Die Nebelsängerin kehrt zurück von Rosine (Das Erbe der Runen) ================================================================================ Kapitel 1: Eine schwere Entscheidung ------------------------------------ Wie jeden Nachmittag ging Keylin den langen Weg von ihrer Grundschule nach Hause. Doch heute beschritt sie diesen Weg zum ersten Mal mit ganzen 8 Jahren. 'Es sollte verboten werden, dass man an seinem Geburtstag in die Schule muss', dachte sie, 'und dann schneit es auch noch...' Tatsächlich fielen die Schneeflocken vom Himmel als würde jemand Puderzucker über die Erde streuen. Keylins brauen Lockenmähne war vom vielen Schnee schon durchnässt und die Strähnen klebten an ihren geröteten Wangen. Wieso hatte sie heute morgen auch nicht auf ihre Mutter gehört und eine Mütze aufgesetzt? Die Stille auf der fast unbefahrenen Straße wurde von einem brummenden Motor unterbrochen. Das Mädchen schaute über ihre Schulter und erkannte durch den Schneeschleier das Auto ihres Onkel Rowen. Was für ein Glück!! Froh darüber, dem Schneetreiben bald zu entkommen winkte sie Rowen zu. Schnell stieg Keylin ein, sobald er angehalten hatte und begrüßte ihren Onkel herzlich. "Na wenn das nicht meine kleine Key ist..." sagte Rowen und fügte, als er ihren entrüsteten Blick sah, rasch hinzu "Oh entschuldige...natürlich muss es meine Große Key heißen" Zufrieden grinste Key ihren Onkel an und dieser grinste zurück. Dann fuhren die beiden nach Hause. ~~~~~~~~~~~ Mit gemischten Gefühlen schloss Ajana die kleine Tasche, in die sie nur das Wichtigste für sich und ihre Tochter gepackt hatte. Vor zwei Tagen hatte sie einen so intensiven Traum von Keelin gehabt, wie nur einmal zuvor in Nymath. Ausserdem leuchtete das Amulett, die Verbindung zwischen den beiden Welten, bereits seit einer Woche in einem silbrigweißen Licht. Lange hatte Ajana darüber nachgedacht, unzählige schlaflose Nächte verbracht und auch am Tage keine Ruhe gefunden. Doch schließlich war sie zu dem Entschluss gekommen, dass es Zeit war nach Nymtah zurückzukehren und nach Keelin zu suchen. Vielleicht lebte er ja doch noch. In den 9 vergangenen Jahren hatte Ajana diese Hoffnung nie aufgegeben. Die Sehnsucht nach dem Falkner ließ ihr keine Ruhe. Und jeden Tag wurde sie durch ihre Tochter Keylin, die ihrem Vater so ähnlich sah, an ihre Abenteuer und den Mann, den sie so sehr liebte, erinnert. "Meine kleine Key..." seufzte Ajana, als sie sich versuchte vorzustellen wie ihre Kleine das aufnehmen würde, was sie ihr heute erzählen wollte. Eine Geschichte über ein fernes Land, Magie, eine Nebelsängerin, unbegreiflichen Abenteuern und einem Falkner, der ihr Vater war. Wahrscheinlich würde sie es nicht glauben. Auch ihre Eltern hatten einige Zeit gebraucht um alles zu verstehen. Oh, wie sie gelitten hatten, als ihre Tochter so lang verschwunden war. Ajana dachte daran, dass sie ihnen heute abermals wehtun musste und dieser Gedanke trieb ihr Tränen in die Augen. Denn eine Rückkehr nach Nymath bedeutete wahrscheinlich, dass sie sich nie wieder sehen würden. Und diesmal ging es nicht nur um sie selbst, sondern auch um Keylin. Doch Ajana hatte sich entschieden und schluckte den Tränenklos hinunter. Dann stieg nach unten zu ihren Eltern um mit ihnen gemeinsam auf das Geburtstagskind zu warten. ~~~~~~~~~ Mit dem Auto dauerte es nicht mehr lang bis Keylin und Rowen das haus erreicht hatten. Key freute sich schon auf den leckeren Geburtstagskuchen, den ihre Grandma gebacken hatte, das Lied was ihre Mutter singen würde und natürlich auf die Geschenke. Ganz zappelig vor Aufregung und Vorfreude schloss sie die Tür auf und ging hinein. Sogleich ertönte ein lautes „Happy Birthday!!“ und Keylin wurde von ihren großeltern und ihrer Mutter gleich begrüßt, gedrückt und beglückwünscht kaum das sie ihre Tasche abgestellt hatte. Nachdem sie ihre Schuhe und die Jacke ausgezogen hatte und auch Rowen begrüßt worden war, begab sich die ganze Familie in das Wohnzimmer, wo der Tisch bereits gedeckt war. Auf dem großen Schokoladenkuchen brannten 8 Kerzen, die Keylin natürlich gleich auspusten musste und dabei die Augen fest zukniff, damit ihr Wunsch auch wirklich in Erfüllung ginge. Noch ahnte sie nichts von dem Vorhaben ihrer Mutter, die sich so fröhlich und gutgelaunt wie immer gab. „Der Kuchen ist fantatsisch Grandma...“ sagte sie mit vollen Backen woraufhin sie ihre Mutter, wenn auch schmunzelnd, zurechtwies, sie solle doch nicht mit vollem Mund sprechen. Key grinste sie nur an, trank einen weiteren Schluck Milch und schob sich das nächste Stück Kuchen in den Mund. Ayana war niemals sehr streng mit ihr gewesen, die Beziehung zwischen den beiden war harmonisch und Keylin liebte ihre Mutter über alles. Nachdem der Kuchen verputzt war, begann sie ihre Geschenke auszupacken, was ihr Grandpa begeistert mit einer Kamera festhielt. Wegen der ausgelassenen Stimmung bemerkte niemand wie Ayana immer nachdenklicher wurde. Sie wollte nicht den Geburtstag ihrer kleinen Tochter ruinieren, aber sie durfte und sie konnte nicht länger warten. „Key, mein Spatz...Komm doch mal her zu mir...“ sagte sie und Keylin folgte dem Ruf ihrer Mutter natürlich sofort. „Erinnerst du dich, wie du mich nach deinem vater gefragt hast und ich sagte, dass du noch zu jung wärst?“ fuhr Ayana fort und strich ihrem kleinen Mädchen eine ihrer wilden braunen Locken aus dem Gesicht. Natürlich erinnerte Keylin sich an diese Frage, die sie nur einmal gestellt hatte, nachdem sie in der Grundschule eine Familie malen sollten und alle ausser ihr einen Vater dazugemalt hatten. Sie nickte also und schaute ihre Mutter mit großen Augen an, begierig mehr zu erfahren. „Ich möchte es dir jetzt erzählen und dann werden wir ihn besuchen gehen, meine Kleine.“ begann Ayana und ignorierte die entsetzen Blicke ihrer Eltern, die bereits ahnten was nun kommen würde. „Vor etwas mehr als 9 Jahren kam ich durch ein magisches Amulett in ein fernes Land, namens Nymath. Dort herrschte ein schrecklicher Krieg zwischen den vereinten Völkern Nymaths und den Uzoma. Nur die Nebelsängerin konnte diesen beenden, doch niemand wusste wer oder wo diese war. Es dauerte nicht lange bis man herausfand, dass ich diese Nebelsängerin war und damit die einzige Hoffnung auf Frieden. Gemeinsam mit vielen mutigen Kriegern schafften wir es nach langer Zeit und vielen gefährlichen Abenteuern die Feuerpriesterin der Uzoma zu besiegen und den Frieden wieder herzustellen. Einer dieser mutigen krieger war dein Vater. Sein Name war Keelin...“ begann Ayana zu erzählen und ihr Blick schweifte in unbekannte Ferne als sie den Namen des Falkners erwähnte. Es war still im Raum, alle starrten die junge Mutter an – ihre Eltern entsetzt und ein wenig verstört, ihr Bruder verständnisvoll und ihre kleine Tochter neugierig und staunend. Schließlich setzte sie ihre Erzählung fort: „Keelin war ein Falkner, das sind Menschen, die eine tiefe Verbindung zu einem Falken haben. Keelins Falke hies Horus. Wir haben alle Gefahren zusammen gemeistert doch kurz bevor ich nach hause zurückkehrte, wurde er schwer verwundet und starb womöglich daran. Ich weiß es nicht genau, denn ich musste zurück – es gab nur diese eine Möglichkeit, aber in letzter Zeit habe ich so intensiv von ihm geträumt das ich glaube er lebt. Ich möchte mit dir nach Nymath gehen...aber wir werden wahrscheinlich nie wieder hierher zurückkehren können...“ beendete sie und sah Keylin fragend an. Noch immer hebte niemand anderes die Stimme um etwas zu sagen – es lag ganz bei Keylin und das kleine kluge Mädchen dachte darüber nach. Konnte es war sein, was ihre Mutter da erzählt hatte? Aber wieso sollte sie lügen? Und wollte sie ihren Vater überhaupt kennenlernen? Es war doch alles gut so wie sie lebten, auch wenn Key manchmal gemerkt hatte, dass ihre Mutter aus einem bestimmten Grund traurig gewesen war. Kinder haben die wunderbare Eigenschaft, Geschehnisse einfach hinzunehmen und die Wahrheit deutlich zu erkennen. „Wann gehen wir denn?“ fragte Keylin ihre Mutter und diese Frage, die so unmissverständlich klar machte, dass sie gehen wollten, ließ ihre Grandma das Schweigen brechen. „Ayana! Du kannst doch nicht...Ich meine...Glaubst du ich lasse dich und Keylin einfach so gehen? In dieses verfluchte Land, an das ich dich beinahe schon einmal verloren hätte?“ rief sie und war den Tränen nahe. Bevor Ayana etwas erwidern konnte, sagte Rowen: „Mutter. Hör auf. Sie war doch die ganzen jahre lang unglücklich, hast du das nie bemerkt? Es musste doch irgendwann so kommen oder glaubst du sie könnte das ganze einfach so vergessen?!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)