsam fing Terèse wieder an selbst zu atmen und Kendrick zog sich wieder zurück. Doch dann fiel ihm ein, was er vergessen hatte. Terèse´s Kind! Er ist so sehr damit beschäftigt gewesen, dass er ihr Kind völlig vergessen hatte. Er fluchte erneut und sah nach dem Kleinen, das noch nicht vielmehr als ein Zellklumpen war, der erst langsam eine ungefähre Form offenbarte. Terèse´s Bauch hatte sich bisher nicht einmal gewölbt. Doch genau das war das Problem! Als er sich damals in Terèse eingenistet hatte, war sie nicht viel älter gewesen, aber dennoch wusste er nicht wie er dem Ungeborenen helfen sollte. So hatte Kendrick zwar Terèse gerettet, aber das Kind verloren. Terèse hatte eine Fehlgeburt, noch während sie schlief.
 

1.3.Terèse
 

Terèse fieberte. Sie war dem Tod gerade erst von der Schippe gesprungen, doch noch war sie nicht ganz am Leben. Terèse wechselte zwischen einem halbwachen Zustand und wirren Fieberträumen.

Alanna saß auf einem alten Schemel und sortierte Kräuter, während sie ihr mit ruhiger Stimme die Namen und die Wirkung der einzelnen Kräuter erklärte. Terèse musste sich strecken, damit sie auf den Tisch sehen konnte. Alanna war schon damals eine alte Frau. Ihr grauweißes Haar hatte sie zu einem schweren Zopf geflochten, der ihr über die Schulter fiel, immer dünner wurde, bis er schließlich in der Nähe ihrer Hüfte endete.

Jemand wischte Terèse den Schweiß von der Stirn, hob ihren Körper in eine leichte Schräglage und flößte ihr etwas warmes ein, das stark nach Fisch roch und schmeckte. Sie hörte Jemanden etwas sagen, doch sie hörte es kaum, als sie wieder in ihre Träume abrutschte.

Terèse stand vor dem Tisch. Eben hatte sie sich noch strecken müssen um gerade so drauf schauen zu können, jetzt reichte ihr der Tisch gerade mal bis zu Hüfte. Auf dem Tisch lagen zwei Wurzeln, die eine dunkelrote Färbung aufwiesen. Sie verrieb die Wurzeln zu einem groben Pulver. Sie streute das Pulver in eine Schale mit heißem Wasser, welches sofort verdickte. Terèse trug die Schale durch die einfache Hütte, schob ein schweres Tuch zur Seite und stand in einem weiteren engen Raum. Das einzige Fenster war verhängt, so lag der Raum im halbdunkel. Ein Stöhnen war vom Bett zu hören und Terèse eilte dorthin. Auf dem Bett lag ein junger Mann, er war sehr blass, was von seinem seinen schwarzen Haaren, die ihm wirr ins Gesicht hingen, nur noch verstärkt wurde. Der Mann war nicht zugedeckt, schien aber weder zu frieren, noch zu schwitzen. Er hatte etliche Wunden, die verbunden waren. Die Verbände waren blutgetränkt, doch Terèse machte keine Anstalten sie zu wechseln. Sie stellte die Schale auf den Boden, nahm ein Messer von ihrem Gürtel und schnitt sich in den Arm. Sie ließ nicht viel Blut in den Sud tropfen, mehrere Schnitte an ihrem Unterarm zeugten davon, dass sie sich selbst schon mehrmals zur Ader gelassen hatte. Nachdem sie die Schnittwunde verbunden hatte, setzte sie sich auf den Bettrand und legte den Kopf des Mannes auf ihren Schoß. Seine Haut war erschreckend kalt. Terèse musste sich erneut daran erinnern, dass es ihm nichts ausmachte. „Raphaelas!“ Immer wieder hatte Terèse ihn angesprochen, doch er reagierte einfach nicht. Langsam flößte sie ihm das Gemisch ein. Sie blieb noch ein wenig bei ihm sitzen.

„Terèse!“

„Terèse!“

Langsam kam Terèse zu sich, Kendrick´s Stimme hatte noch nie so verzweifelt geklungen. Mühsam versuchte sie klar zu denken. „Kendrick?“ Sie hatte Mühe das Wort zu formen, auch wenn sie es nicht sprach. Um sich mit Kendrick zu unterhalten hatte sie noch nie Worte gebraucht, aber sie lautlos mit dem Mund zu formen half bei der Konzentration und verhinderte Missverständnisse. „Kendrick? Was ist passiert?“ Terèse spürte deutlich die Erleichterung Kendrick´s. Kendrick schickte ihr eine Reihe von Bildern.
 

1.4.Kendrick
 

Kendrick schimpfte mal wieder. Und Terèse beachtete ihn in solchen Momenten einfach nicht. Das Mädchen war aber auch seltsam, seitdem sie diesen Raphaelas getroffen hatte! Kendrick hatte ihn von Anfang an nicht gemocht. Zwar war er nicht ein vom Blutdurst getriebenes Tier, das zu viele Gehirnzellen abbekommen hatte, wie andere Vampire, aber das änderte nichts an der Tatsache, dass er ein Vampir war und blieb. Oh ja, das kleine, manchmal tölpelhafte, aber dennoch liebenswerte Mädchen Terèse hatte sich in den Vampir Raphaelas von Kavka – was das auch immer war – verliebt. Seitdem hörte sie nicht mehr auf ihn. Sie hatte zwar auch schon vorher nicht oft auf ihn gehört, aber immerhin. Er hatte ihr das Leben gerettet, als ein Schamane aus ihrer Mutter einen Schatten machen wollte. Gut, okay, Terèse´s Mutter ist dabei drauf gegangen.

Er hatte sie gerettet, als man sie vergewaltigen wollte, als sie und Alanna als Hexen verbrannt werden sollten. Immer und immer wieder hatte er das Mädchen gerettet. Und wie dankte sie ihm? Sie brachte sich ständig in neue Schwierigkeiten! Nicht nur, dass sie sich jede Nacht davon stahl, um den Wald zu erkunden oder die Bewohner des nahen Dorfes zu beobachten. Nein, auf einem der nächtlichen Streifzüge trifft sie ausgerechnet auf einen Vampir, missachtet seine Warnungen und plaudert fröhlich mit ihm, als wäre er ein ganz normaler Mensch. Aber das war ja nicht einmal das schlimmste! Der Vampir musste ihr nur ein Angebot machen und sie folgte ihm wie ein Köter seinem Herrn. Mitten in die Stadt der Vampire ritt sie mit ihm, verprügelte auf dem Weg dahin noch ein paar Herrschaften von der Kirche und stahl ihnen eben schnell ein Pferd. Kaum war sie in der Stadt angekommen legte sie sich auch gleich mit dem Fürsten der Vampire an. Mit dem Fürsten! Einer der mächtigsten Vampire, die es je gegeben hatte! Mit Kendrick´s Hilfe, hatte sie ja noch fliehen können, aber anstatt würdevoll Alanna´s Erbe anzutreten, schlitzte sie sich die eigenen Arme auf, nur um den fast tödlich verletzten Raphaelas zu retten, der plötzlich nach einigen Monaten vor ihrer Tür aufgetaucht war. Und kaum war dieser wieder auf den Beinen, teilte sie mit ihm ihr Lager! Kurz bevor Kendrick Terèse mitteilen konnte, dass sie schwanger war, verschwand Raphaelas wieder spurlos. Kendrick begrüßte diesen Umstand sehr, Terèse eher weniger. Keine Woche später machte sie sich reisefertig und folgte Raphaelas doch tatsächlich! In dieser verdammten Eiswüste waren sie am Ende gelandet. Und Terèse erfror, sie trug noch immer nur das Gewand aus ungefärbtem Leinen. Anfangs zitterte sie nur ein wenig, doch dann entrann ihr die Lebenskraft schneller, als Kendrick fluchen konnte.

Ein Vampir läuft Amok

2.1.Mágurix
 

Mágurix fing an sich immer mehr für das Mädchen zu interessieren. Nicht nur, dass sie trotz ihres jungen Alters eine so große Anziehungskraft auf ihn ausübte, dass er ihre körperliche Pflege einer alten Frau überlassen hatte. Erst einen Tag zuvor hatte er sich selbst dabei ertappt, wie er den schlafenden Körper lüstern angestarrt hatte. Von Mágurix wurde als Heiler und Schamane nicht erwartet zu heiraten, es wurde ihm aber auch nicht verwehrt. Dennoch hatte er sich nie zu einer Frau näher angezogen gefühlt, so hatte er auch noch nie mit einer Frau das Lager geteilt. Doch dieses Mädchen erweckte in ihm einen Trieb, von dem er bisher nicht einmal gewusst hatte. Mágurix wischte ihr sanft die feuchte Stirn ab. Das Fieber klang bereits ab, aber er wusste nicht ob ihn das wirklich freute. Zwar hieß das, dass sie die Krankheit überstanden hatte, aber es ging viel zu schnell. Noch vor zwei Tagen hatte er sie für tot erklärt, dann dieses heftige Fieber und jetzt sollte sie schon gesunden? Er schüttelte nachdenklich den Kopf, das passte nicht zusammen. Wer war sie? War sie wirklich ein Mensch? Was machte sie hier? Sie kam mit Sicherheit nicht von hier und hatte sich auch nicht wirklich auf die eisigen Temperaturen eingestellt. Er hoffte inbrünstig, dass sie bald aufwachte, er wollte Antworten!

Doch als sich das Mädchen im Laufe des Nachmittags tatsächlich regte, hatte er seine Fragen schon wieder vergessen. Mágurix setzte sich neben sie. Sie hatte leicht gestöhnt, doch es dauerte noch eine geschlagene Stunde, bis sie tatsächlich aufwachte. Das Mädchen öffnete ihre Augen und starrte an die Decke. Mágurix verschlug es die Sprache. Schon allein ihre Augenfarbe, ein wunderschönes braun mit goldenen Sprenklern, war unglaublich. Doch ihr Blick war es, der ihm einen Schauer nach dem anderen den Rücken runterjagte. Ihr Blick war gleichzeitig warm und kalt. Er hatte seine jugendliche Naivität noch nicht verloren, hatte aber auch etwas uraltes und berechnendes. Mágurix wusste nicht so recht, was er davon halten sollte. Als ihr Blick sich schließlich von der Decke löste und ihn entdeckte, schreckte sie heftig zusammen. Sie setzte sich auf und tastete nach etwas, das sich wohl normalerweise an ihrer Hüfte befand. Dabei rutschte die Decke herunter und entblöste sie. Mágurix schluckte schwer und wurde schlagartig rot. Das entging ihr wohl nicht. Sie sagte etwas, doch er verstand sie nicht, obwohl er alle Dialekte beherrschte, die hier im Norden gesprochen wurden. Irgendwie klang es spöttisch und er fühlte sich leicht gekränkt, was natürlich Unsinn war. Er wusste schließlich gar nicht, was sie gesagt hatte. Das Mädchen stand in einer einzigen geschmeidigen Bewegung auf und stand nun nackt im Raum. Ihr schien das nichts auszumachen. Er sollte aufhören, sie als Mädchen zu bezeichnen. Ihre perfekt abgerundete Brust, ihre ausladenden Hüften und nicht zuletzt ihre Fehlgeburt zeugten davon, dass sie bereits eine Frau war. Mágurix versuchte sie nicht offen anzustarren, schaffte es aber einfach nicht wegzusehen. Sie sah sich ruhig im gesamten Raum um und setzte sich schließlich neben ihn. Sie sprach erneut, doch er verstand sie einfach nicht. Hilflos schüttelte er den Kopf. Sie legte eine Hand auf ihren Bauch und sah ihn fragend an. Mágurix war erstaunt. Dem, was da – zum Glück tot – aus ihrem Körper gekrochen war, war deutlich anzusehen gewesen, dass es ein Bastardkind gewesen war. Es war Unsinn anzunehmen, dass dieser Mischling in ihrem Einverständnis entstanden war. Doch als er jetzt seine Hand über seine Kehle zog und ihr so bedeutete, dass sie nicht mehr schwanger war, sah sie ehrlich schockiert aus. Mágurix konnte – und wollte – einfach nicht annehmen, dass sich dieses Mädchen freiwillig einem Dämon, Vampir, Albae, Schatten oder Schlimmeren hingegeben hatte. Das war einfach absurd! So etwas gab es einfach nicht! Obwohl... Bis vor zwei Tagen hatte er weder geglaubt, dass es möglich war nur in einem einfachen Leinengewand in dieser Kälte zu überleben, noch dass man sich schon nach zwei Tagen von einem Scheintod erholen konnte. Schade, dass sie seine Sprache nicht verstand, er hätte einige interessante Fragen an sie gehabt. Als er sah wie sie ins Nichts starrte und lautlos die Lippen bewegte, rückte er unwillkürlich ein Stück von ihr fort. Das konnte kein Mensch sein. Unmöglich! Plötzlich störrte ihn, wie sie das unbekümmert saß und offensichtlich mit jemandem sprach, den er nicht sehen konnte. Oder sprach sie etwa Zauber? Fahrig suchte er nach passender Kleidung und reichte ihr diese. Sie schien erstaunt über die Veränderung an ihm, die ihr wohl nicht entging, sagte aber nichts dazu. Nun, wie auch?
 

2.2.Terèse
 

Terèse schlug erst die Augen auf, als Kendrick ihr alles erzählt hatte. Sie selbst konnte sich nur Bruchstückhaft erinnern. Einzelne Szenen schwirrten ihr zusammenhanglos durch den Kopf. Mühsam sortierte sie sich ein wenig. Kendrick. Ja, an Kendrick erinnerte sie sich, er war schon immer bei ihr gewesen. Dann erinnerte sie sich an eine alte Frau. Ihr Name fiel ihr nicht mehr ein. Sie stöhnte unwillkürlich. Warum fiel es ihr so schwer sich zu erinnern? Terèse versuchte noch eine ganze Weile ihr Gedächtnis auf Trab zu bringen. Kendrick unterstützte sie nach Kräften, doch seine Erinnerungen kamen ihr seltsam falsch vor. Als er ihr von der Fehlgeburt erzählte stutzte sie. Schwanger? Sie? Aber wer war der Vater? Bei der Bewantwortung dieser Frage war Kendrick ihr nicht gerade eine Hilfe - Sie bekam aus ihm nur heraus, dass es besser war, dass sie ihn vergessen hatte. Was hatte der Vater ihres toten Kindes ihr angetan, dass Kendrick ihn so hasste? Wurde sie vergewaltigt? Kendrick sagte nichts dazu und Terèse erinnerte sich einfach nicht. Das alles brachte nicht weiter. Erst einmal musste sie wissen, wo sie war. Kendrick wusste es offenbar nicht und weigerte sich, ihr zu erzählen, wie sie hergekommen war. Terèse öffnete langsam die Augen und starrten an eine Schneewand. Nein, sie lag auf dem Rücken. Über ihr war Schnee, also war sie wohl begraben. Doch die Felle, auf der sie lag, sprachen dagegen. Sie löste sich von der Schneedeckte, die ihr gefährlich nah vorkam und fur zusammen, als sie bemerkte, dass jemand neben ihr saß. Sie setzte sich ruckartig auf und tastete neben sich nach... Ja, nach was eigentlich? Etwas streifte ihren Körper und es wurde schlagartig kälter. Spätestens das knallrot angelaufene Gesicht ihres Gegenüber sagte ihr, dass gerade eine Decke von ihrem sonst nackten Körper gerutscht war. "Habt ihr noch nie eine nackte Frau gesehen?" spottete sie, stichelte aber nicht weiter. Sie stand auf und ihr wurde kurz Schwarz vor Augen, doch sie fing sich schnell wieder. Terèse sah sich in dem engen Raum genau um, fand aber nichts, was ihr weitergeholfen hätte. Also setzte sich neben Mann, der sie beobachtet hatte. Er starrte sie schon eine ganze Weile an und sie nutzte sie Gelegenheit nun ihn genauer zu betrachten. Er war nicht hässlich, eher im Gegenteil. Er hatte dunkle, fast schwarze Augen und war dick in Kleidung eingemummelt. Terèse erinnerte sich daran, was Kendrick über ihre Fehlgeburt gesagt hatte. War sie wirklich schwanger gewesen und hatte sie das Kind verloren? Sie fragte den Mann danach, doch er verstand sie offenbar nicht. Also legte sie ihre Hand auf ihren Bauch und sah ihn fragend an. Er sah erstaunt aus und machte ihr dann deutlich, dass das Kind tot war. Terèse bestürzte es zutiefst, jetzt zu hören, was sie sowieso schon wusste. Sie war also schwanger gewesen und hatte keinerlei Erinnerung an den Vater. Sie bedrängte Kendrick immer heftiger, ihr endlich von ihm zu erzählen, doch Kendrick weigerte sich strikt. Die beiden wurden unterbrochen, als der Fremde Terèse schon fast grob ein Stapel Kleider reichte. Sie brauchte Hilfe, da sie sich mit den fremden Kleidungsstücken schwer tat. Der Mann half ihr, vermied aber sie zu berühren und sah sogar krampfhaft weg. Warum? Eben hatte er doch auch kein Problem damit gehabt sie anzustarren. Eher im Gegenteil, ihm hatte offensichtlich gefallen, was er gesehen hatte. Als sie sich endlich in die Kleidung gekämpft hatte, trat sie auf den Mann zu und berührte in sacht an der Schulter. Dieser hatte sich abgewand und zuckte bei der Berührung zusammen. Terèse zog schnell ihre Hand wieder zurück. "Danke" Sie lächelte leicht, doch er verstand sie wieder nicht. Sie seufzte. So ging das nicht weiter. Sie deutete auf sich selbst "Terèse". Er schien erstaunt, dass sie versuchte mit ihm zu reden, doch nach kurzem Zögern stellte er sich seinerseits vor. "Mágurix".
 

2.3.Raphaelas von Kavka
 

Raphaelas irrte stundenlang ziellos umher. Seine Soldaten warteten in der Nähe, aber er dachte nicht einmal an sie. Immer und immer wieder blitzte ihm ein Bild durch den Kopf.

Ein Mädchen lag im Schnee. Raphaelas lief Böses ahnend auf die reglose Gestalt zu. Diese Gestalt...Nein! Er kannte dieses Gesicht. Erst vor ein paar Wochen hatte er es noch berührt, hatte die Lippen geküsst, die nun blau gefroren waren, hatte durch ihr schwarzes Haar gestrichen, das nun schon fast im Schnee versank. Er wusste sofort, dass kein Leben mehr in diesem Leib war, als Vampir hätte er den Herzschlag gehört, das Blut in den Adern gerochen. Doch in dieser Frau, seiner Geliebten, war kein Leben mehr. Trotzdem versuchte er eine geschlagene Stunde ihren Puls zu fühlen. Wie oft hatte er sich auf ihre Brust gelegt, dem ruhigem "Pok Pok" gelauscht, dass in seiner eigenen Brust nicht schlug? Wie oft hatte er durch dieses Haar gestrichen? Wie oft ihren Geruch genossen? All das würde er nie wieder tun können. In Raphaelas´ Kehle machte sich ein Schrei breit, doch er wollte nicht hinaus. Er stolperte ein paar Schritte zurück. Es war seine Schuld! Terèse, seine geliebte Terése, war ihm gefolgt und lag nun erfroren vor seinen Füßen! Er hatte sich nicht einmal verabschiedet als er gegangen war. Wortlos war er in der Dunkelheit verschwunden um diesen verfluchten Feldzug anzuführen. Raphaelas stolperte noch ein paar Schritte zurück, drehte sich langsam um und rannte einfach in den anbrechenden Morgen. Terèse würde nie wieder einen Sonnenaufgang erleben. Er war schuld! Er hatte das einzige Wesen umgebracht, bei dem er sich je wohl gefühlt hatte. Endlich bahnte sich der Schrei einen Weg aus seiner Kehle.

Raphaelas blieb kurz stehen und schüttelte den Kopf, als müsste er ein lästiges Insekt loswerden. Dabei war es dieses Gefühl. Dieses Gefühl, das Einzige zerstört zu haben, das einem etwas bedeutete. Das Einzige, was er Heimat nennen konnte. Das Einzige, was er liebte. Das Einzige, was ihm ein Gefühl von Geborgenheit gab. Er hatte es zerstört. Wie in Trance zog er sein Schwert. Raphaelas hörte auf zu denken. Er wurde immer schneller, als er über die Eiswüste jagte. Dem ersten Lebewesen, dem er begegnete war einer seiner eigenen Männer. Er köpfte ihn, ohne langsamer zu werden. Er gab sich voll dem Blutrausch hin, jeder Gedanke war ausgelöscht. Er brachte alles um, was er auf seinem Weg traf. Nomaden, Tiere, aber auch immer wieder Vampire, die der Fürst geschickt hatte, um seinen Botschafter und Heerführer wieder einzufangen. Niemand überlebte eine Begegnung mit ihm. Raphaelas rastete nie länger als ein paar Stunden, zu qualvoll waren die Bilder, die dann ihn ihm aufstiegen. So wechselte er ständig die Position, was es für den Fürsten sehr schwer machte, ihn wieder zu finden. Doch das alles war Raphaelas nicht mehr bewusst. Hätte man ihn nach einem Fürsten gefragt, hätte er damit nichts anzufangen gewusst.
 

2.4.Terèse
 

Terèse lebte sich recht gut in den Nomadenstamm ein. Wo hätte sie auch sonst hin sollen? Sie wusste ja nicht einmal wie sie hierhergekommen war, auch wenn ihr das eine oder andere wieder einfiel. Aber es waren nur kleine Farbtupfer in einem Meer aus Schwärze. Eine Person tauchte dort imm wieder auf. Es war ein Mann, einen Kopf größer als sie, schulterlange, schwarze Haare, dunkle Augen, sehr blass. Irgendwie verband sie mit ihm viel Kälte. War seine Art Kalt? Nein, dann würde sie sich nicht so zu ihm hingezogen fühlen. Und wenn sein Körper kalt war? War er dann Tod? Kendrick schwieg sich weiterhin über ihn aus. War er der Vater ihres Kindes? Wollte Kendrick ihr nicht helfen sich zu erinnern, weil sein Tod vielleicht für sie so schmerzhaft gewesen war?

Diese ganzen Überlegungen brachten sie kein Stück weiter, also ließ sie es irgendwann ganz bleiben. Versunken in dem täglichem Trott des Nomadenstammes vergaß sie irgendwann ihre Fragen über ihre Vergangenheit. Nur manchmal, wenn sie nachts wach dalag kamen die Fragen zurück, manchmal sogar eine kleine Erinnerung.

Terèse wurde schnell von den Nomaden respektiert. Mit ihren Heilkünsten, die teilweise weiter gingen als die von Mágurix, war sie dem Stamm eine große Hilfe. Anfangs kämpfte sie noch manchmal mit der Zuordnung der Kräuter und Instrumente, doch mehr und mehr kam die Routine zurück.

Sie hielt sich sehr an Mágurix, er war der einzige Nomade, dem sie sich ein wenig näher fühlte. Alle anderen blieben ihr seltsam fremd. Er war es, der ihr ermöglichte weiter den Heilberuf auszuführen, obwohl man der Meinung war, dass Frauen dazu nicht geeignet waren. Er war es, der ihr die Sprache beibrachte. Als Dank teilte sie mir ihm ihr Heilwissen und schenkte ihm ihre Zuneigung.

Doch nach knapp vier Wochen bei den Nomaden war Mágurix plötzlich recht wortkarg und immer, wenn er sich unbeobachtet glaubte, betrachtete er sie seltsam. Mit einer Mischung aus Sehnsucht und Bedauern. Sie konnte sich darauf keinen Reim machen und als sie nachfragte, bekam sie nur ein trauriges Kopfschütteln als Antwort. Doch eher, als ihr lieb war, erklärte es sich von selbst. Zwei Tage später – Mágurix sagte immer weniger – rief der Stammesälteste die Nomaden zu einer Versammlung zusammen. Die Versammlung an sich war recht kurz, doch für Terèse schienen sich die Sekunden bis ins Unendliche zu dehnen. Der Älteste verkündete gleich zu Anfang die Heirat zwischen seinem Enkelsohn und... Ihr! Der Kerl war sogar noch jünger wie sie und bereits jetzt ein richtiger Grobian. Sie konnte ihn nicht ausstehen und jetzt sollte sie seine Frau werden? Man hatte sie nicht einmal gefragt! Niemals! Terèse war kurz davor aufzuspringen, doch sie zwang sich zur Ruhe. Würde sie sich weigern, würde man sie entweder unter Gewalt zwingen oder aussetzten, was dem Tod gleichbedeutend war. Wahrscheinlicher allerdings war, dass man beides mit ihr machen würde. Man würde sie erst unter Gewaltanwendung zwingen und dann aussetzten. So blieb sie sitzen, schwieg und schien sich ihrem Schicksal zu beugen. Doch in ihrem Inneren brodelte es.

In der Hochzeitsnacht jedoch war sie nicht mehr so still und folgsam wie die Nomadenfrauen. Als sich der Enkelsohn des Ältesten an ihr vergehen wollte wehrte sie sich. Es kam zu einer stillen Rangelei. Sie wollte nicht, dass er Hilfe bekam und er wollte sich nicht die Blöße geben gegen eine Frau Hilfe zu brauchen. Am Ende brach sie ihm das Genick, sie hatte keine Ahnung wo und von wem sie das gelernt hatt – Sie konnte es halt.

Terèse floh in die Nacht. Nach dem Mord konnte sie schlecht bei den Nomaden bleiben. Als Frau hatte sie keinerlei Rechte unter ihnen. Sie hatte keine Ahnung wie sie ohne die Nomaden in der Eiswüste überleben sollte, aber es war weit besser dort draußen zu erfrieren, als nochmal diesen Barbaren wehrlos ausgeliefert zu sein. Nun, gut. Wehrlos war sie nicht wirklich gewesen. Sie rannte die ganze Nacht hindurch, aus Angst verfolgt zu werden. Erst als die ersten Sonnenstrahlen ihr Gesicht berührten, blieb sie keuchend stehen. Kurz blieb sie stehen, um ihren Atem wieder zu beruhigen. Als sie sich umsah sah sie...nichts. Nichts, außer Eis und Schnee bis zum Horizont. Ihre Spur zeigte ihr wo sie hergekommen war, ansonsten hatte sie keinerlei Anhaltspunkt. Außer der Sonne vielleicht, aber die half ihr nicht viel weiter. Sie wusste ja nichteinmal in welche Himmelsrichtung sie gehen musste – und vorallem wie weit – damit diese Eiswüste endlich endete.

Schließlich entdeckte sie doch etwas. Ein kleines Stück schwarzer Stoff ragte aus der Erde, steifgefroren zeigte er in Richtung Süden. Was das wohl war? Neugierig geworden ging Terèse darauf zu und zog an dem Stoff. Der Stoff war schwer und lies sich kaum bewegen. Also änderte sie ihre Taktik. Anstatt an dem Stoff zu ziehen wischte sie den Schnee, der auf dem Stoff lag, fort. Weiterer schwarzer Stoff kam zum Vorschein, dann etwas rotes auf dem Schwarz. Das Rote stellte sich als ein Kreuz heraus, das auf den schwarzen Stoff gestickt war. Terèse wischte immer mehr Schnee fort und es stellte sich heraus, dass der Stoff nicht steifgefroren war, sondern es sich dabei um einen steifen Stehkragen handelte. Nachdem sie immer mehr Schnee entfernt hatte, entpupte sich das ganze als einen Mantel ohne Kapuze. Der Mantel war für eine größere Person gemacht, als Terèse es war, doch am unteren Ende und an den Ärmeln war ein Stück umgenäht, so dass er Terèse wie angegossen passte. Sie betrachtete den Mantel von allen Seiten, irgendwie kam er ihr bekannt vor. Nach längerem Grübeln fiel es ihr auch endlich wieder ein.

Sie saß hinter einem Mann auf einem Pferd. Von dem Mann vor ihr sah sie nicht viel mehr als die schulterlangen, schwarzen Haare, den breiten Rücken und die teure Kleidung. Das Pferd sah edel aus und sein Zaumzeug sah genauso teuer aus wie die Kleidung seines Herrn. Es war tiefschwarz und das Zaumzeug war von der gleichen Farbe. In einer mondlosen Nacht würde man es wahrscheinlich erst sehen, wenn es genau vor einem stünde. Der Mann vor ihr drehte sich um und lächelte ihr liebevoll zu. Dabei kamen zwei Reihen spitzer Zähne zum Vorschein, wobei die Eckzähne noch um ein ganzes Stück länger waren, als ihre Nachbarn.

Ein Vampir? Aber...war es nicht Tag gewesen? Wie konnte sie da mit einem Vampiren reisen? Außerdem: Seit wann war sie mit Vampiren unterwegs? Und wieso lächelte ihr ein Vampir liebevoll zu? Was hatte dieser Mantel damit zu tun? Schließlich hatte er sie doch erst an diese Szene erinnert. Moment mal! Diese Kreuze, da rechts und links an dem Kragen. Das waren doch eindeutig Kruzifixe! Dies hier war der Mantel eines Vampirjägers. Aber ja! Wahren sie damals nicht verfolgt worden?

"Hinter uns. Pferde. Zwei Stück." Der Vampir lächelte ihr immer noch zu. Terèse hatte sich selbst damals darüber gewundert, aber nichts dazu gesagt, er würde schon seine Gründe haben. Sie ritten sehr langsam und eigentlich hätte sogar ein Verfolger zu Fuß sie einholen können. Doch aus irgendeinem Grund hielten sich ihre Verfolger im Hintergrund. Warum? Warteten sie auf etwas? Aber auf was? Es konnte doch nur ein Hinterhalt sein. Nun, wer wäre auch so Lebensmüde zu zweit einen Vampir anzugreifen?

Wer war der Mann blos? Sie hatte sich damals nicht vor ihm gefürchtet, eher im Gegenteil. Dieser Mann hatte eine wunderbare Faszination auf sie ausgeübt. Endlich fiel ihr auch wieder sein Name ein. Raphaelas. Raphaelas von Kavka. Berater, Botschafter und Heerführer des Fürsten der Stadt der Vampire. Hatte er sich genauso gerademal zwei Tage vorher bei ihr vorgestellt? An dem Tag war Alanna, ihre Ziehmutter, gestorben. Plötzlich viel Terèse wieder soviel ein. Alanna´s Hütte, der Wald. Eine Träne suchte sich seinen Weg aus Terèse´s Auge, wurde aber schon in ihren Wimpern zu Eis. Wie hatte sie nur ihre Ziehmutter vergessen können? Sie hatte Alanna schließlich alles zu verdanken! Und sie war einfach fortgeritten, nachdem sie gestorben war. Nichteinmal begraben hatte sie sie. Sie hätte auf Kendrick hören sollen, er war von Anfang an der Meinung gewesen, sie solle in dem Wald bleiben und in Alanna´s Hütte leben. Doch ihr war das zu langweilig gewesen und so war sie mit Raphaelas mitgeritten, als er es ihr angeboten hatte. Sie waren in diesen verdammten Hinterhalt geritten. Von hinten waren zwei gekommen und von vorn vier Vampirjäger. Alle hatten diese Mäntel angehabt. Raphaelas hatte sein Pferd gewendet, hatte den ersten der beiden geköpft und sie hatte den anderen mit einem Wurfmesser vom Pferd geholt. Sie musste wohl mal recht gut mit Wurfmessern gewesen sein, doch sie konnte sich nicht daran erinnern es gelernt zu haben. Anschließend war sie auf das dessen Pferd gesprungen und mit Raphaelas zusammen davongeritten ohne sich um die anderen Vampirjäger zu kümmern. In den Satteltaschen des Pferdes waren gleich zwei ebenjener Mantel gewesen. Sie hatte einen an sich genommen und den Saum umgenäht, damit er nicht zu lang war. Wohin waren sie eigntlich geritten? Sie konnte sich bei bestem Willen an nichts weiter erinnern. Terèse sah sich um. Wenn hier der Mantel gelegen hatte, lagen hier vielleicht noch mehr Sachen von ihr? Und tatsächlich, als sie noch ein wenig tiefer grub fand sie ein totes Pferd. Sie erkannte ebenjenes, dass der Vampirjäger geritten hatte. Also hatte sie nicht nur den Mantel behalten. Das Pferd war wohl erfroren, genauso wie sie. Hatte Mágurix sie hier in der Gegend gefunden? Sie durchsuchte die Satteltaschen und fand neben jeder Menge Kräutern und ein wenig Proviant, alles tiefgefroren, die Äpfel eigneten sich eher zum Lutschen, als zum Essen, auch drei Gürtel. Den ersten erkannte sie sofort wieder. Es war ein geknüpfter Stoffgürtel, an dem verschiedene Beutel und seltsam gekrümmte Messer aller Größen befestigt waren. Den Gürtel hatte sie von Alanna geerbt. Es war der Gürtel eines Heilers. Der zweite Gürtel war von minderer Qualität, was man allerdings von den gut 30 Wurfmessern, die darin steckten, nicht sagen konnte. Dem dritten Gürtel allerdings sah man seinen hohen Preis noch immer an, obwohl das Leder rissig durch das lange Liegen in dem Schnee geworden ist. In ihm steckte eine ebenso wertvolle Scheide mitsamt Schwert. Das ganze musste einmal ein Vermögen gekostet haben. Terèse nahm schulterzuckend alle drei Gürtel an sich. An den Schwertgürtel konnte sie sich überhaupt nicht erinnern, doch der Wurfmessergürtel gab ihr ein leises Gefühl des Wiedererkennens.

Plötzlich rief jemand hinter ihr ihren Namen. Sie fuhr zusammen, drehte sich um und zog noch in der Bewegung eines der Wurfmesser. Auch als sie vor knapp einem Mond wieder aufgewacht war, hatte sie unwillkürlich nach ebenjenen Wurfmessern gegriffen.Kurz fragte sie sich, woher dieser Reflex doch kommen mochte, doch als sie sah wer dort stand, vergaß sie das schnell. Mágurix stand dort. Mitsamt Hundeschlitten, wahrscheinlich war er mal wieder auf dem Weg zum Fischen. Terèse lies ihren Arm sinken. Wie Mágurix sie ansah... Er hatte das Wurfmesser nicht einmal bemerkt. Sein Blick war voll Sehnsucht und Wärme...aber auch voller Schmerz. Und all das galt ihr. Hatte er schon immer so gefühlt? Als er auf sie zukam, rührte sie sich nicht. Selbst als er ihr Kinn sanft in die Hand nahm und ihr einen Kuss auf die Lippen hauchte, rührte sie sich immer noch nicht. Terèse konnte sich nicht mehr bewegen. Weder von Mágurix weg, noch zu ihm hin. Zusehr hatte er sie überrumpelt.

Wiedersehen ohne Erinnerung

3.1Raphaelas von Kavka
 

Raphaelas hatte die Nacht gerastet, aber keine Ruhe gefunden. Seit ungefähr 6 Sonnen war er dazu übergegangen seine Opfer nicht mehr sinnlos abzuschlachten und weiter zu ziehen, sondern auch ihr Blut zu trinken. Er brauchte die Energie, aber es befriedigte ihn nicht mehr so. Wenn er sinnlos abschlachtete, konnte er sich seinem Blutrauch voll hingeben. Wenn er aber das Blut noch trinken wollte, musste er auf seine Opfer mehr Rücksicht nehmen, als er wollte. Ansonsten war das ganze kostbare Blut in der Gegend verteilt. Da er nun nicht mehr blindlinks zuschlagen konnte, musste er mehr denken und das gefiel ihm überhaupt nicht. Anfangs hatte er sich voll dem Gefühl des Blutrausches überlassen. Der Drang nach allem zu schlagen was sich bewegte. Der Geruch nach Metall, Schweiß, Blut und Rüstungsfett. Er hatte es genossen wie sonst nichts. Doch das durfte er jetzt nicht mehr. Er bekam dadurch immer schlechtere Laune, vorausgesetzt das war möglich. In letzter Zeit tauchte wieder öfter das Bild, der im Schnee liegenden Terèse, auf. Es schmerzte ihn, mehr als ihn sein Tod geschmerzt hatte. Als er innerlich fast verbrannt wäre und schließlich zum Vampir wurde. Und auch wenn er sich vorgenommen hatte sich zu zügeln und durch das Blut neue Kraft zu gewinnen, verlor er immer öfter die Kontrolle über sich. In der Eiswüste lief nun also schlecht gelaunter, immer schwächerer, aber auch immer zügeloserer Tagwandler umher und schlachtete alles ab, was sich bewegte. Eine tödliche Mischung. Zumindest für die Meisten. Doch auf eine dieser seltenen Ausßnahmen war er bisher nicht gestoßen. Doch als er sich am Morgend von seinem Ruhelager hochquälte, wusste er nicht, dass er heute gleich auf zwei dieser Außnahmen treffen sollte.

Raphaelas rannte ziellos durch das endlose Eis, so wie schon seit einer kleinen Ewigkeit. Er brachte es nicht übers Herz Terèse´s Grabstätte zu verlassen. Unbewusst hatte er sich vor 10 Sonnen auf den Weg gemacht den Ort zu besuchen, an dem sie gestorben war. Er rannte und rannte, doch er traf niemanden. Das frustrierte ihn nur noch mehr, so hatte er niemanden, an dem er seinen Ärger auzslassen konnte. Doch plötzlich erstarrte er. Er hatte etwas entdeckt, dass er nicht glauben mochte.

Einige Schritte vor ihm stand eine junge Frau, die er nur allzu gut kannte. Er hatte sie mitgenommen, in die Stadt der Vampire. Er hatte sie dem Fürsten erst vorgestellt, dann vor ihm versteckt. Er hatte sie unterrichtet. Er hatte sie geliebt. Er hatte sie wieder verlassen um in den Krieg zu ziehen, den sie so schmählich verloren hatten. In der Stunde seiner größten Not war er zu ihr zurückgekehrt und sie hatte ihn gepflegt. Er gestand ihr ihre Liebe und sie erwiederte sie. Nie war er je glücklicher gewesen. Weder in seinem Tod, noch in seinem Leben. Und dann... Dann hatte er sie wieder verlassen. Ohne ein Wort. Er hatte nicht vorgehabt lange wegzubleiben, aber sie hatte wohl noch weniger vorgehabt zu warten. Sie war ihm in dieser verdammte Eiswüste gefolgt und in ihrer Einsamkeit gestorben. Nein, sie war nicht gestorben. Sie stand doch vor ihm. Raphaelas konnte ihren Herzschlag hören. Ihr Geruch wurde überdeckt, dennoch hatte er nur einen sehnlichen Wunsch: Sie in die Arme zu nehmen, ihre Wärme zu spüren, ihren Duft zu riechen, ihr die Haare hinters Ohr zu streichen und vorallem... Ihre weichen Lippen endlich wieder auf den seinen zu spüren. So lange hatte er darauf verzichtet. Hatte geglaubt es nie wieder tun zu können! Was war er doch für ein Narr gewesen! Hatte sie dort liegen lassen, obwohl sie nicht tot gewesen war.

Er wollte sich ihr schon nähern, als sie gerufen wurde. Schnell versteckte er sich hinter einer Schneewehe. Sein weißer Mantel würde ihn für einen unaufmerksamen Beobachter fast unsichtbar machen. So war er für einen kurzen Moment abgelenkt. Als er sich wieder Terèse zuwendete, erstarrte er. Der Fremde er... er küsste Terèse! Seine Frau! Seine Geliebte! Sie wehrte sich nicht einmal! Raphaelas schäumte vor Wut. Wie konnte sie ihn so hintergehen? Er hatte wirklich geglaubt, dass sie ihn liebte! War sie gar nicht ihm gefolgt? War sie so weit in den Norden gekommen um ihn mit diesem... diesem... Ihm fiel keine Beschimpfung ein, die er angemessen fand... diesem Nomadenhänfling zu hintergehen? War ihr TOd nur gespielt gewesen? Um ihn loszuwerden?

Vor Wut schnaubend zog er sein Schwert. Schnell hatte er den Abstand zwischen ihnen überwunden. Die beiden standen mit der Seite zu ihm und bemerkten ihn nicht einmal. Jetzt wagte der Kerl es auch noch die Hand seiner Frau zu ergreifen. Raphaelas führte einen gezielten Schlag in der Höhe ihrer Hälse aus. Terèse, seine geliebte Terèse, wich dem Schlag rechtzeitig aus. Doch der Kopf des Fremden fiel zu Boden. Einen kurzen Moment noch blieb der Körper stehen, bevor er nach hinten fiel. Terèse sah dem fallenden Körper geschockt zu, bevor sie sich wie in Trance zu ihm umdrehte. Was war los mit ihr? Sie war ihm eine gute Schülerin gewesen und normalerweise hätte sie ihn längst attakiert. Nun stand sie aber einfach da und sah ihn mit schreckgeweiteten Augen an. Erschreckte es sie sosehr ihn wiederzusehen? Damit hatte sie wohl nicht gerechnet. Aber so ließ er sich nicht behandeln. So nicht! Er war schließlich Raphaelas von Kavka! Berater, Botschafter und Heerführer des Fürsten!

Terèse wich vor ihm zurück. Glaubte sie wirklich ihm entkommen zu können? Nach diesem schändlichen Verrat? Sie sagte etwas und er erkannte die Sprache der Nomaden. Also hatte sie wirklich bei ihnen gelebt. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht diese Sprache zu erlernen und verstand sie deshalb nicht.

"Ja, Terèse! Weiche vor mir zurück! Du hast wohl nicht damit gerechnet mich wiederzusehen. Wie konntest du mich nur so hintergehen? Dafür wirst du sterben!" Seine Stimme schlug fast über vor Wut...aber auch Verzweiflung.

Ohne auf ihre Überraschung einzugehen, führte er den nächsten Schlag aus. Diesmal direkt gegen Terèse. Nur mit Mühe und Not konnte sie ihm ausweichen. Erst jetzt zog sie ihre Schwert, dass sie wie immer an ihrem Gürtel trug. Es war einst sein Geschenk an sie gewesen. Sie zog es als hätte sie keine Ahnung, wie man damit umging. Hatte sie alles verlernt? Klar, sie besaß nicht die Schnelligkeit und die Kraft eines Vampirs, aber mit ihrem Geschick konnte sie einem Vampir durchaus gefärhlich werden.

"Wer in drei Teufels Namen bist du?" Ihre Stimme war hysterisch, so hatte er sie noch nie erlebt. Sie reagierte sonst immer gelassen und ruhig. Erkannte sie ihn etwas nicht?

Überrascht ließ er seine Deckung ein wenig fallen und starrte sie mit einer Mischung aus Erstaunen und Entsetzten an. Sie log nicht, dass hätte er gerochen. Sie wusste wirklich nicht wer er war.

"Wer seit ihr?" Terèse wurde ruhiger und erinnerte sich wieder an die Höflichkeitsform, damit hatte sie sich schon immer in Schwierigkeiten gebracht. "Wieso sprecht ihr meine Sprache? Woher kennt ihr meinen Namen?" Wirklich nur Terèse brachte es fertig einen Vampiren, der sie gerade angriff auch noch Fragen zu stellen. Raphaelas musste unwillkürlich ein wenig schmunzeln, doch das verging ihm schnell wieder. Warum erinnerte sie sich nicht? Hatte sie ihn womöglich gar nicht hintergangen? Er schnupperte. Nein, dann hätte er den Fremden viel intensiewer an ihr riechen müssen. Sie hatte ihn nicht absichtlich hintergangen. Sie erinnerte sich nur nicht an ihn. Endgütlig ließ er das Schwert sinken.

"Wo warst du nur?" In seiner Stimme lag der ganze Schmerz der letzten Sonnen. Terèse sah immer verwirrter aus. Er ging einen Schritt auf sie zu, wollte sie umarmen, doch sie wich zurück. Er konnte es ihr nicht verdenken, eben hatte er sie schließlich noch töten wollen. "Erinnerst du dich wirklich nicht? Du warst..." Er stockte und sprach dann mit Bestimmtheit weiter: "Nein, du bist meine Gefärhtin!"
 

3.2Terèse
 

Terèse war die Überraschung ins Gesicht geschrieben. Schon der Kuss von Màgurix hatte sie völlig überrumpelt und als sie dann noch angegriffen wurden, konnte sie endügltig keinen klaren Gedanken mehr fassen. Wenigstens hatte ihr Körper noch gewusst, wie er sich zu verhalten hat und sie lag jetzt nicht geköpft im Schnee, so wie Màgurix. Woher sie diese Reflexe wohl hatte? Und dieser Mann sollte ihr...wie nannte er das?...Gefährte sein? Sie hatte schon verstanden, was er damit meinte, kam aber nicht umhin sich über die Formulierung zu wundern. Er kam ihr durchaus bekannt vor, doch sie musste erst eine Weile überlegen, bis ihr wieder einfiel woher. Er war derjenige, der immer wieder in den selten Szenen auftauchte, an die sie sich erinnerte. Eine ganze Weile später fiel ihr sogar sein Name wieder ein.

"Raphael. Nein, Raphaelas. Raphaelas von Kavka." Die Worte waren eher für sie bestimmt, als für ihren Gegenüber, doch der hörte das genau. Er lächelte. Terèse musste ein Zusammenzucken unterdrücken. Sie konnte ihren Blick nicht von seinen spitzen Zähnen abwenden. Ein Vampir. Sie nannte einen Vampiren ihren ... Gefährten?

"Ja, er ist dein Gefährte, wie er es nennt. Er ist auch der Vater deines Kindes und du bist ihm in diese verfluchte Eiswüste gefolgt!" Es folgten noch einige Verwünschungen, die Terèse lieber erst gar nicht warnahm. Kendrick klang gleichzeitig sauer und resigniert. Er hatte Raphaelas wohl noch nie gemocht. Terèse zuckte nun doch zusammen als sie mit ein paar Sätzen das erklärt bekam, dass sie seit fast einem Mond erfolglos zu wissen gesucht hatte.

Raphaelas´ Lächeln war wieder verschwunden, sie hatte wohl nicht so reagiert, wie er das erwartet hatte. Terèse setzte zum sprechen an, brach aber wieder ab. Was sollte sie ihm auch sagen? Was wollte sie ihm sagen? Sie wusste es selbst nicht, aber sie hatte das dringende Bedürfnis irgendetwas zu sagen.

"Raphaelas." Sie wusste nicht weiter. "Es tut mir leid, aber..." Sie brach ab. Was tat ihr eigentlich leid? "Kendrick sagt du wärst der Vater meines Kindes, aber..." So langsam sah Raphaelas genauso verwirrt aus, wie sie sich fühlte. "Ich erinnere mich doch kaum!" Terèse´s Verzweiflung schlug schlagartig in Trauer um und ihr versagte die Stimme. Hatte sie eben noch mit einer Verzweiflungsgeste in den Himmel geschaut, starrte sie nun auf den zertrampelten Schnee vor ihren Füßen.

Sie beide rührten sich ein paar Augenblicke gar nicht, doch dann kam er auf sie zu, legte einen eiskalten Finger unter ihr Kinn und hob ihren Kopf sanft. Er war einen ganzen Kopf größer als sie und wenn er so vor ihr stand, musste sie den Kopf in den Nacken legen um seinem Blick begegnen zu können. In diesem Fall begegnen zu müssen. Seine pechschwarzen Augen sahen sie liebevoll, aber verwirrt an.

"Der Vater deines Kindes" echote er tonlos. Hatte er davon etwa nichts gewusst?

"Es hat meinen Tod nicht überlebt" Terèse merkte selbst wie seltsam das klang, doch für Raphaelas schien das Sinn zu machen. Ein Funke des Verstehens erglomm in dem Winkel seines Auges. Er lächelte liebevoll und gleichzeitig erleichtert. Sanft zog er sie an sich, umarmte sie und vergrub sein Gesicht in ihren Haaren.

"Ich bin so froh dich wieder zu haben!"

Terèse jedoch versteifte sich und wand sich aus seinem Griff. Sie kannte diesen Mann kaum und er tauschte mit ihr wie selbstverständlich Zärtlichkeiten aus! Raphaelas sah enttäuscht und verletzt aus, doch der Ausdruck wandelte sich schnell in Verständnis und Mitleid um. Er fasste langsam nach ihrer Hand.

"Lass uns nach Hause gehen, Terèse. Zu Brûhin und Deoris."

"nach Hause..." Diesmal war sie diejenigen, die die Worte des anderen verständnislos wiederholte. "Wer ist Brûhin und Deoris? Und wo ist `zu Hause´?"
 

3.2Vraccas
 

Vraccas war bereits seit Stunden auf der Fährte Raphaelas´, doch dieser war schnell und Vraccas musste sich erhebliche Mühe geben um den Abstand langsam zu verringern. Dieser verfluchte Raphaelas! Nur weil der Fürst ihn ab und zu um Rat fragte, hielt er sich für etwas Besseres. Aber was war er schon? Hatte sich ein schwächliches Menschenmädchen zur Gefährtin gesucht. Wiederlich! Vraccas wurde schon bei dem Gedanken schlecht. Nun, er kannte natürlich Vampire, die vorallem auf Menschenfrauen Jagd machten und sie dabei missbrauchten. Doch Raphaelas hatte eine Menschenfrau zu seiner Gefährtin gemacht und dann auch noch eine, die kaum dem Kindesalter entwachsen war. Er hätte sie wenigstens zu einer Vampirin machen können, doch das wollte er nicht. Er wollte nicht 1000 Winter auf sie verzichten, die sie brauchte um ein Tagwandler zu werden. Das Risiko, sie könnte dabei sterben, war ihm zu hoch. Lächerlich! Aber Raphaelas war ja schon immer so schrecklich gefühlsbetont gewesen, als wäre er immer noch ein Mensch. Völlig unwürdig für einen Vampir. Warum hatte der Fürst überhaupt ihn als Berater bestimmt? Er, Vraccas, war schließlich viel sachlicher!

Vraccas schnaubte bei der Erinnerung an diese Schmach. Dabei entdeckte er, dass er Raphaelas´ Spur verloren hatte. Die Augen verdrehend ging er ein paar Schritte zurück. Endlich fand er die Spur wieder und entdeckte nach einigen weiteren schnellen Schritten Raphaelas´ Lager. Hier hatte er wohl einige Stunden verbracht. Erneute Verachtung stieg in Vraccas auf. Wusste er es doch! Raphaelas war ein Schwächling. Kaum verausgabte er sich einen Mond lang musste er schon rasten! Er wäre niemals so verweichlicht. Doch dann grinste er, so holte er Raphaelas um Stunden ein. Mit neuer Kraft schritt er aus. Doch darin hatte Vraccas sich geirrt. Raphaelas war sogar noch schneller als zuvor ausgeschritten und vergrößerte so langsam seinen Abstand zu Vraccas. Dies frustrierte Vraccas zusehends, doch kam er nicht umhin Raphaelas dafür ein wenig Respekt zu zollen. Raphaelas besaß noch immer die bessere Ausdauer, obwohl er fast einen ganzen Mond länger unterwegs war. Doch schließlich - die Sonne sank bereits wieder - kam er an eine Stelle, wo Raphaelas erneut gehalten hatte. Eigentlich wollte er schnell weiterziehen, um die Zeit, die Raphaelas hier verbracht hatte, für sich zu nutzen, doch dann sah er sich den Platz doch genauer an. Die Spur die von hier fortführte wies zwei paar Schuhe auf, nicht mehr eines, wie die Spur, die herführte. Nun nahm er den Platz genauer unter die Lupe. Es fand sich eine geköpfte Leiche, doch Raphaelas hatte nicht von ihr getrunken. Das Blut war bereits gefroren und hatte seinen Geruch verloren. Ein paar Schritte weiter fand er ein Pferd, das schon seit mehr als zwei Dutzend Sonnen gestorben war. Jemand hatte es freigelegt und in den Satteltaschen gewühlt. Vraccas erkannte das Zaumzeug sofort wieder. Es stammte aus der Stadt der Vampire. Auch die Stute erkannte er. Es war Deoris, das Pferd von Raphaelas´ schwächlicher Menschenfrau. Dann war also die dritte Person ebenjene. Nun gut, das würde es Vraccas einfacher machen. Ein Mensch war verwundbar. Er heftete sich an die Fährte von Raphaelas und seiner schwächlichen Menschenfrau. Vraccas kannte ihren Namen natürlich, doch er weigerte sich Menschen Namen zu geben. Sie waren Schlachtvieh, wenn überhaupt bessere Jagdbeute.

Raphaelas war nun bedeutend langsamer. So wie es aussah jagte er nicht mehr sinnlos über das Eis, sondern hatte nun ein Ziel. Hatte er die ganze Zeit nur dieses Menschlein gesucht? Raphaelas hatte sich Richtung Süden gewand und war nun wohl auf dem Heimweg. So ein Dreck. Jetzt war die schöne Jagd gestorben. Aber eine Weile würde er ihn noch verfolgen. Er hatte die strickte Anweisung Raphaelas zurückzubringen, sollte er zur Vernunft kommen. Dem konnte er sich nicht wiedersetzten, sosehr er auch wollte.

Als die Sonne sich bereit machte sich mit der unendlichen Schwärze hinter dem Horizont zu vereinen, erblickte Vraccas die beiden. Er verließ die Spur und überholte sie ungesehen, dann legte er sich hinter einer Schneewehe auf die Lauer. Doch er hatte sich verschätzt. Die beiden gingen knapp 20 Schritte an ihm vorbei. Das ganze war dann nicht ganz so beeindruckend wie geplant, aber zumindest die schwächliche Menschenfrau erschreckte sich, als er aufstand und Raphaelas mit scharfer Stimme anrief. Raphaelas schob das Menschchen hinter sich und ging ein paar Schritte auf ihn zu.

"Was wollt ihr, Vraccas?" Antwortete er feindseelig.

Schade. Dann war er also wirklich zur Vernunft gekommen. Die wenigen, die eine Begegnung mit Raphaelas überlebt hatten, hatten berichtet, dass er blind auf sie eingeschlagen hatte, ohne sie zu erkennen oder auf irgendetwas zu reagieren.

"Der Fürst will euch zurückhaben." meinte Vraccas knapp. Er war enttäuscht. Er hatte sich auf eine spannende Jagd gefreut und nun...

Raohaelas rührte sich nicht. Er traute ihm wohl nicht. Nun, Vraccas ihm ja auch nicht. Der Mensch traute Vraccas wohl noch viel weniger. Sie hatte ein Wurfmesser in ihrer linken Hand und gleich drei in der Rechten. Vraccas hatte sie damit schon mal umgehen sehen. Für einen Menschen war sie verdammt schnell damit - und vorallem treffsicher, auch auf bewegte Ziele. Auch mit dem Schwert hatte sie sich nicht ungeschickt angestellt. Sie hatte wohl nicht vor ihn an sich ranzulassen. Auch wenn sie nur ein schwächlicher Mensch war, musste er sich vor ihr in Acht nehmen.

"Sagt unserem Fürsten, dass ich in einem halben Mond bei ihm sein werde." Raphaelas wartete offensichtlich darauf, dass Vraccas sich verzog. Doch der dachte nicht daran.

"Ihr seit bereits einen Mond fort, Raphaelas! Ihr habt eure Pflichten missachtet und sogar eure eigenen Männer angegriffen! Der Fürst will sofort eine Erklärung. Seit froh, dass er mich nicht geschickt hat, um über euch zu richten! Ich werde euch jetzt sofort zu ihm geleiten. Und die Menschentochter wird ihn auch interessieren!" Mit Genugtuung beobachtete Vraccas, wie Raphaelas unruhig wurde. Niemand wusste warum, aber die schwächliche Menschenfrau hatte den Fürsten sehr erzürnt und Raphaelas hatte sie heimlich aus der Stadt bringen müssen.

"Nun, gut, Vraccas!" Raphaelas Stimme klang so bitte, das Vraccas am liebsten frohlockt hätte. "Gehen wir zum Fürsten."



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