Adventszauber von Autorentraining ([Adventskalender 2009]) ================================================================================ Kapitel 1: 1. Türchen - Jeanne, die Kamikaze-Diebin --------------------------------------------------- 1. Türchen von Gedankenverloren blickte Marron in die hell leuchtende Flamme der Kerze, die auf ihrem Küchentisch stand. Erster Advent, doch von der allgemeinen Weihnachtsstimmung, die vorherrschte, konnte man in ihrem Apartment nichts erkennen, allenfalls die vier roten Kerzen, die in Reih und Glied auf der hölzernen Tischplatte standen. Seufzend legte die Brünette ihren Kopf auf die Arme und schloss die Augen. Sie mochte die Weihnachtszeit nicht. Fynn war zusammen mit Access in den Himmel zurückgekehrt, Chiaki hatte eines seiner Pflichtessen bei seinem Vater und Miyako feierte mit ihrer Familie, nur sie blieb, mal wieder, alleine zurück. Sie fragte sich, warum sie überhaupt die Kerzen aufgestellt hatte, denn dieses Jahr hatte sie sich dazu entschieden, auf Weihnachten zu verzichten. Allerdings, das hatte sie schon feststellen müssen, war es schwerer als gedacht, vor allem bei dem Trubel, den die Menschen veranstalteten. Zugegebenermaßen liebte sie die Weihnachtsbeleuchtung und betrachtete sie gerne von ihrem Fenster aus, und auch die Kekse waren toll, so toll, dass sie welche gebacken hatte, nur um sich an ihr Vorhaben zu erinnern und dann alle wieder zu verschenken. Der Gedanke an die Kekse erinnerte Marron daran, wie gut diese gerochen hatten, und brachte ihren Magen zum Knurren. Mühsam und schlecht gelaunt hob sie ihren Kopf, betrachtete kurz die flackernde Kerze und pustete diese dann aus. Ein Blick in den Kühlschrank frustrierte die Brünette noch mehr, denn er war, bis auf ein angefangenes Glas Gürkchen und einen verschimmelten Butterrest, leer. Mit einem leisen Wutschrei öffnete sie sämtliche Küchenschränke und durchsuchte sie so lange, bis sie etwas noch halbwegs Essbares fand: Cornflakes. Ohne Milch war das nicht gerade das, was sie unter einem Festmahl an einem Adventssonntag verstand, aber eigentlich war es ja doch nur ein vollkommen normaler Sonntag für sie, kein Feiertag, keine besondere Bedeutung, und da konnte man auch mit trockenen, alten Cornflakes leben, Hauptsache etwas zu Essen. Mühsam, wirklich mühsam schlang sie ein paar Löffel runter, bevor sie sich entschied, dass ein knurrender Magen eigentlich doch das kleinere Übel war, und die Schüssel schnell zur Seite schob. Natürlich hätte sie schnell in den 24-Stunden-Supermarkt laufen können, um einzukaufen, aber dann wäre sie wieder mit den ganzen weihnachtlichen Dingen konfrontiert worden und danach war Marron gerade wirklich nicht. Sie wollte jetzt weder die Wohnung verlassen noch Fernsehen oder gar Radio hören, eigentlich wollte sie nur drinnen sitzen und… ja, gut, sie wollte sich selbst bemitleiden, das gab sie ja zu, aber es war nun mal die beste Beschäftigung, die ihr in dieser Jahreszeit blieb. Auf der Couch rumfläzen, in Erinnerungen schwelgen und sich selbst zu bemitleiden, ein toller Plan für die Weihnachtszeit. Das Einzige, was sie noch erledigen musste, waren die Weihnachtsgeschenke, die sie für ihre Freunde noch besorgen musste, denn auch wenn sie sich dagegen entschieden hatte, das Fest zu feiern, die anderen taten es ja dennoch. Vielleicht wäre jetzt die richtige Gelegenheit darüber nachzudenken, was sie ihnen schenken wollte, auch um sich von ihrem knurrenden Magen abzulenken. Die Brünette nickte entschlossen und setzte sich dann einen Topf mit Wasser auf. Ein Tee war immer das Richtige zum Nachdenken. Doch bevor sie richtig damit anfangen konnte, hörte sie die Türklingel und ein lautes „Marron!“ ertönte. „Miyako?“, fragte sie sich selbst leicht verwirrt und öffnete dann die Tür einen Spalt. „Miyako, was ist denn?“ Die resolute junge Frau drückte die Tür vollends auf und schlängelte sich dann an ihrer Freundin vorbei, in der Hand einen riesigen Picknickkorb. „Was ist los? Willst du picknicken gehen?“ „So etwas in der Art.“ Kopfschüttelnd sah Miyako sich um und betrachtete das schmucklose Apartment. Dann schob sie ihre Freundin in ihr Badezimmer und wies sie an, dort zu warten. Marron jedoch ließ sich nicht so einfach abschütteln und folgte ihr zurück in den Wohnbereich. „Was hast du denn vor?“ „Lass dich einfach überraschen.“ „Überrasch mich doch in deinem Zimmer, das hier ist meine Wohnung.“ „Marron, setz dich ins Bad und warte dort, okay?“ „Nein. Ich will jetzt wissen, was das soll. Du dringst hier ein, schickst mich ins Bad, dann dieser Korb…“ „Ich…“ Miyakos Antwort wurde durch die Türklingel, die erneut ertönte unterbrochen. Mit einem erfreuten „Na endlich!“ stürmte sie an der überrumpelten Brünetten vorbei und öffnete die Tür. „Da bist du ja.“ „Bin ich zu spät?“ Der blauhaarige junge Mann, der in diesem Moment das Zimmer betrat, sah verlegen aus und versteckte einen weiteren Korb hinter seinem Rücken. „Chiaki?“ Nun war Marron vollkommen verwirrt. „Kann mir das jetzt bitte mal einer erklären?“ Mit in die Hüfte gestemmten Armen sah sie ihren Freund und ihre beste Freundin energisch an. „Ich höre?“ „Also…“ Verlegen trat Chiaki einen Schritt vor und hauchte der Brünetten einen sanften Kuss auf die Lippen. „Wir dachten, dass wir dir eine Freude machen. Sozusagen ein Adventsgeschenk…“, murmelte er dann leise. „Was er sagen will, ist, dass wir dir Weihnachten bringen wollten.“ Miyako hielt ihr den geöffneten Korb mit jeder Menge weihnachtlicher Dekoration, Essen und Kekse hin. „Ihr wisst doch, dass ich dieses Jahr nicht feiern werde.“ Sie sah die beiden aus ihren großen haselnussbraunen Augen streng an. „Setz dich einfach hin und sieh zu.“ Chiaki ergriff ihre Hand und führte sie zu ihrer Couch, auf der er sie dann platzierte. Marron wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte, das war doch alles verrückt. Letztes Jahr hatte sie so viel dekoriert, sich so viel Mühe gegeben und war doch allein gewesen, dieses Jahr wollte sie nicht feiern und was machten diese beiden Chaoten da? Sie dekorierten ihre Wohnung. Eigentlich wollte sie sich weiter wehren, zumindest sagte ihr Verstand das, doch ihr Herz und auch ihr Körper verweigerten das und so blieb sie einfach nur stumm sitzen und beobachtete die beiden, wie sie streitend Stück für Stück Weihnachten in das Apartment brachten. Es verwunderte sie auch nicht mehr, als die Türklingel erneut läutete und Miyakos Eltern mit einem kleinen Tannenbaum hereinkamen. „Fertig!“, rief ihre beste Freundin dann lautstark und betrachtete ihr Werk mit glänzenden Augen. „Sieht doch gut aus, oder?“ Marron sah sich um, doch viel konnte sie nicht sehen, denn es verschwamm alles vor ihren Augen. Trotzdem nahm sie die vielen funkelnden Lichter, die roten Kugeln und das rote Lametta immer noch wahr und es freute sie. Sie konnte es nicht anders beschreiben, denn es war einfach nur Freude, die sie in diesem Moment empfand. Dankbar sah sie die Menschen an, die im Laufe der Zeit zu ihrer Familie geworden waren. Weihnachten war wirklich nicht so schlecht… „Aber wisst ihr was, jetzt habe ich richtig Hunger.“ Wieder war es Miyako, die das Wort ergriff und die Stille durchbrach. „Oh, da habe ich genau das Richtige.“ Ihre Mutter packte den Rest aus dem Korb aus und deckte den Tisch in Windeseile. „Ein richtiges Adventsessen.“ „Da bekommt man ja richtig Hunger.“ Chiaki hatte sich neben seine Freundin gesetzt und lehnte nun an ihr, um ihr leise ein paar Worte ins Ohr flüstern zu können: „Lass uns jedes Jahr so feiern.“ Nun liefen Marron die Tränen endgültig die Wangen runter und sie nickte mit einem erstickten „Danke“ auf den Lippen heftig. „Hör auf zu heulen, komm schon, das Essen wird ja noch kalt!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)