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Licht & Silber

von

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۝ ۱ - Die Begegnung ۝

Licht & Silber®

Eine Nebenproduktion von Sonic Team Entertainment™
 

„ Jeder, der fühlen und denken kann, ist ein Lebewesen- egal, unter welchen Umständen es das Licht der Welt erblickt hat…“
 

Kapitel 1:

Die Begegnung
 

„ An alle Einheiten in Etage 0-5: Ausbruch in Zelle C-17. Bitte handeln Sie“ hallte eine mechanische Frauenstimme durch die Gänge des Labors. Die Wachen in der 5. Etage, die den Befehl der Stimme befolgten, liefen mit ihren Waffen und Schock-Geräten durch die Gänge. Ein Häftling ist ausgebrochen. Seine Arme und Beine waren gekettet und die Ketten verursachten bei seinem Tempo laute Klirrgeräusche. Er ist etwas, das als ‚ultimative Lebensform‘ betrachtet wird, da es künstlich geboren wurde: Ein Wesen, das mithilfe von Maschinen und Geräten das Licht der Welt erblickte- und seitdem eingesperrt in einer Kapsel. Ein Wesen, das unter der Qual der Neugier und Interesse von Wissenschaftlern litt und für verschiedene Experimente und Versuche benutzt wurde.
 

Es lief mit einer ungeheuren Geschwindigkeit durch einen hellen Gang, verursachte dadurch aber noch mehr Lärm. Doch er konnte die Stahlketten nicht entfernen und es nervte ihn- sowie das alle hier. Er hasste alles auf dieser Welt: Dieses Labor, die Wissenschaftler und Assistenten, die ganzen Geräte und Instrumente und vor allem diese Wachen mit ihren Schock-Geräten, die einen bewusstlos machten, wenn man nicht nach ihrer Pfeife tanzte. Er hat die Welt noch nie gesehen, obwohl er hier geboren wurde und hasste sie jetzt schon. Er hat vor knapp 3 Jahren künstliche das Licht der Welt erblickt. Das war schon der 5. Ausbruch in zwei Wochen und sie fingen ihn jedesmal ein. Sie begriffen einfach nicht, dass er das alles nicht wollte. Er wäre glücklich, wenn sie ihn befreien würden- entweder als freies Etwas auf diesen fremden Planeten oder getötet.

Er hörte die Schritte der Wachen aus einer Richtung, doch er wusste nicht, aus welcher und blieb stehen. An einer Wand stützend versuchte er nach Luft zu schnappen, doch seine Lungen und sein Hals schmerzten zu sehr. Die Schritte wurden lauter. Was soll er nur tun? Jedesmal endet es auf dieselbe Weise: Er wird eingefangen und zurück in seine Zelle gesperrt. Und jedesmal werden die Wachen in den Gängen verstärkt. Seine Beine zitterten. „Da ist er! Schnappt ihn euch!“ hörte er hinter seinem Rücken. Schüsse fielen. Ohne hinzugucken, wie viele es waren, rannte er weiter durch die Gänge…
 

„Es ist wirklich sehr nett von dir, mich in dieser Irrenanstalt zu besuchen, Nur.“ Der Leiter des Labors für biogenetische Waffen war froh über den Besuch seiner einzigen Tochter. „Das ist doch kein Problem.“ Antwortete sie ihrem Vater und lächelte. Er lächelte zurück, doch tief in ihm drin hätte er am liebsten über ihren Zustand geweint. Er war gerade tief in Gedanken und ging zusammen mit seiner Tochter gerade den Weg zur Kantine entlang, als eine mechanische Frauenstimme erklang.
 

„ An alle Einheiten in Etage 0-5: Ausbruch in Zelle C-17. Bitte handeln Sie“.

‚Oje, schon wieder VO-06‘ dachte der Leiter und bückte sich zu seiner Tochter runter. „Nur, es gibt ein kleines Problem. Der, der ausgebrochen ist, ist sehr gefährlich. Wir werden das sofort klären. Rühr‘ dich solange nicht vom Fleck, ja?“ Nur nickte etwas besorgt. Von dieser Besorgnis angesteckt sah er sie an und rannte los. “ Und ja nicht draufgehen!“ rief sie ihm hinterher um ihn etwas mit diesem seltsamen Witz aufzuheitern.
 

„Es gibt keinen Ausweg, Kleiner!“ rief ihm jemand hinterher, doch er rannte weiter. Es war deprimierend, Widerstand zu leisten, obwohl er bereits weiß, wie es für ihn endet. Er bog um die Ecke. Er war so schnell, dass er nicht gegen die Wand rannte, sondern die Wand entlanglaufen konnte. Ihm wurde leicht schwindelig. Er sprang zurück auf den Boden und bog so schnell es ging nochmal in einen Gang- und blieb bremsend stehen. Seine Fußsohlen brannte durch die Reibung mit dem Metallboden. Im Hintergrund konnte er noch die Wachen hören, doch er schien es vergessen zu haben. Er sah ein Mädchen- mitten auf dem Gang. Sie saß auf einem Stuhl und summte vor sich hin. Die Geräusche hinter sich wurden lauter. Es bildete sich ein hinterhältiges Lächeln auf seinen kleinen Lippen. Man konnte seine spitzen Zähne sehen- wie die eines Vampirs.
 

‚Das ist meine Chance!‘ Er rannte, sprang hinter dem Mädchen und hielt die Ketten vor ihrem Hals bereit. Wenn die Wachen ihn nicht gehen lassen, wird er das Mädchen erwürgen. Das Mädchen schien bemerkte, dass sie sich hier mitten in einer Verfolgungsjagd befindet. Die ersten Wachen kamen schon. Doch als sie sahen, wen er da als Geisel genommen hat, blieben sie stehen und streckten ihre Hände zur Seite, um die Wachen hinter ihnen aufzuhalten. Das Mädchen kam zu Wort- ein Hauch von Angst lag in ihrer Stimme. “Kann mir irgendjemand sagen, was hier los ist?“. Die Stimme hörte sich tief und trotzdem weiblich an. Einer der Wachen meldete sich- wahrscheinlich der Leiter dieser Truppe von Trotteln. „Bleiben Sie ruhig und bewegen sie sich nicht, Miss Sayles.“
 

Der Häftling kicherte nur. Er drückte die Ketten an Nur’ s Hals. „Steh auf! Wir machen einen kleinen Spaziergang!“ befiehl er ihr. Nur schluckte. Statt etwas zu sagen oder aufzustehen, schlug sie mit ihrer Hand auf den Stuhl, auf den sie saß. Er folgte ihren Händen mit seinen Augen aus Gold. Der Stuhl, auf dem sie saß, war anders konstruiert und hatte zwei große Räder an den Seiten- es war ein Rollstuhl. „Wie sieht er denn aus?“ fragte sie den Wachen nach einer Weile aus Neugier. Er wendete seinen Blick langsam vom Rollstuhl auf das Gesicht des Mädchens. Sie hatte einen leeren Blick in den glasigen braunen Augen. Jetzt war ihm alles klar: Sie war nicht nur unfähig zu laufen, sondern auch…

Er ließ die Kette an ihrem Hals unbewusst sinken. Er war sich darüber im Klaren, was er da tat. Einen Menschenmädchen als Geisel zu nehmen, das laufunfähig und blind war, das ekelte ihn vor sich selbst. Er hatte ein seltsames Gefühl. Ein unangenehmes Gefühl. Wie nennt man so etwas, dieses Gefühl? Soviel er weiß, nennen die Menschen dieses Gefühl Scham. Wieso ist er nicht einfach weitergerannt? Das würde ihm diese Lage ersparen. Doch dafür war es nun zu spät.
 

Die Wache, die vorhin zum Mädchen sprach, kam erneut zu Wort. „Entfern‘ dich von ihr und komm hierher.“ Von hinten kamen noch andere Wachen und versperrten ihm somit den Weg zur Freiheit. Er ließ seine Ketten los, sie fielen auf den Boden und verursachten lauten Krach. Hier ist er also am Ende seiner zu kurzen Reise. Einen Schritt nach dem anderen ging er auf die Wachen zu. Da wäre er nun wieder ganz am Anfang. Es machte ihn einfach nur wütend, sein Schicksal den Wachen zu überlassen.
 

„Nur! Gott sei Dank!“ Die Stimme des Leiters hallte durch den Gang. Dieser Mann, den er von diesem Gesindel am meisten hasste. Er drängelte sich durch die Wachen, lief an dem Häftling vorbei zu seiner Tochter und umarmte sie. Er nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände. „Bin ich froh, dass dir nichts passiert ist!“ Er drückte sie noch einmal an sich. Der Häftling sah sie an. Diese Art von Beziehung des Leiters und diesem Mädchens hatte er in seinen 3 Jahren noch nie gesehen. Im Labor umarmt sich keiner und sie redeten auch nicht so vertraut miteinander. Was war das für ein besonderes Band, das die beiden miteinander verbindet? Sie legte ihre Hände auf seine. „Keine Sorge, Vater, es ist nichts passiert. Er hat mir nichts getan. Ich hab nicht einmal gemerkt, dass er hinter mir stand.“ Sie lächelte. ‚Vater?‘ „Trotzdem!“ Er drehte sich zu dem Häftling- das Gesicht wutverzerrt. „Es reicht dir nicht, das ganze Labor in Panik zu versetzen, nein, jetzt wolltest du auch noch meine Tochter als Geisel nehmen!“ schrie er ihn an und verpasste ihm einen Tritt in den Magen. ‚Tochter?‘ Er flog zu Boden und blieb -sich den Bauch haltend- liegen. ‚Vater…und Tochter…‘ Diese Wörter hörte er zum ersten Mal in seinem Leben. „Bringt ihn in seine Zelle und sorgt dafür, dass er da nie wieder ohne Erlaubnis rauskommt!“ befiehl er den Wachen. „Ja, Sir!“ Sie salutierten, packten den Häftling grob und brachten ihn zurück in seine Zelle.
 

Der Leiter Mr. Sayles wendete sich zu Nur. „Und was dich angeht, Nur: Bitte, komm nicht nochmal einfach so hierher. Zu deiner eigenen Sicherheit. Du hast gese-… gemerkt was hier passiert ist.“ Bat er seine Tochter. Sie seufzte. „Vater, ich hab dir gesagt, er hat mir nichts getan! Wieso handelst du, ohne sich die Meinung der Beteiligten anzuhören?“ und zeigte auf sich selbst. Er legte seine Hände auf ihre Schultern. „Bitte, Nur. Ich will nicht noch jemanden verlieren.“ Nach einer kurzen Weile nickte sie nur. „Vielen Dank, mein Kind.“ Und umarmte sie. Er begleitete sie bis nach draußen auf den Hubschrauberlandeplatz. „Es wird langsam Zeit für dich, zu gehen. Kann sein, dass ich bis übermorgen nicht nach Hause komme. Also mach dir keine Sorgen.“ Er beugte sich und gab seiner Tochter einen Kuss auf die Stirn. Ein paar Beauftragte halfen ihr auf den Hubschrauber. Nur winkte ihrem Vater, als dann der Hubschrauber abhob. Als er verschwand, blieb er noch eine Weile auf dem Landeplatz und verschwand dann langsam durch die Stahltür, die zurück ins Labor führte.

۝ ۲ - Freundschaft auf den zweiten Blick ۝

Licht & Silber®

„ Sei froh über eine Torte: Es gibt Menschen, die nicht einmal Brot haben…“
 

Kapitel 2:

Freundschaft auf den zweiten Blick
 

Es ist schon 3 Tage her, seit er das letzte Mal aus der Kapsel ausgebrochen war. Vor 3 Tagen hat er zum ersten Mal jemanden gesehen, die viel mehr Mitleid verdient hat als er selbst. Seitdem hat er sich nicht mehr gewehrt. Er wehrt sich nicht mehr, wenn die Ärzte kommen, um seinen Gesundheits-Check durchzuführen, der nach jedem Experiment durchgeführt wird. Um ehrlich zu sein, er hätte das Mädchen von damals gerne noch ein letztes Mal getroffen, um sich bei ihr zu entschuldigen. Er weiß nicht, was passiert war, nachdem er von ihrem Vater geschlagen wurde. Ob er das jemals erfahren wird?
 

Er hörte, wie die Stahltür von außen geöffnet wurde und eine Frau in einem weißen Anzug ein Tablett vorbeibrachte. Sie stellte es auf den Boden, öffnete seine Schellen und verließ die Kapsel wieder. Er blieb auf seinem bisherigen Platz sitzen und tat nichts, bis der Geruch des Essens ihm in die Nase stieg. Er sah nochmal kurz aus dem runden kleinen Fenster hinaus und nahm sich das Essen später auf den Schoß. Reis und gekochtes Gemüse- dazu noch eine Flasche Wasser. Aus Sicherheitsgründen bestand Teller und Besteck aus Plastik, damit er sich selbst keine Schäden hinzufügt. Wutentbrannt schmiss er das Tablett quer durch den Raum. Es schepperte gegen die Kapselwand, das ganze Essen fiel auf den Boden. Das Tablett blieb in der Wand stecken und hinterließ eine Riesendelle. Er setzte sich zurück auf das Bett und schaute weiter durch das kleine Fenster hindurch. Schade daran war, dass er durch das kleine Fenster das Labor und die vielen Wissenschaftler und Assistenten sah, die wie seelenlose Körper rumschwirrten und dauernd auf ihre Klemmbrette runterschauten.
 

Die Tür ging ein zweites Mal auf und einer von den Assistenten, ein junger Mann, trat herein, gefolgt von zwei Wachen. „VO-06, du hast Besuch“ sagte er tonlos und setzte die Handschellen wieder zusammen. Besuch? Er sagte kein Wort, doch innerlich war er völlig verwundert. Er hatte noch nie in seinem Leben Besuch gehabt. Kein Wunder: Er hatte weder eine Familie, noch Freunde, die ihn besuchen könnten. Das war schließlich kein Gefängnis. Er spürte in seinem Bauch ein unangenehmes Gefühl. Fühlte sich wie ein Erdbeben an. Dieses seltsame Gefühl hatte er noch nie.
 

Der junge Mann führte ihn durch einen Gang, den er noch nie gesehen hatte. An den Wänden hingen seltsame Tabletts mit seltsamen und durcheinandergewirbelten Formen und Farben. Dieser Gang sah eben nicht so verlassen und leblos aus wie alle anderen Gänge, durch die er gerannt war. Aus einigen Richtungen hörte er Gelächter, mehrere Stimmen, die durcheinanderredeten, das Rauschen mehrerer Geräte, die jedoch wahrscheinlich nicht für Experimente benutzt wurden, sondern eher zur Freizeitgestaltung gehörten. Der Mann vor ihm blieb stehen. „Ab hier bin ich nicht mehr zu gebrauchen“ sagte er zu den beiden Wachen und verschwand dann wieder. Einer der Wachen stupste ihn mit der Spitze seines Gewehrs an den Rücken. „Los, rein da!“ fuhr er ihn an. Als er einen Schritt auf die Tür zuging, öffnete sie sich von alleine und er ging hinein.
 

Gab es irgendjemanden in diesem Labor, der seine Wünsche und Gedanken hören und erfüllen konnte? Meinte es da jemand gut mit ihm? Er wurde wieder von den Wachen angestupst- aufgefordert, weiterzugehen. Er ging weiter bis zu dem Tisch, an dem das Mädchen von vor 3 Tagen saß. Er hatte etwas Angst. Er hatte –wenn auch nur für kurze Zeit- dieses Wesen als Geisel genommen. „Setzen“ befiehl ihn einer der Wachen. Er sah ihn mit seinen seltsam großen gelben Augen an und knurrte. Er fletschte die kleinen – für seine Rasse jedoch großen- spitzen Zähne. „Hey!“ rief das Mädchen. Sie hörte sich ebenfalls etwas wütend an. „Macht euch keine Sorgen, meine Herren. Sie können draußen warten“ sagte sie. „Tut mir leid, Miss Sayles, aber wir haben strikte Anweisungen, was Besuche angehen.“ „Das verstehe ich, aber mein Vater weiß nicht, dass ich hier bin und das soll bitte auch so bleiben. Er ist der Leiter dieser Klapsmühle und ich bin seine Tochter, das heißt ihr müsst auch meine Befehle befolgen. Ich befehle euch: Geht raus und erzählt meinem Vater nichts davon!“ konterte sie.
 

Mit genervter Miene verließen die Wachen den Raum. Die beiden waren nun ganz allein. Er legte seine Hände auf den Tisch, die Geräusche der Schellen hallten durch die Stille. „Ich…ich möchte mich…bei dir…entschuldigen.“ Er wagte den ersten Schritt. Er kam sich vor wie ein Idiot. Was würde sie darauf jetzt antworten? Sich bei einer Geisel zu entschuldigen… „Irgendwie verstehe ich dich. Schließlich bist du seit 3 Jahren hier und bist noch nie in deinem Leben draußen gewesen.“ Verstehen? Sie trommelte mit ihren Fingern auf den Tisch und es entstand ein Folge von verschiedenen Tönen. Es hörte sich beweglich an. Dazu bewegte sie noch ihren Kopf. Sie folgte dem Takt der ‚Melodie‘. „Woher weißt du, dass ich-“ „sagen wir einfach: Mein Vater hat ein schlechtes Talent was Passwörter zur Entsperrung geheimer Labordaten auf Computer angeht. Deswegen hatte es mich auch nicht all zu sehr erschreckt, als du auf einmal aufgetaucht warst.“ Das war es also… jetzt konnte er nachvollziehen, warum sie nicht wirklich Angst gehabt hatte. „Wie ist dein Name eigentlich?“ fragte sie. „Was willst du mit meinem Namen?“ hakte er. Sie jedoch lachte kurz. „Irgendwie muss ich dich doch nennen. Mich nennen die Leute zum Beispiel alle Nur“ antwortete sie. Er dachte kurz nach- und ihm fiel nur ein Name ein, mit dem er genannt wird. „VO-06.“
 

„VO-06?“ Er sah auf seine großen Hände hinunter. „So nennen mich alle hier. Ich hatte noch nie einen anderen Namen gehabt. Und ich glaube, dass ein Name keine besondere Bedeutung trägt“ erklärte er. Er schreckte kurz auf, als Nur vor Wut ihre Hand auf den Metalltisch schlug. „Diese Wissenschaftler haben dir einfach so einen…einen Codenamen gegeben, als wärst du ein Produkt eines bizarren Experimentes?“. -„Es ist nicht so, dass es so wäre. Es ist so, weil es nunmal so ist“ antwortete er. „Nein!“ sagte sie wütend. „Es mag vielleicht sein, dass du unter etwas anderen Umständen auf die Welt gekommen bist. Das heißt aber noch lange nicht, dass du als eine Art Produkt oder Resultat eines Versuches betrachtet werden musst!“ Stille herrschte. Sie wusste, wovon sie sprach. Aber es ist nun einmal eine Tatsache, dass Lebewesen, die unnatürlich geboren werden, als eine Art Missgeburt gesehen werden. Wie eine Maschine behandelt zu werden- das ist ein Nebeneffekt, wenn man als perfekte Lebensform bezeichnet wird. Die Stille wurde auf einmal schon wieder von einem seltsamen Geräusch aus seinem Bauch unterbrochen. Ihm kam es so vor, als wäre eine Bombe in ihm explodiert. Er geriet ein bisschen in Panik, da er sowas noch nie erlebt hatte –außer als er hierhergebracht wurde.
 

Nur legte ihre Hand auf ihre Stirn und konnte sich ein Lachen nicht mehr verkneifen. „Was gibt es da zu lachen?“. „Weißt du etwa nicht, was es bedeutet, wenn dein Magen knurrt?“. Magen? Knurren? Er schaute runter auf seinen Bauch und stupste seinen Finger rein. Nichts. „Da drin ist noch ein Lebewesen und es knurrt?“ er sah sie an. Sie sah ihn an. Das hatte er bis jetzt niemals gewusst. Jetzt gibt es keinen Zweifel: Er ist eine Missgeburt. Nur jedoch schien die ganze Sache zu amüsieren. Sie lachte noch mehr. Ihm stieg das ganze Blut zu Kopf. „Hat man dir nie beigebracht, dass der Magen knurrt, wenn man Hunger hat?“ fragte sie. Er schüttelte den Kopf. „Mir wird nie etwas beigebracht. Das Einzige, was mir hier beigebracht wird, ist kämpfen, töten, jagen.“ Nur hörte auf zu lachen und hustete. „Oh…“ machte sie nur. „Dein Magen hat geknurrt, weil du Hunger hast.“ „Hunger? Was ist das?“ er schaute sie unwissend an. Es war ihm so peinlich, keine Ahnung von Dingen zu haben, die für andere selbstverständlicher als Allgemeinwissen ist. Sie kicherte ganz leise. „Wie süß! Du bist ja wie ein sprechendes Baby. Bei dir muss man bei 0 anfangen. Na gut: Ich erkläre es dir…“
 

Sie hat ihm erklärt, wie das mit dem Hunger und mit Essen und Trinken funktioniert. Man müsse was Essen und Trinken, sonst würde der Körper ganz schwach werden und irgendwann sterbe man aus Hungertod. Er hatte zum aller ersten Mal etwas gelernt, was nicht im Geringsten mit Kämpfen oder Töten zu tun hatte. Doch davon wurde sein Magen auch nicht leise. Langsam spürte er, wie er wegen seines Hungers ein bisschen schwächer wurde. „Dieses Knurren macht mich langsam ganz nervös…“ sagte sie und tastete langsam die Seitentaschen ihres Rollstuhles ab bis sie die Öffnung fand und griff rein. Dieser Anblick, etwas mit den Händen suchen zu müssen, was andere mit einem Blick sehen können- er fühlte sich an ihrer Stelle wie ein elender Hund. Aber er weiß nicht, ob sie dasselbe über sich denkt- oder ob sie auch mit ihm Mitleid hätte.
 

Aus der großen Tasche holte sie etwas kleines Knisterndes hervor. „Es ist zwar nicht viel, aber ich hoffe, es wird etwas nützen…“. Eine Art kleine Verpackung. Sie glänzte golden und hatte eine auffällige große rote Schrift drauf, die er nicht lesen konnte. Sie riss das Tütchen auf und holte etwas raus, was ungefähr die Größe eines Stiftes hatte. Doch es roch seltsam- ein Geruch, den er mit keinem anderen Geruch vergleichen konnte, was er je in seinem Leben gerochen hat. Sie reichte ihm das seltsame Ding rüber. „Hier“ sagte sie. Er nahm es zögernd und sah es eine kleine Weile lang an. „Zum essen. Das nennt man Schokolade. Naja, eigentlich Twix, aber allgemein ist es Schokolade…mit Karamel!“ sagte sie. Er brach ein kleines Stück davon ab, warf es in seinen Mund und kaute langsam und vorsichtig. Es schmolz schnell auf seiner Zunge und fand fast von alleine seinen Weg in seinen Magen. Er warf noch den Rest der Schokolade in seinen Mund und genoss die braune Süßigkeit. Langsam fing er an komisch zu kauen- das Karamel klebte an seinen spitzen Zähnen. Nur sah ihm zu und lächelte. „Sag mal, was geben sie dir eigentlich zu essen?“. Er sah hoch und blickte ihr direkt in die Augen. Dann senkte er sie wieder. „Keine Ahnung. Soviel ich mitbekommen habe, nennen es die Leute von draußen ‚Reis und gekochtes Gemüse‘ oder so.“ antwortete er.
 

Was machte er hier eigentlich? Weshalb ist das Mädchen, Nur, überhaupt hierhergekommen? Oder besser: Wieso wollte sie ihn sehen? Was hatte er hier zu suchen? Er fand auf nichts mehr eine Antwort. Er hatte hier nichts verloren. „Warum…bin ich hier? Was willst du von mir?“ fragte er sie. Sie lächelte und blickte blind in eine vollkommen andere Richtung. „Ich wollte dir eine Chance geben, sich bei mir zu entschuldigen“ und lachte. Wie hieß es noch gleich, was sie gerade versuchte ihm mitzuteilen? Sarkasmus? Ironie? Oder war es doch nur ein einfacher Scherz? Stimmt ja, er hat sich vorhin bei ihr entschuldigt. „Hast du mir verziehen? Ich meine, dass ich dich-…“ „Ach komm schon! Ich bin nicht hier, um mir von dir Entschuldigungen anzuhören. Das war Scherz! Ich wollte, dass du weißt, dass du nicht der einzige bist, der unfair behandelt oder falsch verstanden wird.“ Statt, dass sich einige lösten, entstanden in seinem Kopf noch mehr Fragen ohne Antworten. Er konnte ihre Handlungen und Gedanken nicht nachvollziehen. „Ich kann dir nicht ganz folgen…“ sagte er nur. „Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich mit jemandem reden wollte, der auf eine etwas andere Art und Weise dasselbe Schicksal teilt und denselben Schmerz durchmachen muss wie ich. Das hilft mir viel.“ Antwortete sie. „Auch, wenn derjenige dich als Geisel nimmt? Solch jemanden trifft man auch nicht alle Tage…“entgegnete er. „Das war mir egal. Ich teile die Menschen nicht einfach in ‚gute‘ und ‚böse‘ Menschen ein. Denn wir alle haben sowohl eine helle als auch eine dunkle Seite in uns. Ich wette, auch wenn du böse bist, hast du auch eine nette Seite. Wir sind also nicht so verschieden wie du denkst“.
 

Das Mädchen schien, da sie so weise Wörter aussprach, mehr in ihrem Leben durchgemacht zu haben als er selbst. „Du redest so, als hättest du mit dem Leben bereits Erfahrungen gemacht. So ist es doch, nicht wahr?“ Das Lächeln auf Nurs Gesicht verschwand langsam. Wahrscheinlich hat er ihren Schwachpunkt getroffen. „Ich bin seit meiner Geburt blind und gelähmt. Und da kann man schon einige Probleme bekommen. Während andere Leute ganz leicht und ohne Hindernisse herumlaufen können und so viele Dinge sehen können und für sie das Leben so einfach ist, müssen andere wie ich von anderen Leuten herumgebracht werden und man benötigt für alles Hilfe. Und dann gibt es noch welche, die sich über den Zustand der anderen lustig machen. Jedesmal, wenn sich jemand über mich lustig macht, wünsche ich mir nur, dass die es auch mal erleben sollen, wie es ist, auf andere angewiesen zu sein.“ erzählt sie ihm. „Aber es gibt Zeiten, da sollte man froh sein, nichts sehen zu können. Dadurch erspart man sich eine Menge Dinge, die man lieber hätte nicht sehen sollen.“ sagte er.
 

Sie unterhielten sich weiter bis die Wachen wieder reinkamen, gefolgt von einem älteren Mann. „Miss Sayles, es tut uns leid, wenn wir eure Unterhaltung stören, aber es wird Zeit für VO-06, zurück in seine Kapsel zu gehen. Wir haben morgen früh viel zu tun.“ VO-06… bei diesem Codenamen änderte sich ihr Gesichtsausdruck. Wut. Groll. Hass. „Warten Sie draußen, er wird gleich nachkommen.“ Die Wachen sahen den älteren Mann an. Er nickte und die drei verließen den Raum wieder. „Ich hasse die Menschen, die hier arbeiten…“ flüsterte sie vor sich hin. Dann wurde ihre Stimme wieder lauter. „Also…denk nicht, dass das mein letzter Besuch war. Ich werde vorbeischauen, sobald ich Zeit habe. Und in der Zwischenzeit werde ich mir einen Namen für dich ausdenken. Einen, der zu dir passt und dich auch beschreibt.“ Sagte sie und drückte auf einen Knopf an der Handlehne ihres Rollstuhles, welcher sich darauf von alleine nach hinten bewegte. Er sprang leichtfüßig auf den Boden und begleitete sie mit nach draußen, wo die Wachen auf ihn warteten. „Bis bald“ sagte sie, lächelte ein letztes Mal und ließ sich dann von einem der Wachen nach draußen fahren. Er schaute ihr hinterher. „Mach schon!“ motzte ihn der andere an. Er wendete seinen Blick von ihr ab und ging –hinter ihm die Wache und der Alte- zurück ins Labor, wo seine Kapsel bereits auf ihn wartete…



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