Dormant In My Beating Heart von X66 ([KaRe // One-Shot (Wichtelff)]) ================================================================================ Kapitel 1: Dormant In My Beating Heart -------------------------------------- Titel: Dormant In My Beating Heart Projekt: Winterwichteln inkl. Fotochallenge des KaRe-FF-Zirkels http://animexx.onlinewelten.com/community.php/KaiXRay_FFZirkel/beschreibung/ Wichtelopfer: Prompt: Foto mit einem süßen Panda drauf ^o^ Disclaimer: Außer der Idee gehört mir nichts, die Charaktere gehören Takao Aoki und ich verdiene auch kein Geld hiermit. Autorenkommentar: Ich hatte jede Menge Spaß beim Recherchieren und Schreiben dieser Story, auch wenn es anfangs etwas gedauert hat, bis ich eine Idee entwickelt hatte xD Dank geht deshalb an meine liebe Tanta Taka für den Prompt Außerdem möchte ich für die Beta danken. Ich hoffe, es gefällt ~*~*~ Es war so ziemlich das Letzte, womit Kai gerechnet hatte. Natürlich war die Möglichkeit nie ganz ausgeschlossen gewesen - China war immerhin Reis Heimatland. Aber es war gleichzeitig eines der größten und bevölkerungsreichsten Länder der Erde, was die Wahrscheinlichkeit einer Begegnung wieder gegen Null gehen ließ. Aus diesem Grund hatte Kai nur äußerst flüchtig daran gedacht, wie es wäre, Rei zu sehen. Ihn jetzt hier tatsächlich zu treffen, konnte nur durch die Sorte von Zufall bedingt sein, die einen den Gedanken hegen ließ, dass es so etwas wie Schicksal vielleicht doch gab. Kai hatte Rei sofort erkannt, als er den Konferenzsaal betreten hatte, in dem die Begrüßungsveranstaltung stattfinden sollte. Genau wie früher hingen Reis schwarze Haare in einem langen Zopf über seinen Rücken und auch seine Statur hatte sich wenig verändert. Als einen Augenblick darauf sein warmes Lachen ertönte, war dieses Kai vertrauter, als er jemals vermutet hätte. Er fühlte sich plötzlich, als sei es erst gestern gewesen, wie sie zusammen als Blader umhergereist waren. Er blieb erst einmal stehen, fragte sich, was Rei hier tat und wie zur Hölle er ihn eigentlich nach all der Zeit begrüßen sollte. Einen Moment wollte Kai sich gönnen, um mit der Überraschung und der Freude, die mit unerwarteter Heftigkeit in ihm hochsprudelte, klar zu kommen, doch Rei wandte sich von seinem Gesprächspartner ab und entdeckte ihn viel zu schnell. Mit großen Augen sah Rei ihm entgegen, dann verzogen sich seine Mundwinkel zu einem breiten Grinsen und er kam zielstrebig auf ihn zu. Etwas zögerlich streckte Kai zur Begrüßung seine Hand aus; es schien ihm ein wenig zu förmlich. Rei rettete die Situation, indem er die Hand ergriff und ihn gleichzeitig mit dem anderen Arm umarmte. „Kai! Was machst du denn hier? Unfassbar, dass wir uns hier begegnen!“ „So ist das Leben - immer für einen Zufall gut, hm?“ Rei lachte. „Du musst mir alles erzählen! Wir müssen unbedingt einen Kaffee trinken gehen, damit du mir berichten kannst, was dich ausgerechnet hierher ins Reservat verschlägt und-“ Er wurde von dem Geräusch eines kleinen Gongs unterbrochen, das von vorn erklang. Es war offenbar das Zeichen, dass es losging, wie Kai auch dem Auftritt des mit einem Anzug bekleideten Herrn entnahm, der sich gerade hinter das Rednerpult begab. „Nach der Einführung haben wir ein paar Stunden frei zum Ankommen. Wenn du nichts vorhast...“, schlug Kai vor. „Oh, natürlich. Irgendwo gibt es hier im Hotel eine Cafeteria, da können wir hin gehen.“ Kai nickte und sie suchten sich freie Plätze in den sich füllenden Reihen. Um sie herum raschelten Jacken und Papiere, verklangen die letzten Gespräche, während langsam Ruhe einkehrte. Im Grunde, evaluierte Kai sehr schnell, hätte er sich die Veranstaltung sparen können. Mit den Begrüßungsfloskeln schaltete er bereits ab und bekam kaum ein Wort der gesamten Rede mit. Seine Gedanken waren viel zu sehr mit Rei und dem in Aussicht stehenden gemeinsamen Kaffee beschäftigt. Aus den Augenwinkeln versuchte er immer wieder, unauffällig Blicke auf Rei zu erhaschen, nachdem er jedes Mal aufs Neue gescheitert war, sich davon abzuhalten und stattdessen der Rede zu folgen. Kai wusste, dass es wichtig gewesen wäre, konzentriert zuzuhören. Er war schließlich nicht zum Vergnügen nach Mianyang gekommen, sondern weil er in einem der regionalen Pandareservate arbeiten und praktische Erfahrungen sammeln wollte. Mit der Unterstützung des World Wide Fund For Nature fand in regelmäßigen Abständen ein einwöchiger Workshop statt, der sich teilweise in Mianyang, teilweise im nahegelegenen Reservat Wanglang abspielte. Er diente Schulungszwecken für Mitarbeiter aller Schutzreservate der umliegenden Regionen; ihn selbst hatte man zur Einführung hergeschickt, bevor er seine Arbeit im Foping Panda Nature Reserve beginnen konnte. Es war also wenig ratsam, sich von Rei gleich zu Beginn des Workshops so ablenken zu lassen, aber er konnte sich - entgegen der Diszipliniertheit, die er sonst in allem, was er tat, aufbrachte - nicht helfen. Er hoffte nur, dass er nicht die ganze Woche vergeblich versuchen würde, sich am Riemen zu reißen. ~*~ Die Cafeteria erwies sich als eine sehr moderne, aber durchaus gemütliche Einrichtung, die sich in einem der höheren Stockwerke des Hotelhochhauses befand. Sie hatten sich einen Platz auf der Seite gesucht, auf der sich die Tische an einer großen Fensterfront entlang zogen. Ihnen bot sich ein weiter Blick über das graue Häusergewirr Mianyangs, das nur von der Vielzahl neonfarbener Werbetafeln und dem breiten Strom des Fu Jiang, der sich als blaugraues Band durch die Stadt schlängelte, durchbrochen wurde. „Ich wusste nicht, dass du sogar Chinesisch sprichst“, sagte Rei, während er seine Tasse Cappuccino auf den Tisch vor sich stellte und Platz nahm. Kai, bereits sitzend, rückte seinen Stuhl ein wenig näher und zuckte mit den Achseln. „Nicht besonders viel, um ehrlich zu sein. Es reicht, um sich einen Kaffee zu bestellen, wie du gesehen hast. Ich musste einen Chinesischkurs belegen, bevor ich herkommen konnte, um an dem Workshop teilzunehmen. Aber es ist begrenzt, was man auf die Schnelle lernen kann.“ Rei warf zwei Stückchen Zucker in seinen Kaffee und rührte lächelnd, bevor er Kai mit einem interessierten Blick fixierte. „Deine Aussprache ist gar nicht mal so schlecht.“ „Hm. Trotzdem gut, dass die Veranstaltungen hier auf Englisch sind. Ich hoffe, dass ich wesentlich mehr Chinesisch kann, nachdem ich hier mehrere Monate gearbeitet habe.“ „Was uns gleich zu den interessanteren Fragen bringt.“ Rei stützte die Arme auf den Tisch und lehnte sich etwas vor. „Was verschlägt dich hierher? Es war so eine Überraschung, dich ausgerechnet hier wieder zu treffen - ohne die geringste Verabredung!“ Kai setzte seine eigene Tasse mit schwarzem Kaffee - ohne Milch, ohne Zucker - ab, von der er einen Schluck genommen hatte. „Ich habe in Russland Bioinformatik studiert, nachdem sich das Team getrennt hat, damals. Gerade hab ich meinen Doktor abgeschlossen und bin hier hingekommen, um an den Datenbanken in den Reservaten mitzuarbeiten.“ „Dr. Hiwatari? Nicht schlecht.“ Rei grinste. „Herzlichen Glückwunsch, kann ich nur sagen.“ „Und du?“, fragte Kai, der viel lieber hören wollte, was Rei zu erzählen hatte, als von sich zu berichten. Sich vorbeugend stützte er seine Ellbogen auf den Tisch zwischen ihnen. „Auch die anderen wussten nicht mehr, als dass du dich irgendwo in China herumtreibst. Niemand hatte eine Ahnung, wo genau du abgeblieben warst und was genau du machst.“ Er konnte nicht verhindern, dass eine leise Nuance eines Vorwurfs in seinen Worten mitschwang. Rei schwieg zunächst, biss sich auf die Lippe, während er unnötigerweise erneut in seinem Kaffee rührte. Früher hatte Rei nicht die Angewohnheit gehabt, sich auf die Lippen zu beißen, wenn ihm unbehaglich zumute war, wusste Kai und er fragte sich, wann er sich das wohl angewöhnt hatte. Fast acht Jahre, in denen sie sich nicht gesehen hatten, waren eine lange Zeit. „Nach dem Bladen wusste ich erstmal gar nicht, was ich wollte. Du warst gleich nach Russland verschwunden, Max und Takao hatten auch schon einen Plan, was sie mit ihrem Leben anfangen wollten, nur ich stand da ohne die geringste Idee. Deshalb bin ich zurück nach China gekommen. Ich habe dann Arbeit gesucht - aber du weißt ja, wie das in China auf dem Land aussieht. In der Nähe von meinem Heimatdorf gibt es auch ein Reservat, wo ich dann mehr oder weniger zufällig erst mal was gefunden habe.“ „Das heißt du wolltest gar nicht unbedingt länger da arbeiten?“, hakte Kai nach. Rei schüttelte den Kopf. „Nee, das war nicht geplant. Aber es gefiel mir so gut da, dass ich geblieben bin. Hast du von diesen Projekten gehört, bei denen es darum geht, Kontakt zu den Bewohnern der reservatsangrenzenden Gebiete aufzubauen?“ „Die mit dem Ziel, eine langfristige Erhaltung der Pandalebensräume zu sichern?“ „Genau“, bestätigte Rei. „Ohne die Unterstützung der hier lebenden Menschen ist das nicht machbar. Zum Teil müssen sie ihre Art zu leben und ihre Arbeit so anpassen, dass dadurch die natürlichen Lebensräume der Pandas nicht weiter gefährdet sind. Ich arbeite mittlerweile als Kontaktperson und Vermittler zwischen dem Reservat und den umliegenden Dörfern. Das ist es echt gut, sowohl Chinesisch als auch Englisch fließend zu sprechen - die Bauern hier sprechen nur Chinesisch, aber im Reservat können viele das nur wenig und meist nicht den richtigen Dialekt.“ „So wie ich.“ Kai grinste. Rei lachte, dann fragte er: „In welches Reservat gehst du denn, wenn der Workshop zu Ende ist?“ „Nach Foping. Richtung Xi'An“, erklärte Kai. „Schade - ich arbeite in Changqing, das ist eine komplett andere Richtung.“ Rei seufzte leise, es klang ein wenig enttäuscht. „Der Zufall wäre vielleicht etwas zu groß gewesen, wenn wir nicht nur denselben Workshop besuchen würden, sondern auch noch im selben Reservat arbeiten würden, meinst du nicht?“ Rei nickte auf diese Frage, stützte sein Kinn in seine Handfläche. „Doch schon. Trotzdem wäre es toll gewesen, wenn wir zusammen hätten arbeiten können.“ „Wie in alten Zeiten, oder was?“, fragte Kai amüsiert, eine Augenbraue angehoben. „Bladen war doch keine Arbeit!“, entrüstete sich Rei grinsend. „Na ja. Teamwork war es aber schon. Auch ich weiß heute, dass wir damals keinen einzigen Titel abgeräumt hätten, wenn wir nicht zusammengearbeitet hätten.“ Dieser Satz war der Startschuss für eine ausgedehnte Diskussion über das Bladen, bei der Kai selbst davon überrascht wurde, mit wie viel Leidenschaft Rei und er noch über dieses Thema reden konnten und wie gut es tatsächlich tat, sich an all die alten Geschichten und Matches zu erinnern. ~*~ Nach einer kurzen Dusche hatte Kai nur eine frische Boxershorts angezogen, hatte sich die Zähne geputzt und war ins Bett gestiegen. Obwohl seine Augenlider schwer waren und sein Körper sich nach Schlaf sehnte, wollte sich dieser nicht einstellen. Seine Gedanken kreisten um Rei. Es war fast wie früher gewesen, wie sie den Tag miteinander umgegangen waren. Er konnte sich nicht erinnern, sich mit einer anderen Person jemals so schnell vertraut gefühlt zu haben, nachdem er sie länger nicht gesehen hatte. Natürlich hatte es kleine Momente gegeben, die ihm gezeigt hatten, dass in der Tat acht Jahre vergangen waren, seit er Rei das letzte Mal gesehen hatte, und nicht nur ein paar Tage. Plötzliche Stille zwischen ihnen, Sätze, auf die Rei anders reagierte, als er erwartet hatte, Erwähnung von Personen, deren Namen Kai absolut nichts sagen - immer wieder die Erkenntnis, dass es mittlerweile so vieles gab, was er nicht über Rei wusste. Es hatte nicht lange gedauert, bis ihm aufgegangen war, dass er Rei bitterlich vermisst hatte, dass er nicht nur dessen Stimme und dessen Lachen hören, sondern auch alles erfahren wollte, was Rei in der Zwischenzeit erlebt hatte. Er fragte sich, was für ein Leben Rei sich aufgebaut hatte und ob er damit glücklich war. Heute hatte er jedenfalls nicht unglücklich gewirkt, aber Kai war nicht sicher, inwieweit Rei ihn hinter die Fassade hatte blicken lassen. Schon früher war Rei ziemlich gut darin gewesen, seinen Kummer hinter einem Lächeln zu verstecken. Rei war noch genauso attraktiv wie vor acht Jahren und Kai hatte gemerkt, dass er darauf ebenso reagierte wie damals. In all der Zeit war die Erinnerung an Rei ein wenig in den Hintergrund gerückt, da Kai auch kaum erwartet hatte, ihn wiederzusehen. Jetzt hatte er erst ein paar Stunden mit ihm verbracht und sofort flammte alles wieder in ihm auf. Er wollte seine Hände in Reis Haaren vergraben, sie noch einmal offen sehen wie damals bei ihrem Kampf oder wenn Rei frischgeduscht in ihrem gemeinsamen Hotelzimmer herumgelaufen war. Rei war immer so darauf bedacht gewesen, sein Haar in Ordnung zu halten, damit es ja nicht verfilzte. Schon früher hatte Kai sich gefragt, ob Rei wenigstens vergessen würde, welche Knoten entstanden, wenn Kai mit seinen Händen hindurchfahren und die schwarzen Haare auf den Kissen unter ihnen ausbreiten würde... Ihm war bewusst, dass ihn am nächsten Tag ein anstrengendes Programm erwartete, für das er ausgeschlafen sein sollte, aber die Gedanken an Rei ließen sich nicht so leicht abstellen. Kai schwelgte geradezu in den Erinnerungen, die die Begegnung mit Rei in ihm geweckt hatte. Schlaflos wälzte er sich unter seiner Bettdecke hin und her, bis er irgendwann frustriert eine Hand unter den Bund seiner Boxershorts schob. Er versuchte gar nicht erst, sich Rei bei seiner folgenden Aktivität nicht vorzustellen. Es hätte sowieso nicht geklappt. ~*~ Da die ersten Veranstaltungen an diesem Tag erst am Nachmittag begannen, hatten sie beim Frühstück entschieden, die Vormittagsstunden zu nutzen, um sich Mianyang ein wenig anzusehen. Ihr Weg durch die engen Straßen, vorbei an Imbissständen und einer Vielzahl kleiner heruntergekommener Lädchen, hatte sie bis hoch zum Fu Le Shan Park geführt. Eindrucksvoll erhob sich eine mehrstöckige Pagode am anderen Ende der gepflasterten Allee, die sie gerade entlangliefen. „Du hast gesagt, die anderen hätten auch nicht gewusst, wohin ich nach dem Bladen verschwunden bin. Hast du noch Kontakt zu ihnen?“, fragte Rei, nachdem sie lange schweigend nebeneinander hergegangen waren. Erst bei seinen letzten Worten blickte er Kai an, der den Eindruck hatte, ein wenig Wehmut aus Reis Stimme heraus zu hören. „Ob du es glaubst oder nicht, aber den meisten Kontakt habe ich zu Takao.“ „Ach echt? Verrückt.“ Rei schüttelte lächelnd den Kopf. Kai nickte. „Ich habe noch mit ihm telefoniert, bevor ich abgereist bin. Er hat mittlerweile das Dojo übernommen.“ „Und Hiromi?“ „Sie sind seit längerem zusammen, aber manchmal weiß ich nicht, wie sie es miteinander aushalten. Von dem, was ich mitkriege, treiben sie sich recht häufig gegenseitig in den Wahnsinn.“ Rei lachte. „Dann hat sich ja nicht so viel geändert, oder?“ „Eigentlich nicht, nein.“ Sie schwiegen beide einen Moment. Kai wusste nicht, an was er Rei dachte, aber er selbst kämpfte mit der Frage, ob er Rei fragen sollte, ob es auch jemanden in seinem Leben gab. Schon fertig formuliert lag die Frage auf seiner Zunge, doch so einfach wollte das erste Wort nicht über seine Zungenspitze rollen. Womöglich wollte er die Antwort in gewissen Fällen gar nicht wissen. Er hatte schon geahnt, dass sie irgendwann auf dieses Thema kommen würden - denn wie konnten sie es auslassen, wo sie gerade auf dem besten Wege waren, wieder so vertraut miteinander zu werden, wie sie es am Ende ihrer Beybladekarriere gewesen waren? Noch bevor er seine Hemmungen überwinden konnte, äußerte Rei allerdings eine Frage, die zeigte, dass ihre Gedanken offenbar in dieselbe Richtung gegangen waren. „Und du? Bist du auch mit jemandem zusammen?“ Rei sah ihn direkt an, während er die Worte aussprach, doch er hielt sich merkwürdig starr. „Nein, bin ich nicht.“ Kai sagte nicht, dass er darüber ziemlich froh war, seit er Rei Anfang der Woche wiedergesehen hatte. „Und bei dir? Was ist aus Mao geworden?“ Auf diese Frage antwortete Rei mit einem leisen Lachen. „Nichts, glücklicherweise. Ich habe für sie allerdings noch nie so viel empfunden, wie immer alle geglaubt haben. Was wohl weniger an Maos Charakter lag, als daran, dass sie eine Frau ist“, ergänzte er mit Grinsen in seinen Mundwinkeln. Kai räusperte sich, sein Mund plötzlich trocken. „Hast du es damals schon gewusst?“ "Oh", machte Rei und schien einen Moment zu überlegen. „Nein. Nein, ich denke nicht“, fügte er hinzu, als sie die große Steintreppe erreichten, die die letzten Meter zur Pagode hochführte. Nach einer Pause sagte Kai: „Ich schon. ... Also, dass ich schwul bin, nicht du.“ Sie tauschten einen Blick, dann konnte Kai sich ein Grinsen nicht mehr verkneifen und Rei lachte im Gegenzug. „Ich habe mich immer gefragt, ob du vielleicht...“, begann Rei. „Aber ich war mir nie sicher.“ Kais Herz pochte in seinem Brustkorb. Wenn Rei sich diese Frage häufiger gestellt hatte, hieß das vielleicht, dass auch er...? „Jetzt weißt du es“, sagte Kai, weil ihm nichts anderes einfiel. Sie erklommen die letzte Stufe der Treppe und blieben stehen, um sich umzusehen. Rei legte den Kopf in den Nacken und sah hoch bis zur Spitze des rotbeziegelten Pagodendachs, bevor er Kai ansah und einem Unterton, den Kai nicht einordnen konnte, antwortete: „Ja, jetzt weiß ich es.“ ~*~ Kai war froh, dass man es so organisiert hatte, dass die Busfahrt von Mianyang ins Wanglang Reservat nachmittags losging. Am nächsten Morgen sollte so früh wie möglich mit der Exkursion ins Reservat begonnen werden, weshalb es durchaus sinnig war, bereits einen Tag früher anzureisen. Sie hatten den ganzen Tag und am Nachmittag und Abend zuvor Vorträge gehört und Diskussionsrunden gehabt, und Kai fühlte sich deswegen so ausgelaugt, dass er die mehrere Stunden dauernde Busfahrt nur all zu gerne zum Schlafen nutzte. Rei saß neben ihm in einem der Zweiersitze des Busses, der komfortabler war, als Kai erwartet hatte, und war bereits eingeschlafen. Kai hätte ihm gerne angeboten, seinen Kopf auf seiner Schulter abzulegen, doch er wusste, dass dies hier im Bus, wo alle sie sehen konnten, völlig undenkbar war. Er seufzte, versuchte, eine einigermaßen bequeme Position zu finden und schloss die Augen, um sich ebenso wie Rei dem Reich der Träume zu überlassen. ~*~ Am Morgen noch hatte Kai noch am offenen Fenster seines Zimmers gestanden und zugesehen, wie der bläuliche Vorhang der Nacht langsam einen zartgelben Streifen am Horizont freigab, und hatte dabei die frische, kühle Luft genossen, die hereingeströmt gekommen war. Von dieser Kühle war nun, kaum zwei Stunden später, nichts mehr zu spüren. Die Luftfeuchtigkeit war hoch und die Sonne gab ihren Teil dazu, dass Kai die ersten Schweißperlen von der Stirn rannen, noch bevor sie überhaupt losgegangen waren. So war er froh zu wissen, dass es etwas kühler werden würde, wenn sie von den Unterkünften des Reservats weiter hoch in die dicht bewaldeten Berge gestiegen waren. Neben ihm warteten Rei und vier weitere ihrer Kollegen darauf, dass ihr Guide nach den letzten Vorbereitungen im Haupthaus zu ihrem Treffpunkt zurückkam. Am Tag zuvor hatten sie bereits die Teams aufgeteilt, in denen sie heute losziehen würden, und eine Einführung in den praktischen Teil des Workshops erhalten. Sie alle trugen dicke Wanderstiefel und Rucksäcke, in denen sich Verpflegung und einige Ausrüstungsgegenstände befanden, die sie größtenteils von der Workshopleitung ausgehändigt bekommen hatten. „Da kommt er endlich!“, sagte Rei erleichtert. Zwei weitere Teams waren bereits vor einigen Minuten gestartet, was ihrer aller Ungeduld nur noch verstärkt hatte. „Alle bereit?“, fragte ihr Guide grinsend in die Runde. Er war ein Einheimischer, der seit vielen Jahren in Wanglang arbeitete und sich bestens auskannte. Er war Kai und Rei auf Anhieb sympathisch gewesen, als sie ihn am vorigen Abend das erste Mal getroffen hatten. „Dann kann's ja losgehen. Wie ihr sicherlich wisst, sind die Wege nicht immer klar zu erkennen - bleibt deshalb bitte immer in Sichtweite von mindestens einem eurer Teammitglieder. Alles was sonst noch wichtig ist, habt ihr gestern schon gehört, und ich will euch das kein zweites Mal erzählen. Bei irgendwelchen Fragen oder Problemen wendet ihr euch einfach direkt an mich, okay?“ Mit diesen Worten marschierte er voran und sie alle setzten sich in Bewegung. Anfangs waren die Wege noch breit und ausgetreten, doch es dauerte nicht lang, bis sie gezwungen waren, sich alle hintereinander einzureihen. Die dadurch erschwerten Gespräche verebbten bald ganz. Da es stetig und nicht wenig steil bergauf ging, sparten sie ihren Atem lieber für die Wanderung. Immer dichter wurde der Wald um sie herum, je weiter sie in die Berghänge hinauf stiegen und häufiger schoben sie Zweige und beblätterte Äste aus dem Weg, die ihnen ins Gesicht zu peitschen drohten. Durch das Wechselspiel von Licht und Schatten, erzeugt durch die Sonnenstrahlen, die sich vereinzelt ihren Weg durch die Baumkronen bahnten, herrschte ein Zwielicht, das es nicht einfacher machte, die eigenen Schritte sicher zu setzen. „Da ist es nicht schwer vorzustellen, dass man nie Pandas zu Gesicht bekommt, wenn man hier unterwegs ist“, bemerkte Rei, als sie einmal eine kurze Pause einlegten, um einige Schlucke Wasser zu trinken. „Allerdings. Man kann nicht nur nicht durch die Bäume sehen, sondern raschelt auf dem Bambus auch noch so laut, dass man alle Pandas in Reichweite gleich vertreibt“, erwiderte Kai. „Vielleicht haben wir ja trotzdem Glück?“, fragte Rei lächelnd, schob dabei eine verschwitzte Haarsträhne hinter sein Ohr, die sich beim Aufstieg aus seinem Zopf gelöst hatte. „Vielleicht, ja“, sagte Kai, bevor sie ihre Flaschen wegpackten und weiter marschierten. Obwohl sie auf ihrem Weg durch das Gelände unüberhörbar waren, nachdem sie so weit vorgedrungen waren, dass sie sich mehr oder weniger durch Bambus schlugen, als einem Weg zu folgen, gab es immer noch Tiere, die sich nicht verschrecken ließen. Gezwitscher drang von allen Seiten aus den Bäumen zu ihnen und Insekten schwirrten ständig um sie herum. Kai wusste nicht, durch wie viele Spinnennetze er schon gelaufen war und wie viele Spinnen er dabei möglicherweise mitgenommen hatte, doch es kümmerte ihn nicht mehr, weil er zu sehr damit beschäftigt war, auf den Weg zu achten und seinen Atem unter Kontrolle zu halten. Sie waren mehrere Stunden unterwegs gewesen, als sich vor ihnen das Pflanzendickicht etwas lichtete und sie auf eine Art Plateau traten, auf dem hohes Gras die Bäume und den Bambus ablöste. Ihr Guide blieb stehen und zum ersten Mal seit langem war genug Platz, dass sie sich alle um ihn herum versammeln konnten. „Höher werden wir heute nicht mehr gehen“, teilte ihr Guide ihnen mit. „Diese Stelle hier lässt sich gut nutzen, um mehrere kurze Trips in die unmittelbare Umgebung zu machen, so dass ihr euch mit euren Geräten vertraut machen könnt. Dazu teilt ihr euch gleich in Zweierteams auf und geht von hieraus in verschiedene Richtungen los. Nicht allzu weit natürlich.“ Er warf einen ernsten Blick in die Runde. „Bitte markiert diesen Standort hier in euren GPS-Geräten und zögert nicht, mich mit euren Walkie-Talkies anzufunken, wenn ihr ein Problem habt.“ Sie alle nickten. „Okay. Eure Aufgaben sind klar. Macht euch mit der Orientierung hier oben vertraut, verwendet eure Messgeräte so, wie ihr das gestern gelernt habt. Es geht nicht darum, hier Daten aufzunehmen, die wir tatsächlich verwenden, aber bitte vergesst trotzdem nie, jede Messung und jede Probennahme auch mit GPS aufzuzeichnen. Ihr habt eine Stunde, bevor wir uns hier wieder treffen.“ Es war für Kai völlig klar, dass er mit Rei arbeiten würde und ein kurzer Blick zu diesem bestätigte ihm, dass es auch Rei nicht anders ging. Sie teilten sich ein GPS-Gerät und Kai überließ Rei den Großteil der weiteren Benutzung, da er während seines Studiums schon zur Genüge den Umgang damit gelernt hatte. Nur wenige Minuten, nachdem sie sich auf den Weg gemacht hatten, hatte das Bambusdickicht sie schon wieder vollständig verschluckt. „Hier kommt man sich vor, als sei man ganz allein auf der Welt“, sagte Rei zu ihm, als er über einen umgestürzten Baumstamm kletterte und sich dann über eine Pflanze beugte, die im Schutze desselben wuchs. „Hmm“, machte Kai bestätigend und wartete darauf, dass das Thermometer, das er in den Boden gesteckt hatte, das Messergebnis anzeigte. Die Vorstellung, mit Rei ganz allein auf der Welt zu sein, fand er in diesem Moment ziemlich reizvoll und er musste sich davon abhalten, von diesem Gedanken zu sehr in eine Richtung abzuschweifen, in der seine Gedanken momentan gar nichts zu suchen hatten. „Hast du die Stelle hier schon mit GPS vermerkt?“, fragte er, um sich abzulenken. Rei nickte und gab ihm die Koordinaten durch. Nachdem Kai auch die Luftfeuchtigkeit noch gemessen hatte und den Wert notiert hatte, gingen sie weiter. So setzten sie ihre Exkursion eine Weile einträchtig arbeitend fort, kämpften sich durch Gestrüpp und Blattwerk, bis die Bäume ihnen erneut eine lichte Stelle freigaben. Den Wald im Rücken, sahen sie eine Felskuppe vor sich, hinter der offensichtlich ein steiler Hang abfiel. „Lass uns da vorne noch einmal messen“, schlug Kai vor. "Dann können wir einen Blick darunter werfen.“ „Okay. Danach müssen wir uns schon auf den Rückweg machen“, antwortete Rei mit einem Blick auf seine Armbanduhr. Kai führte wieder die Messreihe durch, die sie bislang an jedem ihrer Haltepunkte gemacht hatten, während Rei einige Gesteinsproben einsammelte. „Kai? Kannst du mal kommen und dir das GPS ansehen? Wie kam ich noch mal in das eine Menü rein, um eine neue Probenart markieren zu können?“ Schnell verstaute Kai sein Hygrometer und kam zu Rei hinüber, der unmittelbar am Rand der Felskuppe stand und ihm das GPS-Gerät reichte, als er ihn kommen sah. Kai navigierte sich durch mehrere der Menüs, bis er das richtige gefunden hatte. „Hier-“, setzte er an, doch in diesem Moment ergriff Rei sein Handgelenk nahezu eisern und hielt ihm mit seiner anderen Hand den Mund zu. Fast hätte Kai das GPS fallen gelassen, wovon er sich in letzter Sekunde abhalten konnte, und schaute verärgert zu Rei hinüber. Der beugte sich gerade vor und sprach dann so nah an Kais Ohr, dass Kai meinte, Reis Lippen geradezu auf seiner Haut spüren zu können. Schauer liefen ihm den Rücken hinunter und er musste schlucken. „Kai“, flüsterte Rei. „Schau da links runter über die Kuppe. Siehst du da neben dem Baum dort unten? Da ist ein Panda. Kai! Ein Panda!“ Aufregung schwang in seiner Stimme mit, obwohl er so leise sprach, dass Kai ihn kaum verstand. Er folgte Reis Anweisungen, erblickte aber erstmal gar nichts. Dann jedoch sah er etwas Weißes aufblitzen, es musste das Fell sein; er bewegte seinen Kopf leicht zur Seite und da war er. Der Panda saß inmitten einer Ansammlung von niedrigen Bambusbäumen und war offensichtlich mit Fressen beschäftigt. Zweig um Zweig verschwand in seinem Maul, während Kai und Rei ihn gebannt beobachteten. Einmal zwischen den Bäumen erkannt, schien die typische schwarz-weiße Fellfärbung auf einmal aus all dem Grün herauszustechen. Kai wagte kaum zu atmen, weil er fürchtete, der Panda könnte sie hören und Reißaus nehmen. Reis Hand umklammerte noch immer sein Handgelenk, doch er nahm es kaum wahr. Wie oft schon hatte er Fotos von Pandas gesehen und dabei nie geahnt, was für ein Glück die Fotografen gehabt hatten, ein solches Foto überhaupt machen zu können? Nun hatten sie selbst, Rei und er, das Glück, einem Panda über den Weg zu laufen. Zusammen mit der Tatsache, dass es schon ein großer Zufall gewesen war, dass Rei und er sich überhaupt getroffen hatten, kam Kai zu dem Entschluss, dass das Schicksal nicht nur existent, sondern ihnen dieser Tage sogar gewogen sein musste. Der Gedanke gefiel ihm außerordentlich und plötzlich wurde ihm bewusst, dass er gerade in diesem Moment, mit Rei so nah neben ihm und dem Panda dort unten, glücklich war. Er wusste nicht, wie lange sie auf der Felskuppe verharrten, doch irgendwann meldete sich sein Pflichtbewusstsein damit, dass sie sich längst auf dem Rückweg zu ihrem Guide hätten befinden sollen. Bedauernd wandte er sich zu Rei und bedeutete ihm mit einer Kopfbewegung, dass sie nicht mehr länger bleiben konnten. Er bekam ein Nicken als Antwort und Reis noch immer vor Freude leuchtenden Augen waren fast eine Entschädigung dafür, dass der Moment des Glücks hatte enden müssen. ~*~ Erst hatte er ein T-Shirt und eine gut sitzende Jeans angezogen, hatte dann eines seiner besten Hemden aus seinem Koffer gekramt und dieses stattdessen übergestreift. Nur wenige Momente, bevor er sein Zimmer verlassen wollte, knöpfte er das Hemd kurzentschlossen wieder auf und zog sich wieder sein T-Shirt an. Frustriert fuhr Kai mit einer Hand durch seine Haare. Seit dem frühen Nachmittag dachte er an nichts anderes mehr als an diesen Abend, der ihr letzter in Mianyang war, und dass er nicht wusste, wann er Rei wiedersehen würde. Er war merkwürdig rastlos, hielt sich ständig mit Gedanken auf, die ihn sonst kaum zu beschäftigen vermochten - so wie die Frage seiner Kleidung für diesen Abend. Kai fühlte sich wie ein Teenager vor dem ersten Date, obwohl er schon die ganze Woche mit Rei verbracht hatte. Wenn sich an diesem Abend nichts mit Rei entwickelte, dann würde es das auch niemals später tun, da war Kai sich sicher. Nach einem Blick auf seine Uhr machte er sich auf den Weg, auch wenn es noch ein paar Minuten zu früh war. Als Kai aus dem Aufzug stieg, wartete Rei schon vor der Tür des Restaurants. Er trug Jeans und ein weißes T-Shirt, worin er viel zu gut aussah, fand Kai. „Wartest du schon lange?“, fragte er, nachdem sie sich begrüßt hatten. „Nein, gar nicht.“ Rei lächelte. Sie suchten sich einen Tisch am Fenster, so wie sie es die ganze Woche seit ihrer ersten Unterhaltung in der Cafeteria getan hatten. Diesmal war der Fu Jiang schwarz inmitten der Lichter der Stadt. Während diese in den verschiedensten Farben um die Wette leuchteten, schien der Fluss jeden Lichtschein einfach zu verschlucken. Die Karte des Restaurants bot vor allem westliche Gerichte. Kai wählte Pasta und Rei entschied sich für Safranrisotto und Salat. Dazu bestellten sie eine Flasche trockenen Weißwein, der gut zu beiden Gerichten passte. Während sie auf ihr Essen warteten, fielen sie in ein entspanntes Gespräch. Kai hatte gedacht, dass sie irgendwann von ganz allein darauf kommen würden, dass dies ihr letzter Abend war, doch er irrte sich. Sie umschifften das Thema immer wieder, erzählten einander stattdessen Anekdoten, sprachen über Pandas, ihre Reisepläne - und natürlich über das Essen. „Willst du mal probieren?“, fragte Rei, nachdem Kai sich nach seinem Risotto erkundigt hatte, das er vor kurzem serviert bekommen hatte. „Es ist sehr gut.“ „Oh - gerne.“ Kai nahm einen Schluck Wein, während Rei begann, einen Happen Reis auf seine Gabel zu schieben. Als Rei ihm diese schließlich hinhielt, wusste Kai im ersten Moment nicht, wie er das Risotto annehmen sollte. Erwartete Rei, dass er den Reis auf seinen eigenen Teller tat oder konnte er einfach...? Kurzentschlossen beugte er sich vor und schloss seinen Mund um die Gabel, bevor er diese wieder freigab und kaute. „Und?“ Erwartungsvoll lächelnd sah Rei ihn an. Kai nickte und versuchte, eine gescheite Antwort herauszubringen. Ihm schwirrte noch der Gedanken durch den Kopf, dass er sich gerade von Rei hatte füttern lassen. „Du hast Recht. Ich hab noch nicht so oft Risotto gegessen, aber das hier ist wirklich gut.“ Auch nach dem Essen, als sie die Reste ihres Weißweins tranken, schlug ihr Gespräch stets andere Richtungen ein, als die, die Kai gerne gehabt hätte, um sich Klarheit zu verschaffen. Von sich aus sprach er das Thema nicht an, obwohl er selbst nicht genau wusste, was ihn davon abhielt. Insgeheim begann er schon damit, sich Reis Gesichtszüge genau einzuprägen, achtete auf sein Lächeln und seine Stimme und wie sich das Licht der Lampe über ihrem Tisch in seinen Haaren fing. Das alles für den immer wahrscheinlicher werdenden Fall, dass er Rei so schnell nicht wiedersehen würde, geschweige denn, dass er mit ihm zusammen kommen würde. Schließlich verließen sie das Restaurant und machten sich auf den Rückweg zu ihren Zimmern. Sie waren auf der gleichen Etage untergebracht, weshalb sie den Großteil des Weges zusammen zurücklegen konnten. Als sie an Kais Tür ankamen, murmelte Kai ein „Gute Nacht - bis morgen“, welches Rei lächelnd erwiderte, bevor er weiterging. Kai hatte seine Chipkarte bereits in den dafür vorgesehenen Schlitz an der Tür gesteckt, als er einen Moment innehielt. „Rei?“, sagte er dann und blickte den Flur hinunter. Angesprochener blieb stehen, wandte sich langsam zu ihm um. „Ja? Was ist?“ „Ich-“, begann Kai unschlüssig, aber sprach nicht weiter, obwohl sein Mund geöffnet war, als wollte er noch etwas Weiteres sagen. Dann schüttelte er den Kopf, schloss seinen Mund wieder und machte stattdessen kurzentschlossen mehrere lange Schritte auf Rei zu. Mit einer Hand drückte er ihn gegen die Wand, die andere stützte er neben Reis Kopf an derselben ab, so dass Rei gar nichts anderes übrig blieb, als direkt zu ihm hinauf zu blicken. Kai stand so eng an Reis Körper, dass er meinte, kaum atmen zu können und er musste schlucken. Im Dämmerlicht des spärlich erleuchteten Flurs erschienen ihm Reis Augen riesig und am liebsten hätte er darin lesen können, was der andere gerade fühlte. Das war nicht möglich und so tat er ohne weiteres Nachdenken das, wonach er sich schon seit einer Woche sehnte. Oder vielleicht eher seit Jahren. Er beugte sich ein kleines Stück zu Rei hinunter und küsste ihn auf den Mund. Langsam bewegte er seine Lippen gegen die Reis, die warm und weich waren und ein bisschen nach dem Wein schmeckten, den sie zusammen getrunken hatten. Schon das fühlte sich unglaublich an, aber es kam noch besser, als er spürte, wie Rei den Kuss schließlich erwiderte. Ein plötzliches Glücksgefühl breitete sich in seinem Inneren aus und bewegte ihn dazu, Rei noch weiter an sich zu ziehen und mit seiner Zunge vorsichtig Reis Lippen entlangzufahren, die sich daraufhin bereitwillig öffneten. Nach einer Weile, in der Kai glaubte, sich irgendwo auf dem Weg in Richtung Himmel auf Erden zu befinden, löste sich Rei plötzlich von ihm, indem er Kai von sich schob. Blinzelnd öffnete Kai die Augen, suchte fragend den Blickkontakt zu seinem Gegenüber. „...nicht hier!“, erwiderte Rei auf seine stumme Frage, warf rasche Blicke nach rechts und links in den düsteren Flur hinunter, in dem sie glücklicherweise noch immer allein waren. „Du hast Recht“, murmelte Kai, fuhr sich mit einer Hand durch die Haare, während er versuchte, wieder mehrere klare Gedanken nach einander fassen zu können. „Komm mit zu mir“, fügte er dann hinzu und Wärme breitete sich in seinem Bauch aus, als Rei daraufhin nickte. Er schob die Hände in seine Hosentaschen auf der Suche nach seiner Chipkarte, nur um festzustellen, dass sie dort nicht zu finden war. Rei lachte leise neben ihm und zog an seiner Hand den Flur hinunter. „Die Karte steckt noch.“ Kai schloss schwungvoll die Tür, nachdem sie beide eingetreten waren, seine Hände schon wieder an Reis Körper und auf dem Weg unter dessen Hemd. Reis Lippen pressten sich auf seinen Mund, während er Rei rückwärts zu seinem Bett dirigierte. „Und ich dachte die ganze Zeit schon, du willst nicht“, wisperte Rei, während er für einen Moment ihren Kuss unterbrach. Es dauerte nur einige Momente, bis der Schwarzhaarige - beträchtlich weniger bekleidet - auf dem Bett lag, Kai über ihn gebeugt. Seine Knie hatte er rechts und links von Reis Körper abgestützt, doch die Muskeln in seinen Oberschenkeln fühlten sich merkwürdig schwach an. Das mochte daran liegen, dass Reis Finger seitlich an seinem Bauch herumwanderten, was schon immer eine seiner Schwachstellen gewesen war, eher jedoch daran, dass Kai dabei war, mit seiner rechten Hand Reis Haarband zu lösen. Nach einigen fruchtlosen Bemühungen, weil er sich einfach nicht genug konzentrieren konnte, während er Rei überall auf seiner Haut spürte, schaffte er dies endlich, woraufhin das Band eine schwarze Flut von Haaren freigab. Mühsam ein Stöhnen unterdrückend vergrub Kai seine Hände in den Haaren, fuhr mit seinen Fingern fest über Reis Kopfhaut. Er spürte, wie Rei dies genoss, als sich ihm dessen Körper auffordernd entgegenwölbte. Kai hatte absolut kein Problem damit, dieser Aufforderung nach mehr zu folgen - ganz im Gegenteil. Der Himmel auf Erden war gerade noch ein ganzes Stückchen näher gekommen. ~*~ Kai zog mit einer raschen Bewegung den Reißverschluss seiner Jeans nach oben und schon den sich darüber anschließenden Knopf ins Loch. Er wandte sich von dem Pissoir ab, vor dem er gestanden hatte und durchquerte den Raum zu den Waschbecken. Er hatte noch einmal die Toilette aufgesucht, um reisefertig zu sein, wenn der Reisebus ankommen und ihn und mehrere andere Teilnehmer nach Chengdu bringen würde. Von Rei war zu diesem Zeitpunkt noch nichts zu sehen gewesen, weshalb er sein Gepäck erstmal in der Aufbewahrung im Foyer des Hotels gelassen hatte, nachdem er aus seinem Zimmer herunter gekommen war. Gerade als er sich ein Papiertuch nahm, um seine Hände abzutrocknen, hörte er hinter sich das Geräusch der Tür. Er drehte den Kopf und- Rei. In seinem Magen flatterte etwas, als der den anderen sah und er hatte das Gefühl, etwas sagen zu müssen, doch er fand keine Worte für all die Empfindungen, die in seinem Inneren irgendeine Art Kampf ausfochten. Da auch Rei nichts sagte, starrten sie einander für einige Augenblicke schweigend an. Kai konnte auf Reis Gesicht nicht lesen, was in dessen Kopf vorging, aber einen Moment später löste Rei sich aus seiner Starre, grinste ihn verschwörerisch an und zog ihn an seinem Handgelenk in die nächste Toilettenkabine. Kai reagierte geistesgegenwärtig und schob den Riegel zu, kaum dass die Tür hinter ihnen zugeschlagen war, bevor er Rei mit seinem Körper gegen die Wand drängte. Am liebsten hätte er sich hinuntergebeugt und Rei genauso grob und leidenschaftlich geküsst, wie er es am Abend zuvor getan hatte, um seinem Verlangen Ausdruck zu verleihen. Stattdessen zog er den anderen mit einer Hand an dessen warmen Nacken näher an sich und dann kam Rei ihm schon entgegen, so dass ihre Lippen sich sanft treffen konnten. Auskostend lehnte Kai sich in den Kuss hinein, genoss das Gefühl von Reis Zunge, die sich geradezu aufreizend langsam gegen seine bewegte. Er hasste es, zu wissen, dass Rei und er viel zu bald in verschiedene Richtungen abreisen mussten, doch paradoxerweise war es gerade das resultierende oh so bittersüße Aroma, welches ihrem Kuss das gewisse Etwas gab und Kai so weiche Knie bescherte, dass er später kaum noch wusste, wie sie ihn überhaupt noch hatten tragen können. „Sehen wir uns wieder?“, fragte Rei, nachdem sie ihren Kuss schließlich unterbrochen hatten. Kai nickte ohne Zögern. „Ich weiß nicht wann oder wo, aber ja.“ Rei lächelte. „Solange es nicht erst in acht Jahren ist“, murmelte er, während er an Kais Ohrläppchen knabberte. „Ganz sicher nicht“, brachte Kai hervor, entzog sich Reis Lippen nur, um seinen Mund daraufhin stürmisch auf diese zu pressen. „Ganz sicher nicht“, wiederholte er, als er sich heftig atmend von Rei löste. Der gestohlene Moment in der Toilettenkabine war ihr Abschied. Im Foyer des Hotels wechselten sie noch einige belanglose Worte - es war kein einziges der Wörter darunter, die Kai tatsächlich hätte sagen wollen, wenn sie sich in einer anderen Situation befunden hätten. Kai war fast froh, als er endlich in einem der gepolsterten Sitze seines Reisebusses saß und mit seinen Gedanken allein aus dem Fenster starren konnte. Abschiede waren nicht sein Ding - selbst diejenigen nicht, denen das Versprechen eines Wiedersehens anheftete. ~*~ etwa 6 Wochen später Müde öffnete Kai die Tür zum Haupthaus. Er war seit den frühen Morgenstunden im Reservat unterwegs gewesen, um Pflanzen und Kotproben zu sammeln, und war erst jetzt - es begann bereits zu dämmern - zurückgekehrt. Den Großteil seines Weges hatte er zu Fuß zurücklegen müssen, während er sich durch unwegsames Gelände schlug und zusammen mit dem schwülen Wetter, das seit mehreren Wochen herrschte, war es kein Wunder, dass er verschwitzt und dreckig wiederkam. Nach dem Verstauen der Proben wollte er nur noch duschen, etwas essen und dann schlafen. Die weitere Bearbeitung der Proben und vor allem das Übertragen der Daten in die Datenbank konnten getrost bis morgen warten. Auf dem Weg zu ihren Arbeitsräumen begegnete Kai niemandem; er vermutete, dass alle anderen entweder gerade beim Abendessen, oder selbst noch nicht wiedergekehrt waren. In seinem Zustand kam es ihm allerdings gerade recht, nicht von Smalltalk aufgehalten zu werden, damit er so schnell wie möglich ins Bett kam. Im Flur sah er den Lichtschein, der unten durch die Tür des Arbeitsraumes drang, den er sich mit fünf weiteren Mitarbeitern teilte - es musste doch noch jemand da sein. John, wie sich herausstellte, als er eintrat. „Hey Kai!“, wurde er begrüßt. „Gerade erst gekommen?“ Kai nickte, während er zu seinem Tisch ging, um seinen Rucksack abzustellen. „Dafür hab ich die nächsten Tage keine Exkursion. Was hält dich denn noch so lange hier unten?“, fragte er, öffnete seinen Rucksack und entnahm vorsichtig den Beutel, in dem er im Laufe des Tages sorgfältig seine Pflanzen verstaut hatte. John stand auf, streckte sich und knipste seine metallene Schreibtischlampe aus. „Ich musste noch dringend ein paar Proben fixieren. Aber ich bin zum Glück gerade eben fertig geworden und kann jetzt Feierabend machen. Ich muss morgen früh raus.“ John stand schon im Türrahmen, als er sich noch mal umdrehte. „Ach - du hast Post bekommen, übrigens. Liegt hier vorne“, sagte er und deutete auf den Tisch direkt neben der Tür, der meist als Ablage für alles benutzt wurde, was keinen festen Platz hatte. Bei dem Wort 'Post' blickte Kai auf. Schnell legte er sein Handzählgerät, das er aus seinem Rucksack genommen hatte, auf den Tisch neben die Beutel und Probenröhrchen, die er dort bereits abgestellt hatte. „Danke“, sagte er an John gerichtet und versuchte, sich seine Angespanntheit nicht anmerken zu lassen. Glücklicherweise verließ John damit den Raum, so dass Kai sich sofort den Brief holen konnte. Ohne viel Vorsicht riss er den Briefumschlag auf und holte die Postkarte heraus, die sich darin befand. Auf der Vorderseite war ein kleiner Panda, der von einem Baum hing, und der Schriftzug „Changqing Nature Reserve“ zu sehen. Kai lächelte und drehte die Karte um. Es standen nur wenige Worte darauf, aber er erkannte die Handschrift, noch bevor er die Unterschrift sah. Ich habe bald ein paar Tage Urlaub. Wann kann ich dich besuchen kommen? xxx Rei Sie würden nicht noch einmal den Fehler begehen, acht Jahre verstreichen zu lassen, soviel stand fest. Und Kai war zuversichtlich, dass aus den Wochen ohne Wiedersehen irgendwann auch Tage oder Stunden werden würden. ~*~*~ Lob, Kritik, Anmerkungen? Kommentare sind herzlich willkommen Ich habe für diese Story so einiges recherchiert (den WWF-Internetseiten sei gedankt! xD) und habe mich bemüht, alles so realistisch wie möglich zu halten. Ich hoffe, man hat nicht gemerkt, dass ich vorher nicht gerade die Pandaexpertin gewesen bin, lol. (Mittlerweile weiß ich allerdings noch viel mehr über Pandas, als hier zum Vorschein kommt >D) ~Shira Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)