Weinender Schnee von Lomea ((Dante x Nero)) ================================================================================ Kapitel 8: Giftgrüne Wahrheit ----------------------------- Nero hob den Kopf und schaute ihn an. „Ich dachte, man kann sie nicht töten.“ „Es ist auch nicht einfach, aber sie sind sterblich. Sie haben sich bisher nie für Menschen interessiert, so hat auch keiner versucht, sie zu töten. Dieser Bruder von den beiden hat allerdings zahlreiche Menschen abgeschlachtet und ich habe den Auftrag bekommen, den Mann mit den vielen Gesichtern zur Strecke zu bringen. Das war meine erste Begegnung mit einem Gestaltwandler und ich habe nur knapp gewonnen. Wobei gewonnen nicht der richtige Ausdruck ist…“, er verstummte. Es fiel Dante nicht leicht über dieses Desaster zu sprechen. Nicht umsonst hatte er sich mit allem abgefunden und sich diese Hütte gesucht. „Was soll das heißen?! Du hast das Viech getötet. Jetzt hast du noch zwei am Hals, aber du kennst ihre Schwachstelle. Außerdem kann ich dir helfen!“ Die feste Stimme des Jungen erschreckte ihn. Nach dem was gestern geschehen war, hatte er keine Aufmunterung und schon gar kein Hilfsangebot erwartet. Der Weißhaarige überraschte ihn immer wieder. „Wenn du wissen wolltest, warum ich hierhergekommen bin…“, er streifte sich sein Oberteil vom Körper, „…das ist der Grund.“ Er konnte die Veränderung in Neros Gesicht genau verfolgen, als er das Siegel erkannte, was genau über seinem Herzen prangte. „Es muss sich entfernen lassen… irgendwie.“ „Nein es ist unmöglich.“ Erst hatte auch er noch daran geglaubt einen Weg zu finden. Aber je mehr er gesucht hatte, desto mehr hatte er die Hoffnung verloren. „Das kannst du mir nicht erzählen! Das bist nicht du! Der wahre Dante würde niemals aufgeben!“ „Was glaubst du denn?! Denkst du, ich hätte einfach aufgegeben? Warst du dabei? Weißt du, was ich alles versucht habe?! Ich habe so viele Dinge versucht, dass ich sie gar nicht mehr benennen kann! Es gibt keine Möglichkeit.“ Eigentlich hatte er nicht wütend werden wollen, aber die wieder vor Augen geführte Hilflosigkeit hatte ihn in Verzweiflung ertränkt. In Neros Gesicht spiegelte sie sich ein wenig wieder und der Schrecken vor dem, was kommen mochte. „Warum hast du mir das nicht gleich erzählt? Warum hast du mich so lange im Unklaren gelassen? Warum?! Vertraust du mir nicht?“ Wo der Junge nun mit Fragen auf ihn einprasselte und ihm Vorwürfe machte, ging Dante wieder in die Defensive. Sein Geist wehrte sich und wollte sich wieder verschließen, bevor alles herausbrach. „Nero, ich wollte dich nicht mit hineinziehen…“ „Das hast du schon gesagt, aber ich bin schon lange hineingezogen! Also gib mir endlich eine klare Antwort!“, er fuchtelte mit seiner Tasse herum und stellte sie schließlich auf den Boden. Der Ältere ließ sich auf die Lehne der Couch sinken und atmete lange aus, als könne die entweichende Luft etwas von der Spannung mitnehmen, die in ihm herrschte. Seine Seele wand sich, sie wollte nicht offen gelegt werden. Aber als er aufschaute und in die Augen des Anderen blickte, wusste er, er hatte keine Wahl. Er ertrank in dem saphirblauen Meer. „Ich wusste, dass die zwei nach mir suchen würden und ich wusste, dass sie dich benutzen würden, um mich zu finden. Nachdem ich keinen Weg gefunden hatte, das Siegel zu brechen, habe ich mir einen Ort gesucht, wo ich mir sicher war, dass du ihn nie finden würdest. Als du hier auftauchtest, wusste ich, dass die beiden auch nicht mehr weit sein konnten. Ich wollte dich so schnell wie möglich loswerden, damit du in diesem Kampf nicht das nächste Opfer wirst. Aber wie du siehst, bin ich schwach, du bist noch hier! Es war furchtbar, dich vor mir zu haben, wo ich dich doch wegschicken musste und es eigentlich gar nicht wollte. Ich war hin- und hergerissen und hab den Kampf immer wieder verloren.“ In Neros Augen tobte ein Sturm. Unglauben wechselte sich ab mit Fassungslosigkeit. Er konnte nicht verstehen, was hier passierte. Dante musste weiter erklären, noch mehr von sich preisgeben und das Letzte seines Inneren öffnen. „Wenn ein Gestaltwandler stirbt, kann er nicht nur dieses Siegel hervorbringen, sondern auch direkt in den Gegner hineinblicken. Er sieht, was ihm am teuersten ist und gibt es an andere seiner Art weiter. So können sie den Mörder ihrer Sippe finden und vernichten. Durch das Siegel oder einen von ihnen, er stirbt auf jeden Fall. Hatte sich Kyrie sehr plötzlich verändert? War sie auf einmal nicht mehr wiederzuerkennen? Es war nicht sie, es war einer von ihnen. Es war alles eine Illusion, die das Ziel hatte, mich zu finden. Was du für mich fühlst, ist keine echte Liebe!“ Der Sturm schien seinen Höhepunkt erreicht zu haben. So viele Emotionen spiegelten sich in seinen Augen, dass Dante sie nicht mehr erfassen konnte. Er wusste nicht, was der Andere nun tun würde, aber er wusste, was er sich wünschte und was das Beste war, zwei ganz unterschiedliche Dinge. Aber Nero sollte nicht hier sein, er sollte nicht an seiner Seite sterben. Er sollte an Kyries Seite zurückkehren, dort wo er hin gehörte. Zwei Hände legten sich auf seine Wangen. „Ich weiß nicht genau wie ihre Illusionen wirken, aber ich habe erst festgestellt, dass ich dich liebe, nachdem ich dich gefunden hatte. Es kann keine Lüge sein. Es ist keine Lüge!“ Er küsste ihn. Die weichen Lippen auf seinen wollten ihn um den Verstand bringen. Aber die Resignation hatte sich in ihm festgebissen und hielt seinen Kopf klar. Er schob Nero von sich weg und schüttelte den Kopf. „Es geht nicht. Ich werde sterben, mach es mir nicht noch schwerer.“ Doch Nero küsste ihn wieder. Presste die Lippen noch fester auf seine. „Ich verliere die Kontrolle“, brachte er nur murmelnd hervor. Er merkte wie er immer weiter in die Tiefe gesogen wurde. Bald würde ihn auch keine Resignation mehr halten. Er wollte den Anderen kein zweites Mal auf diese Weise verletzen. „Dann tu das. Diesmal bin ich vorbereitet!“ Nero hatte verstanden, endlich hatte er verstanden. Er hatte einfach nicht durchblickt, was in dem Anderen vorging. Er hatte die Puzzleteile, die vor ihm ausgebreitet lagen, nicht verbinden können. Es waren zu wenige gewesen und er hatte sie immer wieder falsch zusammengefügt. Aber nun, wo er alle besaß, sah er klar. Das Bild, was sich ergab, war wunderbarer und schrecklicher zugleich als er sich hatte vorstellen können. Das, was er immer wieder in Dantes Augen gesehen hatte, waren weder Verachtung noch Hohn gewesen, auch kein Hass. Es war Verzweiflung. Verzweiflung und Resignation, die in einem starken Mann kämpften und ihn schwach machten. Nun konnte er ihm verzeihen, was er tief im Innern die ganze Zeit gewollt hatte. Immer und immer wieder küsste er Dante bis er endlich den Widerstand aufgab, die Arme um ihn schlang und zu ihm herunter rutschte. Es fühlte sich so gut an, endlich Gewissheit und keine Angst mehr haben zu müssen. Er krallte sich in Dantes Haaren fest und vertiefte den Kuss, schmiegte sich noch enger an ihn. Er wollte alles. Endlich konnte er es haben. Im Moment war alles vergessen, die Anstrengungen und Schrecken der letzten Tage, die drohende Gefahr durch die Gestaltwandler und auch der lauernde Tod in dem Siegel. Im Moment gab es nur sie beide. Er fuhr mit einer Hand über den nackten Rücken des Anderen. Die warme Haut unter seinen Fingern fühlte sich gut an. Er spürte, wie Dantes Verlangen wuchs mit jedem weiteren Kuss. Auch diese wurden immer intensiver. Ihre Zungen rieben sich wild aneinander und der Ältere biss ihm in die Unterlippe, was er mit einem überraschten Keuchen quittierte. Das Gefühl war bis in seinen Unterleib geschossen und entfaltete dort seine Wirkung. Nero zitterte ein wenig. Es wirkte wie ein Traum, obwohl sie sich berührten und fest aneinander geschmiegt waren, konnte er es nicht glauben. Er löste den Kuss und schob den Weißhaarigen ein Stück von sich fort. Ihr beider Atem ging schwer. Ob er ihn mit dem gleichen, leicht wirren und etwas ungläubigen Blick ansah? Er streckte eine Hand aus und fuhr die Konturen erst seiner Wangen- und dann seiner Kieferknochen nach. Dante nahm seine Hand und küsste seine Fingerspitzen. Er erschauerte und zuckte leicht zurück. Das Feuer knackte laut, als hätte es den Widerhall seines Herzens aufgenommen. Er konnte den Blick nicht abwenden, als der Andere seine Finger nicht mehr nur küsste, sondern zärtlich mit seiner Zunge umspielte und schließlich ganz in den Mund nahm. Der Jüngere keuchte auf und wand sich. Wollte er sich nun entziehen oder dass es weiterging? „Dante… ich will dich!“ Fest blickte er ihm in die azurblauen Augen, durch die ein Ruck zu gehen schien. Der Mann antwortete nicht, küsste ihn nur wieder. So heftig, dass er glaubte, ein Sturm wäre über ihm zusammengebrochen. Er schlang die Arme um ihn und schob sich auf seinen Schoß. Wie froh war er darüber, deutlich zu spüren, dass auch er erregt war. Nero presste seinen Unterleib gegen den des Anderen. Das darauf folgende Stöhnen klang wie Musik in seinen Ohren. Er wollte ihm noch näher sein, so nah wie es nur ging. Es reichte noch nicht. Sein Herz klopfte so laut. Es sang. Ein Lied der Glückseligkeit. Eine einzelne Träne rann über seine Wange. Dante hatte sie gespürt und löste den Kuss, sah ihn an. „Ich bin so glücklich!“, er lächelte ihn an. Doch im Gesicht des Weißhaarigen zeigte sich Schmerz. Er hatte nicht vergessen. Aber Nero wollte, dass er vergaß. Jetzt sollte er alles vergessen, zumindest jetzt! Er ließ seine Hand tiefer wandern, der Andere sollte sich gut fühlen. Das darauffolgende Schließen der Augen und Stöhnen, das über seine Lippen drang, machte den Jüngeren glücklich. Mit Entzücken sah er ihm zu, wie er in der Lust versank. Doch nach kurzer Zeit zog Dante seine Hand weg, aus etwas verklärten Augen sah er ihn an. Er musste schwer schlucken, so sehr machte es ihn an. Dann begann der Andere ihn von seinen störenden Kleidern zu befreien und seinen Körper mit Küssen zu bedecken. Als nächstes glitten seine Finger tiefer und bereiteten ihn darauf vor, was kommen würde. Kaum Unbehagen erfüllte ihn, dafür wollte er es zu sehr. Und dann traf Dante einen Punkt, der ihn vor Wonne erzittern ließ. Er stöhnte laut auf und bog ihm seinen Körper entgegen. Was für ein wundervolles Gefühl. „Ich liebe dich!“ Er musste es ihm einfach sagen. Am liebsten hätte er es immer wieder wiederholt. Wie einen Heilspruch, der alle Wunden schloss und allen Schmerz hinfort spülte. Dante küsste ihn und dann verschmolzen sie zu einer Einheit. Am Anfang war es etwas unangenehm, wurde aber immer besser. Schon bald verloren sie sich beide im Wirbel der Gefühle, bis sich der Sturm auf einen Schlag entlud und sie beide erschöpft zusammensackten. *** Ihm war warm. Dante lag auf ihm und atmete ruhig. Er schlief. Nero konnte nicht schlafen. Nach einer kurzen Phase des Dösens hatte er sich wieder in einen wachen Zustand gekämpft. Zum einen fühlte er sich wunderbar und wollte das Gefühl noch ein wenig genießen. Zum anderen stieg eine nagende Angst in ihm hoch. Was, wenn Dante verschwinden würde, wenn er einschlief? Er wollte nicht noch einmal so leiden. Das Gefühl der Leere war furchtbar gewesen. Noch einmal würde er es nicht ertragen. Er vertraute Dante, er wollte ihm vertrauen. Er hatte ihm endlich die Wahrheit gesagt. …Und doch war dort diese Angst, ein warnendes Gefühl. Er nahm die Hand des Anderen und hielt sie fest, drückte sie gegen seine Brust. Er durfte nicht schlafen, sonst würde etwas Schreckliches passieren. Er kämpfte gegen die Müdigkeit an und wehrte sich gegen ihren Sog in wohlige Tiefen. Er durfte nicht einschlafen! *** Es war kalt. Noch bevor er die Augen öffnete, wusste er, dass Dante nicht mehr da war. Nero setzte sich auf. Die Decke, die über ihn gelegt worden war, rutschte herunter, er war immer noch nackt. Er wusste, dass er nicht im Bad war. Die Hütte war verlassen. Die Hand, die die des Anderen umklammert gehalten hatte, war nun leer. Auf dem Boden neben der Couch lagen seine Kleider und der gepackte Rucksack. Es war ein unmissverständliches Zeichen: ‚Geh!‘ Nero vergrub sein Gesicht in den Händen und weinte. Wieder abgewiesen, wieder verraten. Das ausgehende Feuer knackte, der Laut eines brechenden Herzens. Eine bedrohliche Stille legte sich über die Hütte, die selbst das Schluchzen des jungen Mannes schluckte. …Ein Zischen in der Finsternis… ~Ende – Fortsetzung folgt~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)