Eine Nacht des Unlebens von Trollfrau (Die Reisende) ================================================================================ Kapitel 8: *-...-*8*-...-* -------------------------- Der beste Sex seit einer Ewigkeit, musste ich mir selbst eingestehen. Wenn man bedachte, dass ich niemals mit einem Mann mehr als einmal dazu kam, weil sein Leben nach diesem recht bald bereits erlosch, doch Corvin? Sein Leben würde ich ganz gewiss nicht beenden. Viel zu viel lag mir jetzt bereits an diesem Mann. War das Liebe? Oder vielleicht einfach nur das Verlangen, ihn zu spüren? Ich war mir dem nicht mehr sicher. Ich hörte das Telefon klingeln, als ich einen Fuß aus der Dusche gesetzt hatte. Es klingelte dreimal, dann ging bereits der Anrufbeantworter ran. So einige Male wurde mir dadurch eine Flucht erleichtert, ohne, dass ich in Hektik aufbrechen musste, da erst nach Tagen die Opfer aufgesucht wurden und sie hin und wieder wohl ein recht grausiges Bild vorfanden. Eine gute Erfindung also, wie ich gestehen musste, doch auch jetzt verstand ich diese Technik noch nicht so recht. Was wohl daran lag, dass sich noch niemand die Mühe gemacht hatte, mir diese näher zu erklären. Ich trat vollends aus der Dusche und zu meiner Erleichterung hatte sich hier ein derartiger Nebel gebildet, dass sämtliche glatten Flächen beschlagen waren. Darunter natürlich auch der Spiegel. Corvin folgte mir auf den Läufer und reichte mir ein Badetuch. Sein verliebter Blick ließ ihn auf mich wie ein Schuljunge wirken. Während ich mir das Haar trocknete, läutete das Telefon erneut. Corvin stieß ein gereiztes Knurren aus, ging aber auch nicht weiter darauf ein, da auch er sich noch pitschnass auf den Fließen neben mir befand. Während er sich endlich selbst mit einem Badetuch versorgt hatte, war ich endlich soweit, den Rest an mir noch anständig abzutrocknen. Mit dem Badetuch um meinem Körper trat ich schließlich an ihm vorbei, wieder aus dem Badezimmer und wollte zurück ins Schlafzimmer. Corvin wand mir mit einem Ruck den Kopf zu und sah mich dabei mit einem mehr als seltsamen Blick an. Sein offener Mund verwirrte mich, also blieb ich im Flur bereits stehen. „Geht es dir nicht gut?“, fragte ich unruhig und beobachtete ihn genau. Er wollte gerade etwas erwidern, als das Telefon abermals klingelte. „Was wollen die nur um diese Zeit von mir?“, fluchte er und eilte mit schnellen Schritten auf das Telefon zu. „Wer ist da?“ Von Freundlichkeit war nicht mehr zu hören. „Mein Name ist Doris“, sagte eine Frauenstimme. Ich spitzte die Ohren. Corvin behielt mich zwar im Auge, sah jedoch jetzt eher nachdenklich aus. „Wer? Ich denke nicht, dass ich Sie kenne.“ „Ich bin eine Freundin von Romina. Wir sind uns heute Abend begegnet.“ Eine Freundin von Romina? Jetzt wurde es interessant. Hatten sie diese vielleicht bereits gefunden? „Und da rufen Sie mich an? Was wollen Sie?“ Er wurde barsch. „Es hat einen Mord gegeben. Romina ist tot...“ Ich hatte recht. Sein Gesicht schlief ihm augenblicklich ein. Nachdem ich Corvin eine ganze Weile beobachtet hatte, entschloss ich mich, lieber wieder ins Schlafzimmer zurückzukehren. Keineswegs wollte ich ihn jetzt belauschen. Vielleicht würde mich das auch nur unnötig verdächtig machen. „Was? Aber wieso...?“, brachte er nur noch stammelnd hervor und folgte mir jetzt jedoch ins Schlafzimmer. „Wiederbelebungsversuchte waren erfolglos gewesen“, sagte sie mit weinerlicher Stimme. Abermals konnte ich ihre Worte verstehen. „Ich fand sie auf dem Boden in ihrem Schlafzimmer. Sie hatte kaum noch Blut im Leib.“ „Kaum noch Blut? Wie kann das sein?“ „Ich weiß auch nicht...“ Doris wurde nervös. „Ihre Nase war gebrochen und sie hatte da diese... seltsamen Wunden am Hals...“ Corvins Blick fiel mit einem Mal in meine Richtung. Um unauffällig zu wirken, öffnete ich einer der nur angelehnten Türen seines Kleiderschrankes und wie ich bereits vermutete, hingen dort jede Menge Anzüge. Das letzte Jackett jedoch hatte sogar Abzeichen an den Schultern. Ich zog es vorsichtig heraus und erkannte darin die Ausgehuniform der hiesigen, freiwilligen Feuerwehr. War er dort also auch tätig? Dieser Mann überraschte mich, doch im Augenblick konnte ich mich nicht auf sonderlich viel konzentrieren. Ich fühlte mich hier im Augenblick mehr als unwohl. „In Ordnung. Was soll ich tun?“, sprach er weiter. Ich hatte längst aufgehört, diesem Gespräch zu lauschen. Ganz sicher würde er jetzt mich fragen, ob ich irgend etwas seltsames gemerkt hatte. Vielleicht würde er auch auf Sebestyén zurückkommen. Corvin legte auf und näherte sich mir langsam. Ich trat sofort von seinem Schrank zurück. „Stimmt zufällig mit dir irgend etwas nicht?“ Seine mehr als direkte Frage verwirrte mich. „Wer war denn am Telefon?“, fragte ich stattdessen, um ihm Unwissenheit vorzugaukeln. „Eine Freundin von Romina. Sie sagte mir gerade, das sie sie tot im Schlafzimmer aufgefunden haben.“ „Was?“ Ich weitete überrascht die Augen. „Was ist denn passiert?“ „Vielleicht kannst du mir das ja sagen.“ Corvin blieb abrupt stehen und fixierte mich abermals genau. Oje, dachte ich mir. Ich hätte nicht hier bei ihm bleiben sollen. Ich hätte schleunigst wieder verschwinden müssen. Sein argwöhnischer Blick traf mich noch immer. „Ich muss dich enttäuschen. Ich kann dir leider nicht helfen.“ Verbittert senkte ich den Blick. „Wie gut kennst du diesen Sebestyén?“ „Ich...“ Verdammt! Er machte mich verlegen. „Noch nicht lange genug, schätze ich.“ Ich trat einige Schritte von ihm zurück. Die Art, wie er mich jetzt ansah, gefiel mir überhaupt nicht. Er hatte mich im Verdacht – jetzt bereits – und das sagte mir nicht im geringsten zu. „Hat dieser Sebestyén möglicherweise seltsame Vorlieben? Steht er vielleicht auf Vampirfilme? Hast du ihn ins Haus gelassen? So rede endlich!“ Er trat auf mich zu und packte mich fest an den Schultern. „Meine Exfrau wurde ermordet. Wenn du irgend etwas weist, sag es mir!“ Ich versuchte mich zu befreien, doch sein hasserfüllter Blick machte es mir schwer, mich darauf zu konzentrieren, da ich ihn nicht verletzen wollte. „Ich habe ihn nicht ins Haus gelassen! Glaubst du wirklich, ich bin es gewesen?“ Diese Frage machte die Situation nicht besser – im Gegenteil. Corvin gab meine Schultern frei und näherte sich seinem Nachtisch. Was er daraus hervorzog, konnte ich nicht sehen, da er genau davor gestanden hatte. Mit den Armen hinter dem Rücken trat er schließlich wieder einen Schritt auf mich zu. „Gibt es so etwas wie Vampire vielleicht sogar...“ Ich drehte den Kopf schief und versuchte ihn einzuschätzen. War mein Spiel jetzt schon vorbei? „Du fühlst dich unheimlich kalt an“, begann er. „Ich sagte dir doch bereits, dass ich an niedrigen Blutdruck leide.“ „Und ich habe dich, seit ich dich kenne, nicht einmal etwas essen sehen...“ „Dieser Kaffee hatte mir eben den Magen verdorben...“ Meine Ausreden wurden immer kläglicher. Ich hätte mich am liebste in Luft aufgelöst. Oder auf ihn losgehen? Ihn doch aus dem Weg räumen, jetzt wo er anfing mehr als unbequeme Fragen zu stellen. „Und vorhin im Badezimmer hätte ich meinen können, dass ich dein Spiegelbild nicht gesehen habe.“ „Unsinn! Der Spiegel war doch vollständig beschlagen...“ „Nein, war er nicht. Ich hatte ihn ein Stück freigewischt, um mir mein Kinn genauer betrachten zu können...“ Dann warf er mir etwas zu und da ich keine Ahnung hatte, was es war, fing ich es reflexartig auf. Doch das Gefangene ließ ich augenblicklich wieder fallen, als ein brennender Schmerz in meine Hand fuhr. Er hatte mir tatsächlich ein Kette entgegengeworfen, an welcher ein silbernes Kreuz prangte. Vor Schmerz fauchend, warf ich Corvin einen bitterbösen Blick zu, der niemals beabsichtigt gewesen war. Corvin zog erschrocken die Luft tief ein. „Ich hatte recht. Oh mein Gott! Du Monster!“ Mit einem geschickten Sprung stand er auf dem Bett. Bereit, sich jeden Moment auf mich zu stürzen, auch wenn er nur ein Badetuch umhatte. „Beruhige dich doch.“ Ich hatte keine Ausrede mehr. „Hast du sie getötet?!“ Sein Kopf war feuerrot. Langsam trat ich einen Schritt auf ihn zu. „Bleib gefälligst stehen und gib mir eine Antwort! Hast du Romina umgebracht?“ Mit einer schnellen Bewegung hatte er die Nachttischlampe in der Hand. Er riss das Kabel aus der Steckdose und schlug sofort mit der Lampe nach mir. Ich wich zwar zurück, doch er traf mich dennoch. Der Glasschirm der kleinen Leuchte brach sofort in tausend Stücke. Corvin schnitt mir dabei die Hand auf und brach mir einen Fingernagel ab. Nicht das ich darüber traurig gewesen wäre und die Wunde in der Hand schloss sich auch sofort wieder, ohne einen Tropfen Blut vergossen zu haben. Ich hatte nur nicht damit gerechnet. „Corvin, bitte.“ „Oh nein. Komm mir nicht zu nahe! Verschwinde! Mach, dass du wegkommst!“ Ich hatte keine Ahnung, was er über uns wusste. Vielleicht waren es auch nur die Erinnerungen, an all die schlechten Gruselfilme. Die Sache mit dem Kreuz war zu meinem Leidwesen jedoch war. Doch auch wenn das Brennen nur ganz kurz anhielt, war es dennoch unangenehm genug, um mich von diesen Dingern fern zu halten. „Wie konnte ich nur so dumm sein... was hatte ich mir dabei nur gedacht...“ Er sprach mit sich selbst, merkte jedoch dennoch sofort, als ich mich wieder genähert hatte. Sein hasserfüllter Blick, mit dem er mich jetzt strafte, schmerzte mir tief im Inneren. Es tat mehr weh, als das silberne Kreuz “Wie konnte ich dich nur mit Heim nehmen?“ „Soweit ich mich erinnern kann, hatte ich versucht, dich abzuwimmeln...“ Ich verschränkte abschätzend die Arme. „Da wusste ich doch auch noch nicht, dass du ein Monster bist...“ „Monster...“ Dieses Wort? Es machte mich traurig, weil es aus seinem Mund kam. Wie oft wurde ich so bezeichnet. „Hätte ich es dir vielleicht sofort nahe legen sollen? Du hättest mich doch für verrückt gehalten.“ „Es gibt keine Vampire! Das muss ein schlechter Traum sein...“ Er zwickte sich mit der freien Hand in den Arm, doch wie es schien, hatte er diesen Schmerz sehr wohl wahrgenommen. Ich musste ein Schmunzeln unterdrücken. „Und wenn es doch wahr ist?“ „Warum hast du Romina getötet?!“ „Ich ... Ich wollte sie nicht töten. Glaub mir. Es war ein Unfall.“ Ein Unfall und nichts anderes! „ICH GLAUBE DIR KEIN EINZIGES WORT MEHR!“ Wieder holte er mit der Lampe aus. „Ich wollte sie lediglich erschrecken und zurechweißen, weil sie kein gutes Haar an dir gelassen hat. Sie hat sich einen Spaß daraus gemacht, dich zu quälen. Sie hat dich für eine Flasche...“ „Hielt! Du hast sie ermordet!“ „Corvin!“ seine Raserei begann mich zu stören. „Ich konnte es eben nicht hinnehmen, dass sie derartig über dich sprach. Ich hatte die Kontrolle verloren. Sie hatte mich so aufgeregt. Aber ich wollte sie keineswegs ermorden. Ich habe sie nicht leergetrunken. Sie ist erstickt...“ Worte, nichts als Worte. Nichts konnte ich damit wieder besser machen. Gar nichts! Betroffen senkte ich den Blick. Corvin schwieg. Er dachte nach. Ganz bestimmt konnte er nichts von meinem eben Gestandenen auch nur ansatzweiße begreifen. „Und jetzt? Bin ich dein nächstes Opfer? Bist du jetzt hier, um mich auch noch zu töten?“ Meine Augen weiteten sich. „Unsinn, Corvin. Denk nach! Ich wollte doch gar nicht wieder mit hier her kommen. Du warst es, der mich dazu überredet hat!“ Diese Tatsache musste unbedingt noch klargestellt werden. Ein Windhauch, der einen schwarzen Schatten mit sich brachte, weckte unser beider Interesse und unsere Blicke fielen zur Terrassentür. „Ach, da ist ja auch dein feiner Freund!“, brachte er gehässig hervor und strafte mich sofort wieder mit seinem verhassten Blick. Sebestyén lehnte mit verschränkten Armen an der Glastür. Er war mir einen gefühllosen Blick zu und schüttelte den Kopf. „Was hatte ich dir gesagt, Fran? Das hier konnte nur nach hinten losgehen. Es war eine Frage der Zeit...“ Sein Blick hing kurz an Corvin und anschließend wieder an mir. „Es war nicht meine Idee hier her zu kommen, Sebestyén!” Was kümmerte er sich nur schon wieder um Angelegenheiten, die ihm nichts angingen. Mein Blick fiel wieder auf Corvin. Seine ruhelos im Zimmer herum wandernden Augen, ließen ihn auf mich sofort wieder wie ein Beutetier wirken. Doch ich wollte ihn nicht als Beute betrachten! Mein Interesse an ihm, war ein ganz anderes gewesen. Genaugenommen war es das auch jetzt noch. Doch die Liebe in seinem Blick, wenn er mich angeschaut hatte, war gänzlich verschwunden. Zitternd vor Angst stand er vor mir. Er blickte auf mich herab und klammerte sich nach wie vor an der verbogenen Nachttischlampe fest. „Ich wünschte, du würdest mir meine Tat irgendwann vergeben“, flüsterte ich und blickte dabei auf seine zitternden Hände. Es fiel mir plötzlich so schwer, ihn direkt anzusehen. Was sollte ich nur tun? Genaugenommen wollte ich nicht von ihm weg. Er hatte mich nicht als Monster betrachtet. Gut – zu diesem Zeitpunkt hatte er ja auch noch keine Ahnung, worauf er sich da eigentlich eingelassen hatte – aber jetzt war ich wohl sein schlimmster Albtraum. „Wir sollten wirklich verschwinden, Fran!“, versuchte Sebestyén erneut, mich zur Vernunft zu bringen, dass ich mich endlich von ihm losriss. Das Corvin mir jetzt jedoch gar nichts mehr erwiderte, machte mir das völlig unmöglich. Doch was hätte er auch erwidern sollen? Ich wagte mich einen Schritt auf ihn zu. Corvin wich nicht zurück. War er vor Angst gelähmt? Ich tat einen weiteren Schritt. Seine Augen hingen jetzt wieder an meinen. Mein Gehirn arbeitete fieberhaft, doch es gab einfach keine Worte der Entschuldigung. Ein genervtes Schnaufen von Balkon, ließ meinen Kopf ruckartig herumfahren. Im Augenblick ging mir dieser Vampir einfach nur auf die Nerven. Viel lieber wäre ich jetzt mit Corvin allein. Ich trat einen weiteren Schritt vor und lief gegen die Lampe, die er mir jetzt wieder entgegen hielt. „Komm nicht näher...“ Seine Stimme war so dünn wie ein Seidenfaden. Warum nur fühlte ich mich so elend? Er war doch nur ein Mensch? Dieser Gedanke war nicht richtig. Warum zum Teufel musste ich eine Mörderin sein? Ich bereute meine Tat so sehr, doch sie war nicht wieder rückgängig zu machen. Corvin trat schließlich von seinem Bett herunter. Sein Blick fiel wieder auf Sebestyén. Dieser stand noch immer auf dem Balkon und beobachtete mein Tun mit enormem Argwohn. Ihn hatte niemand hereingebeten. „Fran!“ Die energische Stimme von draußen begann mich zunehmend wütender zu machen, doch ich wand erschrocken dein Blick Corvin wieder zu, als ich ein Scheppern vernahm und feststellen musste, dass er die Lampe auf den Boden geworfen hatte. Sein Blick war ausdruckslos, als er fest nach mir griff und mich an sich zog. „Töte mich endlich! Dann hast du es hinter dir! Das war doch ohnehin dein Plan!“ „Was?“ ich versuchte freizukommen, doch er gab mir keine Chance, da ich mich mit meinen Bemühungen zurückhielt. Wie leicht brachen menschliche Knochen... „Ich will dich nicht töten. Begreif das doch endlich!“ Ich wand mich in seinem Griff um. „Dann vielleicht als Blutreserve? Ich habe nichts mehr zu verlieren.“ Corvin hob den Blick. „Dann komm du doch auch gleich mit her. Um so schneller hat mein Leiden ein Ende!“ „Was soll das heißen, du hast nichts mehr zu verlieren? Du hast eine Tochter...“ Erst dann wurde mir bewusst, welche Worte er anschließend noch gesagt hatte, doch da ging die Terrassentür bereits auf. Schnell und ruckartig befreite ich mich nun doch aus seinem Griff und stellte mich schützend vor Corvin. „Du wirst ihn nicht anrühren, Sebestyén! Hast du verstanden?!” Wie konnte er nur so leichtsinnig sein, sich auch noch diesen hier in die Wohnung zu holen. Gelangweilt hin der Blick des dunkelhaarigen Vampirs an mir, während er seine Hände in den Manteltaschen verschwinden ließ. „Ich habe es gar nicht auf diesen Mensch abgesehen. Ich bin wegen dir hier. Was aus ihm hier wird, ist mir völlig gleich.“ Corvins Blick war wohl nicht minder überrascht, wie der Meine. „Pack deine sieben Sachen. Wir verschwinden. Es wird nicht mehr lange dauern und die Bullen werden hier auftauchen und spätestens dann bist du erledigt.“ Corvin stand da und rührte sich nicht. Er verstand nicht, was hier vor sich ging. Es fiel mir selbst so schwer, es zu begreifen. Unruhig blickte ich mich um. Meine Hose lag noch im Badezimmer. Das würde bedeuten, dass ich ihn hier jetzt schutzlos zurücklassen sollte. Auch wenn mir Sebestyén klargemacht hatte, dass er ihm nichts antun wollte, konnte ich mich nicht darauf verlassen. „Du wirst ihm nicht...“ „Nein natürlich nicht!“ Sebestyén wand sich gelangweilt ab. Wie es schien, war er wohl selbst auf einem Streifzug gewesen. Ich beeilte mich, dass ich wieder zurückkam, bevor er ihm doch... Ich wollte nicht daran denken. Dieser Mann hatte in mir Gefühlte geweckt, die ich wohl so lange schon vermisst hatte, ohne dass ich mir dem je bewusst geworden war. Vor dem Spiegel blieb ich jedoch noch einmal stehen. Dieser hatte also meinem Schauspiel –was wohl so schlecht war, wie kein zweites – ein jähes Ende gemacht. Dennoch ließ ich mich dazu hinreißen und malte mit dem Finger ein Herz in die kleine, noch angelaufene Stelle. Wie von Geisterhand tauchte es vor meinen Augen auf. Ich spurtete zurück in den Flur, griff im Lauf noch nach meinen Stiefeln und dem Mantel und als ich wieder ins sein Schlafzimmer eintrat, schien es, als hatten sich die beiden Männer nicht von der Stelle bewegt. Als mich Sebestyén eintreten sah, verließ er den Raum sofort wieder über die Terrassentür. Corvins Augen hingen genau an mir, als ich das Badetuch ablegte und mir die Hose wieder überzog. Die Abscheu in seinen Augen war wieder verschwunden. Stattdessen war es etwas anderes. Überraschung? Angst? Abscheu war es jedenfalls nicht. Ich lief an ihm vorbei, um mich nach meinem am Boden liegenden Pulli zu bücken, da fasste mich eine warme Hand. Überrascht blickte ich ihm in die Augen. Romina hatte ihn für eine Flasche gehalten? Und nun stand er hier – nackt und Schutzlos – und hatte auch noch einen weiteren Vampir in seine Wohnung hereingelassen? Sie hatte wirklich keine Ahnung. Eine Flasche war er ganz sicher nicht, dennoch mehr als Lebensmüde. Als ich mich von seinem Griff befreien wollte, griff er mit einem male bestimmend nach meinen Gesicht. „Schade, dass es so enden musste.“ Er hatte seine Stimme wiedergefunden und dann küsste er mich. Ich konnte nicht begreifen, was jetzt in ihn gefahren war. Corvin zitterte. Seine Lippen bebten, doch er ließ nicht von mir ab. Wie gerne würde ich bleiben... Ganz deutlich spürte ich, wie Tränen in mir aufstiegen. Doch auf keinen Fall, durfte ich diesen freien Lauf lassen. Ich selbst konnte es nicht ertragen, wenn ich weinte. Diese Tränen versauten mir steht’s die Kleidung. Seit ich kein Mensch mehr bin, habe ich nur noch diese blutigen Tränen. Kein schöner Anblick. Erst recht nicht für einen Menschen. Ich musste mich also zusammenreißen. Nie hatte ich es versucht, vielleicht doch mit einem Menschen klar kommen zu können und jetzt, wo ich mich doch dazu hinreißen ließ, endete es in einem Desaster. Sebestyén hatte recht. Von Anfang an hatte er recht gehabt. „Fran!“ Sebestyéns energische Stimme erklang erneut. „Die Polizei! Ich kann ihre Sirene bereits hören.“ Corvin ließ mich unverzüglich los. Seine Augen waren feucht, doch er sagte kein weiteres Wort. Wie konnte er nur so plötzlich wieder seine Meinung ändern? Aber bei den Menschen wusste man selten, woran man war. Schleunigst lief ich ebenfalls auf die Terrasse und schlüpfte währenddessen noch in den Mantel. Die Stiefel klemmte ich nur unter den Arm. Die Tür hier hinaus befand sich auf der Rückseite des Hauses. So war es leichter für uns, ungesehen zu verschwinden. Von hier oben herunter zu springen, war ganz sicher kein Problem. Oh verdammt! Ich wollte nicht gehen! Sebestyén packte mich von hinten an der Hüfte und drückte mich fest an sich. Dann sprang er rückwärts auf das Geländer. Das war für mich die letzte Gelegenheit, einen Blick auf den Mann zu werfen, der meine Gefühle wieder geweckt zu haben schien. Ich würde ihn nie wieder sehen... Dann sprang Sebestyén rückwärts ab. Als wir auf dem gepflasterten Hof gelandet waren, zog ich endlich meine Stiefel an. Ich warf noch einen letzten Blick nach oben, doch Corvin war uns nicht auf die Terrasse gefolgt. Seufzend wand ich mich schließlich ab und versuchte mit Sebestyén Schritt zu halten, wie er in Windeseile über Hecken und Zäune sprang. Auch ich konnte jetzt das Horn eines Fahrzeuges hören. Unsere Flucht war wohl wirklich nur um Haaresbreite gewesen. Und jetzt? Jetzt war ich wieder auf der Flucht. Wieder eine Reisende, ohne Ziel. Als Sebestyén mich schließlich auf ein Schuppendach zog, verharrte er kurz und hielt mich vorsichtig in den Armen. Von hier aus konnten wir den Mond sehen. Auch wenn er längst nicht mehr voll war, war er dennoch ein Anblick, der mich beruhigte. Dann schaute Sebestyén auf mich herab. „Es gibt da jemanden, den du unbedingt kennen lernen solltest...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)