Die dunkle Seite des Mondes von Levia (Wenn kein Licht die Seele berührt) ================================================================================ Kapitel 2: Warme Milch mit Honig -------------------------------- So fuhr ich auf meinem neuem Motorrad in Richtung der kleinen Stadt. Ich vermied den Highway und suchte mir lieber Wege über kleine Wege, welche mal ein Stück an der Küste entlang führten oder sich gemütlich durch dämmrige und geheimnisvolle Wälder schlängelten. Es tat gut die leicht feuchte Luft einzuatmen und die Natur erleben zu können. Da ich nicht allzu schnell fuhr hatte ich mein Visier hochgeklappt und genoss den frischen Wind, welcher durch die Öffnung in meinen Helm glitt und mir Kühlung verschaffte. Ich fuhr etwas langsamer als es nötig gewesen wäre, zum einen um das unumgängliche, meine Ankunft in Forks, herauszuzögern und zum anderen um meinen Gedanken einmal freien Lauf lassen zu können. Ich spürte das leise Vibrieren, welches vom Motor dieser starken Maschine ausging, ich hatte zwar schon oft Motorräder gefahren, seit ich meinen Führerschein für Auto und große Zweiräder gemacht hatte, allerdings habe ich selbst nie ein solches Gefährt besessen, geschweigedenn jemals ein solch schweres Motorrad gefahren. Es fühlte sich zwar gut an, aber langsam zweifelte ich an meinem Kauf. In Deutschland war es schließlich erst ab 25 erlaubt diese Maschine zu fahren, was sich hier, im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, etwas anders gestaltete. Zugegebenermaßen war dieses Ding mit seinen knapp 200 kg etwas schwerer als ich mit meinen guten auf 1.58m verteilten 55kg. Allerdings merkte ich während der Fahrt nichts von diesem Gewicht, da sich das Handling erstaunlich einfach gestaltete. Ich sah auf die feuchte Fahrbahn, es hatte anscheinend vor nicht allzu langer Zeit geregnet, dies war schließlich auch eines der Hauptmerkmale dieser Halbinsel: Das sehr feuchte Klima. Von der feuchten Luft sammelte sich etwas an meinem Visier, ein kleiner Tropfen fiel herab in den Helm hinein, kühl konnte ich die Flüssigkeit auf meinem Gesicht fühlen. Ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder der Straße zu, sanft schlängelte sie sich um eine Kurve, ich folgte dem weichem Verlauf, bis ich schließlich an einem Schild vorbeikam. In freundlicher Schrift stand darauf »Welcome to Forks - Home of the Spartians«, ich musste unweigerlich lächeln. Es gab diese klägliche kleine Footballmannschaft, welche zu der kleinen Highschool gehörte also noch immer. Zwar hatte ich das Ortsschild passiert, aber dennoch wartete noch eine ziemliche Strecke Fahrt auf mich. Ich wollte mich ohne Umschweife direkt auf den Weg zum Krankenhaus machen, wo der nächste sehr unangenehme Schritt auf mich wartete: Die Identifizierung der Leiche und das kontaktieren eines Bestattungsinstituts. Wobei ich sagen muss, dass die Auswahl solcher Institute in einer Stadt wie Forks nicht allzu groß ausfällt. Was vielleicht auch mein Glück war. Vor allem aber war es mein Vorteil, dass ich mich nicht weiter um einen Platz auf einem Friedhof kümmern musste, da die Urnen der Toten seit Generationen in einer Gruft im Garten des Anwesens bestattet wurden. Die Urne musste ich allerdings erst einmal nach Queets bringen, was ja noch einige Meilen in südlicher Richtung lag. Ich drosselte etwas meine ohnehin nicht sehr schnelle Geschwindigkeit, als ich bemerkte, dass es leicht zu regnen begann. Zum Glück hatte sich der Himmel dies allerdings solange aufgespart, bis ich schon im Stadtkern von Forks angekommen war. Es dauerte nicht lange, bis ich auch das Krankenhaus erreichte und dort meine Maschine abstellte. Nun begann es auch etwas stärker zu regnen und ich stellte fest, dass das Wetter und die schweren drückenden Wolken wirklich vorbildlich meine Laune und meinen allgemeinen Gemütszustand widerspiegelten. Die lockere Stimmung der Fahrt wurde sofort von einem unangenehmen Knoten in meinem Hals erstickt, als ich das Krankenhaus betrat. Fast augenblicklich hüllte mich der Geruch von Desinfektionsmittel ein und umgab mich wie eine sterile Wolke. Zwar mochte ich diesen Geruch sehr, was mich zu einer fast regelmäßigen Benutzung und Beschnüffelung von Sterilium, einem Handdesinfektionsmittel, zwang. Allerdings wäre es mir in diesem Moment lieber gewesen tatsächlich an der kleinen Plastikflasche mit der blauen Flüssigkeit zu riechen anstatt mitten im Eingangsbereich eines Krankenhauses zu stehen, in dessen Keller meine tote Großmutter lag. Mit einer leichten Übelkeit in der Magengegend machte ich mich auf den Weg zur Information, wobei der Ausdruck, sich auf den Weg machen, bei einer Distanz von vielleicht zehn Schritten etwas übertreiben wirkt. Die Dame am Tresen war schon etwas älter und hatte ihr aschblondes Haar zu einem Dutt gebunden, feine graue Strähnen durchsetzten es und gaben ihm irgendwie eine strenge Note, welche im Kontrast zum freundlichem Lächeln auf dem Gesicht stand. “Was kann ich für dich tun Liebes?”, fragte sie in einem freundlichem, warmen Ton, ich antwortete zunächst mit einem Lächeln, bevor ich ruhig zu sprechen begann “Meine Großmutter, Rosemarie Valentine....”, ich stockte. Seit ich damit begonnen hatte dieses Satz auszusprechen, hatte sich meine Kehle immer weiter zusammengeschnürt und das kleine Monster namens Unwohlseins begann sich in meinem Bauch in ein dickes fettes und übermächtiges Gefühl zu verwandeln, welches mich mithilfe seines besten Freundes, der Trauer, versuchte zu übermannen und auf den Boden zu drücken. Ich atmete aus und zitterte leicht, wo kam dieses Gefühl so plötzlich her? Ich war eigentlich davon ausgegangen, dass ich mittlerweile verstanden hatte was ich hier wollte. Die ältere Dame zog ihre Brauen zusammen und sah mich mitleidig an “Schon in Ordnung Liebes, ich weiß warum du hier bist. Ich rufe den Doktor aus, welcher dich benachrichtigt hat”. Ein stummes Nicken meinerseits war das einzige was ich außer ein paar ekelhaften an mich gerichteten Gedanken aufbringen konnte. Ich wurde mit jedem bisschen Trauer, welches sich in meinen Körper drückte immer wütender auf mich selbst. Warum war ich so schwach? Warum stand ich jetzt mit Tränen in den Augen da? Ich atmete tief durch und wischte mir mit zittrigen Händen und ein wenig zu starkem Druck die Tränen aus den Augen, bevor sie sich einen Weg über meine Wangen suchen konnten. So stand ich da, ich weiß nicht genau wie lange, es können wenige Sekunden gewesen sein, oder aber auch mehrere Minuten. Meine Wahrnehmung war so eingeschränkt, dass ich nicht mitbekam, wie der junge Arzt durch die Doppeltür in die Eingangshalle kam. Ich wurde erst aus meinem Innern gerissen, als sich mir eine Hand auf die Schulter legte “Miss Valentine”, sagte eine sehr angenehme, weiche Stimme, es war die Stimme, welche ich bereits vom Telfon her kannte. Ich sah auf und blickte in ein blasses Gesicht, es war eben und erinnerte mich irgendwie an eine Statue aus fein gearbeitetem Elfenbein, so weiß schien die Haut. Nach einer kurzen Orientierungssekunde traf mein Blick seine Augen, sie waren von einer goldenen Farbe, die an warmen Honig erinnerte. In mein Kopf trat unweigerlich ein Gedanke: Warme Milch mit Honig Diese habe ich früher immer von meiner Großmutter bekommen, wenn ich mal nicht einschlafen konnte. Ich konnte fühlen wie er mir einen Arm um die Schulter legte “Ich bin Doktor Carlisle Cullen, kommen Sie erstmal mit in mein Büro.”, ich nickte nur knapp und war innerlich sehr dankbar dafür, dass er seinen Namen erwähnt hatte, denn diesen hätte ich beim besten Willen nicht mehr gewusst, obwohl ich mir im klarem war, dass er ihn beim Telefonat vor wenigen Tagen genannt hatte. Als wir uns in Bewegung setzten merkte ich, dass ich leicht schwankte und war froh darüber, dass er mich mit seinem Arm um meine Schulter stützte. Ob man es mir wohl ansehen konnte, dass es mir nicht so gut ging? Wir gingen durch einen weißen Krankenhausflur und bogen um eine Ecke, die nächste Tür auf der linken Seite war anscheinend sein Büro, denn wir betraten diesen Raum. Es war nicht allzu groß und ein massiver dunkler Schreibtisch dominierte das Büro, dahinter stand ein gemütlich aussehender Lerderstuhl, und gegenüber, rechts neben der Tür war ein Sofa aus weichem Leder. An den Wänden hingen edle Gemälde. Er führte mich zu dem kleinem Sofa und ich ließ mich darauf nieder, es war in der Tat sehr weich und gemütlich. Es roch alles sehr gut in diesem Büro, sogar der Doktor selbst. “Es tut mir leid.”, sagte ich leise “Ich benehme mich unmöglich.”. Er lächelte nur verständnisvoll und sah mich an “Es ist völlig in Ordnung”, begann er “Ich kann sehr gut nachvollziehen, wie Sie sich fühlen müssen, schließlich weiß ich ja auch, wie nahe Sie Ihrer Großmutter standen….”. Ja, so war es nun mal in so winzigen Städten, jeder wusste alles, auch wenn Queets ja eher der südliche Nachbarort von Forks war. Queets hatte ja noch nicht einmal eine eigene Grundschule und so ist es mehr als logisch, dass man sich hier in Forks im Krankenhaus behandeln ließ. Allerdings kannte ich diesen Doktor nicht, naja, ich war ja auch nicht bei jedem meiner Besuche in Queets im Krankenhaus anzutreffen. Nach einigen Minuten des Schweigens erhob der schöne Mann seine Stimme “Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?”, fragte er in einem sanftem und sehr zuvorkommendem Tonfall und obwohl mein Mund trocken war schüttelte ich leicht den Kopf, ich wollte es endlich hinter mich bringen und einfach nur noch in ein schönes gemütliches Bett. “Ich wäre froh, wenn wir es hinter uns bringen können, damit ich mich um die Einäscherung kümmern kann.”, antwortete ich leise, ich nahm ein Nicken von Doktor Cullen wahr. Langsam stand ich auf, es ging mir etwas besser. Mir machten uns auf den Weg in den Keller, dort wo meine Großmutter momentan ruhte. Auf dem Weg zum Aufzug fiel mir erstmals auf, dass es in dem Büro kein Stück nach Desinfektionsmittel gerochen hatte und dass auch dem Doktor nicht dieser scharfe Geruch anhaftete. Ich zuckte die Schultern, denn eigentlich war das jetzt auch nicht allzu relevant und ich hatte andere Dinge um die es sich in meinem Kopf drehen sollte. Wir stiegen aus dem Fahrstuhl und mir fiel eine weitere Eigenart dieses Krankenhauses oder generell vielleicht aller Krankenhäuser auf, es gab keine Musik in den Fahrstühlen, wie es normalerweise in Kaufhäusern oder Hotels der Fall ist. Nach einer weiteren Kurve in einem Gang gelangten wir an eine Tür, wir durchschritten diese und kamen in einen Raum, wie man ihn sonst nur aus Horrorfilmen oder Krimiserien kennt. An allen Wänden befanden sich kleine Türen, hinter denen Schienen verborgen waren auf welchen die Toten gelagert wurden. In der Mitte des Raumes gab es einen Untersuchungstisch, auf welchen man die Leichen obduzierte, auf diesem lag jemand unter einem weißem Tuch. Wir näherten uns diesem Körper, ich hatte das Gefühl, als würde der Raum mit jeden Schritt noch kälter werden. Ich konnte fühlen, wie meine Augen zu brennen begannen und hatte das Gefühl als würden meine Tränendrüsen unter Krämpfen leiden, als sie versuchten Tränen zu produzieren. Ich konnte fühlen wie eine warme Träne sich eine zunächst heiße Spur über meine Wange bahnte, sie kühlte im Laufe ihrer Wanderschaft ab und war auf Höhe der Nasenspitze vollkommen erkaltet und setzte so ihren Weg fort. Wir kamen am Tisch an und der Doktor sah mich an, ich fand, dass er für einen Arzt doch sehr menschlich wirkte, nicht so, wie viele in den großen Städten, die einfach nur die schlimme Nachricht überbringen wollten. Irgendwie wirkte er während dieser Prozession vom Büro bis hier runter sehr feierlich und trotzdem warm und verständnisvoll. “Sind Sie bereit?”, fragte er leise, auf ein Nicken meinerseits hin entfernte er das Tuch. Ich biss mir auf die Unterlippe und konnte spüren, wie sich noch mehr Tränen aus meinen Augen über die Wangen von meinem Gesicht herab flüchteten. Ich bekam gerade noch mit, dass sich der Doktor zurückzog und uns allein ließ. “Hey Oma,”, begann ich “tut mir echt leid, dass ich nicht bei dir sein konnte. Ich werde dich sehr vermissen und verspreche dir auf dein Haus aufzupassen. Ich werde es nicht verkaufen, ich werde es pflegen und bewohnen, so wie du es eins tatest und ich werde mich um den großen Saal kümmern, in dem deine Statue sitzt. Dein Mann, wie du ihn immer nanntest. Ich bin jetzt da und werde mich um alles kümmern! Ich verabschiede mich jetzt hier von dir und nicht auf deiner Trauerfeier, weil es gemäß deiner Wünsche keine Trauerfeier geben wird in der man dich aufbahrt wie einen toten Fisch auf dem Markt. So hast du es doch immer genannt….”, ich hielt kurz inne und berührte das kalte Gesicht der toten Frau “Machs gut, ich kümmere mich jetzt um alles…”, wiederholte ich nochmals und gab ihr einen Kuss auf die kalte Stirn. Ich hatte das Gefühl nun nicht mehr allein zu sein, ich hatte irgendwie das Gefühl, dass sie nun in Ruhe gehen konnte. Kann sein, dass ich es mir nur einbildete, aber irgendwie sah der Ausdruck auf ihrem Gesicht nun entspannter aus. “Ich liebe dich.”, flüsterte ich und drehte mich um, ich verließ die kalte Kammer. Der Doktor wartete bereits vor der Tür auf mich “Ich habe bereits alle nötigen Formalien ausgefüllt, damit das Bestattungsunternehmen sie abholen kann.”, sagte er leise. “Danke, Sie haben mir damit sehr geholfen.”, antwortete ich ihm und ich konnte nun auch selbst spüren, dass mir nach meinem Versprechen ein riesen Stein vom Herzen gefallen war und ich irgendwie ein Stadium der inneren Ruhe erreichte. Ich fragte mich innerlich, ob es wohl immer so war, wenn man den wichtigsten Menschen in seinem Leben verlor. “Entschuldigen Sie, ich brauche nur noch eine Unterschrift.”, sprach mich der Doktor mit einem Lächeln an, auch er schien zu merken, dass es mir nach der kleinen Aussprache und dem Abschied besser ging. Es dauerte etwas zu lange, bis ich meinen Blick von seinem Gesicht löste. Definitiv, warme Milch mit Honig… Ich nahm den Durchschlag der Papiere dankend entgegen und so machten wir uns zusammen auf den Weg zurück zur Eingangshalle. An der Tür angekommen legte der blasse Doktor mir wieder eine Hand auf die Schulter “Wenn Sie noch etwas brauchen, oder es Ihnen nicht gut geht, dann melden Sie sich doch bitte bei mir.”, sagte er sehr fürsorglich und reichte mir einen Zettel, ein kurzer Blick auf diesen verreit mir, dass dort zwei Telfonnummern standen. “Danke sehr!”, ich lächelte ihn an und war gebannt von seiner Schönheit, nur schwer konnte ich mich abwenden und mich dazu zwingen zu meinem Motorrad zu gehen. Erst als ich meine Maschine erreichte, steckte ich den Zettel in die Tasche. Ich setzte meinen Helm auf und fuhr durch die Stadt zum Bestattungsinstitut. Nach einer sehr kurzen Zeit erreichte ich den kleinen Laden und betrat diesen, eine kleine Klingel oben am Türrahmen verriet, dass ich eintrat. Es war nur eine kleine Auswahl an Särgen und Urnen aufgebahrt. Wenige Sekunden nach meinem Eintreten kam ein Herr mittleren Alters aus einem Raum, welcher hinter dem Ausstellungsraum lag. Wir begrüßten uns und führten ein kurzes Gespräch. Ich hatte jetzt keine große Lust zu plaudern und klärte nur das wichtigste, bezahlte alles im Voraus mit einem Check der Versicherung und verabredete, dass ich die Urne noch am selben Abend abholen konnte. Es würde keine Trauerfeier geben, das hatte sie so gewollt. Ich wunderte mich etwas über diese Spontaneität, aber dies hier war eine Kleinstadt und alles war ein wenig anders. Ich übergab den Durchschlag aus dem Krankenhaus, mit welchem das Institut die Erlaubnis hatte meine Großmutter abzuholen. Vielleicht lag diese Geschwindigkeit auch an der sehr hohen Summe, die ich für eine einfache Feuerbestattung bereit war zu zahlen. Ich bedankte mich und verließ das Geschäft. Ich hatte jetzt noch ein paar Stunden Zeit und stellte fest, wie unangenehm mein Magen knurrte, als ich mein Motorrad erreichte. So beschloss ich etwas in einem Diner zu essen und so die Zeit verstreichen zu lassen. Am Abend würde ich dann zurückkehren und meine Großmutter endlich nach Hause bringen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)