Die Himmelssage von Decken-Diebin (Gegen das eigene Land) ================================================================================ Kapitel 1: Menschen der Rache ----------------------------- Es war ein warmer Morgen während des Beginns des Hitzemonats 1865 nach Nadira, als alles begann. Alles wurde von jedem unterschiedlich definiert; Danika, die an jenem Morgen recht früh geweckt wurde, würde es vielleicht als ‚verkackten Mist‘ oder ‚Scheißdreck‘ beschimpfen. Danika war ein blondes Mädchen von vierzehn Sonnensaisonen. Sie war ein durchaus friedlicher Mensch, aber wenn sie wollte, konnte sie durchaus gereizt sein. Zum Glück ihrer Familie störte es sie an jenem Tag nicht, schon kurz vor acht Uhr aufzuwachen. Einerseits wegen der hellen Sonne, die anscheinend gerade das gesamte Dorf aufwecken wollte, andererseits wegen dem mehr oder weniger leisem Stöhnen aus dem Zimmer ihres Bruders, das direkt nebenan lag. Das Mädchen konnte nicht anders, als breit zu grinsen, während sie sich vorstellte, wie ihr gerademal ein Jahr älterer Bruder in seinem Bett lag und seinen Bedürfnissen nachkam. Der Arme hatte nun mal keine Freundin. Fand Danika im Übrigen auch besser so. Die stand jetzt auf, zupfte ihr Schlafoberteil zurecht und ging auf Samtfüßen zum Nachbarzimmer. Sie hörte, wie ihre Eltern unten in der Küche den Frühstückstisch deckten. Dann, das Aufstöhnen ihres Bruders ignorierend, stieß sie die unabgeschlossene Tür laut und weit auf. „Jastro! Aufstehen, los, hopp-hopp! Wir fahren heute nach Sammok!“, rief sie ihm zu, während jener aufschrie, sich rasend schnell unter die Decke verkroch und brüllte: „RAUS HIER, DANIKA! Schon mal was von Anklopfen gehört, du blöde Kuh?!“ „JASTRO! Nicht so laut!“, kam es von unten. „Ja, Mama…!“, antwortete Jastro genervt. Danika kam fröhlich summend in sein Zimmer und setzte sich auf seinen Körper, der unter der Bettdecke nackt war. Dessen war sie sich vollkommen bewusst, aber sie liebte es, ihn zu ärgern. „Danika-…!“, grummelte er und versuchte, möglichst nicht rot zu werden, „Würdest du bitte von mir runter kommen und rausgehen, damit ich mich anziehen kann? Ich bin nur knapp angezogen, und wir sind nicht mehr kleine siebenjährige Kinder.“ „Ach, du bist nur knapp angezogen.“, wiederholte sie und betonte seine Wörter sarkastisch, „Na und?“ Jastro stöhnte auf, allerdings vor Genervtheit. „Schon mal was von Privatsphäre gehört? „Japp, sowohl von Anklopfen und Privatsphäre hab ich mal gehört. Kann dir jetzt aber leider keine Definition davon geben. – Aber sag mal, wieso liegt denn deine Boxer da neben deinem Bett?“ „Wie?“, machte Jastro und zögerte, „Eh, das ist die von gestern.“ Danika grinste süffisant. „Ah, du hast bestimmt auch schon eine frische an, ich hab dich ja gerade erst geweckt.“ Ihr Bruder sah sie an und schien sehr genervt. Höchste Zeit zu verschwinden. Also stand Danika auf, sagte noch zu ihm: „Ich hoffe, ich hab dich nicht gestört.“ und entwich gerade so noch einem fliegenden Kissen, als sie aus seinem Zimmer ging. Danika und Jastro kamen gemeinsam zum Frühstück in die Küche herunter. Das Mädchen hatte noch auf ihren Bruder gewartet, während er sich Badezimmer befanden hatte. „Was war da oben schon wieder für ein Krach?“, fragte Varille Hisan sogleich, als ihre beiden Kinder die Küche betreten hatten. Die Mutter der beiden war eine hochgewachsene, gutaussehende Frau mit langen blonden Haaren, die sie zu einem Zopf zusammengebunden hatte. Sie war weder zierlich noch muskulös, eher von ganz normaler Statur, aber wer sie wirklich kannte, wusste, dass sie eine starke Frau war. Nicht umsonst war sie wie ihr Mann im Feuerorden ihres Landes Fucc. Der Feuerorden war ein Rat, der die mächtigsten Sonnenkrieger des Lands zusammenfasste. Ein guter Freund der Familie, Yundo Myias, war der Meister des Feuers. Jastro eiferte ihm nach; er wollte etwas besonders Besonderes in der Familie Hisan sein. Seine Familie war nämlich bekannt dafür, im Rat der Sonnenkrieger zu sein – aber nur wenige hatten es geschafft, Meister des Feuers zu werden. Yundo sagte immer zu ihm: „Du hast noch einen langen Weg vor dir.“ Nie hatte er diese Worte hinterfragt. Sie waren geradezu eindeutig. „Oh, nichts, Danika hat mich nur etwas sehr lebendig aufgeweckt.“, antwortete Jastro gerade seiner Mutter. Danika kicherte und darauf sah Varille ihren Sohn nur skeptisch an. „Wie auch immer ich das interpretieren soll… - Hauptsache, wir essen jetzt schnell und können dann los. Der Stallbursche, ich hab den Namen schon wieder verg-“ „Ikana.“, half Danika ihr, doch ihre Mutter redete barsch weiter. „Ja, danke, Danika, ich rede gerade. Also, Ikana hat die Akambas und die Kutsche schon fertig gemacht. Esst schon, die Sonnenkrieger warten nicht auf uns. Obwohl sie es eigentlich müssten…“ Sie hörte auf zu reden. Dann nahm sie die Brötchen im Korb von der Küchentheke und bot jedem eins davon auffordernd an. Schweigend nahmen Jastro und Danika sich die Backwaren, kurz trafen sich ihre Augen. Allein dieser schnelle Blick ließ den anderen wissen, dass sein Geschwisterkind dasselbe dachte: Ihre Eltern schienen etwas zu verbergen. Natürlich waren die Treffen des Feuerordens bisher immer sehr wichtig gewesen, doch nie drängten die beiden Hisans überpünktlich da zu sein. Die Mutter sprach hektisch und fahrig, war geradezu mürrisch, und der Vater war viel zu ruhig. Zu viele Merkmale, dachten die Kinder sich, und hingen sie nicht ihren Gedanken nach, würden sie auch den auffälligen Blickaustausch ihrer Eltern bemerken. Das Frühstück verlief ruhig und schweigend. Erst als alle fertig mit dem Essen waren, hob Varille Hisan wieder die Stimme: „Habt ihr alles, was ihr braucht? Nehmt euch ein paar Münzen mit, dann könnt ihr euch etwas kaufen, während wir in der Versammlung sitzen.“ Jastro nickte. „Ich hol mein Geld von oben. Du auch, Danika?“ In den Ohren seiner Eltern hörte sich die Frage wie eine ganz normale Frage an. In Danikas Ohren war es jedoch eine Aufforderung, die sie sogleich nachkam. Sie kannte ihren Bruder zu gut um nicht zu wissen, dass er wollte, dass sie mitkam. So bald sie in Jastros Zimmer waren, schloss Danika die Tür hinter sich und sah ihren Bruder fragend an. „Was hältst du davon?“ Er zuckte mit den Schultern und begann dann seine Schreibtischschubladen zu durchwühlen. „‘Ne Menge. Vati und Mutti können sich einfach nicht unauffällig verhalten. Und da sie sich auffällig verhalten, muss irgendwas Wichtiges und Geheimnisvolles heute im Feuerorden Thema sein. – Ah, endlich.“ Der Blonde hielt ein schwarzes, kleines Portemonnaie in der Hand. Danika zog die Augenbrauen hoch. „Wozu brauchst du das? Ich werd garantiert nicht in irgendeinen Laden gehen und mir sonst welchen Schnickschnack kaufen.“, sagte sie. „Ach, echt?“, fragte Jastro nach und grinste, „Als wir damals in Sammok vor, da warst du, glaube ich, sechs, da musste ich dir noch ganz dringend eine neue Puppe mit rosa Kleid kaufen. Du hast so lange gebettelt gehabt, bis ich mein Taschengeld opfern musste.“ Seine kleine Schwester sah ihn grimmig an und ignorierte die Röte auf ihren Wangen gekonnt. „Was kann ich dafür, wenn du dich so leicht rumkriegen lässt.“ Plötzlich fing sie an herzhaft zu lächeln und kuschelte sich vollkommen übertrieben an ihren Bruder, und genauso übertrieben sagte sie zu ihm: „Aber deswegen weiß ich ja auch, dass ich den liebsten Bruder der Welt habe!“ „Ja, ja, Danika, ich hab dich auch lieb…“, meinte er monoton, „Und nun komm, Mutti und Vati werden nicht ewig warten.“ Nickend ließ sie ihn los. „Wie lange brauchen wir bis nach Sammok?“ „Zwei, drei Stunden?“, schätzte Jastro, „Ich frag mich eher, warum dieses Mal in Sammok und nicht in Yuselika…“ Diesmal war es an Danika, die Schultern zu zucken. „Frag mich nicht“, antwortete sie noch, dann gingen sie zu ihren Eltern herunter, die bereits ungeduldig warteten. Ikana hatte bereits die Akambas vor die riesige Kutsche gespannt. Danika ging zu den zwei Tieren und streichelte deren Köpfe. Sie war fasziniert von diesen Geschöpfen – sie konnten bis zu zwei Metern groß werden und hatten ausgezeichnete Sinne. Ihr Körper war mit weichem Fell bedeckt, dass natürlich nicht immer die gleichen Farben besaß (das eine Akamba der Hisans zum Beispiel war hellbraun, das andere matt grau), doch wenn sie liefen, hörten man sie schon vom Weiten, denn am unteren Ende ihrer Beine trugen sie Hufen, hinter denen mächtig viel Kraft steckte. Akambas waren beliebte Tiere in ganz Yalann. Überall wurden sie als Kutsch- und Transporttiere genutzt, in manchen Haushalten nur als Reittiere. Danika selbst war noch nie auf einem geritten. Ihre Eltern würden es auch nie zulassen. Sie streichelte gerade Jyoli, dem grauen, über den Kopf, da wurde sie von eben diesen angeschnauzt: „Danika, jetzt komm, wir wollen los!“ „Ja, ja“, murmelte das Mädchen genervt, verabschiedete sich von dem Stallburschen mit einem Lächeln und stieg in die Kutsche. Seufzend ließ sie sich neben Jastro fallen und rollte kurz mit den Augen, bevor ihre Eltern einstiegen. Augenblicklich fuhr die Kutsche los. Die Fahrt über schwieg die Familie. Amos und Varille Hisan saßen starr da, und sahen sich die vorbeirauschende Landschaft an. Die Kutsche ruckelte ziemlich, da sie gerade den westlichsten Teil des Litaronh-Gebirges verließen, aber Jastro ließ sich nicht stören, kleine Flammen über seiner Handflächen entstehen zu lassen und sie ständig zu merkwürdigen Formen zu verändern. Danika verkniff sich das Lachen, als er aus dem Feuer eine gut gebaute, nackte Frau zauberte. „Na, die brennt ja vor Leidenschaft“, murmelte sie in Jastros Ohr. Er grinste zurück und ließ sie verschwinden, bevor seine Eltern eventuell sein Treiben mitbekamen. Doch die saßen nur in ihren altmodischen Klamotten, die traditionell für den Orden der Sonnenkrieger war, und würdigten sie keines Blickes. Erst als die Kutsche anhielt, beachteten sie Jastro und Danika wieder. „Wir sind da. – Ich hoffe, ihr amüsiert euch schön in der Stadt. Ich denke, wir werden wahrscheinlich in gut zwei Stunden fertig sein. Bis dann.“ Varille Hisan nickte ihren Kindern nur noch zu und verschwand ihrem Mann folgend in dem großen Gebäude auf dem Sammokschen Marktplatz. Fassungslos sahen ihre Kinder ihr hinterher. Wütend stemmte Danika ihre Arme in die Hüften. „Da hättet ihr uns ja gleich Zuhause lassen können!“, schrie sie die Tür an, doch die antwortete ihr nicht. Zornig fuchtelte sie mit ihren Armen herum; ihre Hände hatten sich bereits zu Fäusten gebildet. Jastro hielt sie fest. „Pscht – sei leise. Die hören dich eh nicht mehr. Und jetzt komm mit.“ Er zog sie an ihren Armen hinter sich her. „Wie kannst du nur so ruhig bleiben? Ich fühl mich wie ein Stück Dreck behandelt!“, ereiferte sich Danika immer noch sauer, „Au! Müssen wir hier langgehen?“ „Ein paar Büsche schaden dir nicht“, sagte Jastro nur, und schliff sie weiter durch das Gestrüpp hinter sich her. Er versuchte gerade, um das Haus herumzukommen. Beziehungsweise Fenster zu finden, von denen man zufällig den Feuerorden und seine überaus wichtige Besprechung sehen konnte. „Und jetzt sei endlich leise.“ Eine kurze Gänsehaut breitete sich auf Danikas Körper aus, als sie die gereizte Stimme ihres Bruders hörte. Augenblicklich hielt sie ihre Klappe und folgte ihm sich durchs Gebüsch kämpfend. Lächelnd sah sie auf seine Hand, die ihr Handgelenk umklammerte. Plötzlich hörte sie Stimmen. „…Frau und Kinder zu Hause geblieben, ja.“, sprach irgendein Mann. Die beiden kannten die Mitglieder des Ordens zu wenig um sie zu zuordnen. „Unsere Kinder sollten irgendwo in der Stadt sein. Zumindest haben wir ihnen das gesagt.“, sagte jetzt eine Frauenstimme, die den beiden wiederum sehr bekannt vorkam – es war ihre Mutter, „Nun, Sokhako, hast du den Plan dabei?“ Es schien keine Antwort zu geben. Jastro vermutete ein bloßes Kopfnicken, als er Papierrascheln und Fußschritte vernahm. Das Fenster war zu hoch, um hindurchzusehen, und außerdem war es zu riskant. „Hier ist die Grenze zu Thann.“, erklärte eine weitere Männerstimme. Wahrscheinlich war es Sokhako. „Die größten und am nächsten Dörfer sind Sammok und Janas. Sprich, dort werden für’s Erste unsere Stützpunkte sein. Das heißt, ihr … werdet dort den Leiter übernehmen.“ „Das wird kein Problem sein.“, hörten Jastro und Danika die Stimme ihres Vaters. „Gut“, sagte Sokhako, „Unsere ersten Ziele sollten die Einnahme von den thannschen Dörfern Castro und Trimbali sein. Wenn wir die besetzt haben, können wir uns weiter vorarbeiten. – Aber wir sollten vorsichtig sein, ich glaube nicht, dass Thann lange fackeln wird, bis sie die Truppen aus Jumelika los schicken.“ „Wir brauchen mehr Soldaten“, meldete sich nun eine neue Frauenstimme, „Soldaten als Reserve. Wenn Jumelika Truppen aussendet, dann kontern wir mit diesen Soldaten.“ Man hörte zustimmendes Gemurmel. „Es ist ein bisschen, als würden wir mit dem Kopf gegen die Wand laufen“, sagte dann Amos Hisan, „Aber wir haben den Überraschungsmoment auf unserer Seite. Ende des nächsten Hitzemonats wird Thann gefallen sein.“ Entsetzt zog Danika scharf die Luft ein. Noch in derselben Sekunde legte Jastro einen Finger auf ihre Lippe und deutete ihr an zu schweigen. Abermals packte er sie an der Hand und zog sie hinter sich her, wieder durch das Gebüsch. „Warum-…? Warum, Jastro?“, fragte Danika leicht verstört. Doch ihr großer Bruder zog nur an ihrer Hand und sie folgte ihm. Er lief in die Innenstadt Sammoks. Stirnrunzelnd blickte Danika sich um. „Was… gedenkst du jetzt zu tun?“ Er ließ ihre Hand zu ihrem Bedauern los und kramte aus seiner Hosentasche sein Portemonnaie hervor. Anschließend drückte er seiner kleinen Schwester ein paar Münzen in die Hand. „Lass uns etwas kaufen“, sagte er. Verwirrt blickte Danika ihn an, aber er seufzte nur. „Heute bist du auch schwer von Begriff, was? Lass uns etwas kaufen, damit wir einen Beweis haben, dass wir in der Stadt waren. Und nicht zufällig irgendwo vorm Fenster rumgelümmelt haben.“ Das blonde Mädchen nickte nur. Wie konnte er jetzt noch einen kühlen Kopf bewahren? Sie liefen durch die Einkaufsstraße, die voll mit Menschen waren, die ihre Besorgungen erledigten. Ungläubig schüttelte sie für sich selbst den Kopf. Alles hier war so normal – doch eigentlich hatte sich eben alles geändert. Es würde nicht lange dauern. Dann würde Fucc Thann den Krieg erklären. Abermals. Der letzte war doch gar nicht so lange her. Danika erinnerte sich gut daran. Jastro zerrte sie gerade zu einem Schmuckstand. „Kauf dir was“, meinte er halb abwesend. Fragend zog sie eine Augenbraue hoch. Er wusste doch, dass sie keinen Schmuck trug. „Was?“, fragte er verwirrt, und dann besah er sich noch mal den Stand, „Oh, ach ja…“ Sie gingen weiter. „Du bist durcheinander…“, flüsterte Danika leise, aber ihr großer Bruder hörte sie trotzdem. Dieses Mal ging er zu einem kleinen Laden mit Halstüchern. „Verständlich, oder?“, sagte er nur, nahm sich ein dünnes grünes Tuch und ging zu der Frau, der der Laden gehörte. Danika sah ihm hinterher, und blieb stehen. Wieder kehrten ihre Gedanken zu dem eben Gehörten zurück. Ihr wurde kalt, auf ihren Armen breitete sich eine Gänsehaut aus. Ihre Eltern arbeiteten mit an diesem Plan, an diesem grausamen Plan, um Thann ins Verderben zu stürzen. Warum nur taten sie das? Was hatten die armen Thannesier getan? „Warum…?“, murmelte sie vor sich hin. „Ist das nicht klar?“, kam die Gegenfrage plötzlich. Überrascht sah sie auf – Jastro stand vor ihr. „Sie wollen Rache. Rache dafür, was die Thannesier ihn vor gut sechs Jahren angetan haben. Angeblich.“ „Du meinst in der Hitzewelle? In den heißen Sonnensaisonen?“ Jastro nickte. Damals waren sie Kinder gewesen, mitten in einem Krieg wegen bloßen Behauptungen, Eifersucht und Neid. Alles entstanden durch den Mangel an Wasser und Regen. Aber sie waren nicht zu jung gewesen, um nichts zu verstehen. Danika und Jastro waren Kinder von Liebe. Krieg stand ganz oben auf ihrer Beseitigungsliste. Und schon damals wussten sie, dass dieser Krieg sinnlos gewesen war. „Ich hätte nie gedacht, dass sie noch einmal beginnen. Es ist so sinnlos“, sagte er, dann sah er sie an und hielt ihr das Tuch vor die Nase, „Hier, für dich.“ Verwundert blinzelte Danika. Es war ein grünes Tuch, helle und dunkle Farben vermischt. Dann sah sie die gelben gestickten Buchstaben. ‚Danika‘ stand dort. „Du liebe Sonne“, sprach sie erstaunt, „Danke!“ Sie nahm ihm das Halstuch ab und band es sich um. „Und?“ „Sieht gut aus“, sagte Jastro. Sie schien sich wirklich zu freuen. „Danke, danke“, erwiderte sie noch einmal. Sie zwang sich, ihn jetzt nicht anzuspringen. Ihr Bruder grinste sie an. „Lass uns gehen. Die zwei Stunden werden bald um sein.“ Es war ein böser, gewaltiger Ruck – und schon war sie wieder auf dem Boden der Tatsachen. Mit einer Miene, als hätte sie in eine Zitrone gebissen, nickte sie und folgte ihm. „Lass dir nichts anmerken“, befahl er ihr. „Natürlich“, antwortete sie nur. Amos und Varille Hisan winkten gerade einer schwarzhaarigen Frau zu. Sie nickte kühl zurück und stieg in eine Kutsche, die in dunklen Nachttönen gehalten wurde. Ihre Eltern lachten und sahen sie nicht verbittert an, fiel Jastro und Danika auf, das hieß wohl, dass der Orden noch eine Weile Smalltalk abgehalten hatte. „Mutti, Vati“, begrüßte Danika ihre Eltern mit ihrem gewohnten Lächeln, „Wie war das Treffen? Was Brauchbares bei rausgekommen?“ „Ja“, sagte Amos Hisan – es war das erste Mal, dass er an diesem Tag sprach, „Aber das ist nichts für kleine Mädchenohren.“ „Menno“, schmollte Danika in altbekannter Tour, denn Varille seufzte nur kopfschüttelnd. „Du müsstest das doch wissen – ist nichts Neues, nicht wahr?“, meinte sie, dann fiel ihr Blick auf das Tuch um den Hals ihrer Tochter, „Ist das Halstuch neu?“ „Ja, das ist neu, Jastro hat es mir gekauft!“, erzählte sie voller Begeisterung, „Guck, da ist sogar mein Name drauf gestickt!“ „Tatsächlich“, sprach Varille verblüfft, und grinste Jastro an, „Da war dein Bruder heute wohl sehr spendabel?“ „Tja, als großer Bruder hat man halt gewisse Pflichten.“ Nun war es an ihm, zu grinsen. Danikas Nasenflügel blähten sich auf und ihren Augenbrauen zogen sich zusammen, als sie das hörte. „Na, danke!“, ereiferte sie sich, „Und ich dachte, du tust das aus reiner Liebe!“ „Immer doch“, sagte er dann, und tätschelte ihr den Kopf. „Ts“, machte die Blondine nur. „Kommt, lasst uns zurückfahren“, ertönte da die Stimme von Amos, „Sonst verschwindet die Sonne ehe wir zu Hause sind.“ „Du übertreibst maßlos“, sagte Varille zu ihrem Mann. Der zuckte nur mit den Schultern und meinte: „Ich weiß.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)