Traumland. von Deryan (in den Hauptrollen: Rose & Scorpius) ================================================================================ Kapitel 5: G l ü c k s p i l z ------------------------------ Er war der F a l s c h e . Sie war die F a l s c h e . Sie hasste ihn. Sie hasste ihn, weil er es wagte ihre Nähe aufzusuchen. Sie hasste ihn, weil er jeden Winkel in ihrem Kopf befleckte. Sie hasste ihn, weil er stur, arrogant, jähzornig und anmaßend war. Sie hasste ihn, weil er sie nicht aufgab, weil er beharrlich um ihre Gunst und um ihr Verzeihen kämpfte. Sie hasste ihn. Und sie durfte sich Heuchlerin schimpfen, weil sie mit Beharrlichkeit versuchte dieses unechte Gefühl der Abscheu in ihrem inneren zu entfachen. Und obwohl sie seine Nähe misste, er jede Nacht in ihren Träumen erschien und sie seine Küsse, seine Berührungen und das einfache Zusammensein schrecklich vermisste, war sie geneigt auf Ewigkeiten diese Distanz zwischen ihnen zu wahren. Sie hasste ihn, weil er jene unschicklichen Gefühle in ihr erweckte und sie hasste ihn, weil er das Wissen darum mit ihr teilte. Ein Biss auf die bemalte Unterlippe, ein Blick in den langen Spiegel. Man durfte meinen, dass die Herzdame darin wie eine Prinzessin aussah. Die Haare zu einer Lockenpracht frisiert, cremefarbene Perlen schmückten dezent das Haar. Das perlweine Brautkleid mit langer Schleppe saß perfekt auf ihrem Leib. Der Schnitt, die Stickereien und die Feinheiten auf dem Stoff gefielen ihr, irgendwie, auch wenn manche Augenpaare es als zu prunkend ansahen. Sie hasste ihn, weil er selbst an ihrem eignen Hochzeitstag der Mittelpunkt ihrer Gedanken war und nicht Prince Charming, der Lord mit den vielen Ambitionen und ganz wichtig: ihrem beinahe Ehemann. Armer, armer, einfältiger Lausbub. Das verunsicherte Fräulein in dem teuren Brautkleid schreckte auf, als ein plötzliches Klopfen ertönte und sie zurück in die Realität brachte. Sie wandte sich zur Tür und erstarrte. Er betrat das Ankleidezimmer. Er, dessen Name in ihrer Gegenwart unaussprechlich war. Es war bloß er, der ihr jede Nacht im Traum erschien. Er, ihre große Liebe. Sie hasste ihn, weil seine bloße Anwesenheit sie aus der Kontenance brachte. Der hinreißend verruchte Pirat lehnte an der gold-rot gestrichenen Wand. Seine grauen Augen glitzerten für bescheidene Herzklänge, als er das Fräulein in der Mitte des Zimmers entdeckte. Er sagte nichts, schaute sich die wunderhübsche Braut einfach nur an. Dann, irgendwann, als ewig gefühlte Herzklänge vergingen, erklang seine rauchige Stimme. Ihrer Haut schenkte es einen angenehmen Schauder. »Du siehst schön aus.« Und das dumme, dumme Herz der dummen, dummen Braut fuhr bei seinen schmeichelnden Worten Karussell. So klopfte es noch nicht einmal in der Gegenwart ihres Prince Charming. Welch Verräter! Ihr Magen entpuppte sich als ein weiterer Renegat, denn jener entlockte unzählige Schmetterlinge, die vor Freude, Freude, Freude und Liebe tanzten. Sie hasste ihn, weil sie wegen diesem Esel ihre Standhaftigkeit verlor. Und als wären diese scheußlichen Gefühlsausbrüche nicht die größte Last, da schwirrte der Herzdame auch noch ihr beinahe Ehemann im Kopf umher. Der arme, einfältige Schönling wäre der Ohnmacht nahe, wüsste er von ihren sündigen Gedanken und ihren widersprüchlichen Gefühlen zu dem hinreißend verruchten Piraten. O, welch schreckliche Feststellung! Sie glich jenen Dirnen in den Muggelfilmen ihrer Großmutter, die eine Liaison mit dem Bräutigam führten und dadurch das Herz der Braut brachen – nur, dass ein kleiner Rollentausch ihren Befund unterstrich und die Herzdame nicht so verrucht war, wie diese Damen. Sie war aber eine Verräterin, genauso wie ihr Herz, ihr Bauch und alles andere in ihr! Sie war eine verlogene Ehebrecherin – auch wenn das Ehebündnis noch nicht bestand. Wie grauenhaft. Grauenhaft. Grauenhaft und grauenhaft! Die Erkenntnis überforderte sie. Eindeutig. Sie hasste ihn dafür, dass er aus ihr eine verdammte Ehebrecherin gemacht hat. Ihre Antwort strotzte voller Kälte und Arroganz: »Es ist schließlich mein Hochzeitstag. Da muss die Braut schön aussehen.« Scorpius' Reaktion war nicht erwartungsgemäß. Er schenkte Rose ein trauriges Lächeln. »Da hast Du recht.« Das überforderte Fräulein erstarrte für Herzklänge. Da stand niemals, niemals, niemals ihr einmal Liebster vor ihr! Rose' Gesicht wandte sich von ihm ab, weil sie den Schmerz in seinen Augen nicht ertragen konnte, weil ihr sein Anblick beinahe das Herz aus der Brust riss. Und sie hasste ihn, weil er nicht der Klischee-Malfoy war und sie hasste sich, weil sie sich in den nicht-Klischee-Malfoy verliebt hatte. »Was willst Du hier, Scorpius?« Rose' Frage war ein Flüstern. »Ich weiß es nicht.«, gestand er und hoffte gleichzeitig, dass ihr die Antwort genügte. Hoffte, dass Rose verstand, dass sie wusste. Doch seine Liebste verstand und wusste nicht. Sie antwortete: »Dann bitte ich Dich ganz höflich meine Räumlichkeiten zu verlassen. Ich heirate in wenigen Augenblicken und möchte mich zu Ende Einkleiden.« Der Brautschleier fehlte, ebenso wie ihre perlenbestickten Handschuhe und die weißen Pumps mit den viel zu hohen Absätzen. »Rose« Scorpius machte einen Schritt auf sie zu, um ihr noch näher sein zu können, hielt jedoch inne, als er sah, wie sich ihre Hand erhob und ihre Lippen ein 'Nicht' formten. »Nicht, bitte.«, wiederholte Rose beinahe flehentlich und Scorpius gehorchte widerstrebend. Scorpius Hyperion Malfoy war ihr Ticket in die Verdammnis und Rose Weasley war sein Untergang. Genau dafür hasste sie ihn und sie wusste, dass er sie auch dafür hasste. Aber die Wahrheit war, dass sie ihn nicht hassen konnte – zumindest nicht mehr – und er wusste, dass sie aus seinem Leben zu verbannen ein schrecklicher Fehler war. Rose liebte ihn. Noch immer. Rose liebte Scorpius, weil er aufrichtig, heldenhaft, aufmerksam und gerecht war. Rose liebte seine Eleganz, sein seltenes Lächeln, seine Unerschrockenheit, aber auch seine Nähe und die Art, wie er sie ansah. Sie liebte die Gespräche mit ihm und die Streitereien. Sie liebte ihn und nur ihn und das war das Einzige, was zählte. Oder auch nicht. Denn da war noch die Angst, die ihre Brust zuschnürte, die grausamen Erinnerungen voller Pein und Demütigung. Rose hatte gewaltige Angst und jene Empfindung gewann das Spiel um ihr Herz. Als sie Scorpius wieder bitten wollte ihre Räumlichkeiten zu verlassen, da ertönte seine dunkle Stimme, die fragte: »Liebst Du ihn?« Überrascht schauten ihn das Augenpaar an, aber nur für den Hauch einiger Sekunden. »Natürlich«, stammelte Rose und schaute dabei an ihn vorbei. Es war noch nicht einmal eine Lüge, wie sie empfand. Sie liebte Prince Charming, aber nicht so sehr, wie sie Scorpius liebte. »Bist Du glücklich?« Nein, aber was ging es ihn an? »Ich denke schon.«, antwortete Rose und schaute wieder auf die rote Tapete mit den goldenen Verzierungen. »Du denkst?«, hakte der hinreißend verruchte Pirat nach, der in diesem kläglichen Augenblick gar nicht hinreißend wirkte – viel mehr übermüdet und schlaff. Rose brummte und stemmte ihre Hände in die Hüften. »Ich bin glücklich. Zufrieden?!« Nein, aber was machte das schon aus? Er nickte benommen. Die Bedeutung ihrer Worte drang langsam in seinen Kopf, schien genauso schleppend zu verstehen, aber er verstand es endlich und das war das Entscheidendste. Sie wollte ihn nicht – zumindest nicht mehr. Wer war er, dass er über ihr Leben entscheiden durfte? Er war ein Niemand, ihre bloße Vergangenheit von der sie nicht los kam. Liebe bedeutet Opfer zu bringen. Scorpius' Herz bekam unschöne Risse. Er würde sie gehen lassen, weil er sie liebte, weil er wollte, dass sie glücklich wurde. Und wenn ihr Glück der dumme, dumme Prince Charming bedeutete, so musste er es akzeptieren. »Ich verstehe.«, antwortete er mit gefasster Stimme, »Du wirst mich nie wiedersehen müssen. Das verspreche ich Dir, Rose.« Scorpius schaute sie noch einen Herzklang an, dann ging er, ließ sie im Ankleidezimmer allein. Liebe bedeutet dem Glück des anderen nicht im Wege zu stehen. Rose' Herz verkrampfte sich, dann benetzten Tränen ihre gepuderten Wangen. Sie bekam endlich das, was sie seit Ewigkeiten ersehnte und sie war nicht glücklich darüber. . . Es lebte einmal vor Ewigkeiten ein Glückspilz. Sein Glück war nicht von Dauer. Er wurde zum Unglücksraben. ENDE Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)