Die Spieluhr von Lulle ================================================================================ Die Spieluhr Eine Spieluhr in meiner Hand. Auf ihr dreht sich die Scheibe rund herum. Immer wenn ich sie öffne erklingt diese Melodie. Diese Melodie, die mich zu dir fliegen lässt. Wie oft hattest du sie in deinen Händen, hast der kleinen Melodie gelauscht, die so zart an deine Ohren erklang. Die Luft war erfüllt von ihr und oft hast du deine Augen geschlossen und dagesessen. Einfach so. Du hast sie auf dich wirken lassen, diese einfachen Töne. Wie oft habe ich dir dabei zugesehen, wie oft habe ich mir gewünscht, ich wüsste was in dir vorging. Wie ein Mantel legte sich die Melodie über dich, nahm dich mit Körper und Seele ein und erfüllte jede Faser in dir. Hätte ich doch nur geahnt, was sie in dir auslöst… hätte ich doch nur geahnt, was du vermisst. Ich hätte mir so viel Leid ersparen können. Doch das ist zu spät. Viel zu spät… Wieder sitze ich in diesem Zimmer, habe die Spieluhr in meinen Händen und sehe ihr zu, wie sie sich dreht. Immer und immer wieder, höre die erklingende Melodie und schließe wieder meine Augen. Langsam geht mein Atem, wage ich es doch nicht zu laut zu sein. Ich merke wie sie mich umhüllt, wie sie in mein Bewusstsein drängt. Langsam rinnt eine Träne meine Wange hinab. Das Zimmer liegt im Dunkeln und ein Schweigen erfüllt es. Einzig und allein durch diese sanften Töne unterbrochen. Ich merke, wie sie meine Kehle zu schnürt, mich langsam am atmen hindert, meine Augen brennen lässt. Schmerz erfüllt mich, nimmt mich ein und das ganz allein durch sie. Doch kann ich sie nicht abstellen. Liegen doch so viele Erinnerungen in ihr. Erinnerungen von dir. Wie du da sitzt, mit der Spieluhr auf dem Schoß und die Augen geschlossen. Hast du es auch gefühlt? Diesen Schmerz, diese Leere in dir? Nacht für Nacht, Tag für Tag... jedes Mal aufs Neue. Immer wieder erfüllt dich dieses Gefühl. Wie erstarrt sitzen wir beide da, hören ihr zu und leiden vor uns hin. Niemand, der es versteht, niemand der uns daran hindert - niemand der uns rettet. Es wäre so einfach damit aufzuhören, nicht wahr? Man müsste doch einfach nur diese Spieluhr wieder schließen, müsste die Töne verstummen lassen. Doch dann hätten wir gar nichts mehr. Ich hätte dich nicht mehr… Sanfte Töne und du erfüllst den Raum. Diese Melodie und ich fühle, du bist bei mir. Und eine Leere, in der ich mich verliere. Bilder, die vor meinem Auge erscheinen, die mich verzweifeln lassen. Wieder bekomme ich keine Luft, mein Körper erzittert von den Schluchzern, die meiner Kehle entrinnen. Fest krallen sich meine Finger in das Metall der Spieluhr. Warum? Warum hat sie dich mir genommen, einfach so… immer mehr - Stück für Stück hast du dich von mir entfernt, hast du dich mir abgewandt. Irgendwann konnte ich nur noch daneben stehen und diese Melodie hören, denn du hast nichts mehr gesagt. Du saßt nur da und hast ihr gelauscht. Wie eifersüchtig ich doch auf diese paar Töne gewesen war. Und das zu recht. Sie haben dich mir weggenommen, stetig, nach und nach und doch ganz plötzlich. Ich habe es zu spät gemerkt, war mir der Folgen nicht bewusst. Bis zu jenem Abend. Wieder erklang die Melodie aus diesem Zimmer. Doch etwas Bedrückendes lag in der Luft. Langsam öffnete ich die Tür und sah in die Dunkelheit. Nur langsam erspähte ich, dass du nicht mehr dasaßt, nein… und du hattest auch nicht mehr die Spieluhr auf deinem Schoß. Sie stand auf dem Bett, ließ die Töne in die Luft übergehen und durch den Raum schweben, bis hin zu dir. Als ich dich sah, zerbrach meine Welt in tausend Teile. Ein großes schwarzes Loch tat sich vor mir auf und sog mich hinein. Du lagst da, reglos und friedlich. Doch du hast nicht mehr der Melodie gelauscht… du hast niemandem mehr gehört. Du wurdest mir weggenommen - du bist von mir davon gelaufen, hast mich allein gelassen. Und auch die Spieluhr. Nächte musste sie allein verbringen, bis ich sie zu mir nahm. Sie hat mir von dir erzählt, hat mit mir das geteilt, was sie vorher mit dir teilte. Und nun? Nun steht sie alleine in diesem Zimmer, auf diesem Bett. Und in der Dunkelheit erklingt immer noch diese Melodie… Ton für Ton erfüllt sie die Luft. Sie muss wieder alleine sein, denn auch ich habe sie verlassen. Hat sie mir doch gezeigt, wie wenig ich ohne dich leben kann, wie sehr ich dich vermisse. Tag für Tag, Nacht für Nacht… immer mehr. Hätte ich geahnt, dass es dir nicht anders ging, dass du mich ebenfalls vermisst hattest - Doch jetzt vermisst uns niemand mehr. Nur die Spieluhr ist zurück geblieben. Wem würde sie jetzt ihre Melodie zeigen? Wem würde sie jetzt zu hören, in ihren Bann ziehen und Stück für Stück töten? Denn sie hat uns gezeigt, was wir vermissen… diese Melodie hat uns gezeigt, wie leer wir sind - hat uns sterben lassen, denn wir haben uns vermisst. Und so steht sie nun weiter da, wartet auf den nächsten Besitzer… und wir? Wir hören ihr trotzdem weiter zu, denn in unseren Herzen erklingt sie noch immer… die Melodie, die uns verbindet. ____ Es ist schon vor einer Weile enstanden... bestimmt schon vor einem Jahr. Lange war dieser text auf meinem PC in Vergessenheit geraten, durch Zufall hab ich ihn wiedergefunden und nun lade ich ihn hoch ^^ Ich bin erstaunt, wozu mich doch eine kleine Spieluhrmelodie inspirieren kann... und dass es so negativ gewesen ist. o__O... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)