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Weinender Schnee

(Dante x Nero)
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Meine Lieben, es hat wieder lange gedauert und das tut mir Leid. Das blödeste an der ganzen Sache ist, dass ich zwei Kapitel im Sommer bereits beendet habe, dann durch die Uni aber zu nichts mehr gekommen bin. ^^‘ In den Ferien habe ich es jetzt endlich geschafft das 7. Kapitel zu überarbeiten. Es ist etwas kürzer, da ich es an dieser bestimmten Stelle enden lassen wollte. Klischee-Cliffhanger, ich weiß xD Das 8. Kapitel folgt dann Ende Februar, wenn das Semester vorbei ist. Dann habe ich auch Zeit, mich mit dem nächsten zu beschäftigen. Ich hoffe es gefällt euch und ihr bleibt weiterhin dabei. Ein kleiner Spoiler für das nächste Kapitel, es wird ein wenig Klarheit in die ganze Sache bringen :D
Omg, mir ist gerade aufgefallen, dass Weinender Schnee dieses Jahr 5 Jahre alt wird. Soll ich mich jetzt freuen oder weinen? Oo Auf jeden Fall wird es irgendwas zum Geburtstag geben, ich weiß noch nicht was, aber ich hab ja noch Zeit. Also freut euch auf den November!
Eure Lomea Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Tadaaa, hier ist das 8. Kapitel von Weinender Schnee! :D Etwas später auf Grund einer verschobenen Klausur, fiesen Erkältung und Vorbereitungen für die LBM. Apropos Buchmesse, falls aus irgendeinem Grund das Interesse bestehen sollte mich zu treffen, könnt ihr mir gerne ne Nachricht schreiben oder ihr haltet nach mir Ausschau. Ich bin am Samstag und Sonntag als Rin aus Free! unterwegs :)
Jetzt will ich euch nicht länger abhalten und hoffe ihr findet gefallen an diesem Kapitel. Es gibt noch ein Nachwort, aber auch wirklich als dieses zu lesen, wegen indirekter Spoiler! Komplett anzeigen

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Prolog

~Wir können uns vor der Welt verstecken, aber sie auch nicht ewig aussperren~
 

Sanft landete eine Schneeflocke auf der Handfläche des Weißhaarigen. Doch bei dieser einen blieb es nicht. Immer mehr Flocken fielen und entwickelten sich zu einem regen Schneetreiben.

Warum hatte er ausgerechnet heute das starke Verlangen gespürt, einen ausgedehnten Spaziergang zu unternehmen? An diesem bitterkalten Wintertag. Aber die schneebedeckte Landschaft, dieser reine weiße Anblick besänftigte ihn. Er hatte einen Ort gefunden, an dem er Ruhe und Frieden genießen konnte. Es stellte sich schon fast ein Gefühl der Freiheit ein, so weit abgelegen von jeglicher Zivilisation.

Langsam entwickelte sich das Schneetreiben zu einem Schneesturm und kaum der Umriss eines Baumes war noch zu erkennen. Der Mann suchte Schutz hinter einem Felsen und wartete darauf, dass sich der Wind wieder legte und die Wolkendecke aufreißen würde. Eine ganze Weile dauerte es, bis sich die Sonne blicken ließ und den Schnee zum Funkeln brachte. Er machte sich wieder auf den Rückweg zu seiner Hütte.

Da verdunkelte sich der Himmel abermals, eine Wolkenreihe hatte sich vor die Sonne geschoben. Als sie wieder aufbrach, schien ein Lichtstrahl auf eine Stelle ein paar Meter vor ihm.

Dort lag jemand im Schnee.

Er beeilte sich nicht, aber schritt zielstrebig voran. Als der Weißhaarige nur noch wenige Schritte entfernt von der Gestalt war, blieb er wie angewurzelt stehen.
 

Er kannte diesen jungen Mann…
 

~Die Vergangenheit holt uns schneller wieder ein, als es uns lieb ist~

Azurblaue Sehnsucht

Langsam öffnete er seine Augen und schaute sich um. Er lag in eine dicke Decke eingewickelt auf einer Couch vor dem Kamin. Trotz der knisternden Wärme begann er zu zittern. Die Kälte saß ihm immer noch in den Gliedern.
 

„Was hattest du da draußen verloren?!“, ertönte eine tiefe Stimme. Sie hatte einen feindlichen Unterton.
 

Er fuhr herum und erblickte den Mann, den er schon so lange gesucht hatte.

„Dante…“, er hatte den Namen ungewollt ehrfürchtig gemurmelt.
 

Dieser seufzte tief, so als ob eine Last zu ihm zurückgekehrt war.

„Nero!“, erwiderte er bissig, „Also was hattest du da draußen zu suchen?!“
 

„Ich hab nach dir gesucht. Warum hast du dich in so einer gottverdammten Gegend abgesetzt???“
 

Der Weißhaarige runzelte die Stirn. Es passte ihm nicht, dass der Junge hier war.

„Anscheinend ist sie nicht gottverdammt genug, wenn du mich hier findest! Was willst du?!“
 

Nero senkte den Kopf, hob ihn wieder und blickte schließlich an ihm vorbei.

„Ich brauche deine Hilfe…“
 

„Die hast du bekommen, ich hab dich vorm Erfrieren bewahrt. Nun kannst du gehen!“
 

„Hey, warum willst du mich denn loswerden, du weißt doch noch gar nicht worum’s geht!“
 

„Es ist mir egal, ich will nichts mehr mit dir zu tun haben!“

Dante verhielt sich abweisend gegenüber dem Weißhaarigen und machte keinen Hehl aus seinem Ärger.
 

Der Junge sprang auf und die Wut zeichnete sich deutlich in seinem Gesicht ab.

„Was soll die Scheiße?! Ich hab dir rein gar nichts getan. Du hörst mir nicht mal zu und willst mich schon rausschmeißen. Gut, wenn so jemand aus dir geworden ist, dann bleib doch hier in deiner Einöde und vegetier vor dich hin. Ich wünsch dir viel Spaß dabei!“

Damit warf er die Decke auf den Boden und stürmte zur Tür. Als er sie aufriss, kam ihm ein eisiger Wind entgegen und brachte eine Ladung Schnee mit sich.
 

„Willst du etwa da hinaus?“
 

Die Stimme des Älteren ließ seine Wut weiter steigen. Sie klang so sanft und ruhig, aber auch so desinteressiert.

„Was interessiert dich das? Hast du auf einmal Mitleid bekommen?“, es klang kindisch.
 

„Mach was du willst…“
 

Verletzt schaute Nero ihn an. Er hatte also wirklich gehofft, dass er ihn aufhalten würde. Nun da er es nicht tat, war er enttäuscht, ja sogar verletzt.

Was erwartete der Junge nur von ihm? Was hatte er sich erhofft von ihm?

Er wusste es nicht und eigentlich wollte er es auch nicht wissen.

Ach verdammt, warum ließ es ihm keine Ruhe?
 

„Nun mach schon die Tür zu!“
 

Langsam schloss Nero sie.

Er stand weiter da und schaute ihn an. Seine azurblauen Augen schienen ihn zu durchdringen und zu versuchen auf den Grund seiner Seele zu blicken. Sie hatten eine unheimliche Tiefe, leicht konnte man sich in ihnen verlieren.

Dante wandte den Blick ab. Er hätte es nicht weiter ertragen, denn es weckte Sehnsucht in ihm.

Wonach?
 

„Hörst du mir jetzt zu?“, seine Stimme durchschnitt die Stille.
 

Der ehemalige Dämonenjäger antwortete nicht, sondern ging in den hinteren Teil des Hauses, nein es war eher eine Hütte, gerade mal zwei Zimmer. Dort fing er an in der provisorischen Küche Geschirr zu spülen.

Nero empfand es zwar als äußerst unfreundlich und unhöflich, aber zuhören würde er ihm wohl trotzdem. Also beschloss er es erstmal darauf beruhen zu lassen. Von Dante konnte man im Moment ja eh nicht viel erwarten.
 

„Ich hab ein Problem, mit dem ich nicht mehr fertig werde…“, es fiel ihm schwer, so etwas zuzugeben, „…zwei Dämonen verfolgen mich. Es sind keine einfachen Dämonen, sondern Gestaltwandler!“
 

„Und ich soll dir jetzt aus der Patsche helfen?“, ein Teller wurde unsanft in das Spülbecken befördert.
 

„Das hab ich gar nicht gesagt! Es reicht ja schon, wenn du mir sagst, wie ich mit ihnen fertig werde!“, er strengte sich stark an, nicht verzweifelt zu klingen.

Aber seine Lage war verzweifelt. Er konnte diesen Dämonen nichts entgegen bringen, bisher hatte er es gerade geschafft, zu überleben.
 

„Vergiss es, die sind eine Nummer zu groß für dich!“
 

„Und was soll ich jetzt tun, mich töten lassen, oder wie?“
 

Ein Teller zerbrach, Dante hatte ihn zu fest aufgedotzt.

„Gib einfach die Jagd auf, du Idiot!“, kam es laut und barsch.
 

„Nicht ich jage sie, sie jagen mich!“, schrie der Junge zurück.
 

Abrupt drehte sich der andere um, sein Gesicht war zornig.

„Wie in aller Welt hast du es geschafft, die Aufmerksamkeit von Gestaltwandlern auf dich zu ziehen?!“
 

„Verdammt, ich weiß es nicht! Es gibt keinen Grund, ich hab ihnen keinen gegeben! Ich wusste nicht mal, dass solche Monster überhaupt existieren! Freundlicherweise haben sie mir wenigstens das gesagt, bevor sie angriffen!“

Er war wütend, so wütend, warum nahm Dante gleich wieder an, dass er irgendwelche Scheiße gebaut hatte?! Er war doch kein Kleinkind!
 

„Normalerweise interessieren sie sich kein Stück für Menschen, also musst du sie provoziert haben!“
 

Nero wollte am liebsten schreien, warum kapierte er es einfach nicht? Wieder wiederholte er seine Unwissenheit und der Weißhaarige sah immer noch nicht überzeugt aus.

Warum nur, warum nur glaubte er ihm nicht? Wieso war er so stur?

Doch der ehemalige Dämonenjäger hatte durchaus einen Grund, dass er so überreagierte.

Der Junge regte ihn auf, wieso musste er sich immer lauter Probleme anlachen? Wieso hatte er ausgerechnet ihn gesucht und warum zum Henker hatte er ihn gefunden?

Seine Anwesenheit brachte ihn durcheinander, machte ihn nervös und aggressiv. Aber hinaus in den Schneesturm wollte er ihn auch nicht schicken.

War es nur der Schneesturm?
 

„Hm, es ist schon sehr spät. Wir sollten schlafen gehen“, setzte er seinen Grübeleien ein Ende.
 

Er schob die Couch weg vom Kamin und legte sich auf den Vorleger.

„Wenn du heute Nacht nicht erfrieren willst, solltest du dich auch vor den Kamin legen.“
 

„Vergiss es!“, meinte Nero bissig und verzog sich mit der Decke auf die Couch.
 

Es war kein Wunder, dass er sich so verhielt. Schließlich war er gerade eiskalt abgespeist worden und morgen würde ihn Dante sicherlich einfach rausschmeißen. Mit diesen düsteren Gedanken schlief er ein.
 

Mitten in der Nacht, er wusste es nicht genau, vermutete es aber, wachte der junge Mann auf. Es war schrecklich kalt und er fing auch gleich an zu zittern. Er schaute rüber zu Dante, der friedlich zu schlummern schien.

Wie konnte er das nur bei dieser Kälte? Na klar, der Kamin! Also hatte er am Ende wieder Recht behalten…wie immer.

Schlotternd stand der Junge auf und lief ein wenig hin und her.
 

„Wenn dir kalt ist dann leg dich vor den Kamin!“
 

Also hatte er es geschafft den Griesgram aufzuwecken oder war er schon wach gewesen? War ja auch egal, verdient hatte er es so oder so!

Auch wenn es ihm nicht passte, musste er diesmal wohl nachgeben. Denn sich wieder auf die Couch zu legen, war nicht nur unvernünftig, sondern auch gefährlich. ‚Erfroren’ zählte nicht gerade zu den ehrenvollen Toden.

Dante rutschte etwas vom Feuer weg und machte ihm Platz. Trotzdem war es immer noch ziemlich eng, denn er wollte weder zu nah an den Kamin noch an Dante. Er peilte die Mitte zwischen beiden an und legte sich hin. Angenehme Wärme kroch in seine Glieder und ein wohliges Gefühl stellte sich ein. Schnell versank er wieder in tiefen Schlaf.
 

Als er das nächste Mal wach wurde, war es immer noch dunkel.

Nein halt, nur etwas versperrte seine Sicht. Also hob Nero seinen Kopf an und sofort wurde alles in blasses Licht getaucht. Auch die Ursache seiner vermeintlichen Nacht. Er lag direkt neben Dante…
 

„Na wieder wach?“, kam die Frage in einem halb teilnahmslosen, halb interessierten Ton.
 

„Erst willst du unbedingt auf der Couch schlafen, dann doch am Kamin, wälzt dich ewig hin und her und rollst dich schließlich wie ein Kätzchen zusammen. Irgendwann hast du dich auch noch an mich gekuschelt und warst endlich ruhig. Hast du etwa von Kyrie geträumt?“, etwas Belustigung ließ sich heraushören.
 

„Nein, hab ich nicht… Außerdem… haben wir uns getrennt…“
 

Seltsamerweise schwang in der Stimme des Weißhaarigen ehrliche Verblüffung mit.

„Ist das so?“
 

Aber Nero wollte nicht darüber reden und antwortete nicht.

Es ging den Kerl überhaupt nichts an, was geschehen war. Warum sollte er es ihm erzählen, außer den aufkommenden Erinnerungen würde es ihm nichts bringen.

Doch dann wurde ihm seine peinliche Lage wieder bewusst, in der er sich befand. Bei seinen gedanklichen Abschweifungen hätte er seinen Kopf doch gerade wieder beinahe auf Dante abgelegt. Das war zu peinlich!

Er wurde ganz rot im Gesicht und sprang auf. Suchend schaute er sich nach einer Ablenkung um.

Aber was gab es schon groß in dieser Hütte?

Der Ex-Dämonenjäger setzte sich langsam auf und streckte sich erstmal, bevor er aufstand. Auch wenn er nicht ganz so sicher war warum, jedoch hatte sich sein Gemütszustand verbessert. Nero wollte er trotzdem lieber schnell wieder loswerden. Er dachte fieberhaft nach, wie er das am besten bewerkstelligen sollte.

Na gut, ein Frühstück gönnte er ihm noch, aber dann war es aus mit der Gastfreundschaft.
 

„Ich kann dir Brot anbieten“, kam nach einem Blick in den Kühlschrank.
 

„Ist in Ordnung.“
 

Warum war der Junge auf einmal so schweigsam? Normalerweise wäre doch mindestens eine Beschwerde gekommen. Aber warum sollte er sich den Kopf darüber zerbrechen?

Auch beim Frühstück verweilte die Stille, da Nero weiterhin schwieg und Dante keine Lust hatte, dieses Schweigen zu brechen.
 

„So, es ist an der Zeit für dich zu gehen!“, der Weißhaarige erhob sich und schaute den Jüngeren mit undurchsichtigem Blick an.
 

„Was?!“, die Überraschung war deutlich herauszuhören.
 

„Was hast du denn geglaubt?“
 

„Ich dachte du würdest dir es noch mal überlegen oder mir wenigstens auf ne andere Weise helfen!“
 

„Falsch gedacht! Und jetzt solltest du gehen!“, meinte der Mann barsch.
 

Je schneller er seine Ruhe wieder hatte, desto besser. Er würde sich seinen Frieden nicht von ihm durcheinander bringen lassen.

Wut und Verzweiflung zeichneten eindeutig sein Gesicht.

Warum hatte er nur so große Hoffnung in ihn gesetzt und bestand auf seine Hilfe?
 

„Gut…“, presste der Jüngere hervor und ging auf die Tür zu.

Dort verharrte er einen Moment, so als wartete er auf zurückhaltende Worte, aber die würden nicht kommen.

Nero öffnete die Tür und der eisige Wind brachte ihn zum Erschauern. Noch immer tobte der Schneesturm, aber das scherte ihn nicht. Er würde keinen Augenblick länger hier bleiben. Schließlich war er unerwünscht…

Mit einem leisen Klicken rastete die Tür ein und der Weißhaarige war wieder allein.
 

„Hm, dann mach ich mir mal einen Kaffee…“, er machte ein paar Schritte Richtung Küche.

Doch dann fuhr er herum und riss die Tür auf.
 

„NERO! Verdammt, komm wieder rein! Bei dem Wetter kommst du nicht weit!“
 

Der Wind peitschte ihm um die Ohren und Schneeflocken fielen auf sein Gesicht. Sie schmolzen rasch und rannen wie Tränen seine Wangen hinunter.

Hatte er ihn nicht gehört oder wollte er ihn nicht hören? Sollte er noch mal rufen? Aber halt, da tauchte der Junge in dem weißen Gestöber auf.

Genau vor ihm blieb er stehen, der Trotz flackerte in seinen Augen.
 

„Komm rein, du holst dir sonst den Tod!“
 

Es dauerte einen ganzen Moment bis Nero den Blick senkte und wieder hineinkam. Dem ehemaligen Dämonenjäger entfuhr ein Seufzer der Erleichterung. Er zuckte erschrocken über sich selbst zusammen.

Warum war er erleichtert? Weil er nun nicht länger allein sein musste? Was für eine Ironie…

Er bemerkte den vorwurfsvollen Blick, der auf ihm lag. Die Strafe dafür, dass er selbst nicht wusste, was er wollte.

Aber er wollte nicht mehr allein sein, oder?
 

„Der Schneesturm wird wohl einige Tage andauern. Bis dahin kannst du hier bleiben, danach sehen wir weiter.“
 

Der Blick des Jüngeren wurde etwas weicher, aber nicht viel. Dante konnte seinen Blick nicht abwenden, diese azurblauen Augen fesselten ihn.
 

Sehnsucht?
 

„Pah! …“
 

~Ende. Fortsetzung folgt~
 

Weißes Nichts

Der Wind heulte über die weißen Felder. Der Schnee fiel in dicken Flocken zur Erde und wurde wild durcheinander gewirbelt. Die Hütte war kaum zu erkennen und kein Laut drang aus ihr heraus.

Schweigend saßen die beiden Männer da, Nero vor dem Kamin und Dante auf der Couch. Diese Situation hielt schon eine ganze Weile an. Keiner der beiden hatte sich dazu durchringen können, das Wort zu ergreifen. Das einzige Geräusch, was man vernehmen konnte, war der grollende Schneesturm und das leise Tropfen des Wasserhahns.

Nero machte es aggressiv. Diese drückende Atmosphäre und das regelmäßige ‚Platsch’ trieben ihn in den Wahnsinn. Nicht genug, dass Dante ihn nicht bei sich haben wollte, nein, jetzt war er sich auch noch zu fein, mit ihm nur ein Wort zu wechseln. Schließlich sprang er auf und warf das Stück Holz weg, mit welchem er sich zuvor beschäftigt hatte.
 

„Machst du heut den Mund gar nicht mehr auf?!“, warf er ihm in einem hartem Ton an den Kopf.
 

„Vielleicht gibst du mir keinen Anreiz dazu.“
 

„Was soll das denn heißen?! Du kannst doch wohl mit mir ein einfaches Gespräch führen!“
 

Der Weißhaarige schmunzelte.

„Worüber? Über das Wetter? Du hast Recht, die Wetterlage ist wirklich ungünstig, Gespräch beendet!“
 

Nero musste sich stark zusammenreißen, nicht mit dem nächstbesten Gegenstand nach Dante zu werfen. Wobei sich der Schürhaken vorzüglich eignen würde.

Der ehemalige Dämonenjäger musste das bemerkt haben, denn er hob beschwichtigend die Hände.

„Hey, schon gut. Dann beginn ein Gespräch, wenn dir so viel daran liegt.“
 

Der gemeinte überlegte einen Moment und stellte dann kühn eine Frage, die ihn interessierte.

„Warum versteckst du dich hier?“
 

Er antwortete nicht gleich, sondern schaute ihn ernst an.

„Ich wüsste nicht, was dich das angeht!“
 

„Aber du bist einfach verschwunden und hast nichts mehr von dir hören lassen. Dafür muss es doch einen Grund geben!“
 

„Gegenfrage, warum haben Kyrie und du euch getrennt?“
 

Ein kurzer Schmerz zog sich durch das Gesicht des Jungen.

„Das geht dich gar nichts an!“, murmelte er.
 

„Siehst du, damit wäre das wohl erledigt.“
 

Nero setzte sich wieder vor den Kamin, diesmal aber mit dem Gesicht zu Dante und zog die Beine an seinen Körper. Er sah getroffen und unzufrieden aus.
 

Der Ältere seufzte.

„Willst du ein Bad nehmen?“
 

„Bitte was?“
 

„Ich hab dich gefragt, ob du baden willst“, kam es leicht genervt.
 

Der Weißhaarige stutzte einen Moment. Was war das für ein seltsames Friedensangebot? Wenn es überhaupt eins war!

„In dieser alten, gammeligen Hütte gibt es eine Badewanne?“, reizte er gezielt.
 

„Ja, in dieser alten, gammeligen Hütte gibt es durchaus eine Badewanne. Bevor ich’s mir wieder anders überlege, willst du jetzt oder nicht? Ich dachte bei deiner Verfrorenheit, würde es dir gut tun!“
 

Nero funkelte den Älteren an.

Die fiese Bemerkung hätte er sich sparen können. Dieser griesgrämige alte…
 

Dante brach in lautes Gelächter aus.

„Du müsstest dich mal sehen! Siehst aus wie ein kleiner Giftzwerg, der gleich in Flammen aufgeht. Ich geh dir das Wasser heizen“, damit verließ er den Raum durch die andere Tür.
 

Der Junge schaute ihm verdutzt nach.

Viel hatte er erwartet, aber kein Lachen. Hatte sich etwas an seinem Gemüt geändert oder war das nur eine kurze Laune gewesen? Auf jeden Fall war ihm diese Variante von Dante viel lieber als die Griesgrämige, auch wenn er sich über ihn lustig machte.

Er stand auf und tappte zum Fenster. Man konnte kaum etwas erkennen, alles weiß. Eine Weile betrachtete der Junge dieses weiße Nichts, bis der Ruf des ehemaligen Dämonenjägers erklang. Er brauchte einen Moment um sich loszureißen, aber dann folgte er.
 

In dem Bad stand eine Badewanne unter der ein Feuer brannte. Fast wie in einem Kochtopf…

Dieser Gedanke musste wohl offensichtlich in seinem Gesicht gestanden haben.
 

„Glaub mir, du wärst mir zu zäh!“, sagte er und grinste breit.
 

Seine Laune hatte sich wirklich gebessert, auch wenn er sich über den Grund noch nicht ganz einig war. Er fühlte sich beschwingter und energiegeladener.

„Handtuch hängt da und vergiss nicht das Feuer auszumachen, wenn es noch brennt“, er verließ den Raum.
 

Dante setzte sich auf die Couch und lauschte der Stille. Aber es war keine unangenehme Stille, denn er wusste, dass jemand hitzköpfiges nebenan in der Badewanne saß.
 

Leicht angesäuert stieg der Jüngere in die Wanne und erschauerte. Er hatte nicht damit gerechnet, dass das Wasser so heiß war. Aber als er sich erstmal daran gewöhnt hatte, war es äußerst angenehm.

Alles Mögliche ging ihm durch den Kopf, während er in der Wanne lag. Wie war er eigentlich hier gelandet? Diese Frage hatte er sich schon öfters gestellt. Es hatte alles mit dem Auftauchen dieser zwei verflixten Dämonen begonnen. Warum war er ihnen nur nicht gewachsen? Nur die Flucht hatte geholfen und bisher war sie ihm auch immer geglückt. Warum eigentlich? Was hatten die Viecher nur vor? Er wusste es nicht…

Diese ständigen Angriffe waren sehr stressig gewesen und schnell hatten sich Kyrie und er in die Haare gekriegt. Länger hatte es schon nicht mehr richtig zwischen ihnen geklappt, aber so schlimm war es nicht gewesen. Schließlich hatten sie sich getrennt und jeder war seines Weges gegangen. Und was hatte er getan? Er hatte angefangen nach Dante zu suchen. Er hatte sich nach seiner Gegenwart gesehnt. Und nun? Er hatte ihn gefunden, aber was hatte er erwartet? Dass er sich freuen würde ihn wieder zu sehen, nachdem er so erfolgreich untergetaucht war? Was für eine Scheiße!

Nero ließ seinen Kopf sinken bis seine Haarspitzen das Wasser berührten. Wo sollte er nur hin? Es gab keinen Ort, an den er gehen konnte. Hier würde er ja auch in kürzester Zeit wieder hinaus fliegen und dann in die offenen Arme der zwei Dämonen laufen. War sein Tod nicht schon zum Greifen nahe? Wie gerne würde er doch hier bleiben… Nein! Er würde Dante nie anflehen, bei ihm bleiben zu dürfen! Wer war er denn?

Der junge Mann tauchte seinen Kopf unter, auf einmal nahm man ganz andere Geräusche war. Das Prasseln des Feuers war viel deutlicher zu hören, genau wie jede kleinste Bewegung. Gerne wäre er noch länger so geblieben, fern von allen nervenden Gedanken und Gefühlen, aber langsam ging ihm die Luft aus. Prustend tauchte er auf und musste ein paar Mal blinzeln, alles verschwamm vor seinen Augen. Das warme Wasser war ihm zu Kopf gestiegen. So wie es sich anfühlte, stand er doch kurz davor gekocht zu werden. Er stand auf und wollte aus der Wanne steigen, allerdings hatte er das Schwindelgefühl unterschätzt. Der Weißhaarige blieb mit dem Fuß hängen und stürzte zu Boden. Es tat einen riesigen `Rumms` und er fühlte einen stechenden Schmerz. Seine Benommenheit hatte zugenommen und am liebsten würde er einfach liegen bleiben. Doch da wurde auf einmal die Tür aufgerissen und Dante stürmte herein. War das peinlich! Warum wurde ihm diese Schmach nicht erspart?
 

„Was machst du hier für nen Mist?“, er klang wütend und aufgebracht.
 

Nero verstand nicht ganz warum, er hatte doch nichts kaputt gemacht.
 

„Komm ich helf dir hoch!“
 

„Nee, geht schon!!!“, es war ihm schon peinlich genug, dass er ihn nackt auf dem Boden liegen sah.
 

Mühsam versuchte er sich hochzustemmen, aber er war zu schlapp, mehr als in eine Sitzposition schaffte er es nicht. Allerdings darauf bedacht, dass der andere nicht zu viel von seinem Körper betrachten konnte.
 

„Stell dich nicht so an und lass dir helfen!“
 

„Nicht nötig, ich steh gleich auf“, sagte er um Zeit zu schinden.

Das Schwindelgefühl war noch da und klang kaum ab. Außerdem schmerzte sein Kopf immer mehr.
 

„Du Volltrottel kannst froh sein, wenn du keine Gehirnerschütterung hast! Bluten tut es auf jeden Fall ordentlich!“, schnauzte Dante ihn an.
 

Erst jetzt bemerkte Nero das warme Blut seine Wange hinab rinnen und konnte sich die Ursache des stechenden Schmerzes erklären. Gleich nahm seine Benommenheit noch etwas zu.
 

„Komm ich trag dich jetzt rüber und dann muss dein Hohlkopf verbunden werden!“
 

Der Jüngere hob abwehrend die Hände und schaute sich um. Wo war nur das Handtuch geblieben? Endlich entdeckte er es und band es sich behelfsmäßig um. Jetzt musste er sich wenigstens keine großen Sorgen mehr um seine Nacktheit machen.

Der andere packte sichtlich ungeduldig zu und hob ihn hoch, was letzteren zum Erschauern brachte. Er hatte sich nicht auf die Berührung vorbereiten können und es hatte ihn vollkommen überrumpelt. Eigentlich war es ja nichts besonderes, aber die kühlen Hände des Älteren auf seiner nackten, warmen Haut zu spüren, erzeugte ein seltsames Prickeln. Er wusste selbst nicht warum. Vielleicht weil er immer so gut eingepackt war?
 

Dante legte den jungen Mann auf der Couch ab. Wie konnte man nur so dappig sein und aus der Badewanne kippen? Und sich auch noch den Kopf aufschlagen? Dann noch dieses Theater, bis er ihn hatte heraus tragen dürfen. Er sollte froh sein, dass er sich überhaupt um ihn kümmerte! Er hätte ihn am besten einfach liegen und verbluten lassen sollen. Wäre für sie beide bestimmt eine gute Lösung gewesen.

Aber irgendwie wäre es auch Schade gewesen…

Der Weißhaarige musste schmunzeln und schob den Gedanken beiseite. Hatte er nicht mal einen Erste-Hilfe-Kasten besessen?

Er brauchte eine ganze Weile, bis er ihn in einem Küchenschrank fand. Den hatte er aber auch gut versteck. Dann kehrte er zu Nero zurück, der ziemlich bleich geworden war und das Tuch, was er sich gegen den Kopf presste, sich ordentlich mit Blut durchtränkt hatte. Zudem zitterte er heftig und starrte ins Leere. Ihm fiel endlich auf, dass der Blutverlust und der nackte Körper bei diesen Temperaturen nicht gerade zur Wärmeproduktion beitrugen. Also holte er die Decke und wickelte ihn wieder darin ein. Er fand sogar einen genügend langen Verband, den er dem Jungen um den Kopf wickelte.
 

„Hm…deine Haare musst du gründlich waschen oder du färbst sie ganz rot!“
 

Er gewöhnte sich langsam immer mehr an seine Gegenwart und empfand sie nicht mehr als störend, wie am Anfang. Nero antwortete auf seinen Scherz nur mit einem kurzen, gequälten Lächeln. Ihm schien es wirklich nicht besonders gut zu gehen. Allerdings hatte er sich das auch selbst zu zuschreiben, einfach aus der Badewanne zu kippen. Was für ein Tollpatsch! Aber andererseits konnte er einem auch Leid tun, wie er da zitternd und peinlich berührt hockte.
 

„Hast du dich noch woanders verletzt?“, er zog ihn vorsichtig die Decke weg und betrachtete seinen Oberkörper genauer.
 

//Gut durchtrainiert…//, und ehe er sich versah, fuhr seine Hand schon über die muskulöse Brust.
 

Er selbst erschrak wohl mehr als Nero, denn in kürzester Zeit hatte er zwischen ihn und sich einen beträchtlichen Abstand geschaffen.
 

„Ich geh was zu Essen machen!“, meinte der Weißhaarige mit wieder voll gefasster Stimme.
 

Der Junge schaute ihm etwas erschrocken, aber vor allem verwundert nach. Was war eigentlich gerade geschehen? Irgendwie wollten sich seine Gedanken nicht ordnen und schließlich gab er es auf, sein Kopf war einfach zu ramponiert. Er schloss die Augen und versuchte sich etwas auszuruhen.
 

Als Dante mit zwei Sandwichs zurückkam, fand er den Verletzten schlafend auf der Couch vor. Eigentlich war ihm das ganz recht, so musste er sich keinen peinlichen Fragen stellen! Zumindest für den Moment nicht…

Die zwei Sandwichs musste er jetzt wohl alleine essen, aber das störte ihn herzlich wenig. Nun hatte er einen Grund noch länger sitzen zu bleiben und den jungen, schlafenden Mann zu betrachten.

Was für eine Augenweide…
 

~Ende - Fortsetzung folgt~
 

Hoffentlich hat euch das Kapitel gefallen^^ Ich wollt an dieser Stelle auch nochmal danke sagen, dass ihr meine Fanfic lest und für die Favos!

Das nächste Kapi kann etwas dauern, da das Abi ansteht, aber ich bemüh mich und wenn ihr Lust habt schreibt mir einen Kommi. Freu mich immer über Verbesserungsvorschläge und Lob^^
 

Bis demnächst eure Lomea
 

Und zum Schluss ein kleines Special:
 

Weinender Schnee - Hinter den Kulissen
 

Lomea: *heul* Ich hab euch Jungs voll verweichlicht! T_T

Dante: Wenn du es bereust, warum tust du es dann? *grummel*

Lomea: Na ja, die Geschichte soll doch romantisch sein und da müsst ihr... Warte mal, heißt das alle romantischen Männer sind Weicheier? ...Egal! *weiter jammer*

Dante: Hrrrrgh...Romantik...*schauder*

Lomea: Ja, Romantik, iiiiihhhh... Warum schreib ich das überhaupt?

Nero: Weil du tief in dir drin doch eine Romantikerin bist! *grins*

Lomea: Das nimmst du zurück! Òó Oder ich lasse dich in Strapsen mit Bunny-Ohren über ne Wiese hüpfen!

Nero: OO *angst*

Lomea: Hrr, hrr, hrr! *lach*

Feuerroter Sturm

Als Nero erwachte war er alleine. Zwar brauchte er eine ganze Weile um vollständig zu sich zu kommen, aber dieses Gefühl war von Anfang an da. Dante war nicht hier!

Langsam setzte er sich auf und schaute sich um. In seinem Kopf pulsierte ein dumpfer Schmerz und er fühlte sich kraftlos. Der Weißhaarige betastete vorsichtig seine Stirn, ließ es dann aber lieber bleiben.

Wo war er nur hin? War er abgehauen und hatte sich ein neues Versteck gesucht? Hatte er ihn zurückgelassen? Das sehe diesem kaltherzigen Mann ähnlich! Dieser Gedanke festigte sich immer mehr und ließ ihn verzweifeln.
 

Allein…verletzt…hilflos…allein…
 

Da wurde unsanft die Haustür aufgestoßen.

„Na wieder wach?“, Dante kam mit lauter Holz im Arm und einem breiten Grinsen im Gesicht hereinspaziert.
 

Nero war total überrumpelt und brauchte einige Sekunden um sich wieder zu fassen.

„Wo warst du?!“, fragte er stark verärgert.
 

„Feuerholz sammeln, damit der Herr nicht doch noch der Kälte erliegt!“
 

Die Wangen des Jungen röteten sich leicht.

„Aber der Schneesturm…“
 

„Der hat heute Morgen aufgehört, konnte ja auch nicht ewig anhalten!“
 

Der Schneesturm hatte aufgehört, was für ein Glück.

…Glück?

Nein, das hieß, Dante würde ihn nun wieder vor die Tür setzen. Das hieß, er würde ihn nie wieder sehen.
 

„Mach nicht so ein Gesicht! Ich schmeiß dich nicht raus, solange du verletzt bist.“
 

„Aber du wolltest mich doch loswerden?!“, er war total durcheinander.
 

„Ich hab’s mir vorerst anders überlegt. Ich bin nicht so kaltherzig, dich mit dieser Verletzung rauszuschmeißen und solange du den Mund nicht aufmachst, bist du eine nette Gesellschaft!“, breit grinsend entfachte der Weißhaarige das Feuer neu.
 

Was war geschehen? Seit wann änderte Dante so schnell seine Meinung? Und warum mochte er ihn nur bei sich haben, wenn er den Mund hielt?

Beleidigt zog Nero eine Schnute, sagte aber nichts darauf. Hauptsache er durfte bleiben! Er wollte sich gerade etwas dicker in die Decke einwickeln, als ihm auffiel, dass er immer noch nur ein Handtuch trug, das inzwischen nicht mehr wirklich da saß, wo es sein sollte. Der junge Mann wurde ein klein wenig rot um die Nase.

„Ähm, wo sind denn meine Kleider?“
 

„Hm, hast du was gesagt?“, Dante drehte sich zu ihm um und schaute fragend.
 

Er hatte noch die Aura des eifrigen Feuermachers und in Neros Augen sah er im Moment äußerst niedlich und wie ein kleiner Junge aus. Das ließ ihn noch ein wenig röter werden.

„Ähm…wo sind denn meine Kleider?“, wiederholte er sich leise.
 

Der Weißhaarige schaute ihn irritiert an.

„Was willst du?“
 

Langsam glich er einer Tomate und senkte den Blick, da er Dante nicht mehr ins Gesicht schauen konnte.

„Verdammt, ich such meine Klamotten!“
 

Der ehemalige Dämonenjäger verdrehte die Augen.

„Warum sagst du das nicht gleich?!“, machte aber keine Anstalten sie zu holen.
 

„Kann ich sie vielleicht auch haben?“
 

„Nö!“
 

„Was ‚nö’? Ich will mich anziehen!“
 

„Dann hol sie dir doch“, er grinste breit und zuckte mit den Augenbrauen.
 

Nero fühlte sich verarscht. Der Kerl musste doch wissen, dass er keine Ahnung hatte, wo seine Klamotten waren, außer… sie lagen noch im Bad.

Er stand auf und achtete peinlich genau darauf, dass von seinem Adonis-Körper nichts zu sehen war. Er hielt die Decke fest um sich geschlungen, schenkte Dante einen bitterbösen Blick und lief Richtung Bad.
 

„Da wirst du nichts finden, Kleiner!“, lachte der Weißhaarige.
 

Der Angesprochene drehte sich langsam um und war von einer bedrohlichen Aura umgeben.

„Dante… was soll der Scheiß?!“
 

Dieser lehnte sich mit einem zufriedenen Ausdruck lässig zurück.

„Na ja dafür, dass ich dir Kost und Logis biete, musst du mich ja irgendwie entschädigen und gerade finde ich dich sehr unterhaltsam!“
 

Nero reichte es langsam, er war doch nicht sein Spielzeug.

„Such dir jemand anderes! Ich finde das kein bisschen lustig. Sag mir, wo meine Klamotten sind, dann verschwinde ich!“, motzte er den Weißhaarigen an.
 

„Hey, jetzt zick doch nicht so rum!“, der ehemalige Dämonenjäger ging zu Nero und wuschelte ihm durchs Haar.

Sein Blick war sanft und er strich ihm noch über die Wange, bevor er ein paar Schritte zurücktrat. Der junge Mann war total irritiert. Was war denn in Dante gefahren? Irgendwie war er gruselig, aber noch gruseliger fand er sich selbst. Warum zum Teufel lief ihm ein angenehmer Schauer über den Rücken, wenn der Weißhaarige ihn berührte? Das war schon das zweite Mal… Irgendetwas stimmte hier nicht!

„Kriege ich jetzt meine Kleider?“
 

„Mal gucken! Hast du Hunger?“, lenkte der Mann ab.
 

Nero seufzte und ließ sich zurück auf die Couch sinken. Das hatte wohl keinen Sinn! Wenn der Ältere sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann konnte er ihm die Zügel nicht aus der Hand reißen.

„Jaaaaa…“, zog er das Wort, dem Spiel müde, lang.
 

„Gut, dann guck ich mal, was noch so übrig ist. Schlaf du mir nicht wieder ein!“, damit ging er zum Kühlschrank und öffnete ihn.

Das sah nicht gut aus, er hatte vergessen einzukaufen. Die Ankunft des Weißhaarigen hatte seinen ganzen Alltag durcheinander gebracht. Wenn er sich anstrengte, reichte es vielleicht gerade noch so für ein Brot. Ein Einkauf war dringend nötig und nicht mehr aufschiebbar. Also kratzte er die letzten Reste zusammen und machte das Beste draus. Mit dem Ergebnis zufrieden ging er zurück zu Nero, allerdings erntete er keinen Applaus von diesem.
 

„Was ist das denn?“, motzte er.
 

„Reste. Der Kühlschrank ist leer.“
 

„Warum das denn?“
 

„Warum wohl? Ich war nicht einkaufen!“, antwortete Dante genervt.
 

„Na toll, du vergisst auch alles…“
 

„Wärst du nicht aufgetaucht, hätte der Schneesturm nicht getobt und wäre der Herr nicht aus der Badewanne gekippt, dann hätte ich wie gewohnt einkaufen gehen können. Aber keine Angst meine Prinzessin, euer Prinz wird dieses Versäumnis noch heute nachholen“, scherzte er drauf los.
 

Die Prinzessin fand es allerdings nicht so lustig.

„So ein Blödsinn!“, Nero schnappte sich den Teller und begann schmollend zu essen.
 

„Keine Ursache, meine Prinzessin. Euer strahlendes Antlitz ist mir Dank genug!“, machte Dante munter weiter.
 

„Danke! Jetzt zufrieden? Hörst du jetzt damit auf?“
 

Der Weißhaarige grinste nur vor sich hin. Es war einfach zu amüsant mit dem Jungen zu spielen. Vielleicht war es doch nicht so schlecht, dass er hier war. Er bot Abwechslung und tat ihm gut. Diese ständige Einsamkeit war selbst für ihn auf Dauer schädlich. Allerdings war die Hütte für Zwei etwas zu klein und er konnte ihn ja auch nicht ewig hier behalten. Aber bedauerlich war es auf eine Weise schon.

Dante kehrte aus seinen Gedanken zurück und begann dem Jüngeren beim Essen zu zuschauen. Er aß langsam und in Gedanken versunken, so dass er seine Blicke überhaupt nicht zu bemerken schien. An Neros Lippen und seinem Kinn hatten sich eine Horde Krümel verirrt. Es zuckte in seinen Fingern und er wollte die Krümel wegwischen, aber der Weißhaarige kämpfte diesen Drang nieder und stand auf.

Dante blickte aus dem Fenster auf die weiße Schneedecke. Nichts als Schnee weit und breit, ab und zu ein kahler Baum. Es kam ihm leer vor, eine weite, weiße Leere. Noch gestern war sie süß und verlockend gewesen, heute wollte er ihr nicht mehr allein entgegen treten, um nicht von ihr verschlungen zu werden.
 

„Nachdem du aufgegessen hast, gehen wir einkaufen“, sagte er in einem ruhigen, aber nicht widerspruchduldenden Ton, während er weiter aus dem Fenster sah.
 

„Wie soll ich bitte ohne Klamotten einen Fuß vor die Tür setzen?“
 

Ach ja…seine Kleider, die hatte er ganz vergessen.

„Hm, wo waren die noch mal?“
 

Entgeistert schaute Nero ihn an.

„Du kannst doch nicht vergessen, was du mit meinen Kleidern gemacht hast!“
 

Dieser grinste und ging dann zum Herd, öffnete einen Schrank, der darüber hing und holte doch tatsächlich Neros Kleidung heraus.
 

„Im Küchenschrank?“
 

„Tut mir Leid, aber mit einem Kleiderschrank kann ich nicht dienen.“

Immer noch amüsiert gab er dem Jungen seine Sachen und stand dann wartend da. So verstrichen fast zwei Minuten.

„Was ist? Wir wollen los!“
 

„Ich zieh mich nicht an, wenn du mich die ganze Zeit anstarrst!“, er war leicht rot um die Nase.
 

„Oh man, ich hab doch nur gewartet. Tut mir Leid, das ist nun mal kein Palast mit hunderten von Ankleidezimmern, Prinzessin!“
 

Nero war kurz davor zu schreien, nicht dass die Situation peinlich genug war, nein, er musste immer wieder mit diesem Prinzessinenkram anfangen.

„Verdammt noch mal, ich bin keine Prinzessin und jetzt dreh dich um!“
 

„Ist ja gut!“, gab der Weißhaarige nach und drehte sich gehorsam um.
 

Der Jüngere schaute noch ein paar Sekunden misstrauisch zu ihm herüber, bevor er sich ankleidete.
 

„Bist du endlich fertig?“
 

„Gleich!“, schnauzte Nero.
 

Der ehemalige Dämonenjäger sah das als ein ‚Ja’ und drehte sich wieder um.

Wütend wurde er von dem anderen angefunkelt.
 

„Ich weiß gar nicht, was du eigentlich für ein Problem hast?!“
 

„…mir…mir geht’s ums Prinzip. Du hörst nie auf etwas, was ich sage!!!“
 

Der andere zuckte nur mit den Schultern und schien zu dem Thema nichts weiter zu sagen zu haben, was den Jungen noch wütender machte. Fluchend zog er sich fertig an und stampfte zur Tür.

„Gehen wir jetzt endlich?“
 

„Aber immer doch, Prinzessin!“
 

***
 

Es schneite nicht und der Himmel war wolkenlos, somit auch bitterkalt. Nero war sich nicht im Klaren darüber, wie er es heil hierher geschafft hatte. Und dann auch noch dieses weite, weiße Nichts. Wie hatte er Dante bloß gefunden? Das war pures Glück gewesen, viel wahrscheinlicher wäre er einfach erfroren. Was dem Weißhaarigen wohl viel lieber gewesen wäre!

Vorsichtig schielte er zu ihm herüber. Wie zum Teufel fand er sich in dieser Einöde überhaupt zurecht? Das war doch so gut wie unmöglich?

Wütend kickte er etwas Schnee. Er hatte es so satt, dieses doofe, nasse, kalte Zeug! An Schnee war überhaupt nichts schön oder romantisch, er war einfach nur ätzend! Kyrie hatte Schnee immer bezaubernd gefunden und gern lange Spaziergänge in klirrender Kälte unternommen! Kyrie…an sie hatte er jetzt nicht denken wollen.

Der Weißhaarige klaubte etwas Schnee zusammen, formte einen Schneeball und warf ihn nach Dante. Ob Glück oder Pech, auf jeden Fall landete er einen Volltreffer und traf ihn im Nacken. Fluchend schüttelte sich der Ältere den Schnee aus dem Kragen.
 

„Du wirst wohl aufmüpfig, Kleiner!“

Blitzschnell hatte er sich Nero geschnappt und seifte ihn gründlich ein. Als er von ihm abließ, funkelten die Augen des Weißhaarigen böse und er stürzte sich auf ihn. So kugelten sie durch den Schnee und versuchten dem anderen mehr Schnee ins Gesicht zu klatschen, als derjenige bei einem selbst. Doch irgendwann schaffte es Dante, den Jüngeren unter sich festzunageln. Schwer atmend lag er da und konnte sich nicht mehr rühren. Sein Kopf pochte vor Schmerz, aber recht schnell ebbte er wieder ab.

„Dante, es ist kalt!!!“
 

„Tja, Strafe muss sein“, er grinste ihn an.
 

Irgendwie stieg ein seltsames Gefühl in Nero auf. Warum musste er ihn die ganze Zeit anschauen? In der jetzigen Situation konnte er sich auch nicht entziehen, es machte ihn nervös.

„Hey, geh endlich runter!“

Doch stattdessen kam er ihm plötzlich näher. Nero hielt den Atem an, was würde jetzt passieren?
 

„Du-hast-verloren!“, hauchte Dante, grinste hämisch und stand auf.
 

„Du bist’n Arsch!“, er rappelte sich auf und klopfte den Schnee ab.

Der Weißhaarige versuchte sich zu beherrschen und Wut und Enttäuschung herunterzuschlucken.

Enttäuschung? Was hatte er denn bitte erwartet?!

…Nichts?

Ja, nichts!

Er ballte die Fäuste und stapfte wieder hinter dem Älteren her. Dieser war in Schweigen gefallen und Nero hatte bestimmt keine Lust es im Moment zu brechen. So herrschte die Stille über den weiteren Weg. Zwar wurde es ihm immer unangenehmer, aber ihm wollte kein gescheiter Grund einfallen, ein Gespräch zu beginnen. Aber nur ein paar Schritte weiter, hielt er es einfach nicht mehr aus.

„Wie weit ist es noch?“
 

„Wenn du nicht damit beschäftigt gewesen wärst, auf den Boden zu starren, hättest du das Dorf schon gesehen!“
 

Er hätte Dante nicht ansprechen sollen. Trotzdem schaute er zum Horizont und konnte nichts erkennen.

„Da ist nichts!“
 

„Doch, da“, der Weißhaarige zeigte in eine Richtung.
 

„Der schwarze Punkt???“
 

„Ja.“
 

„Da sind wir ja morgen noch nicht da!“
 

„Wenn du ein wenig schneller laufen würdest schon oder soll ich euch tragen, Prinzessin?“
 

Nein, er hätte ihn definitiv nicht ansprechen sollen! Wütend stapfte er an Dante vorbei ohne ihm eine Antwort zu geben. Dieser zuckte mit den Schultern und lief hinter dem Jungen her.

So lief wieder ein großer Teil des Weges schweigend ab, bis das Dorf schon gut zu sehen war.
 

„Das ist aber nicht besonders groß…“, sagte Nero im Mecker-Ton.
 

„Und die Leute sind dafür umso mehr verschroben, am besten machst du den Mund nicht auf!“
 

„Am besten rede ich überhaupt nicht mehr mit dir!“, fauchte er wütend.
 

Nun merkte Dante, dass er es sich fürs erste total verscherzt hatte mit dem Jungen. Aber jetzt war es zu spät und sich zu entschuldigen, kam gerade nicht in Frage. Also war auch der letzte Teil des Weges in Schweigen gehüllt.
 

Das Dorf war menschenleer, was aber bei der Kälte nicht so verwunderlich war. Der Ältere steuerte einen kleinen Laden an, in dem es so gut wie alles gab. Hinter der Theke stand eine etwas schrullige, ältere Dame.

„Du hast dir aber lange Zeit gelassen. Hättest du nicht schon vor zwei Tagen kommen sollen?“, krächzte sie.
 

„Na ja, der Schneesturm und unerwarteter Besuch haben mich aufgehalten.“
 

Die Frau musterte Nero, der mit trotzigem Blick bei der Tür stehen geblieben war.

„Ein hübscher Bursche, er wird dir bestimmt gut tun. Dieses ewige Eigenbrödlerleben kann nicht gesund sein!“
 

„Hm, er wird wahrscheinlich eh nicht mehr lange bleiben, dazu habe ich ihn zu sehr verärgert…“
 

„Reiß dich zusammen! Der Junge wird dir das Leben zurück bringen, du wirst schon sehen! Also was willst du nun kaufen?“
 

Dante sagte auf den ersten Punkt nichts, sondern begann die nötigen Lebensmittel aufzuzählen. Nachdem alles verpackt und bezahlt war, verabschiedete er sich und schubste den jungen Mann aus der Tür.

Mist, er sollte ja freundlich sein, aber wie sollte er zu ihm freundlich sein?!

„Da, trag gefälligst auch was!“

Es klappte nicht.
 

Nero, der schon nicht über den Schubs erfreut gewesen war, nahm ihm die Hälfte mit einem Todesblick ab und stapfte wortlos von dannen.

Der Weißhaarige zerbrach sich den Kopf. Jetzt war er noch wütender und ihm fiel nichts ein, um ihn zu besänftigen. Vielleicht kam ihm ja auf dem Rückweg etwas in den Sinn. Warum machte er sich eigentlich so viele Gedanken? War doch egal, was die Alte meinte! Aber loslassen tat es Dante trotzdem nicht.

Schweigend lief er hinter Nero her, der ihre Fußstapfen zurückverfolgte. Zwar konnte er sein Gesicht nicht sehen, aber die ganze Haltung des Jungen schien seine Wut auszudrücken. Na vielleicht konnte er ja versuchen, ihn mit einem anständigen Abendessen zu besänftigen. Wenn er solange noch bleiben würde…
 

Er verkürzte den Abstand zwischen ihnen, pirschte sich langsam an ihn heran, sodass er es möglichst nicht bemerkte.

„Gehst du heute?“
 

Nero schrak zusammen und ließ fast seine Tüte fallen. Er war in Gedanken versunken gewesen und hatte Dantes Anwesenheit gar nicht gespürt.

„W-wo soll ich denn… Schmeißt du mich raus?“

War es nun zu Ende? Würde er jetzt seinem Tod gegenüber treten müssen und Dante nie wieder sehen? Der Schrecken zeichnete sich ganz offensichtlich in seinem Gesicht ab und überwog die Wut.
 

„Nein, aber ich dachte, du würdest lieber gehen, als in meiner Gesellschaft zu bleiben…Prinzessin“, er hatte es sich einfach nicht verkneifen können.
 

Der Blick des Weißhaarigen wurde düster.

„Der Prinz überlässt also die Prinzessin den Ungeheuern zum Fraß?!“
 

Ach die Dämonen, die hatte er ganz vergessen. Gleichzeitig musste der Ältere lachen, Nero begann mitzuspielen.

„Das wäre wohl sehr unritterlich von dem Prinzen!“
 

„Also ist der Prinz nun endlich gewillt, der Prinzessin zu helfen?“
 

Gefangen…er hatte ihn doch tatsächlich in seinem eigenen Spiel geschlagen.

„Wenn die Prinzessin in Gefahr ist, wird ihr der Prinz zu Hilfe eilen…“
 

Auf dem Gesicht des Jüngeren machte sich ein triumphierendes Lächeln breit. Dante verzog nur leicht den Mund und schubste ihn vorwärts.
 

„Hey!“, beschwerte er sich lauthals.

Beinahe wäre er im Schnee gelandet. Den Älteren interessierte es herzlich wenig und stapfte weiter, ohne noch einen Ton von sich zu geben. Nero war mit dem Ausgang ihres Streites ganz zufrieden und stimmte in das Schweigen mit ein.

Trotzdem kam ihm der Rückweg viel kürzer vor als der Hinweg, was wohl auf seine Laune zurückzuführen war.
 

Als sie die Hütte erreichten, dämmerte es schon und die Kälte war kaum noch auszuhalten. Der Jüngere stürmte hinein und stöhnte, als er feststellen musste, dass es drinnen genauso kalt wie draußen war.

Dante lächelte ein wenig schadenfroh und nahm ihm die Tüte ab. Er verstaute die Einkäufe und entfachte dann ein Feuer im Kamin. Nero hatte die ganze Zeit ungeduldig gewartet und verließ die Wärme nur einmal kurz, um etwas zu essen, etwas Warmes! Der ehemalige Dämonenjäger hatte sein stummes Besänftigungsversprechen wahr gemacht. Allerdings wurde es nur mit einem knappen ‚Danke’ gewürdigt, bevor der Jüngere wieder an den Kamin verschwand. So kalt konnte ihm doch gar nicht mehr sein! Wich er ihm etwa aus? Was hatte er denn jetzt schon wieder getan? Dante schob die Couch zum Kamin hin.

„Hey, mach dich mal aus dem Weg!“
 

Der Angemotzte funkelte ihn an, stand dann aber auf. Der Weißhaarige schob die Couch so nah an den Kamin, dass einem eine angenehme Wärme entgegenschlug, aber man nicht noch näher am Feuer sitzen konnte. Er legte sich auf die Couch und genoss die Hitze. Allerdings dauerte es nicht lange, bis ein angepisstes ‚Ey’ erklang.

„Ich hab da gerade noch gesessen!“
 

„Pech für dich, jetzt sitz ich hier. Das ist meine Hütte.“
 

„Ich will aber auch am Feuer sitzen!“, motzte er ärgerlich.
 

„Na dann leg dich zu mir und bring ne Decke mit“, gähnte Dante, der langsam müde wurde.
 

Nero funkelte ihn an, denn ‚auf mich’ war wohl die eigentliche Bedeutung, neben ihm war gar kein Platz. Aber trotzig schnappte er sich eine Decke, packte sich auf den Älteren und breitete die Decke über sie beide aus. Oh scheiße, war das schön! Dante war besser als jede Wärmflasche, wenn auch etwas härter, trotzdem nicht ungemütlich.

Er schloss die Augen und genoss das Heben und Senken seiner Brust und das triumphierende Gefühl ihm eins ausgewischt zu haben, denn der Weißhaarige hatte bestimmt nicht damit gerechnet, dass er seinem Vorschlag nachkam.

Sie dösten eine ganze Weile vor sich hin und keiner sagte ein Wort. Nero war schon kurz vor dem Einschlafen, als er merkte, wie ihm eine Hand durchs Haar fuhr.

„Hmmmh…“, entfuhr es ihm leise.

Es war eine ziemlich angenehme Berührung.
 

„Nero?“, erklang Dantes tiefe Stimme leise.
 

„Hm?“, er drehte den Kopf nach oben, um ihn anschauen zu können.

Da legten sich aus heiterem Himmel dessen Lippen auf seine. Er wurde vollkommen überrumpelt und wie ein Sturm fegte der Kuss alle Gedanken aus seinem Kopf und hinterließ nur Leere. So schnell, wie er gekommen war, war er auch wieder vorbei, aber Nero spürte die warmen Lippen immer noch und ein unbeständiges Kribbeln, das durch seinen Körper zuckte. Er drehte schnell den Kopf weg und starrte aufs Feuer. Was sollte er jetzt machen? Was sollte er jetzt sagen? Der junge Mann war total durch den Wind. Wie konnte Dante ihm das so seelenruhig antun? Ohne Erklärung…einfach so! Nero kniff die Augen zusammen und versuchte sich zu beruhigen. Nach einer Weile hatte er sich wieder im Griff.

„…Dante?“, fragte er unsicher.

Doch er bekam keine Antwort. Der Atem des Älteren ging so ruhig und gleichmäßig, er musste wohl schon schlafen. Also blieb ihm wohl auch nichts anderes übrig, auch wenn es ihm im Moment unmöglich erschien.
 

~Ende - Fortsetzung folgt~
 


 

So, ich hoffe sehr euch hat das Kapitel gefallen, denn ich hatte sehr mit ihm zu kämpfen. Ich hätte es zeitweise am liebsten zerrissen, zerfetzt usw. aber nun bin ich doch einigermaßen zufrieden damit.

Entschuldigt die lange Wartezeit, ich versuche mich zu bessern!^^

Macht bitte bei der Umfrage in der Beschreibung mit!
 


 

Ich hoffe wir sehen und beim nächsten Kapitel!

eure Lomea
 

Graue Erkenntnis

Nero glitt langsam aus dem Halbschlaf hinüber in einen wachen Zustand. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass er nicht aufwachen wollte, aber ihm fiel nicht ein warum. Auch fehlte etwas, eine Wärme, die bis vor kurzem noch da gewesen war. Schließlich entschloss er sich dazu ein Auge vorsichtig zu öffnen und realisierte, dass er immer noch auf der Couch vor dem Kamin lag. Alleine… Dante war nicht mehr da.

Dante…

Sofort schossen so viele unterschiedliche Gefühle und Gedanken durch ihn, dass er vollkommen überfordert war, auch nur einen Gedanken oder ein Gefühl zu fassen. Nichts wollte sich ordnen oder einreihen, alles wirbelte durcheinander und hinterließ ein furchtbares Chaos.

Was sollte er jetzt tun?

Wie sollte er Dante gegenübertreten?

Was hatte der Kuss für eine Bedeutung?

Ja, was hatte er für eine Bedeutung???

Er musste aufstehen, er konnte nicht mehr still sitzen. Nero begann um die Couch herum zu tigern, durch den kleinen Raum, ins Bad und wieder heraus. Dante war nirgendwo und kam auch nach einiger Zeit nicht wieder.

Was wenn er gegangen war?

Was wenn er ihn alleine zurück gelassen hatte?

Die Stille und Einsamkeit machten ihn immer nervöser und trieben ihn fast zur Verzweiflung. Irgendwann hielt er es nicht mehr aus und riss die Tür auf. Ein eisiger Wind schlug ihm entgegen und ließ ihn zittern. Aber die kalte Luft tat gut, brachte sie doch seine heißlaufenden Gedanken zum Stillstand.

Nero atmete tief ein und ließ dann langsam die Luft wieder aus seinen Lungen strömen. Er war durcheinander und wollte mit Dante sprechen.

Wollte er?

Ja, wollte er!

Nein, er wollte nicht!

Doch, er wollte…vielleicht.

Aber er hatte ja nicht mal die Chance dazu. Wo war der Blödmann nur abgeblieben? Er konnte sich doch nicht einfach aus dem Staub machen.

Der Weißhaarige trat nach draußen und schaute sich um.

Niemand zu sehen.

Nichts zu sehen.

Nur Schnee.

Er schloss die Tür und ging um die Hütte herum, schaute in alle Himmelsrichtungen, aber da war nichts. Seufzend ließ er sich in den Schnee sinken und schaute zum Himmel empor. Alles klar, keine einzige Wolke. Die Sonne wärmte sein Gesicht, der Schnee an seinem Rücken war kalt. Er schloss die Augen.
 


 

***
 

„…ro…“

„…ero…“

„…Nero…“

„NERO!!!“

Er schrak hoch und sah sich irritiert um. Er lag auf dem Sofa, das direkt vor dem Kamin stand, in eine dicke Decke eingewickelt. Er war nackt und ihm war kalt, schrecklich kalt.

„Hast du sie noch alle?! Wolltest du erfrieren? Wolltest du dich umbringen? Wie kannst du bei diesen Temperaturen im Schnee schlafen?!“, Dante war außer sich und schrie ihn fast an.

„Ich…“, sein Gehirn arbeitete nur sehr langsam.

Gedanken trieben träge umher und entglitten ihm immer wieder.

Er war nackt…das hieß…Dante hatte ihn ausgezogen…er hatte ihn nackt gesehen.

Die Schamesröte stieg dem Weißhaarigen ins Gesicht, ihm war die ganze Situation nun sehr unangenehm. Er wickelte sich noch enger in die Decke ein und bekam einen Zitteranfall.

„Mir ist…so schrecklich…kalt…“, brachte Nero leise hervor.

„Selbst Schuld!“, er hielt ihm eine Tasse hin.

Vorsichtig nahm der Weißhaarige sie entgegen und wärmte seine eiskalten Finger.

„Nun trink schon oder willst du warten, bis er kalt ist?“

Er schüttelte den Kopf und nippte vorsichtig an dem Tee. Dantes schlechte Laune musste er wohl jetzt ertragen, wahrscheinlich hatte er sie verdient… Wobei eigentlich war alles Dantes Schuld! Er hatte ihn geküsst und alleine und verwirrt zurückgelassen. Wo war er überhaupt gewesen?

„Wo warst du?“

„Spazieren“, kam die knappe Antwort.

„…U-und wa-rum?“, stotterte Nero unsicher.

Der Weißhaarige verdrehte genervt die Augen.

„Darf man hier nicht mal mehr einfach nur Spazieren gehen?!“

Darauf wusste er keine Antwort. Zumindest keine, die er sich traute laut auszusprechen.

Nein, nicht wenn man es tat, um jemanden aus dem Weg zu gehen!

Nein, nicht wenn man damit einer Antwort auswich!

Nein, nicht wenn man jemanden verwirrt und allein zurückließ!!!

Aber nichts davon sprach er aus. Eine betretene Stille machte sich breit und er fand keinen Weg sie zu brechen. Dante dagegen schien überhaupt kein Interesse daran zu haben. Abweisend hatte er sich auf die Couchlehne mit dem Rücken zu ihm gesetzt und starrte auf die Wand. Immer mehr Wut staute sich in Nero auf. Was sollte diese ganze Scheiße? Er hielt es einfach nicht mehr aus.

„Verdammt was soll das?! Du hast doch angefangen und jetzt tust du so, als sei ich der Schuldige!!!“, platzte es aus ihm heraus.

Der Angesprochene fuhr wie vom Blitz getroffen herum. Er öffnete den Mund und Nero machte sich auf eine böse Schimpfschikane gefasst, aber stattdessen schloss er den Mund wieder. Dante schenkte ihm nur einen abschätzigen Blick und drehte sich wieder um.

Dem Jüngeren blieb die Spucke weg. Was war das gewesen? Was sollte das??? Wollte er ihn verarschen? Hatte er jetzt vor, nicht mehr mit ihm zu reden und alles totzuschweigen, bis es irgendwann vergessen war??? So nicht! Nicht mit ihm!!!

„…Warum hast du mich geküsst?“, die Worte kamen einigermaßen gefasst aus seinem Mund.

Er glaubte zu sehen, wie Dante kurz zusammenzuckte, aber eine weitere Reaktion kam nicht. Er drehte sich nicht um, noch sagte er irgendeinen Ton. Langsam wurde Nero sein hitziges Gemüt zum Verhängnis. Ihm kam schon die Galle hoch, so sehr regte ihn das Verhalten des Älteren auf.

Mit einem Geduldsfaden von einem Nanometer Durchmesser packte er Dante an der Schulter und drehte ihn zu sich um. Doch der Blick, der ihm entgegenschlug, erschrak ihn zutiefst. Es war der Blick eines alten, grantigen Mannes, der ihn unbedingt loswerden wollte. Sofort ließ er seine Hand wieder sinken.

„Wenn du es unbedingt wissen willst. Ich hab dich einfach so geküsst, ohne jeglichen Grund. Es hat auch nichts zu bedeuten, denn du bedeutest mir rein gar nichts. Ich bin froh, wenn ich dich endlich wieder los bin. Du gehst mir so auf die Nerven, dass es kaum zum Aushalten ist!“

Jedes Wort traf Nero wie einen Dolchstoß mitten ins Herz.

…Er bedeutete ihm also nichts, er ging ihm nur auf die Nerven, der Kuss hatte keinen Grund…

Die Gedanken schwirrten durch seinen Kopf und gerieten immer mehr in Unordnung, bis nur noch ein einziges Chaos herrschte.

…Er bedeutet ihm…nur auf die Nerven…Kuss…ging ihm…Grund…hatte keinen…also…ihm…nichts…

Er warf Dante die Decke gegen den Kopf und sprang auf. In Windeseile zog er seine Klamotten an, die über dem Kamin hingen. Sie waren noch ein wenig klamm, aber das störte ihn im Moment nicht. Im Moment war alles egal, außer weg zu kommen, nur weg von diesem herzlosen Arschloch!!!

Der Weißhaarige rannte zur Tür, riss sie auf und stürzte sich in das weiße Nichts. Die Tür ließ er offen und schaute sich kein einziges Mal mehr um. Nur weg, so schnell wie möglich weg!
 


 

***
 

Schnee, überall nur Schnee. Bis zum Horizont alles weiß, in jede Himmelsrichtung. Was war hier nur im Sommer, im Frühling, im Herbst? Gab es hier überhaupt etwas anderes als Schnee? Aber eigentlich war das egal, alles egal!

Er rannte so schnell er konnte, aber es war anstrengend in dem tiefen Schnee. Es zerrte unheimlich an seinen Kräften. Schließlich fiel er in ein langsames Schritttempo. Sein Herz klopfte heftig und jeder Atemzug schmerzte. Die Kälte fraß sich nun in Windeseile in ihn und er wurde langsamer und langsamer. Jeder Schritt war so anstrengend, als hingen tonnenschwere Steine an seinen Füßen. Irgendwann kam er keinen Zentimeter mehr voran. Es gab keinen Grund mehr zu laufen, er war weg, allein in dieser weißen Hölle! Seine Beine gaben nach und er ging in die Knie.

Nero hob den Kopf und blickte in den Himmel. Grau… Alles Grau… Die Wolken hatten sich zu einer dichten Decke zusammengezogen und kein Sonnenstrahl erreichte die Erde. So sah es auch in ihm aus, grau und kalt. Aber warum? Warum nahm es ihn so mit? Er hätte ihm doch auch einfach eine Reinhauen können und dann wäre das Ganze abgeschrieben gewesen. Als Schuldausgleich hätte er ihm endlich die Dämonen vom Hals geschafft und dann wäre er seines Weges gegangen. Dante und er hätten sich nie wiedersehen müssen. Ohne größeren Ärger und Schmerz, ganz einfach eine Abmachung ohne große Bindung. Aber nein, er musste sich voller Emotionen reinhängen und jegliche Reaktion von dem Idioten für bares Gold nehmen, hinter allem eine besondere Bedeutung suchen.

Warum?

WARUM???

…Er hatte es nicht wahrhaben wollen, aber tief im Innern hatte er es schon lange gewusst. Zu lange, viel zu lange und es einfach nicht glauben wollen!
 

Er liebte Dante… Er liebte ihn…
 

Verzweifelt vergrub Nero sein Gesicht in den Händen. Wie hatte das passieren können? Diese Liebe hatte weder Sinn noch Zukunft. Dante hatte es ihm in aller Deutlichkeit klar gemacht und er war geflohen, weil er erkannt hatte, in was für einer Idiotie er sich verrannt hatte. Wie erbärmlich konnte man nur sein?! Er hatte abgestritten irgendetwas für den Weißhaarigen zu empfinden und gleichzeitig gehofft, dass er Dante auch ein Fünkchen bedeuten könnte. Nein, er war sogar noch weiter gegangen! Nach dem Kuss hatte sein Herz schon sehnsüchtig auf die drei Wörtchen gewartet. Er war so erbärmlich, so erbärmlich!

Wütend hieb Nero in den Schnee und schrie. Er schrie alles Leid und allen Schmerz heraus, dass sein blutendes Herz gerade empfand. Er krümmte sich im Schnee zusammen und wartete.

Auf was?

Auf nichts.

Der beste Gedanke schien ihm im Moment einfach hier in der Kälte zu erfrieren. Wenn es jetzt noch anfangen zu schneien würde, fände man ihn erst im Frühling. Dann würde Dante sehen, was er davon hatte.

Der Weißhaarige musste kurz auflachen. Jetzt wurde er noch erbärmlicher, nun hing er schon albernen Rachegedanken nach. Wahrscheinlich hatte er ihn auch nur geküsst, um ihm eins auszuwischen. Dante musste seine Blicke bemerkt haben. Wie erbärmlich…

Da flaute auf einmal ein Wind auf und trug ihm Laute ans Ohr. In der Luft lag ein Knistern und leises Flüstern.

Sie waren hier!

Sie waren gekommen, um ihn endgültig zu töten!

Die Gestaltwandler mussten ganz in der Nähe sein und er war angeschlagen und hatte schon vorher keine Chance gegen sie gehabt. Auf dieser weiten Fläche konnte er sich auch nirgendwo verstecken. Er musste fliehen, so schnell wie möglich! Wohin war egal, einfach nur weg von den grausigen Krallen.

Nero rappelte sich auf und stob los, die Panik trieb ihn voran. Immer wenn ein Windhauch sein Gesicht streifte, glaubte er die flüsternden Stimmen hören zu können. Es ließ ihn weiter rennen, über die Erschöpfungsgrenze hinaus. Wieder und wieder blickte er sich um und suchte nach den Silhouetten der zwei Dämonen. Er konnte sie nicht erblicken, aber er wusste sie waren da.

Das Atmen ging immer schwerer und schwerer, kaum noch Sauerstoff erreichte seine hungernden Lungen. Er konnte nicht mehr dagegen ankämpfen langsamer zu werden.

Schließlich fiel er in den Schnee. Verzweifelt versuchte Nero sich hochzustemmen, aber er konnte nicht mehr. Erst breitete sich eine drückende Stille um ihn herum aus, dann wurde es schwarz vor seinen Augen.
 


 

***
 

Dante hatte die kleine Hütte aufgeräumt und das Bad geputzt, mehr gab es bei dem wenigen Platz ja nicht zu tun. Nun stand er am Fenster und schaute hinaus. Seit Neros Verschwinden waren schon mehrere Stunden vergangen, aber ihm kam es vor, als wäre es gerade eben gewesen. Die Worte und Blicke des Weißhaarigen hatte er immer noch im Kopf, genau wie seine eigenen Worte.

Schämte er sich?

Er war sich nicht ganz sicher. Er wusste nicht, was ihn dazu getrieben hatte, ihm solche Dinge gegen den Kopf zu werfen. Eigentlich hatte er sich doch an seine Gegenwart gewöhnt und als angenehm befunden. Aber Nero hatte ihn aus der Fassung gebracht, die harschen Worte waren um seiner selbst Willen nötig gewesen! Was wäre sonst passiert?

Es begann zu schneien.

Schon am Abend zuvor war etwas passiert, was nie hätte sein sollen. Aber er hatte nicht anders gekonnt, so wie Nero sich verhalten, ihn angesehen hatte. Er war einfach nicht schlau daraus geworden. Was hätte er denn tun sollen? Die ganze Angelegenheit war ein Desaster, von Anfang an!

Es schneite heftiger.

Verdammt, er hatte alles falsch gemacht! Sowohl jetzt, als auch vorher.

Ob er es nochmal ändern könnte?

Nein.

Er hatte diesen Weg eingeschlagen und egal, was er sagen könnte, für ihn würde es nichts ändern. Er hatte einen Fehler gemacht und ihn wieder ausgemerzt. Es war gut so.

…Langsam müsste Nero doch zurückkommen, draußen hatte sich schon wieder ein Schneesturm entwickelt.

Dante schaute noch eine Weile aus dem Fenster, aber es war nichts zu erkennen. Er machte sich etwas zu essen und musste daran denken, dass der Junge ohne jegliche Mahlzeit abgehauen war.

Der Weißhaarige lief in der Hütte eine Weile auf und ab.

Er legte Holz nach und schürte das Feuer im Kamin.

Er ging wieder auf und ab.

Dante stellte sich ans Fenster und schaute hinaus. Draußen dämmerte es bereits und der Schneesturm hatte inzwischen nachgelassen, als ihn eine Erkenntnis traf.
 

„Er kommt nicht!“
 


 

~Ende – Fortsetzung folgt~
 

Nachwort:
 

So meine Lieben, hier ist endlich das 4. Kapitel. Ich denke das Ende wird euch nicht so passen XD Aber was sein muss, muss sein. Das 5. Kapitel ist auch schon in Arbeit und wird diesmal nicht so lange auf sich warten lassen. Ich versuche die Abstände auch immer weiter zu verkürzen. Ich gebe mein Bestes, aber ich will nicht, dass die Qualität leidet :D

Zum Bonuskapitel: ...Jaaaa, das wird es geben, aber erst, wenn es zeitlich passt.^^'

Ich hoffe euch hat das Kapitel gefallen und wir sehen uns beim Nächsten!
 

eure Lomea 8D

Saphirblaue Wärme

Nichts. Gar nichts. Keine einzige Spur konnte er finden. Der Schnee hatte alles unter sich begraben. Dante hasste ihn dafür. Bevor Nero aufgetaucht war, hatte er ihn geliebt, ihn und die Einsamkeit. Die Ruhe, die dieser Ort ausstrahlte, war für ihn erholsam gewesen. Und nun? Jetzt hasste er ihn! Die Stille, die Einsamkeit, den Schnee, die Kälte…einfach alles! Auch Nero – dafür, dass er ihm diesen Ort genommen hatte.

Die ganze Nacht hatte er am Fenster gestanden und gewartet, aber natürlich hatte der Junge kein Lebenszeichen von sich gegeben. Konnte er sich nicht denken, dass er sich Sorgen machte?! Bei der Kälte die Nacht draußen zu verbringen…er hatte doch keinen Ort, wo er sonst hin konnte.

Dante hatte keine Ahnung wie er die weißhaarige Nervensäge finden sollte. Wie er überhaupt irgendetwas finden sollte… Wenn überhaupt, vielleicht fand er auch nur noch seinen steifgefrorenen Körper. Dieser Gedanke ließ ihn erschauern und er schloss kurz die Augen. Wenn Nero tot war durch sein Verschulden, dann könnte er sich das nie verzeihen und nirgendwo mehr Ruhe finden. Aber er musste die Hoffnung behalten, der Junge war ja nicht blöd, vielleicht hatte er das Dorf wiedergefunden.

Da ihm auch kein anderer Ort einfiel, wo er noch nach ihm suchen konnte, machte er sich auf den Weg dorthin. Er hatte zwar auf der bisherigen Suche schon ein gutes Stück in die richtige Richtung zurückgelegt, aber es war immer noch ein weiter Weg. Ein quälend langer Weg, letztes Mal war er ihm viel kürzer und angenehmer erschienen. Ob das an Neros Anwesenheit gelegen haben mochte?

Das Dorf erreichte er mit gemischten Gefühlen. Es war so ziemlich seine letzte Hoffnung den Jungen zu finden und zum anderen wollte er sich nicht durchfragen. Lieber fing er bei der Alten an, die den kleinen Laden besaß und wenn die nichts wusste, musste er wohl in den sauren Apfel beißen. Er mochte die anderen Dorbewohner nicht besonders und sie mochten ihn nicht.

Dante betrat den Laden und schaute sich um, die Alte war nirgends zu sehen. Gerade wollte er nach ihr rufen, als sie aus einer Tür heraustrat.

„Ah gut, dass du kommst. Ich wollte gerade jemanden zu dir schicken.“

Verwirrt sah er die Frau an.

„Folge mir.“

Mit ungutem Gefühl schritt er hinter ihr her, raus aus dem Laden, über den Dorfplatz, vorbei an der kleinen Kirche, hinüber zum Dorfarzt.

„Ich habe ihn mitgebracht Roger, er kam gerade bei mir vorbei.“

„Hallo Dante“, grüßte er ihn kurz, aber nicht wirklich freundlich.

„Du kannst ihn nach hinten führen Marie. Ich komme gleich nach.“

Den Weißhaarigen beschlich immer mehr das Gefühl, dass hier etwas gewaltig nicht stimmte und er hatte den Drang einfach wieder zu seiner Hütte zu verschwinden. Doch er rang sich durch und folgte der alten Frau in ein Behandlungszimmer.

„Das ist doch der junge Mann, der dich bei deinem letzten Einkauf begleitet hat, nicht wahr?“, ihre Stimme klang ausdruckslos.

Dante erkannte ihn sofort, es reichte einen kurzen Blick auf das Bett zu werfen. Nur ganz langsam nickte er, er bekam keinen Ton heraus.

„Wir haben ihn vor circa einer Stunde in der Nähe des Dorfes gefunden. Er ist tot.“

Er hatte das Gefühl, als würde sein Herz aussetzen. Sein Atem stockte, es wurde still und ein Schmerz breitete sich ihn ihm aus, den er noch nie gefühlt hatte. Langsam zerquetschte er ihm sein Herz.

Dante schnappte nach Luft, er hatte den Atem angehalten. Immer noch bekam er keinen Ton heraus und schüttelte nur den Kopf. Das konnte nicht sein, es durfte nicht sein! Nero konnte doch nicht tot sein?!

…Es war seine Schuld…

…Seine Schuld!

Er hatte ihn umgebracht!

In ihm stieg die Verzweiflung hoch und sein Gesicht verzerrte sich in seelischer Pein. Tränen sammelten sich in seinen Augen, aber er verbot ihnen zu fließen. Er ballte die Hände zu Fäusten und schaute gen Boden. Eine Träne schaffte es doch seinem Auge zu entkommen und trat den Weg zur Erde an.

„Er ist nicht tot, aber er war kurz davor.“

Ungläubig riss der Weißhaarige den Kopf hoch und schaute die alte Frau an.

„John hat ihn gestern Abend halb erfroren im Schnee gefunden und ihn glücklicherweise noch rechtzeitig zu Roger gebracht.“

Sie machte eine kleine Pause, bevor sie weiter sprach.

„Du hattest es verdient und ich wollte sehen, ob er dir etwas bedeutet. Ich hätte dich in dem Glauben gelassen, wenn du mich nicht überzeugt hättest. Du hast den armen Jungen nicht gut behandelt!“

Die widersprüchlichsten Gefühle stoben durch ihn. Dante wusste nicht, ob er Marie umbringen oder umarmen sollte. Er tat nichts von beidem, sondern ging zu Nero ans Bett. Er atmete regelmäßig, von weiter weg hatte man es aber nicht erkennen können. Vorsichtig strich er ihm über die bleiche Wange, aber sie war warm. Der Junge regte sich kurz und drehte den Kopf ein wenig. Sofort zog der Weißhaarige seine Hand zurück. Er wollte ihn auf keinen Fall wecken. Im Moment konnte er sich ihm noch nicht stellen, er war sich nicht mal sicher, ob er es je tun könnte. Als er sich umdrehte und zur Tür schritt, betrat gerade Roger das Zimmer.

„Wo willst du denn hin?“

„Er ist ja nun in guten Händen. Ich gehe nach Hause.“

„Diesen Gedanken kannst du gleich wieder vergessen, Dante! Du wirst dich um ihn kümmern, zumindest das bist du ihm schuldig!“, Marie drückte klar aus, dass sie keinen Widerspruch duldete.

Der Weißhaarige fuhr sich mit seiner Hand durchs Gesicht. Die beiden verstanden die Situation nicht, Nero wollte bestimmt nicht, dass ausgerechnet er sich um ihn kümmerte. Ganz abgesehen davon, dass er sich nicht in der Lage dazu fühlte. Es würde doch alles nur noch schlimmer machen!

„Ihr könnt dann auch gleich euren Streit ausdiskutieren“, die alte Frau schaute ihn intensiv an und verließ dann den Raum. Der Arzt schaute noch einmal nach dem jungen Mann, bevor auch er ging und Dante allein mit der Stille und seinem schlechten Gewissen ließ.

Resigniert ließ er sich auf einen Stuhl fallen und starrte zum Bett hinüber. Was hatte er nur angerichtet?

Er fühlte sich auf einmal so müde und ausgelaugt. Die Sorge um Nero hatte ihm sehr aufs Gemüt geschlagen und die neue Situation machte es auch nicht gerade besser. Dante lehnte sich zurück und schloss die Augen. Was sollte nur werden?
 


 

***
 

Nero öffnete die Augen und sah sich mit einer weißen Decke konfrontiert. Vorsichtig drehte er den Kopf nach rechts und als nächstes fiel Dante in sein Blickfeld, der auf einem Stuhl in sich zusammengesunken schlief. Sein Herz machte einen schmerzhaften Hüpfer.

Er hatte ihn gefunden und wieder mit zu sich genommen.

Nein, nein… er sollte sich nicht darüber freuen. Er wollte ihn nicht sehen!

Der Weißhaarige wollte aus dem Bett steigen, um sich aus dem Staub zu machen, aber er scheiterte schon am Aufrichten. Sein Körper war schwer wie Blei und nur unter großer Anstrengung schaffte er es sich ein wenig hochzustemmen. Im gleichen Moment ließ er sich allerdings auch wieder aufs Bett sinken.

Was war nur los mit ihm? Er fühlte sich so kraftlos…

Nero tastete nach seinem Kopf, aber er konnte keine neue Verletzung finden, die Alte war schon so gut wie verheilt. Das konnte nicht der Auslöser sein. Er schaute sich um und nun wurde ihm klar, dass dies nicht die Hütte war und er diesen Ort nicht kannte.

Ein plötzlicher Zitteranfall schüttelte den jungen Mann. Vorher war sie ihm nicht bewusst gewesen, aber nun kroch die Kälte in seine Glieder und lähmte ihn. Ihm war schrecklich kalt.

Nero wickelte sich vollständig in die Decke ein, aber es änderte nicht viel.

Würde er nun doch erfrieren?

Da fiel sein Blick auf eine Thermoskanne die auf dem Nachtisch neben dem Bett stand. Der Weißhaarige stemmte sich hoch und streckte einen Arm nach der rettenden Wärme aus, allerdings gab sein anderer Arm nun unter dem vollen Gewicht nach und er landete hart auf dem Boden. Wie sollte er nur je wieder ins Bett kommen, wenn er schon zu schwach war, um sich einfach nur hochzustemmen? Er hasste es die Kontrolle über seinen Körper zu verlieren.

„Was machst du da schon wieder für nen Scheiß?!“

Natürlich kam es noch schlimmer, Dante war aufgewacht. Er kam zu ihm herüber und legte einen Arm um seinen Oberkörper und den Anderen um seine Beine. Nero versuchte ihn wegzudrücken, aber erfolglos. So landete er wieder mit seiner Decke im Bett.

Er hatte es vermieden den Älteren anzuschauen, er konnte einfach nicht. Er fühlte sich so hilflos, so erbärmlich… Der Weißhaarige legte seinen Arm über die Augen, um sein Gesicht zu verbergen.

„Hey, ist dir schlecht?“

//Ich hab den Arm vor den Augen, du Idiot!!!//

„Was wolltest du eigentlich mit dieser Aktion bezwecken?“, wechselte Dante das Thema.

Im Moment konnte er nicht antworten, aber bevor noch mehr Fragen kommen würden, zeigte er auf die Thermoskanne. Der Andere seufzte, sagte aber nichts weiter dazu, sondern füllte ihm eine Tasse mit Tee. Vorsichtig richtete Nero sich in eine sitzende Position auf und nahm das heiße Getränk entgegen, immer noch ohne ihn anzusehen. Allerdings stellte es sich doch schwerer heraus, als gedacht, seine Hand zitterte so sehr, dass er beinahe den Tee verschüttete. Sofort nahm der Weißhaarige ihm die Tasse wieder ab und hielt sie ihm vor den Mund. Der junge Mann kniff die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf. Niemals würde er sich von Dante den Tee einflößen lassen.

„Jetzt hör schon auf! Führ dich nicht wie ein bockiges Kind auf!“

„Ich will aber nicht! Gib mir die Tasse!!!“

„Du kannst sie doch gar nicht festhalten!“

„Kann ich wohl!“

„Nein, weil du wie ein Irrer in den Schnee losgerannt bist, ohne Plan wohin und fast erfroren wärst!“

Nun reichte es Nero endgültig! Sollte er jetzt an allem schuld sein? Genau das bezweckte Dante doch gerade, er wälzte alle Schuld auf ihn ab. Dabei war er es doch! Er hatte ihm Hoffnung gegeben und dann fortgestoßen, sein Herz zerstückelt. Wegen ihm ging es ihm schlecht, wegen ihm ging es ihm gut… Er war doch der Böse!

„…Doch nur wegen dir! Du hast so furchtbare… Du hast mir wehgetan…“, er sprach ganz leise und zögerlich.

Dem Älteren nahm es den Wind aus den Segeln, man konnte sich viel besser aufbauschen, wenn der Andere auch auf einen losging. Aber noch wollte er nicht aufgeben, er hatte immer noch keine Antwort gefunden.

„Du hast dich mir auf einmal aufgedrängt und ich musste mit der neuen Situation klarkommen! Was hast du denn erwartet?!“

„Dass du dich freust!!!“, schrie er nun doch.

„Ich hatte gehofft, du würdest dich genauso wie ich über unser Wiedersehen freuen! Aber stattdessen wolltest du mich sofort rausschmeißen und hast mich beschimpft. Auf einmal hast du dann deine Meinung geändert und von da an, wusste ich überhaupt nicht mehr woran ich bin! Dein Verhalten ist so widersprüchlich, erst küsst du mich und dann haust du mir solche Sachen an den Kopf, woher soll ich denn da wissen, ob du auch was für mich empfindest oder ob nur ich dich liebe?!“

Als er merkte, was er gerade gesagt und dabei Dante auch noch in die Augen gesehen hatte, wurde er ganz bleich, drehte sich so schnell wie möglich weg von ihm und zog sich die Decke über den Kopf! Wie hatte er ihm nur seine Liebe gestehen können und dann auch noch in so einer Situation?!

Der Mann stand nun wie erstarrt da, Nero hatte ihn komplett überrumpelt. Hatte er das wirklich gerade gesagt? Hatte er wirklich gesagt, dass er ihn liebte? Konnte es Wirklichkeit sein? Aber er hatte es ganz klar gehört und die Reaktion des Weißhaarigen sprach auch dafür. Er streckte seine Hand aus und zuppelte vorsichtig an der Decke herum, sofort wurde sie fester gepackt. So einfach würde er wohl nicht an ihn herankommen.

„Nero, hey! Kommst du mal raus?“, fragte er mit sanfter Stimme.

Doch der reagierte nicht, nur ein leichtes Rascheln könnte ein Kopfschütteln gewesen sein.

„Komm schon, ich will mit dir reden.“

Sinn hatte es allerdings nicht, der Weißhaarige weigerte sich immer noch auch nur eine Haarspitze von sich zu zeigen. Er musste wohl zu anderen Mitteln greifen. Dante begann sanft, fast liebevoll, über die Schulter und wo er sein Gesicht vermutete, zu streichen. Dies schien endlich erfolg zu zeigen, da Bewegung in den jungen Mann kam. Er wand sich ein wenig unter der Decke und schlug sie schließlich zurück.

„Verdammt, hör auf damit!“

Er musste grinsen, endlich hatte er es geschafft Nero aus der Reserve zu locken. Zwar drehte er ihm immer noch den Rücken zu, aber es war zumindest ein Fortschritt.

„Drehst du dich zu mir um?“

„Nein!!!“, kam die prompte Antwort.

Damit hatte Dante schon gerechnet, er ließ sich aber nicht abschrecken und strich ihm durchs Haar.

„I-ich hab doch gesagt, dass du das lassen sollst!!!“

„Wenn du dich zu mir umdrehst“, er grinste und ließ nicht von ihm ab.

Ruckartig wälzte sich Nero herum und begann als Erstes zu zittern. Die Anstrengung war zu viel gewesen und er fühlte sich noch elender als zuvor. Er rollte sich ein wenig zusammen und blieb starr liegen.

„Ich möchte nur wissen, ob du es wirklich ernst gemeint hast“, er hockte sich neben das Bett.

Der Weißhaarige verzog das Gesicht und fühlte sich noch ein wenig schlechter. Warum musste er ihn das ausgerechnet fragen? War es nicht schon schlimm genug? Musste er sich jetzt auch noch über ihn lustig machen???

„Ja…“, antwortete er leise und resigniert.

Jetzt konnte er sich den Spott anhören oder er würde ihn endgültig verabscheuen. Doch statt Worten spürte er Dantes Finger, die über seine Wangen fuhren.

„Warum machst du das?“, fragte er verzweifelt und schaute ihm in die Augen.

Der Ausdruck in seinem Gesicht verwirrte Nero endgültig. Da war gar keine Abscheu zu sehen, auch kein Hohn oder Mitleid, er war weich, vielleicht sogar liebevoll. Dann legten sich auf einmal die Lippen des Anderen auf seine. Er glaubte, er müsse sterben. Seine Gefühle purzelten alle wild durcheinander und hinterließen ein furchtbares Chaos. Die zarte Liebkosung seiner Lippen löste gleichzeitig das größte Glück und die größte Verzweiflung in ihm aus. Nero konnte es nicht verhindern, die Tränen flossen einfach seine Wangen entlang und ein Schluchzer entrang sich ihm.

„Du bist ein seltsamer Kerl! Heulst, wenn du von dem geküsst wirst, den du liebst…“

Erneut versteckte er sich hinter seinem Arm, um sein Gesicht vor Dante zu verbergen.

„Ich halt es nicht mehr aus! Wenn du weiter mit mir spielst, sterbe ich!“, schluchzte er.

Der Weißhaarige seufzte.

„Du verstehst aber auch gar nichts…“

Er zog Neros Arm von seinem Gesicht und küsste ihn noch einmal solange bis die Tränen versiegten. Fast widerwillig löste sich der Ältere von dem Anderen und trat ein paar Schritte zurück. Eine etwas peinliche Stille entstand, da keiner wusste, wie er mit der Situation umgehen sollte. Der süße Geschmack des Glücks lag noch auf ihren Lippen und doch spürten beide die schwere Last, die diese Veränderung mit sich brachte.

„Ähm… am besten schläfst du jetzt. Du fühlst dich sicherlich noch sehr schwach“, Dante überlegte, ob er gehen sollte oder nicht.

„Mir ist kalt…“, kam es zögerlich von dem jungen Mann.

Er schaute ihm nicht in die Augen, sondern starrte auf das Bettlaken.

„Willst du Tee?“

Er schüttelte den Kopf und rückte langsam an den anderen Rand des Bettes. Der Weißhaarige stand da und schaute zu ihm herüber. Die Unsicherheit war seinem Gesicht deutlich abzulesen.

„V-verstehst du nicht?“

„Doch“, Dante bewegte sich weiterhin keinen Zentimeter.

Nero zuckte zusammen. Er wies ihn ab, er hatte zu viel verlangt…

„Ich…“, langsam Schritt für Schritt ging er zum Bett hinüber.

Davor blieb er stehen. Der Jüngere hielt den Atem an, doch schließlich legte er sich zu ihm. Die Atmosphäre war so angespannt, dass er das Gefühl hatte ersticken zu müssen.

„Ich…“, Dante strich ihm durch die Haare und übers Gesicht und zog ihn dann in seine Arme.

Der Satz blieb unbeendet. Was hatte er wohl sagen wollen? Aber er war bei ihm oder nicht? Nero fühlte die angenehme Wärme des Anderen, die seine Kälte vertrieb und die Schwäche ertragbar machte. Er vergrub sein Gesicht an Dantes Brust und atmete seinen Duft ein. Glücklich, er war glücklich…
 


 

~Ende – Fortsetzung folgt~
 

Nachwort:
 

Jetzt ist es doch ein Tag später geworden, aber ich hoffe ihr verzeiht es mir! :D

Ich hoffe das Kapitel und die Entwicklung hat euch gefallen. Diesmal kein gemeiner Cliffhanger! Extra für euch, mir wäre noch einer eingefallen XD

Damit wünsche ich euch ein frohes neues Jahr! *mit Glückskeksen werf*

Bleibt mir treu
 

eure Lomea
 

Schwarze Stille

Dante konnte nicht weiterschlafen, es war so warm. Allerdings wollte ihm nicht einfallen warum, es war doch Winter. Er öffnete die Augen und schlagartig kehrten alle Erinnerungen zurück, die er fortgeschoben hatte. In seinen Armen, fest an ihn gekuschelt, lag Nero und schlummerte friedlich vor sich hin. In dem Weißhaarigen stieg ein Hauch von Panik auf. Er musste sich gestern in geistiger Umnachtung befunden haben! Anders war seine Dummheit nicht erklärbar. Am liebsten würde er ihn einfach von sich stoßen und fliehen, am besten sehr weit weg. Er würde schon eine neue Hütte finden! Es gab schließlich genug einsame Dörfer, die noch einsamere Hütten in der Umgebung hatten. Gar kein Problem, er würde schon alles wieder hinkriegen. Allerdings musste er erst einmal unbemerkt aus diesem Haus verschwinden und dabei stellte Nero ein ziemlich großes Hindernis dar. Wie sollte er sich, ohne dass er aufwachte, aus der Umarmung befreien?

Das Schuldgefühl war immer noch da, beinahe wäre er für den Tod des jungen Mannes verantwortlich gewesen. Dante war froh, dass er lebte, aber alles Weitere war zu viel. Was hatte ihn nur geritten?

Die Tür ging auf und Roger betrat den Raum. Der Weißhaarige zuckte zusammen. Er war so in Gedanken gewesen, dass er ihn gar nicht hatte kommen hören.

„Hm…“, der Arzt schaute auf das Bett in dem die beiden Männer eng umschlungen lagen.

„Halt die Klappe und geh wieder raus!“, knurrte er wütend.

„Ich habe mir ja fast schon gedacht, dass es so eine Beziehung zwischen euch ist.“

„Was hast du an Klappe und raus nicht verstanden?“

Dante wollte, dass er verschwand! Die Situation war eh schon peinlich genug und Nero begann sich langsam zu regen.

„Ich wollte nur nach meinem Patienten schauen, aber dem scheint es ja gut zu gehen. Sag mir Bescheid, wenn er wach ist.“, damit verließ er das Zimmer wieder.

Gerne hätte er ihm noch etwas Gepfeffertes hinterher gerufen, aber er wollte einen gewissen jemand nicht endgültig aufwecken. Dieser stieß einen Seufzer aus und vergrub das Gesicht an seiner Brust. Irgendwie war er ja niedlich… wahrscheinlich hatte er auch deswegen gestern nachgegeben. Aber es ging nicht, es ging einfach nicht! Nero hatte ihm gesagt, dass er ihn liebte. Was sollte er nur tun?

 
 

***
 

 

Nero wollte nicht aufwachen. Im Moment war er glücklich und er fürchtete die Probleme, die auf ihn zukommen würden. Aber schon allein, dass er daran dachte, bewies, dass er am Aufwachen war. Auch das Gefühl der Geborgenheit und der Wärme fehlten. Er öffnete die Augen, Dante war nicht mehr da. Wahrscheinlich hatte sein Gehen ihn geweckt. Ob er wiederkommen würde? Was wenn er das gestern nicht ernst gemeint und ihn zurückgelassen hatte?

Diese schwächlichen Gedanken widerten ihn an. Warum war er so schwach? Warum klammerte er sich so sehr an den Weißhaarigen? Laute Stimmen drangen plötzlich an sein Ohr. Er konnte Dantes erkennen, er stritt sich mit jemandem, aber er verstand nicht worüber. Bis seine Stimme auf einmal so laut durch das Haus hallte, dass er ihn gar nicht überhören konnte.

„Hör auf mit deinen dämlichen Schuldzuweisungen!“, dann wurde die Tür aufgerissen, Schnell schloss er die Augen und tat als würde er schlafen.

„Was hast du jetzt vor?“, Marie war auch anwesend.

„Weg von hier, ihr geht mir auf die Nerven!“

„Was ist mit dem Jungen?“

„Was soll mit ihm sein, ich nehme ihn mit!“

„Willst du ihn umbringen, er ist immer noch sehr geschwächt! Du kannst ihn nicht durch den Schnee schaffen und dann in diese armselige Hütte bringen!“, polterte Roger.

Den Anderen schien es nicht zu interessieren, denn er wurde in seine Decke gewickelt und hochgehoben. Nero wagte es nicht die Augen zu öffnen, er fürchtete sich davor in diesen Disput hineingezogen zu werden. Er wollte lieber hier bleiben als in die kalte Hütte zurückzukehren. Allerdings würde er es nicht ertragen, wenn Dante ohne ihn gehen würde.

„Leg ihn wieder hin!“

„Aus dem Weg, Roger!“, knurrte der Ältere bedrohlich.

Anscheinend machte der Arzt ihm Platz, denn er setzte sich mit ihm in Bewegung. Eine Tür wurde aufgestoßen und die Kälte biss nach ihm. Es war windstill und er spürte keine wärmenden Sonnenstrahlen auf seiner Haut. Es musste bewölkt sein. Ob er es bis zur Hütte schaffen würde? Er würde sich sicherlich nicht die ganze Zeit tragen lassen, wenn sie aus dem Dorf raus waren, lief er alleine weiter. Es war sowieso schon peinlich genug, aber nur so hatte er den Bonus des schlafenden Unwissenden!

So an Dante gedrückt konnte er seinen Herzschlag hören, er hatte etwas sehr beruhigendes. Das regelmäßige Schlagen schickte ihn, ohne dass er es merkte, zurück in tiefen Schlaf.

 
 

***
 

 

Dante hatte das Dorf gerade verlassen, als eine Stimme ihn zum Warten aufforderte. Aber er dachte gar nicht daran, die sollten ihn gefälligst in Ruhe lassen!

„Bleib endlich stehen, du Hund! Eine alte Frau so rennen zu lassen!!!“

Schließlich hatte er doch Erbarmen und drehte sich zu Marie um, die mit einem riesigen Rucksack auf ihn zukam.

„Was willst du? Ich habe nicht vor zurückzugehen!“

„Das ist mir klar, du Sturkopf! Aber nimm wenigstens diese Sachen, damit deine Sturheit euch nicht beide umbringt!“

Die alte Frau fackelte nicht lange und half dem Weißhaarigen den Rucksack aufzusetzen, ohne dass er Nero dafür in den kalten Schnee legen musste. Er konnte sich nicht vorstellen, was sie dort alles hineingepackt hatte, da er sicherlich fast so schwer wie der Mann in seinen Armen war. Einen Moment zögerte er, bevor er sich dann doch bei Marie bedankte. Später hätte er es bestimmt bereut, wenn er ihre Hilfe nicht angenommen hätte.

„Kümmere dich um ihn, er tut dir gut! Allerdings heißt das nicht, dass du ihm auch gut tust!“, missbilligend schaute sie ihn an.

„Ich passe auf ihn auf!“, damit drehte Dante sich um und ging.

Schritt für Schritt für Schritt… Immer weiter entfernten sie sich von dem Dorf. Es war anstrengend bei dieser beißenden Kälte und den zwei Gewichten durch den Schnee zu stapfen. Wenigstens hielten sie ihn im Gleichgewicht.

Er hatte bestimmt erst die Hälfte des Weges geschafft, als sich Nero zu regen begann. Eigentlich war es ihm ganz recht, wenn er aufwachte. Er war schwer! Der unangenehme Moment würde sowieso kommen, also warum nicht bevor er zu müde war. Der Jüngere wand sich ein wenig hin und her, bevor er schließlich die Augen öffnete.

„Was?...Wo?...“

Erst schien er verwirrt zu sein, aber sich dann orientieren zu können. Hatte er doch etwas von dem Streit und dem schnellen Aufbruch mitbekommen?

„Gut, endlich bist du wach. Dann kann ich dich huckepack tragen. Du bist ganz schön schwer!!!“

Ungläubig schaute er ihn an, sein Mund öffnete sich, schloss sich dann aber wieder und sein Blick wurde böse.

„…Lass.Mich.Sofort.Runter! Ich laufe!“

Belustigt schüttelte Dante den Kopf.

„In deinem Zustand? Vergiss es! Du kommst keine fünf Meter weit! Außerdem bist du ein Mann, also kann ich dir ruhig sagen, dass du schwer bist und dich huckepack tragen. Oder willst du wieder wie eine Prinzessin behandelt werden?“

„Will ich nicht! Ich will überhaupt nicht getragen werden, also lass mich gefälligst runter!!!“

Langsam richtig wütend, begann er zu strampeln und sich gegen den Weißhaarigen zu wehren. Da Nero immer noch schwach und angeschlagen war, war es kaum der Rede wert, aber es fing an ihn zu nerven. So ließ er ihn kurzerhand hinuntergleiten und als er auf seinen zwei Füßen stand, ließ er ihn los. Allerdings blieb dieser nicht stehen, sondern sackte in den Schnee. An seinem Gesichtsausdruck konnte man deutlich erkennen, dass er es nicht fassen konnte, dass ihm seine Beine nicht gehorchen wollten.

„Siehst du!“

Wenn er an der Situation nicht schuld gewesen wäre, dann hätte er jetzt gelacht. Aber es war schon fast tragisch den Jungen in so einem schwachen Zustand zu sehen.

„Das war nur weil ich nicht drauf vorbereitet war!“

Er versuchte sich hochzustemmen, aber es wollte ihm einfach nicht gelingen.

„Nero, du gibst gerade ein erbärmliches Bild ab. Komm, lass es gut sein! Dir muss doch auch eisig kalt sein!“

Er trug nicht mal Schuhe, nur Socken. Hoffentlich kam er endlich zur Vernunft und ließ sich brav weitertragen. Dante schnallte sich den Rucksack auf die Brust und kniete sich dann vor den Jungen hin, damit er ohne Probleme auf seinen Rücken klettern konnte. Erst passierte nichts und er dachte schon, dass er zu radikaleren Mitteln greifen musste, als der Andere doch nachgab. Schwankend erhob sich der Weißhaarige und stapfte weiter. Er konnte spüren, wie der Andere leicht zitterte, die Kälte hatte also doch gesiegt. Aber sagen tat er nichts, so verstrichen schweigend die nächsten Minuten, in denen nur ihr Atmen und das Knirschen seiner Schritte zu hören war.

 

„Hasst du mich?“

Warum fragte er ihn das aus heiterem Himmel? Sie hatten sich doch bis gerade eben still darauf geeinigt den gestrigen Tag zu vergessen. Es wäre ihm zumindest lieber gewesen.

„Nein“, antwortete er schlicht und einfach. Es war ja auch die Wahrheit.

Er hatte erwartet, dass noch etwas kommen würde. Aber Nero blieb still und nach einer Weile änderte sich sein Atem. Er war wieder eingeschlafen.

 
 

***
 

 
 

Es war still. Unheimlich still. Kein Wind wehte, kein Schnee fiel. Selbst die Hütte, die sonst immer ein Geräusch von sich gab, schien verstummt zu sein. Dante stand in der Tür und fragte sich, was in seiner Abwesenheit geschehen war. Nichts Offensichtliches hatte sich verändert und doch war dort diese Stille, die nicht hierher gehörte. Er stand im Türrahmen und konnte sich nicht rühren. Eine Angst beschlich ihn, etwas war falsch.

Ein Zischen…

Nein, das musste er sich eingebildet haben. Sicher hatte Nero im Schlaf geseufzt. Er machte einen Schritt nach vorne, das Holz knarrte unter seinen Füßen und das ungute Gefühl verflog. Der unheimliche Moment war vorbei. Der Weißhaarige legte den Jungen auf der Couch ab und ließ den Rucksack daneben fallen.

„Du wirst alt, Dante!“, sagte er sich selbst.

Nun bildete er sich schon imaginäre Bedrohungen ein, die von der Hütte ausgingen. Er hockte sich vor den Kamin und entfachte ein Feuer. Endlich strömte wieder Wärme durch den Raum und damit auch Leben. Nero regte sich auf der Couch und gab ein Seufzen von sich, aber wachte nicht auf. Das beruhigte ihn ein wenig. Er hatte ihn zwar wieder mit zu sich genommen, doch er wusste nicht wirklich, was er mit ihm anfangen sollte. Denn auf sein Liebesgeständnis hatte er nicht vor einzugehen. Seine Schwäche gestern war ein Fehler gewesen und er musste das Missverständnis schleunigst aus der Welt schaffen. Aber obwohl er diesen Entschluss gefasst hatte, zögerte etwas in ihm und er war froh, dass Nero noch schlief. Was hielt ihn nur immer wieder davon ab, ihn endgültig vor die Tür zu setzen und sich selbst zu überlassen? Er konnte den Grund nicht benennen oder wollte er nur nicht?

 
 

***
 

 

Nero war schon seit geraumer Zeit wach. Hatte es aber lieber gelassen, den Anderen davon in Kenntnis zu setzen. Er wartete. Worauf? Darüber war er sich auch nicht ganz im Klaren. Vielleicht auf eine Erkenntnis, die ihn Dante besser verstehen ließ. Wenn er mit ihm sprach, war ja nichts aus ihm herauszubekommen. Vielleicht war es anders, wenn er sich unbeobachtet fühlte. Doch bisher war nicht viel passiert. Er saß auf einem Stuhl und schaute aus dem Fenster. Zumindest vermutete er dies. Er hatte sich nicht mehr getraut, als ganz kurz ein Auge einen Spaltbreit zu öffnen. Er hätte ihn schließlich anschauen können, aber das war wohl eher Wunschdenken. Der Andere tat nichts, nichts was ihm die Möglichkeit gab, ihn besser zu verstehen.

Es half wohl alles nichts, er musste ihn fragen. Doch was, wenn er ihn dann wieder abweisen würde? Aber diese Ungewissheit hielt er auch nicht mehr aus. Nero richtete sich auf und betrachtete den Anderen. Vielleicht schlief er auch, er drehte sich nicht zu ihm um.

„Dante?“

„Ja?“, er schaute ihn nicht an.

Ein Gefühl von Angst stieg in ihm hoch. Eine Vorahnung, eine Vermutung von dem, was kommen würde. Er öffnete den Mund, um seine Frage zu stellen. Aber kein Wort wollte über seine Lippen kommen, nur ein Krächzen. Er räusperte sich und schluckte. Es konnte doch nicht so schwer sein, eine simple Frage zu stellen. Nur zögerlich bildeten sich die Laute, die ausdrückten, was so schwer auf seinem Herzen lag.

„Ich wollte wissen… ob du auch Gefühle für mich hast?“

„Welchen Anlass habe ich dir gegeben mir diese Frage zu stellen?“

Nero erstarrte. Dieser Satz traf ihn Mitten ins Herz. Es tat weh. Furchtbar weh. Ihm wurde schlecht und er wollte sich übergeben. Und nicht nur das, am liebsten hätte er sich in einem dunklen, kleinen Raum zusammengekauert und hemmungslos geweint.

Aber er gab nicht nach, er war kein schwaches Häufchen Elend und ließ sich auch nicht dazu machen. Er betäubte den Schmerz mit seiner Wut. Er hatte genug!

„Du fragst nach dem Anlass? Der Anlass bist DU! DU SPIELST MIT MIR! STÄNDIG ÄNDERST DU DEINE MEINUNG! NIE WEIß ICH WORAN ICH BIN! UND JETZT SAGST DU MIR DAS?! DU BIST EIN HERZLOSER BASTARD!!!“

Nun wurde aber auch Dante sauer.

„Wenn du mich so unerträglich findest, dann geh doch! Hau ab!“

Den Jüngeren traf es zutiefst, er hatte ihm seine Gefühle gegeben und er trat sie mit Füßen. Er wollte hier nicht mehr bleiben, er hielt es bei ihm nicht mehr aus. Lieber den Gestaltwandlern in die Arme laufen, als sich weiter in diesem trügerischen Spiel zu verheddern. Mühsam stemmte er sich hoch und kam auf die Beine.

„Ich erfülle dir deinen Wunsch und verschwinde! Ich lass mich lieber von diesen Viechern töten, als länger hier zu bleiben!“

„Nero…“

„Was?! Oder wie wär‘s, wenn du es tust? Dann habe ich es wenigstens schneller hinter mir. Und für dich wäre es doch sicher kein Problem, Mann ohne Herz!“

„Jetzt halt doch endlich die Klappe!“

Dante schubste ihn zurück auf die Couch und begrub ihn unter sich. Er packte sein Kinn und drängte ihm einen unsanften Kuss auf. Nero wehrte sich mit aller Kraft, kam aber nicht gegen ihn an.

Dieser verdammte Arsch!

Er schnappte nach Luft, als der Andere den Kuss löste. Bevor er aber auch nur einen Ton des Protestes hervorbringen konnte, küsste Dante ihn erneut und diesmal schob er zusätzlich seine Hände unter sein Oberteil.

Er verstand überhaupt nichts mehr. Er wollte es auch nicht verstehen. Wie konnte er ihm das antun? Hasste er ihn so sehr? Trieb er deswegen dieses grausige Spiel mit ihm? Er hatte sich nach einer Berührung verzehrt, hatte es sich sehnlichst gewünscht. Aber nun war jede eine unendliche Qual.

Dante biss in seinen Hals, während eine Hand forsch über seine Brust fuhr und die andere sich einen Weg nach unten bahnte. Er griff ihm zwischen die Beine und Nero biss sich auf die Lippe.

Keinen Ton würde er von ihm hören, keinen einzigen Ton.

Verkrampft lag er da mit zusammengekniffenen Augen und seine Zähne gruben sich so tief in die Unterlippe, dass er Blut schmecken konnte.

Er war zu schwach, er konnte sich nicht gegen ihn wehren. Wie viel würde er noch erdulden müssen? Wann war es vorbei? Wann war sein Herz nur noch ein Scherbenhaufen und er eine gefühllose Hülle? Wann hörte dieser Schmerz in seiner Brust auf?

 

„Scheiße!“

 

Die Hände, Lippen und das Gewicht verschwanden von ihm. Eine Tür knallte. Er wusste nicht, ob es die Eingangs- oder Badtür gewesen war. Aber es war auch egal, er wollte Dante nicht mehr sehen.

Er legte den Arm über seine Augen.

Er wollte gar nichts mehr sehen. Noch nie hatte er sich so verraten gefühlt. Eine einzelne Träne rann über sein Gesicht. Mehr wollten nicht kommen, der Schmerz war zu groß.

Doch da fing es draußen an zu schneien. Der Himmel vergaß für ihn die tausend Tränen, die er nicht weinen konnte. Bittere, eisige Tränen. So kalt wie sein Herz.

 
 

***
 

 

Die Nacht war still, sie war in eisiges Schweigen gehüllt. Als würde sie das Innere der kleinen Hütte widerspiegeln. Rasch und leise fielen die Schneeflocken zu Boden. Kein Wind wirbelte sie durch die Luft, stob nicht durch sie hindurch und brachte ihr komplexes Gerüst durcheinander. Schneeflocke um Schneeflocke türmte sich auf, bis sie die Welt unter sich begraben hatten oder die Frühlingssonne sie dahinschmelzen ließ.

Zwei Schatten standen auf einem Hügel nicht weit entfernt und schienen zur Hütte zu blicken. Auch sie waren in Schweigen gehüllt und doch waren sie nicht still. Jedes Mal, wenn eine Flocke auf einem Fleckchen ihrer Haut landete, erklang ein leises Zischen. Wie bei einem Wassertropfen, der auf eine heiße Herdplatte fiel.

 
 

~Ende – Fortsetzung folgt~
 


 

Flammendrote Bedrohung

Das prasselnde Feuer wärmte seine Glieder, sollte es zumindest. Aber die Wärme kam nicht an. Sein Körper blieb kalt. Schwer und kalt. Dante schämte sich. Etwas, was er bisher kaum getan hatte, vielleicht auch nie. Eher nie. Er war nicht der Typ, der sich für seine Taten schämte. Aber diesmal tat er es und es war eine bittere Erfahrung. Wie hatte er nur die Kontrolle verlieren können? Er hatte doch einen Schlussstrich ziehen wollen und dann hatte er sich von Nero derart aus der Fassung bringen lassen. Er hatte doch keine Ahnung und warf ihm einfach diese Dinge an den Kopf. Er hatte es nicht ertragen. Doch das war keine Entschuldigung für sein Verhalten, auch nicht, dass er ihm noch viel Schlimmeres hätte antun können. Eine Sicherung war herausgesprungen. Zum Glück war Dante wieder zu sich gekommen, sonst hätte er den Jungen womöglich vergewaltigt. Das Wort schmeckte sehr bitter und verstärkte seine Schuldgefühle.

Der Mann fuhr sich verzweifelt durch die Haare. Er musste etwas ändern und zwar sofort! Er verlor immer mehr die Kontrolle. Wenn es doch nicht wäre, dann wäre vielleicht alles anders. Ja, dann wäre alles anders. Nero wäre nie hergekommen. Sie hätten sich nicht getroffen. Das wäre besser. Wäre, wäre, wäre… Alle Gedanken taten weh. Es gab keine Ruhe für ihn.

Seine Brust schmerzte, er strich über die Stelle. Es lachte ihn aus. Keine Ruhe. Etwas tun, er musste etwas tun. Seine Finger krallten sich in den Stoff seines Oberteils. Es schnitt ihm die Luft ab. Das Atmen fiel schwer. Langsam wurde es dunkel vor seinen Augen. Würde er ersticken?

Dann war der Anfall auf einmal vorbei. Hektisch füllte er seine Lungen mit Sauerstoff. Er konnte den Hohn spüren. Er wusste nicht, ob es nun eine Warnung gewesen oder ob der Zeitpunkt gekommen war. Er musste sich beruhigen. Langsam stand er auf und ging zur Tür. Seine Hand lag auf der Türklinke, aber er drückte sie nicht hinab. Er hatte Angst. Im anderen Raum lag Nero und er wusste nicht, ob er wach war. Wie versteinert stand er da und konnte sich nicht entscheiden. Wie sollte er ihm nur begegnen? Wie konnte er ihn um Verzeihung bitten? War es überhaupt gut? Sollte er ihn nicht lieber hassen und gehen? War das nicht besser für sie beide? Ja, das war es wohl…
 

***
 

Nero war wach. Er starrte in die letzte glimmende Asche im Kamin. Es war kalt. Draußen graute der Morgen. Schwaches Licht fiel durch die Fensterscheiben. Es hatte aufgehört zu schneien. Sicher würde es ein schöner Tag werden. Sonnig und warm. Aber nicht für ihn. Seine Welt war düster und kalt. Sein Herz hatte sich nicht erholt, der Schlaf hatte nicht die gehoffte Heilung gebracht. Er fühlte sich leer und vollkommen kraftlos. Eine Schwere lag auf ihm, die ihm nicht erlaubte auch nur einen Fingen zu rühren. Seine Gedanken kreisten sinnlos umher. Sie erfassten nichts und waren doch nicht still. Ein Blatt, was der Wind zu seinem Spaß wild durch die Gegend wirbelte. Hilflos. Machtlos. Er konnte nichts dagegen tun. Er war in die Fänge des Schicksals geraten, das willkürlich über ihn entschied. Für ihn schien kein Glück vorgesehen zu sein, nur Schmerz.

Wo war die Wut geblieben? Wo war das Feuer, das sein Herz vor der Kälte retten konnte? Wo war sein Kampfeswille hin? Das alles schien Dante ihm genommen zu haben. Er hatte ihm so viel genommen. Warum ließ er das zu? War er so abhängig von ihm? Liebte er ihn so sehr?

Ein Schmerz fuhr durch ihn und ließ ihn sich zusammenkrampfen. Die Erkenntnis verstärkte den Schmerz, aber es füllte auch ein wenig die Leere. Dante hatte ihn gestern zurückgewiesen und ihm klar gemacht, was er von ihm hielt. Er war über Kyrie hinweg gekommen, er würde es auch bei ihm schaffen. Und wenn nicht, dann zog er doch den Schmerz der Abwesenheit vor. Er wollte dieses Spiel nicht mehr, er wollte nicht mehr von ihm hin und her geschubst werden. Er würde nicht mehr warten auf eine Geste, die nie kommen würde. Nero rappelte sich langsam auf. Er wusste nicht wohin und wie weit er überhaupt kommen würde, aber er musste weg. Er hielt es hier nicht mehr länger aus und Dante wollte er auf keinen Fall noch einmal sehen.

Sein Herz war nicht wiederhergestellt und auch keine Hoffnung war zurückgekehrt. Es war ihm egal, ob er nun leben oder sterben würde, es spielte keine Rolle. Es war vielleicht nur ein Funken seiner Kämpfernatur, den der Schmerz geweckt hatte, aber zumindest wollte er sich bewegen. Weiter zu verharren war für ihn undenkbar.

Nero stand auf und sein Blick fiel auf den Rucksack, der an der Couch lehnte. Er schwankte bei den ersten Schritten und so hielt er sich an der Lehne fest. Nicht nur seiner Seele ging es nicht gut, auch sein Körper war noch immer geschwächt. Doch wie mechanisch holte er seine Kleider heraus und zog sich an. Im Rucksack befand sich einiges an Proviant und wie es aussah, auch noch das ein oder andere Medikament. Er kramte ein wenig herum, schmiss dann aber einfach solange Dinge heraus, bis er ihn ohne Probleme anheben konnte. Sicher auf den Beinen war er trotzdem nicht. Kurz schwärzte sich sein Blick und er taumelte. Ohne das rettende Sofa wäre er wohl gefallen. Er würde nicht weit kommen, das war ihm klar. Aber hierbleiben war keine Option mehr.

Eine Tür wurde aufgerissen und er sah sich ohne Vorwarnung mit Dante konfrontiert. Sie sahen sich in die Augen, beide überrascht. Sofort als sich der erste Schrecken gelegt hatte, drehte sich Nero um und wankte zur Haustür.

„W-warte!“, vernahm er seine eher zögerliche Stimme.

Doch er hatte eh nicht vor zu warten. Nicht noch einmal im Kreis drehen, um dann noch tiefer zu fallen. Er hatte die Tür schon fast erreicht, als plötzlich eine Flamme vor ihm aus dem Boden züngelte. Wie versteinert stand er da und starrte sie an. Wo kam sie her? Wie war das möglich?

Das Haus stand in Flammen. Überall leckten sie empor. Rauch füllte die Luft und das Atmen fiel schwer. Eigentlich sollte er zur Tür hinaus hasten und sich retten, aber er konnte nur dastehen und in die roten Flammen starren. Plötzlich wurde er gepackt und nach draußen geschleift. Die eisige Luft schlug ihm entgegen und er begann zu husten. Er hatte zu viel Rauch eingeatmet. Auch Dante hustete neben ihm und schnappte nach Luft. Nero wollte ihn nicht ansehen. Es machte es nicht besser, dass er ihm geholfen hatte, eher schlimmer. Er drehte sich zu der Hütte um und ein eiskalter Schauer fuhr ihm den Rücken hinab. Die Hütte lag still und unverändert vor ihm. Kein Feuer hatte weder Außen noch Innen an ihr geleckt. Die Flammen hatten nicht existiert!

„Na, wie hat euch unsere kleine Illusion gefallen?“

Ein grausiges Lachen erklang. Es war wie Holz, das verzweifelt im Feuer knackte. Nero kannte die Stimmen, er brauchte sich gar nicht umdrehen. Er wusste zu wem sie gehörten. Zwei Wesen von menschenähnlicher Gestalt, doch ihre Haut erinnerte an glühende Kohlen. Von ihnen ging eine Hitze aus, die einen zu verbrennen schien. Nur das Feuer in ihren Augen war kalt, so kalt, dass man es kaum ertragen konnte. Die Schneelandschaft ließ sie noch grotesker wirken und verdeutlichte, dass diese Kreaturen nicht in diese Welt gehörten.

Nun war es wohl soweit, er würde sterben. Weit war er wirklich nicht gekommen. Aber in seiner Verfassung kam er keinen Schritt weiter, geschweige denn, dass er irgendetwas gegen sie hätte ausrichten können. Es gab kein Entrinnen und daran, dass ihm der ehemalige Dämonenjäger vielleicht helfen könnte, dachte er gar nicht mehr.

„Endlich treffen wir uns, Dante!“

Nero fuhr herum. Zwischen dem Gestaltwandler und dem Weißhaarigen bestand kaum ein Abstand. Sie standen sich direkt gegenüber und starrten sich in die Augen. Der Geruch von verbranntem Fleisch stieg ihm in die Nase. Was ging hier vor sich?

„Der Junge hat uns gute Dienste geleistet. Ohne ihn hätten wir dich nicht so schnell gefunden. Du hast dich wirklich an einem verlassenen Ort verkrochen.“

Der Dämon sah sich um und drehte sich dabei mit weit ausgebreiteten Armen, wie ein Schauspieler auf einer Bühne, der nichts zu befürchten hatte. Nero konnte es nicht fassen, er war ein Lockvogel gewesen, nichts weiter. Sie hatten ihn in die Enge getrieben und fast getötet, nur um an den Anderen heranzukommen. Aber woher hatten sie wissen können, dass er Dante aufsuchte? Er selbst hatte es doch nicht einmal gewusst. Er hatte ihn kaum gefunden, es war nur Glück und Zufall zu verdanken, dass er seine Spur aufgenommen hatte.

„W-was geht hier vor sich?“

„Du hast es ihm nicht gesagt?“, ein groteskes Grinsen erschien im Gesicht des Gestaltwandlers.

Dem jungen Mann lief es eiskalt den Rücken hinunter. Der Ältere hatte bis jetzt noch keinen Ton von sich gegeben, sich zu nichts geäußert. Das Ganze war zu viel für seinen geschundenen Körper und seine geschundene Seele. Er sank in den Schnee. Es war eh ein Wunder, dass er solange durchgehalten hatte.

„Was für ein schwaches Menschlein“, lachte nun der andere Dämon.

Er trat an ihn heran und seine Hand näherte sich seinem Gesicht. Die Hitze war unerträglich.

„Soll er ein wenig schreien!“

Doch bevor ihm die schreckliche Hand das Gesicht verbrennen konnte, zog ihn der Andere zurück.

„Finger weg! Wir waren heute nur hier, um ein wenig zu plaudern. Du hast bis morgen Zeit ihm zu erklären, warum er sterben muss. Außer du triffst deine Entscheidung.“

Was sagte er da? Er verstand nicht. Was hatten all diese kryptischen Andeutungen zu bedeuten? Sein Blick verschwamm und er schloss die Augen. Als er sie öffnete, waren die beiden Dämonen verschwunden. Sie schienen sich einfach in Luft aufgelöst zu haben. Doch Nero wunderte nichts mehr. Sie waren Gestaltwandler, warum sollten sie sich nicht einfach auflösen können?

„Hoch mit dir!“, Dantes Stimme klang seltsam rau.

Erst jetzt bemerkte er, dass er im Schnee saß und die Kälte ihm langsam in die Glieder kroch. Er ließ sich hochziehen und auf dem Weg zurück zur Hütte stützen. Er hatte im Moment vergessen, dass ihm die Nähe zu Dante eigentlich unangenehm war.

Nero landete auf dem altbekannten Sofa und blieb dort ausgelaugt und müde sitzen. Nach einer Weile bekam er eine Tasse in die Hand gedrückt. Es roch nach grünem Tee mit einem Hauch Vanille. Dante strich ihm ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. Man konnte meinen, es wäre eine liebevolle Geste, aber für Nero war sie voller Hohn und Spott.

„Fass mich nicht an!“

Die warme Hand verschwand und zurück blieb die Kälte.

„Ich wollte dich nicht in die Sache mit hinein ziehen.“

Rückte er etwa jetzt mit der Sprache heraus? Jetzt?! Wo er ihm doch egal sein wollte.

„Ich dachte, hier findet mich niemand und schon gar nicht du“, seine Stimme klang immer noch rau.

„Warum? Warum das Ganze?“

„Ich habe einen von ihnen getötet, ihren Bruder.“
 

~Ende – Fortsetzung folgt~
 

Giftgrüne Wahrheit

Nero hob den Kopf und schaute ihn an.

„Ich dachte, man kann sie nicht töten.“

„Es ist auch nicht einfach, aber sie sind sterblich. Sie haben sich bisher nie für Menschen interessiert, so hat auch keiner versucht, sie zu töten. Dieser Bruder von den beiden hat allerdings zahlreiche Menschen abgeschlachtet und ich habe den Auftrag bekommen, den Mann mit den vielen Gesichtern zur Strecke zu bringen. Das war meine erste Begegnung mit einem Gestaltwandler und ich habe nur knapp gewonnen. Wobei gewonnen nicht der richtige Ausdruck ist…“, er verstummte.

Es fiel Dante nicht leicht über dieses Desaster zu sprechen. Nicht umsonst hatte er sich mit allem abgefunden und sich diese Hütte gesucht.

„Was soll das heißen?! Du hast das Viech getötet. Jetzt hast du noch zwei am Hals, aber du kennst ihre Schwachstelle. Außerdem kann ich dir helfen!“

Die feste Stimme des Jungen erschreckte ihn. Nach dem was gestern geschehen war, hatte er keine Aufmunterung und schon gar kein Hilfsangebot erwartet. Der Weißhaarige überraschte ihn immer wieder.

„Wenn du wissen wolltest, warum ich hierhergekommen bin…“, er streifte sich sein Oberteil vom Körper, „…das ist der Grund.“

Er konnte die Veränderung in Neros Gesicht genau verfolgen, als er das Siegel erkannte, was genau über seinem Herzen prangte.

„Es muss sich entfernen lassen… irgendwie.“

„Nein es ist unmöglich.“

Erst hatte auch er noch daran geglaubt einen Weg zu finden. Aber je mehr er gesucht hatte, desto mehr hatte er die Hoffnung verloren.

„Das kannst du mir nicht erzählen! Das bist nicht du! Der wahre Dante würde niemals aufgeben!“

„Was glaubst du denn?! Denkst du, ich hätte einfach aufgegeben? Warst du dabei? Weißt du, was ich alles versucht habe?! Ich habe so viele Dinge versucht, dass ich sie gar nicht mehr benennen kann! Es gibt keine Möglichkeit.“

Eigentlich hatte er nicht wütend werden wollen, aber die wieder vor Augen geführte Hilflosigkeit hatte ihn in Verzweiflung ertränkt. In Neros Gesicht spiegelte sie sich ein wenig wieder und der Schrecken vor dem, was kommen mochte.

„Warum hast du mir das nicht gleich erzählt? Warum hast du mich so lange im Unklaren gelassen? Warum?! Vertraust du mir nicht?“

Wo der Junge nun mit Fragen auf ihn einprasselte und ihm Vorwürfe machte, ging Dante wieder in die Defensive. Sein Geist wehrte sich und wollte sich wieder verschließen, bevor alles herausbrach.

„Nero, ich wollte dich nicht mit hineinziehen…“

„Das hast du schon gesagt, aber ich bin schon lange hineingezogen! Also gib mir endlich eine klare Antwort!“, er fuchtelte mit seiner Tasse herum und stellte sie schließlich auf den Boden.

Der Ältere ließ sich auf die Lehne der Couch sinken und atmete lange aus, als könne die entweichende Luft etwas von der Spannung mitnehmen, die in ihm herrschte. Seine Seele wand sich, sie wollte nicht offen gelegt werden. Aber als er aufschaute und in die Augen des Anderen blickte, wusste er, er hatte keine Wahl. Er ertrank in dem saphirblauen Meer.

„Ich wusste, dass die zwei nach mir suchen würden und ich wusste, dass sie dich benutzen würden, um mich zu finden. Nachdem ich keinen Weg gefunden hatte, das Siegel zu brechen, habe ich mir einen Ort gesucht, wo ich mir sicher war, dass du ihn nie finden würdest. Als du hier auftauchtest, wusste ich, dass die beiden auch nicht mehr weit sein konnten. Ich wollte dich so schnell wie möglich loswerden, damit du in diesem Kampf nicht das nächste Opfer wirst. Aber wie du siehst, bin ich schwach, du bist noch hier! Es war furchtbar, dich vor mir zu haben, wo ich dich doch wegschicken musste und es eigentlich gar nicht wollte. Ich war hin- und hergerissen und hab den Kampf immer wieder verloren.“

In Neros Augen tobte ein Sturm. Unglauben wechselte sich ab mit Fassungslosigkeit. Er konnte nicht verstehen, was hier passierte. Dante musste weiter erklären, noch mehr von sich preisgeben und das Letzte seines Inneren öffnen.

„Wenn ein Gestaltwandler stirbt, kann er nicht nur dieses Siegel hervorbringen, sondern auch direkt in den Gegner hineinblicken. Er sieht, was ihm am teuersten ist und gibt es an andere seiner Art weiter. So können sie den Mörder ihrer Sippe finden und vernichten. Durch das Siegel oder einen von ihnen, er stirbt auf jeden Fall. Hatte sich Kyrie sehr plötzlich verändert? War sie auf einmal nicht mehr wiederzuerkennen? Es war nicht sie, es war einer von ihnen. Es war alles eine Illusion, die das Ziel hatte, mich zu finden. Was du für mich fühlst, ist keine echte Liebe!“

Der Sturm schien seinen Höhepunkt erreicht zu haben. So viele Emotionen spiegelten sich in seinen Augen, dass Dante sie nicht mehr erfassen konnte. Er wusste nicht, was der Andere nun tun würde, aber er wusste, was er sich wünschte und was das Beste war, zwei ganz unterschiedliche Dinge. Aber Nero sollte nicht hier sein, er sollte nicht an seiner Seite sterben. Er sollte an Kyries Seite zurückkehren, dort wo er hin gehörte.

Zwei Hände legten sich auf seine Wangen.

„Ich weiß nicht genau wie ihre Illusionen wirken, aber ich habe erst festgestellt, dass ich dich liebe, nachdem ich dich gefunden hatte. Es kann keine Lüge sein. Es ist keine Lüge!“

Er küsste ihn. Die weichen Lippen auf seinen wollten ihn um den Verstand bringen. Aber die Resignation hatte sich in ihm festgebissen und hielt seinen Kopf klar. Er schob Nero von sich weg und schüttelte den Kopf.

„Es geht nicht. Ich werde sterben, mach es mir nicht noch schwerer.“

Doch Nero küsste ihn wieder. Presste die Lippen noch fester auf seine.

„Ich verliere die Kontrolle“, brachte er nur murmelnd hervor.

Er merkte wie er immer weiter in die Tiefe gesogen wurde. Bald würde ihn auch keine Resignation mehr halten. Er wollte den Anderen kein zweites Mal auf diese Weise verletzen.

„Dann tu das. Diesmal bin ich vorbereitet!“

Nero hatte verstanden, endlich hatte er verstanden. Er hatte einfach nicht durchblickt, was in dem Anderen vorging. Er hatte die Puzzleteile, die vor ihm ausgebreitet lagen, nicht verbinden können. Es waren zu wenige gewesen und er hatte sie immer wieder falsch zusammengefügt. Aber nun, wo er alle besaß, sah er klar. Das Bild, was sich ergab, war wunderbarer und schrecklicher zugleich als er sich hatte vorstellen können. Das, was er immer wieder in Dantes Augen gesehen hatte, waren weder Verachtung noch Hohn gewesen, auch kein Hass. Es war Verzweiflung. Verzweiflung und Resignation, die in einem starken Mann kämpften und ihn schwach machten. Nun konnte er ihm verzeihen, was er tief im Innern die ganze Zeit gewollt hatte.

Immer und immer wieder küsste er Dante bis er endlich den Widerstand aufgab, die Arme um ihn schlang und zu ihm herunter rutschte. Es fühlte sich so gut an, endlich Gewissheit und keine Angst mehr haben zu müssen. Er krallte sich in Dantes Haaren fest und vertiefte den Kuss, schmiegte sich noch enger an ihn. Er wollte alles. Endlich konnte er es haben. Im Moment war alles vergessen, die Anstrengungen und Schrecken der letzten Tage, die drohende Gefahr durch die Gestaltwandler und auch der lauernde Tod in dem Siegel. Im Moment gab es nur sie beide.

Er fuhr mit einer Hand über den nackten Rücken des Anderen. Die warme Haut unter seinen Fingern fühlte sich gut an. Er spürte, wie Dantes Verlangen wuchs mit jedem weiteren Kuss. Auch diese wurden immer intensiver. Ihre Zungen rieben sich wild aneinander und der Ältere biss ihm in die Unterlippe, was er mit einem überraschten Keuchen quittierte. Das Gefühl war bis in seinen Unterleib geschossen und entfaltete dort seine Wirkung. Nero zitterte ein wenig. Es wirkte wie ein Traum, obwohl sie sich berührten und fest aneinander geschmiegt waren, konnte er es nicht glauben. Er löste den Kuss und schob den Weißhaarigen ein Stück von sich fort. Ihr beider Atem ging schwer. Ob er ihn mit dem gleichen, leicht wirren und etwas ungläubigen Blick ansah? Er streckte eine Hand aus und fuhr die Konturen erst seiner Wangen- und dann seiner Kieferknochen nach. Dante nahm seine Hand und küsste seine Fingerspitzen. Er erschauerte und zuckte leicht zurück. Das Feuer knackte laut, als hätte es den Widerhall seines Herzens aufgenommen. Er konnte den Blick nicht abwenden, als der Andere seine Finger nicht mehr nur küsste, sondern zärtlich mit seiner Zunge umspielte und schließlich ganz in den Mund nahm. Der Jüngere keuchte auf und wand sich. Wollte er sich nun entziehen oder dass es weiterging?

„Dante… ich will dich!“

Fest blickte er ihm in die azurblauen Augen, durch die ein Ruck zu gehen schien. Der Mann antwortete nicht, küsste ihn nur wieder. So heftig, dass er glaubte, ein Sturm wäre über ihm zusammengebrochen. Er schlang die Arme um ihn und schob sich auf seinen Schoß. Wie froh war er darüber, deutlich zu spüren, dass auch er erregt war. Nero presste seinen Unterleib gegen den des Anderen. Das darauf folgende Stöhnen klang wie Musik in seinen Ohren. Er wollte ihm noch näher sein, so nah wie es nur ging. Es reichte noch nicht. Sein Herz klopfte so laut. Es sang. Ein Lied der Glückseligkeit. Eine einzelne Träne rann über seine Wange. Dante hatte sie gespürt und löste den Kuss, sah ihn an.

„Ich bin so glücklich!“, er lächelte ihn an.

Doch im Gesicht des Weißhaarigen zeigte sich Schmerz. Er hatte nicht vergessen. Aber Nero wollte, dass er vergaß. Jetzt sollte er alles vergessen, zumindest jetzt! Er ließ seine Hand tiefer wandern, der Andere sollte sich gut fühlen. Das darauffolgende Schließen der Augen und Stöhnen, das über seine Lippen drang, machte den Jüngeren glücklich. Mit Entzücken sah er ihm zu, wie er in der Lust versank. Doch nach kurzer Zeit zog Dante seine Hand weg, aus etwas verklärten Augen sah er ihn an. Er musste schwer schlucken, so sehr machte es ihn an. Dann begann der Andere ihn von seinen störenden Kleidern zu befreien und seinen Körper mit Küssen zu bedecken. Als nächstes glitten seine Finger tiefer und bereiteten ihn darauf vor, was kommen würde. Kaum Unbehagen erfüllte ihn, dafür wollte er es zu sehr. Und dann traf Dante einen Punkt, der ihn vor Wonne erzittern ließ. Er stöhnte laut auf und bog ihm seinen Körper entgegen. Was für ein wundervolles Gefühl.

„Ich liebe dich!“

Er musste es ihm einfach sagen. Am liebsten hätte er es immer wieder wiederholt. Wie einen Heilspruch, der alle Wunden schloss und allen Schmerz hinfort spülte. Dante küsste ihn und dann verschmolzen sie zu einer Einheit. Am Anfang war es etwas unangenehm, wurde aber immer besser. Schon bald verloren sie sich beide im Wirbel der Gefühle, bis sich der Sturm auf einen Schlag entlud und sie beide erschöpft zusammensackten.
 

***
 

Ihm war warm. Dante lag auf ihm und atmete ruhig. Er schlief. Nero konnte nicht schlafen. Nach einer kurzen Phase des Dösens hatte er sich wieder in einen wachen Zustand gekämpft. Zum einen fühlte er sich wunderbar und wollte das Gefühl noch ein wenig genießen. Zum anderen stieg eine nagende Angst in ihm hoch. Was, wenn Dante verschwinden würde, wenn er einschlief? Er wollte nicht noch einmal so leiden. Das Gefühl der Leere war furchtbar gewesen. Noch einmal würde er es nicht ertragen. Er vertraute Dante, er wollte ihm vertrauen. Er hatte ihm endlich die Wahrheit gesagt. …Und doch war dort diese Angst, ein warnendes Gefühl. Er nahm die Hand des Anderen und hielt sie fest, drückte sie gegen seine Brust. Er durfte nicht schlafen, sonst würde etwas Schreckliches passieren. Er kämpfte gegen die Müdigkeit an und wehrte sich gegen ihren Sog in wohlige Tiefen. Er durfte nicht einschlafen!
 

***
 

Es war kalt. Noch bevor er die Augen öffnete, wusste er, dass Dante nicht mehr da war. Nero setzte sich auf. Die Decke, die über ihn gelegt worden war, rutschte herunter, er war immer noch nackt. Er wusste, dass er nicht im Bad war. Die Hütte war verlassen. Die Hand, die die des Anderen umklammert gehalten hatte, war nun leer. Auf dem Boden neben der Couch lagen seine Kleider und der gepackte Rucksack. Es war ein unmissverständliches Zeichen: ‚Geh!‘ Nero vergrub sein Gesicht in den Händen und weinte. Wieder abgewiesen, wieder verraten. Das ausgehende Feuer knackte, der Laut eines brechenden Herzens.

Eine bedrohliche Stille legte sich über die Hütte, die selbst das Schluchzen des jungen Mannes schluckte.
 

…Ein Zischen in der Finsternis…
 

~Ende – Fortsetzung folgt~
 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Woah, ich freu mich gerade voll darüber, dass es jetzt diese Funktion gibt! XD
Hach ja, es ist mal wieder lange, lange her... Ich schäme mich auch, aber leider ändert das nichts. Ich hoffe, es verfolgen trotzdem noch ein paar Leute, die komplizierte Beziehung zwischen Nero und Dante ;D
Dieses Kapitel lässt sich, wie ihr euch es sicher am Titel schon gedacht und dann beim Lesen gemerkt habt, den düsteren zuteilen. Es tut mir Leid, aber es wäre ja auch zu schön gewesen, wenn sich die beiden so schnell zusammengerauft hätten! Ich hoffe mein Versuch ein wenig unheimliche Atmosphäre zu schaffen, ist nicht kläglich gescheitert und das Kapitel hat euch gefallen :)
Das nächste lässt, wenn alles gut läuft, nicht so lange auf sich warten, da ich jetzt wieder per Hand schreibe. Kugelschreiber an die Macht!

Bis zum nächsten Mal
eure Lomea Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Böser Cliffhanger XD Bitte nicht umbringen, sonst kann ich nicht weiterschreiben! Ansonsten ist das Kapitel recht kitschig, ich weiß, aber ich wollte nicht in die Adult-Spalte rutschen^^ Ich hoffe es hat euch trotzdem gefallen oder gerade deswegen und wir sehen uns auch beim nächsten Mal. Allerdings wird es wieder etwas länger auf sich warten lassen. Ich bemühe mich euch nicht zu lange mit diesem Ende sitzen zu lassen! Ach und noch was zum Titel, diesen Witz konnte ich mir nicht verkneifen. Grün für die Hoffnung und das Gift findet ihr ja auch genug in diesem Kapitel ;D

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Kommentare zu dieser Fanfic (29)
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Von:  Das_Bienchen
2014-09-10T09:08:46+00:00 10.09.2014 11:08
Ich wusste gar nicht, dass du noch andere Fanfictions hast x//D
´Lust wird rege zum Gesang´ war das Einzige, an dem ich mich gekrallt hatte und mir nachher nochmal durchlese, weil es so süß geschrieben ist *lacht*
Über Devil My Dry, habe ich mal überhaupt keine Infos. Hab zwar öfters gehört, dass es ganz gut sein soll, aber konnte mich nie dazu durchringen mich damit mal ernsthaft zu beschäftigen :)
Ich mag die Geschichte aber sehr gerne. Der sture und in sich gekehrte Dante, im Vergleich zum naiven, schwächlich wirkenden Nero. Sehr harmonisch! Beim Lesen musste ich immer mal wieder den Kopf schütteln. Dante kann aber auch gemein sein xO Fluchend saß ich in den wenigen Stunden, die ich brauchte, um alle Kapitel zu lesen vor dem PC und habe richtig mitgefiebert, wie es mit den Beiden weitergehen wird.
Natürlich hast du das letzte Kapitel wieder spannend gehalten, damit uns gar nichts anderes übrig bleibt, als weiterzulesen >D
Ich freu mich darauf, wenn es weitergeht ^.^

Liebe Grüße <3
Von:  Yulice
2014-04-09T11:35:04+00:00 09.04.2014 13:35
WASSSS du kannst nicht so enden T////////////////T mimimimimiimimimimi Ich hoffe es geht bald weiter >///<
Von:  Yosha
2014-01-09T18:41:33+00:00 09.01.2014 19:41
Yay ein neues chap ^^
Is echt total gut geworden! \^.^/
Darf ich fragen was du studierst?
Von:  Yosha
2014-01-03T20:50:06+00:00 03.01.2014 21:50
Ich liebe diese story ♥
Von:  ZackStrife
2013-04-18T09:31:23+00:00 18.04.2013 11:31
Hach ja, wie Männer es mal wieder niht auf die Reihe bekommen XDD
aber klasse geschrieben und die Story ist auch wirklich autentisch, ich mein, wer will denn bitte nen Dante, der einfach so mal ne Beziehung anfängt^^
Betonung auf EINFACH^^

Aber hammer Kapitel und ich freu mich schon aufs nächste :)
Von:  Silverdarshan
2013-04-06T19:44:31+00:00 06.04.2013 21:44
oh man, ohne trubel wäre es bei den beiden ja auch fast langweilig... ob sie jemals richtig zueinander finden?
ich bin sehr gespannt- ebenso auf die ominösen gestalten^^
Von:  SchattenTiger
2013-04-05T10:37:48+00:00 05.04.2013 12:37
Nyu Erste! X3

Uuh das Kapitel ist irgendwie so traurig und gruselig x.x
Armer Nero er tut mir so leid und Dante ist so böse zu ihm =(
Gefühle sind schon manchmal was grausames...


Von: abgemeldet
2012-01-07T12:04:51+00:00 07.01.2012 13:04
soo, jetzt geb ich auch mal nen kommi zum besten. xDD
meine meinung zu dem kapitel kennst du ja eigentlich schon. 8D aber ich kanns nur immer wieder betonen, ich finds toll, dass du auch mal unter die romantiker gegeangen bist, es gelingt dir sogar echt gut. xDD die beiden sind soooo süß!!! >////< *nero und dante knuddel*
ich freue mich schon voll, wenn du weiterschreibst und ich die erste bin, die es zu lesen bekommt. *muhahahahahaha* *evil grins*
Von:  ZackStrife
2012-01-06T18:59:58+00:00 06.01.2012 19:59
Gott, ist das süß. Dante und nero sind einfach das perfekte pärchen...
*schwärm*
Ich hoffe mal, dass bald ein weiteres Kapitel kommt.
Ist der hammer.

Kannst du mir auch ne ENS schreiben, wenn ein neues raus ist???
Wäre super.
Von:  queermatcha
2012-01-06T07:28:28+00:00 06.01.2012 08:28
Awww, oh Gott, ist das niedlich >/////< Die Zwei sind ja so süß zusammen ♥
Das hast du so toll geschrieben x3 Und ich freu mich schon total auf das nächste Kapitel. Rückt Dante dann auch endlich mit den drei Worten raus? Ich bin gespannt! 8D


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