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Wenn Du an Feen glaubst, dann glaubst Du doch auch, dass das Unmögliche möglich wird, oder?

von

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Kapitel 1 Fox

„Mist!“ stöhnte der schwarzhaarige Junge als er aus dem Leuchtturm Haus trat. Er war unab¬sichtlich auf ein Stück Holz getreten, welches zusammen mit Blättern die Form eines Herzens bildete. Doch das Herz war durch den Tritt durchbrochen worden. Als Fox erkannte was es war, versetzte es ihm einen ordentlichen Stich in die Magengegend. Er nahm es hoch und betrachtete es traurig. Pippa war hier gewesen, seine liebe kleine Pippa, die Pippa, die ihn vor gut einem Jahr aus den Fängen von Lady Nightingale befreit hatte und seit¬dem an seiner Stelle zu ihrem Dienste verpflichtet war.

Dieses Mädchen aus Bosten hatte die drei Prüfungen der Lady Nightingale ohne Probleme überstanden und sie sich in ihn verliebt, entgegen dem was er von ihr verlangt hatte. Doch auch er konnte seine Gefühle damals nicht zurück halten. Er hatte sich gegen seine Gefühle gesträubt, wollte nicht wahrhaben was an jenem Tag auf der Lichtung geschehen war und doch wusste er, dass er der Wahrheit nicht entfliehen konnte. Er liebte Philippa von dem ers¬ten Moment da er ihre leuchtend grünen Augen erblickt hatte. Traurig erinnerte er sich an den Tag seiner Befreiung zurück.

Er war gerannt, gerannt so schnell er nur konnte, nie in seinem ganzen Leben war er so schnell gerannt. Er hätte es nicht ertragen, hätte nicht mit ansehen können, wie Lady Nightin¬gale Pippa mit sich nahm, seine Pippa. Er war bestimmt eine halbe Stunde gerannt, bis er die Arme um eine Eiche geschlungen und sich auf dem Waldboden niedergelassen und geweint hatte. Er war zwar ein Junge und konnte seine Gefühle in der Regel in Schach halten, doch diesmal war er dazu nicht im Stande. Wie hatte er das nur zu lassen können? Solange hatte er davon geträumt endlich frei zu sein und dennoch schien es ihm als hätte die Freiheit nichts Schönes mehr. Er konnte zu seinem Vater zurückkehren, zurück in sein altes Leben, doch für einen schreckli¬chen Preis. Er hatte seine große Liebe verraten, sie blind ins Feuer laufen lassen und nun konnte sie niemand mehr befreien. Pippa konnte nur befreit werden, wenn jemand in der Tagundnachtgleiche die drei Aufgaben der Fee bestand. Jemand, der sie aufrichtig liebt und dessen Liebe sie erwidert. Doch solch eine Liebe widerfährt jedem Menschen nur ein einziges Mal im Leben und Fox konnte Pippa nicht befreien, denn ihre Entscheidung ihn zu retten konnte nicht rückgängig gemacht werden. Lange Zeit hatte er noch da gesessen und bis heute hatte er keine Ahnung wie die nächsten Wochen, ab diesem Tag verlaufen waren. Er erinnerte sich nur noch an Bruchstücke. Sein Vater, tränenüberströmt vor Freude. Seine Mutter, die wieder zurückgekehrt war. Pippas Eltern, die das Verschwinden ihrer Tochter nicht akzeptie¬ren konnten und verzweifelt Fox‘ Erklärung forderten. Und Erinnerungen an die Zeit, eine Zeit, die langsam und schwer verstrichen war. Die Zeit war nicht dein Freund, niemals. Er war nicht wieder in ein normales Leben zurückgekehrt, eher in eine Art Zwischenwelt, so jedenfalls fühlte es sich an. Zur Schule konnte er nicht gehen, es hätte zu viele Fragen und Spekulationen über seine Vergangenheit mit sich gezogen. Stattdessen half er seinem Vater als Leuchtjunge. Er lernte mit dem Leuchtturm umzugehen, auch wenn dieser meist nur zu touristischen Zwecken gebraucht wurde. Nicht ein Tag verging, an dem seine Gedanken nicht um die Frage kreisten, ob es eine zweite Möglichkeit gab Philippa aus dem Dienste der Lady Nightingale zu befreien.

So war es auch heute.

Das zerbrochene Herz immer noch in der Hand wandte er sich um und trat wieder ins Haus. „Fox – hast Du etwas vergessen?“ hörte er seine Mutter aus der Küche rufen. Er gab ihr keine Antwort und ging schweren Schrittes in sein Zimmer. Das Herz legte er auf das Regal, genau über seinem Bett. Dort lag bereits eine große Sammlung verschiedenster Kunstwerke. Alle waren sie aus Naturmaterialen wie Stöcke, Blätter oder Steine gestaltet und überbracht von Pippa um zu zeigen, dass sie noch immer an ihn dachte. „Oh“ hörte er hinter sich jemanden sprechen und er fuhr zusammen. Als er sich umwandte sah er seine Mutter in der Tür stehen, das Ge¬sicht peinlich berührt, als hätte sie ihn dabei erwischt, wie er ein Mädchen küsste. „Du hast schon wieder eine Nachricht von ihr bekommen?“ „Ja!“, war alles was er darauf erwiderte, er hatte keine große Lust mit seiner Mutter über Pippa zu reden. Sie verstand nicht, warum er so traurig darüber war, dass Pippa nun der Fee dienen musste. Schnell schnappte er seine Jacke und eilte hinüber zur Tür. Seine Mutter machte ihm den Weg frei und schaute ihrem Sohn stumm nach als er ohne ein weiteres Wort durch die Haustür verschwand.
 

Einen Moment lang blieb sie stehen und sah ihm nach. Er mochte vielleicht glauben sie wüsste nicht was in ihm vorging, doch die Wahrheit war eine andere. Sie wusste sehr wohl was ihn quälte, doch die Freude über ihren zurück gewonnenen Sohn überstieg das Mitleid welches dem Mädchen galt, darauf hatte sie keinen Einfluss. Gedankenverloren schlenderte sie zurück in die Küche.

Fox ging nicht in den Schuppen zu seinem Vater, er hatte anderes im Sinn. Viel zu viel Zeit hatte er verstreichen lassen ohne etwas zu tun. Es musste einfach noch eine zweite Möglich¬keit geben Pippa zu befreien und eines, das hatte er sich nun geschworen, er würde nicht eher aufgeben bis er nicht jeden verdammten, kleinen Stein umgedreht und alles nach einer weite¬ren Möglichkeit abgesucht hatte.

Beginnen wollte er seine Suche an einem ganz bestimmten Ort, schon lange wollte er dort hin und doch hatte er es nicht über sich bringen können die alte Otterfrau aufzusuchen. Fox schnappte sich sein altes Mountainbike, das Fahrrad mit dem auch Pippa gefahren war, und macht sich fest entschlossen auf den Weg nach Salisbury Cove. Noch nie war er so schnell voran gekommen wie heute. Er hatte das Gefühl gerade erst auf sein Bike gestiegen zu sein als er schon vor der armseligen Hütte der alten Dame stand. Es war seine Entschlossenheit, die ihm die Kraft gab seine Suche zu starten und durchzuführen. Er klopfte drei Mal an die alte Holztür und trat nach einem flüchtigen „Ja, Bitte!“, das aus dem Inneren der Blockhütte kam, ein.

Kapitel 2 Pippa

Philippa saß in einem gemütlichen Sessel, aus Buchenholz, gepolstert mit den verschiedensten Materialien, die die Natur zu bieten hatte. Da waren Blätter, Federn und das Fell eines Fuch¬ses. Vor ihr saß Lady Nightingale in einem ähnlichen Sessel. Sie war eine sehr schöne „Frau“, wenn man sie als solche bezeichnen würde. Keiner käme bei ihrem Antlitz auf die Idee, dass sie sich Diener suchte um ihren Durst nach Erinnerungen zu stillen. Eine Frau oder besser noch eine Fee von solcher Schönheit konnte sich doch nicht an den Erinnerungen Anderer laben, sie musste doch selbst ein wunderschönes Leben führen. Sie hatte langes, braunes Haar und unter ihrer prächtigen Haarmähne lugten die für Feen berühmten, spitz zulaufenden Oh¬ren heraus. Sie war sehr schlank und ihre Haut hatte einen leichten grün Schimmer, der sie, sobald die Sonne ihre Haut berührte, wie eine Blume erscheinen lies. Doch das schönste an Lady Nightingale waren ohne Zweifel ihre strahlenden violetten Augen. Nie zuvor hatte Pippa gehört, dass die Augen von Feen solch starke Farben hatten. Doch ihre Herrin hatte ihr er¬klärt, dass Feen und Elfen jede Farbe des Regenbogens als Augenfarbe erhalten konnten. Die Auswahl dieser Farbe richtete sich nach der Herkunft und dem Charakter des Geschöpfes. Pippa war davon überzeugt, dass die violette Farbe für die Unzufriedenheit und die Einsam¬keit stand, die Lady Nightingale empfand und der sie durch das Belauschen der Erinnerungen anderer zu entfliehen versuchte.

Vor ihnen stand ein großer Tisch, der voll lag mit den verschiedensten Gegenständen. Eben¬falls Objekte deren Geschichten Lady Nightingale bereits gelauscht hatte. Uhren, Bücher, Ketten und kleinere Gegenstände wie Ringe. Doch der schönste Gegenstand war eine wunder¬schöne violette Lilie die das Zentrum des Tisches füllte. Sie befand sich in einer wunderschönen Vase, die aus vielen verschiedenen Teilen zusammengebastelt war. Diese Blume, so vermu¬tete Pippa schon lange, war keineswegs gewöhnlich. Nie verlor sie auch nur ein Blütenblatt oder wagte es auch nur die Blätter hängen zu lassen. Die Lilie blühte immer, den ganzen Tag, das ganze Jahr über, nur des Nachts zog sie sich zusammen, als würde sie schlafen. Eigentlich fehlte es Pippa an nichts und die Fee war immer sehr freundlich zu ihr. Niemals befahl sie dem Mädchen die Erinnerungen zu stehlen, vielmehr bat sie ihre Dienerin ihr einen Gefallen zu tun. Das war wahrscheinlich noch schlimmer als ein kurzer aber klarer Befehl, der besagte, was Pippa zu tun hatte. Durch diese freundliche Art wirkte sie so vertraut so freundlich, dass man das Gefühl bekam, sie würde einem gerne jeden Gefallen und jeden Wunsch erfüllen, den man äußerte. Doch leider hatte Pippa schnell feststellen müssen, das dem nicht so war. Dem Mädchen war es verboten mit anderen Menschen zu reden, vor allem mit alten Vertrauten. Doch Philippa war ein gerissenes Mädchen, das sich nicht alles gefallen lies und so auch dieses Verbot. Zwar redete sie nicht mit anderen Menschen und hielt sich auch davon ab Nachrichten an ihre Mutter zu schicken, aber es gab einen Menschen, dem sie hin und wieder verschlüsselte Botschaften brachte. Fox. Ihre erste und einzige Liebe. Der Junge den sie aus dem Dienste der Lady Nightingale befreit hatte und dessen Platz sie nun eingenommen hatte. Es verging kein Tag, an dem Pippa nicht an ihn dachte, keine Sekunde in der ihre Gedanken nicht zu jenem Tag huschten an dem sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Damals hatte sie gedacht er wäre ein Dieb, doch schnell hatte sie die Wahrheit heraus gefunden. Ihre Augen wurden glasig, eine Träne lief ihre Wange hinunter, so sehr wünschte sie sich ihn noch einmal wiederzusehen, noch einmal in seinen Armen gehalten zu werden. Doch vor allem aber eine freie und lange Zukunft mit ihm zu haben. Pippa zog die Knie ans Kinn und senkte den Kopf, die Herrin sollte nicht sehen, dass sie schon wieder geweint hatte, denn das machte sie wütend und dann würde sie ihr wieder einen neuen Auftrag erteilen, damit Philippa auf andere Ge¬danken kam.

Nach einer Weile wandte sich die Fee um und schaute mit verträumten Augen zu Pippa hin¬über. „Eine wunderschöne Erinnerung erzählt dieses Armband, willst du sie hören?“ Das Mädchen schreckte auf, irgendwann musste sie eingeschlafen sein. „Entschuldigung, was? Achso, die Geschichte. Nein liebe Herrin, ich bin sehr erschöpft, wenn sie mir erlauben würden zu Bett zu gehen?“ Sie konnte es nicht ertragen die Geschichte zu hören, denn die Erinnerungen, die Lady Nightingale sammelte, waren immer gleich. Liebe und Leid waren ihre Hauptaugenmerke und das war etwas, dass Pippa nicht hören wollte, denn die Erinnerung die sie hatte, die an ihr früheres Leben, war von genau solchen Gefühlen geprägt und deshalb wollte sie nichts von dem Leid Anderer wissen. „Schade, es ist wirklich eine schöne Geschichte, aber wenn du dich lieber ausruhen möchtest, dann darfst du zu Bett gehen. Wirst Du mir morgen neue Erinnerungen besorgen, Liebes?“ „Ja natürlich“ flüsterte Pippa der Lady zu. Was hätte sie auch sonst sagen können, ein Nein war so unmöglich wie die Wahrscheinlichkeit, dass Philippa jemals wieder frei sein würde.

Kapitel 3 Antworten

Eine Fee wird in einer Blüte geboren. Zunächst ist sie zu klein um nach draußen zu gelangen, doch wie auch wir Menschen, wachsen die Feen und entwickeln einen Verstand. Ist sie groß genug, kann sie die Blüte verlassen und die Welt erkunden. Allerdings nicht unbeschränkt. Ein Feenwesen ist von dem Moment, an dem die Blüte ihr das Leben geschenkt hat, mit ihr verbunden. In ihren ersten Lebensjahren braucht sie die Blume um Kraft zu tanken und sie kann niemals ohne sie sein. Das hat zur Folge, dass die Feen, solange sie nicht groß genug sind ihre Blumen zu transportieren, sich nicht von ihrem Geburtsort entfernen können.“ Die Otterfrau hielt einen kurzen Moment inne und Fox, der gebannt auf ihre Geschichte gelauscht hatte, schluckte. Noch nie hatte er von so etwas gehört. „Bei unserer Fee muss es anders gewesen sein, denn als sie an Land gespült wurde war sie eindeutig noch nicht reif genug gewesen ihre Blüte mit sich zu tragen und dennoch hatte sie ihren Heimatort verlassen. Die Nachtigallen, die sich ihrer annahmen, wussten von der Herkunft der Feen und vermuteten, dass die Schiffsleute die Feen samt ihrer Blumen für teures Geld verkaufen wollten. Sie pflegten die Fee und ihre Blüte gesund und als diese alt genug war verließ sie ihre Retter und wurde zur Lady Nightingale.“ Als sie geendet hatte lächelte sie Fox erneut zu. Wenn es so war wie er sich vorstellte, wenn das Leben von Pippa so einfach zurückzugewinnen war, dann würde er alles daran setzen sie zu befreien. „Also“ begann er leise „ist der Schlüssel zu Philippas Freiheit diese Blume? Sie sagten die Fee ist ewig mit ihr verbunden oder? Das bedeutet doch, dass sie nicht ohne die Blume existieren kann und wenn man die Blüte zerstören würde, so wäre auch das Leben der Fee beendet!“ Triumphierend blickte er die alte Frau an. Sie packte Fox am Arm. „Junge, denk daran worum was es geht. Du musst erst einmal an die Blume herankommen um sie zu vernichten und es bringt nichts sie einfach nur zu zerdrücken. Sie muss verbrannt werden, es darf nur ein Häufchen Asche übrig bleiben!“ Das Hochgefühl, welches er soeben noch empfunden hatte verschwand auf der Stelle. Bilder blitzen vor seinem inneren Auge auf: Ein Tisch in der Mitte des Raumes, zwei Sessel. Sie saß ihm gegenüber, immer, jeden Abend. Sein Blick war so oft daran hängen geblieben, unzählige Male hatte er sich gefragt, was diese violette Blume zu bedeuten hatte, warum sie von einer Glashaube bedeckt war. Er ballte die Hände zu Fäusten. „So nah! Die ganzen Jahre war ich der Blume so nah! Ich hätte sie schon längst vernichten können und jetzt, wie soll ich nur an sie ran kommen?“ Diese Frage war nicht direkt an die Otterfrau gestellt worden, was der alten Frau natürlich nicht entgangen war, dennoch sprach sie mit leiser Stimme: „ Pippa ist nicht aus der Welt mein Lieber, du kannst sie einweihen, versuchen mit ihr Kontakt aufzunehmen. Du musst das nicht alleine machen, das wäre Irrsinn. Zwei liebende Herzen sind stärker als eins! Und nun solltest Du dich auf den Heimweg machen, es wird langsam spät“, sie deutete auf eines der kleinen Fenster, draußen hatte es bereits angefangen zu dämmern. „Ja, das mache ich.“ Fox erhob sich wie in Trance und lief zur Tür. Als er den Knauf in der Hand hielt drehte er sich noch einmal um:

„Ich danke Ihnen von ganzem Herzen, aber dennoch habe ich noch eine letzte Frage: Woher wissen sie das alles und vor allem warum haben Sie es nie selbst versucht?“

Die Otterfrau strahlte: „Wissen hat man nicht von heute auf morgen, auch ich war einmal jung und hatte keine Ahnung vom Leben und von Dingen wie der Liebe. Es ist die Aufgabe der Älteren die Erfahrungen, die sie über all die Jahre gesammelt haben an die jüngeren weiter¬zugeben. Ich hatte damals niemanden der mir dieses Geheimnis verriet, ich war alleine mit meiner Trauer. Doch bei Euch muss es nicht so enden und das ist, lieber Fox, nicht nur mein Wunsch. Man nennt mich zwar die Otterfrau aber auch andere Tiere des Waldes vertrauen mir.“ Sie zwinkerte und Fox wusste, dass das Gespräch nun beendet war. Er trat durch die Tür und schnappte sich sein Mountainbike.
 

Auf dem Rückweg kam er deutlich langsamer voran. Das lag vor allem daran, dass sein Kopf rauschte von den vielen Erinnerungen und Eindrücken, die das Gespräch mit der Otterfrau in ihm entfacht hatten. Er war sich sicher, dass er es schaffen konnte. Er musste es, denn ohne Pippa konnte er einfach nicht mehr leben. Doch noch war er sich nicht sicher, wie er es an¬stellen konnte.

Als er nach Hause kam war es bereits stockdunkel, er stellte das Fahrrad in den Schuppen und schlich sich leise in Haus. Er wusste, dass es keinen Zweck hatte noch heute Nacht nach Pippa zu suchen. Erst einmal musste er einen Plan entwickeln, der der ganzen Aktion eine gewisse Stabilität verlieh.

„Fox?“ hörte er die Stimme seines Vaters, als er den Hausflur betrat „Bist du es?“ „Ja ich bin’s!“ „Wer denn sonst“ fügte er in Gedanken hinzu. Er zog seine Schuhe aus und machte sich auf den Weg ins Wohnzimmer, wo seine Eltern wie üblich die Nachrichten sahen. Das Beste war, wenn sie keinen Verdacht schöpften. Als er den Raum betrat wandte sich sein Vater zu ihm um: „Wo warst du denn den ganzen Tag?“ „Ich war Rad fahren, Papa, ich musste einfach mal raus!“ Diese Aussage war wohl kaum gelogen und das wussten beide. Seine Mutter warf ihm einen scharfen Blick zu, doch sie sagte nichts, er war sich nicht sicher ob sie seinem Vater von dem Gespräch erzählt hatte. Nachdem keiner der beiden ein weiteres Wort sagte gähnte er einmal übertrieben laut und verkündete er würde jetzt ins Bett gehen, weil er aufgrund der Fahrerei schrecklich müde war.

In seinem Zimmer angekommen machte er gar keine Anstallten seine Kleider zu wechseln und seinen Schlafanzug anzuziehen, er würde ohnehin nicht schlafen können. Außerdem hatte er beschlossen bei Morgenanbruch loszuziehen und die Zeit bis dahin würde er nutzen um den Plan zu erarbeiten.

Als es gegen 4 Uhr morgens langsam heller wurde schnappte sich Fox seine Jacke und schlich auf Zehenspitzen in die Küche. Dort schrieb er einen Zettel an seine Eltern:
 

Liebe Mutter, Lieber Vater,

Ich kann nicht zulassen, dass Pippa meinen Platz einnehmen muss.

Ich werde alles tun um sie zu befreien, koste es was es wolle.

Sucht nicht nach mir, es würde Euch nur schaden.

In Liebe

Euer

Fox
 

Er las die Zeilen noch einmal durch und legte in neben eine Rose, die er aus der Blumenvase vom Küchenschrank genommen hatte. Er war froh, dass er sie nicht mehr sehen musste, denn er wusste nicht ob er wieder kommen würde und wenn es so kommen würde, dann wollte er sie in guter Erinnerung haben, nicht gekränkt oder traurig. Das Einzige, was er mitnahm war eine Packung Feuerzeuge, die noch in der Originalverpackung waren, so wie sie seine Mutter nach dem letzten Einkauf in die Schublade gelegt hatte. Er war sehr darauf bedacht die Feuer¬zeuge auf keinen Fall zu berühren und legte sie in einen Müllbeutel, den er mit einem Gum¬mihandschuh berührte. Es war sehr wichtig, dass er keine zu intensiven Spuren auf den Ge¬gendständen hinterließ. Sein Plan war einfach und nicht schwer zu verstehen. Allerdings nicht ganz so leicht umzusetzen.

Kapitel 4 Der Versuch

Er würde versuchen Kontakt mit Pippa aufzunehmen, wie genau wusste er nicht, aber es würde schon klappen. Sie musste dafür sorgen, dass die Blume vernichtet wurde, denn Fox würde das Versteck von Lady Nightingale nie wieder finden, selbst, wenn er jahrelang den Wald durchforsten würde. Dieser Ort war geheim und nur denen zugänglich die engen Kon¬takt mit der Fee hatten. Er würde dafür sorgen, dass die Fee ihr Versteck verließ und Pippa freie Bahn hatte. Er würde sie zwingen sich zu zeigen, indem er sie beleidigte mit lauten Ru¬fen, er wusste wie er sie treffen konnte. Als er vor die Haustür trat, schimmerten die ersten Sonnenstrahlen durch die dichte Wolkendecke, langsam zog sich der Schatten der Nacht zu¬rück. Abermals holte er sein Mountainbike aus dem Schuppen und fuhr den Berg hinunter in Richtung Seal Cove. Warum er ausgerechnet diesen Ort gewählt hatte konnte er nicht sagen, vielleicht war es einfach nur die Tatsache, dass es der Ort war an dem er Pippa zum ersten Mal begegnet war, nichts mehr als ein Bauchgefühl. Der Weg dorthin war lang und er kam erst am späten Vormittag dort an. Er hatte keine Ahnung wo er auf Pippa warten oder sie suchen sollte, das einzige was er tun konnte war im Wald auf ein Zeichen von ihr zu warten. Er setzte sich auf den Boden und lehnte sich gegen eine Eiche. Kurz darauf musste er eingenickt sein, denn plötzlich fuhr er erschrocken auf. Er hatte das Gefühl ihn würde jemand beobachten. „Pippa?“ flüsterte er. „Bist du es, bitte zeig dich, ich muss mit dir reden!“ Er hatte sich nicht getäuscht. Ganz langsam, mit ungläubigen Augen trat Philippa Burstein hinter einem Baum hervor. Sie öffnete den Mund um etwas zu sagen, doch kein Ton entfuhr ihren Lippen. „Natürlich“ dachte Fox, sie darf nicht mit alten Bekannten reden, auch nicht mit mir. Sie sah traurig aus, in ihren Augen glitzerten Tränen. Doch sie näherte sich ihm nicht und das war auch gut so, denn Lady Nightingale durfte ihn nicht riechen, nichts von seinem Plan wissen und nur eine Berührung seinerseits würde alles zu Nichte machen. Die Fee würde merken, dass Pippa einen anderen Menschen berührt hatte und würde an dem Geruch feststellen, dass er es war. Das wusste er von damals als er Pippa berührt hatte. „Meine liebe Pippa, bevor ich anfange zu reden ist es wichtig, dass du etwas weißt. Ich werde mich nicht damit abfinden dich verloren zu haben, ich habe einen Weg gefunden dich zu befreien, aber du musst mir versprechen dich nicht von der Stelle zu rühren und mich auf gar keinen Fall anzufassen! Kannst Du das?“ Ihre Augen waren groß geworden während er gesprochen hatte. Sie nickte einmal und lächelte, Erstaunen lag in ihrem Blick und ein leichter Hoffnungsschimmer.

Er zog die Packung Feuerzeuge aus seiner Tasche und begann Pippa den Plan zu erläutern. Sie hörte aufmerksam zu und als er ihr sagte, sie müsse die Blume anzünden nickte sie ihm versprechend zu. Erst als er ihr erklärte, dass er versuchen würde die Fee zu verärgern, um sie aus dem Versteck zu locken veränderte sich ihre Miene. Ihre kleinen Augen verengten sich und sie schüttelte heftig den Kopf. Fox war gerührt. Sie wollte nicht, dass er sich in Gefahr begab, lieber hätte sie alles alleine gemacht, so wie er es vorerst auch hatte tun wollen. Er lächelte: „Meine liebe Pippa“ er wiederholte die Worte der Otterfrau „ Zwei liebende Herzen sind stärker als eins. Wir müssen es zusammen tun und sollte es uns misslingen, so werden wir zusammen die Konsequenzen dessen tragen, denn nichts und niemand soll uns je wieder tren¬nen.“ Eine Träne kullerte über ihre Wange und ihre Züge entspannten sich. Dann nickte sie ihm ein letztes Mal zu und schenkte ihm ein hoffnungsvolles Lächeln bevor sie sich um¬wandte und im Wald verschwand. Die Feuerzeuge würde sie nicht mitnehmen, das hatte sie ihm schon zu beginn ihres Gespräches deutlich gemacht als sie zwei kleine rötliche Steine aus der Tasche gezogen hatte. Feuersteine. Eigentlich hätte er von selbst darauf kommen müssen, denn mit einem gewöhnlichen Feuerzeug hätte sie niemals die Blume vernichten können. Nur eine natürliche Kraft konnte die Blume zerstören.

Mittlerweile war es schon Nachmittag geworden und er machte sich nun auf den Rückweg, für sein Ablenkungsmanöver hatte er einen ganz bestimmten Ort ausgewählt, doch dort hin¬zukommen war schier unmöglich. Fox hatte eine unglaubliche Kraft gepackt. Der Plan schenkte ihm die Energie und die Hoffnung, dass alles gut werden würde. Als würde der Wind und die ganze Welt wollen, dass es so war erreichte er den Mount Nightingale noch bevor er überhaupt darüber nachgedacht hatte, welcher Ort noch in Frage kam. Es war als hätte der Wind ihn dorthin getragen in einem flüchtigen Moment als er die Augen geschlossen hatte um sich Pippas Umrisse noch einmal in Erinnerung zu rufen. Die Nachtigallen sangen fröhlich in ihren Bäumen und ihn überkam ein Glücksgefühl. Natürlich! Sie hatten der Otter¬frau all die Informationen über Lady Nightingale gegeben, sie waren enttäuscht, dass die Fee sich so entwickelt hatte, dass sie sich Diener nahm um ihre Erinnerungen zu sammeln. Die Erinnerungen mit denen sie sich nährte. Diese Fee hatte falsch gelebt, anstatt ihre eigenen Erinnerungen zu suchen labte sie sich an den anderer Menschen, das war falsch und genau das war der Punkt, der den Nachtigallen missfallen war. Ein Leben in Selbstmitleid, das auf den Kosten andere existierte.

Als die Sonne vollständig untergegangen war und nur der Mond und die Sterne ihm Licht gaben, begann er seine alte Herrin zu rufen.

Gewonnen oder Veloren

Der Wind hatte die Stimmen in das kleine Versteck geweht, erst leise, dann immer lauter werdend bis Lady Nightingale jedes einzelne Wort verstehen konnte. „Komm her DU MONSTER! Komm her Nightingale und stelle dich der Realität! Du bist eine Versagerin! Labst dich an den Erinnerungen Anderer! Komm nur zu mir, ich erzähl dir eine meiner Erinnerungen!“ Die Fee stand auf. Die violetten Augen zu schlitzen verengt. „Pippa, hast du das gehört? Was soll das, wer wagt es mich so zu beleidigen?“ Pippa schaute in die Augen ihrer Herrin und hielt deren bösen Blick stand: „ Ich weiß es nicht, ich habe nichts gehört vielleicht ist es nur der heulende Wind der ihre Aufmerksamkeit erweckte, was kann es sonst sein?“ Sie musterte Pippa. „Nein, ja du hast Recht, das andere kann es ja gar nicht sein, es ist ja keine Tagundnachtgleiche!“ Langsam lies sie sich wieder in den Sessel fallen. Pippa war erstaunt: „Sie dachten ich hätte jemanden gefunden der…“ doch weiter kam Philippa nicht, ein weite¬rer Schrei durchfuhr die Stille: Unfähig, Du bist eine unfähige Fee, du kannst ja noch nicht mal zaubern, kein Wunder, dass du in deinem Selbstmitleid ertrinkst! Niemand würde sich freiwillig mit dir abgeben, DU MONSTER!“ Diesmal war die Fee so schnell auf den Beinen, dass Pippa erschrocken zusammen fuhr. Sie schnappte ihren Zauberstab und wandte sich an das Mädchen: „Du bleibst hier sitzen, keinen Meter wirst du dich rühren so lange ich weg bin bis ich heraus gefunden habe, ob du einen gefunden hast der dich befreien will. Sie schwang ihren Stab und war im nächsten Moment verschwunden.

Pippa versuchte sich zu erheben, sie musste die Blume vernichten, diese scheußliche violette Lilie, doch sie konnte sich nicht rühren. Die Fee hatte sie mit einem Bann belegt, sie konnte nichts tun, Fox und sie waren verloren. Pippa schrie und kämpfte mit aller Kraft gegen die unsichtbaren Fesseln an: „Lass mich los! Fox! Fox hilf mir!“ doch es half nichts es war schief gegangen, der ganze Plan war geplatzt. Langsam sackte sie in sich zusammen und weinte bit¬tere Tränen.
 

Er rannte so schnell er konnte. Er konnte sie spüren, die Fee war in Rage, sie wollte ihn töten. Äste knackten unter seinen Füßen. Eulen schrien in den Wäldern, doch noch immer hatte Fox Coleman keine Angst. Er war sich seiner Sache so sicher, besessen von dem Gedanken dass alles gut würde. Plötzlich stolperte er auf eine Lichtung, es war die gleiche Lichtung an der Pippa ihn vor einem Jahr befreit hatte. Hier blieb er stehen, genau in der Mitte und wartete auf das Ende.
 

Noch nie hatte sie jemand so beleidigt, die Menschen kamen zu ihr um Hilfe von ihr zu erbit¬ten nicht um sie zu demütigen, sie würde ihm schon zeigen wozu sie fähig war. Nur noch ein paar Meter dann würde der Mensch sein blaues Wunder erleben! Sie flog durch den Wald so schnell ihre silbernen Flügel sie tragen konnten und dann brach sie durch den Schutz des Waldes auf eine Lichtung und erstarrte.

„Überrascht?“ Fox musterte die Fee, als wäre er ihr tausendfach überlegen. „Zum Teufel mit Dir, Fox, was willst Du hier?“ zischte die Fee. Ihr Äußeres hatte sich verändert. Das grüne Kleid aus Laub und Fellen war an manchen Stellen zerrissen, wahrscheinlich durch den schnellen Flug, ihre Augen waren eng zusammen gezogen und ihre Lippen bebten. „Hast Du das noch nicht erraten?“ fragte der Junge. „Ich bin hier um Pippa zu befreien!“ Ein lautes La¬chen durchfuhr die Stille. „Fox, du Dummkopf solltest es eigentlich wissen, deine liebe Pippa kann durch dich nicht mehr befreit werden. Sie kann durch NIEMADEN befreit werden!“ Sie betonte die letzten Worte so deutlich, dass Fox die blanke Wut in sich aufsteigen spürte. „Oh doch, ich will dass du dich mir stellst. Kämpfe mit mir wie ein Mensch und ich werde dich besiegen, denn du bist ein Nichts!“ Ein hundertste Sekunde später stürzte sich ein Wolf auf ihn und riss ihn zu Boden. „Hast du mir nicht zugehört du feige Hexe, du sollst dich mir Mensch gegen Mensch stellen!“ Er wich den messerscharfen Zähnen des Tiers nur um Haa¬resbreite aus. Von der Fee kam nur ein weiteres schreckliches Lachen. Fox wälzte sich auf dem Boden und strampelte wild mit den Füßen. Er schlug und trat auf den Wolf ein, doch dieser war zäh und stürzte sich immer wieder auf sein Opfer. Fox tastete mit der Hand durchs feuchte Gras und fand einen mittelgroßen Stein. Er nahm ihn und feuerte ihn dem Wolf mit aller Kraft gegen den Kopf. Einen Moment war der Wolf von dem Schmerz abgelenkt und Fox konnte sich erheben. Doch dann erkannte er, dass er durch den Steinschlag das Biest nur noch wilder gemacht hatte. Der Wolf riss ihn abermals zu Boden und Fox konnte das hämi¬sche Lächeln der Fee erkennen als das Tier seine Zähne in Fox Schulter versenkte. Der Schmerz war betäubend, der Junge konnte nur noch einen einzigen Gedanken fassen. Was war schief gegangen, warum hatte Pippa die Blume noch nicht verbrannt? War sie daran gehindert worden? Fox schloss die Augen, er war bereit zu sterben, er hatte versagt.

Gerade als der Wolf zu einem weitern, diesmal tödlichen Biss ansetzte, ertönte ein grausamer Schrei auf der Lichtung und der Wolf war verschwunden. Fox wandte sich auf. Lady Nightin¬gale lag regungslos am Boden, die Augen mit einem überraschten Ausdruck, waren geöffnet, doch es war kein Leben mehr in ihnen.

Er stieß einen triumphierenden Schrei aus. „Pippa wir haben es geschafft! Du bist frei!“ Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, rannte eine dünne gestalt auf die Wiese, gefolgt von einem Schwarm Nachtigallen und einer starken Briese.

Sie stürzte sich auf ihn, warf ihn zu Boden und küsste ihn. Es war als explodierte ein Feuer¬werk in ihren Mündern, so viel Liebe und Emotion steckte in diesem Kuss. Sie verwuschlte ihm seine schwarzen Haare und er legte die Arme um ihre Hüften, so fest als würde er sie nie mehr loslassen. Als sie von einander abließen strich er ihr eine Strähne aus dem Gesicht: „Von nun an kann uns nichts mehr trennen. Wir gehören für immer zusammen!“

„Ja, das tun wir. Zuerst dachte ich wir würden es nicht schaffen, sie hatte mich mit einem Bann an einen Sessel gefesselt und ich konnte mich nicht rühren, doch sie hatte einen Fehler begannen. Sie sagte ich dürfte mich so lange nicht bewegen, bis sie heraus gefunden hatte, ob mich jemand befreien wollte und ab dem Moment, da du diese Worte aussprachst, gaben mich meine Fesseln frei und ich konnte die violette Lilie vernichten!“ Sie strahlte vor Glück. Plötzlich sah sie, dass er an der Schulter blutete. „Du bist verletzt!“ stellte sie entsetzt fest. Er stieß ein lautes Lachen aus. „Das hatte ich schon ganz vergessen!“ Er lächelte sie an und sie grinste zurück, dann trafen ihre Lippen erneut auf die seinen.

Kein Schmerz konnte diesen Moment zerstören, denn den beiden war es gelungen das Unmögliche möglich zu machen.



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