Licht und Dunkelheit von Diracdet (Teil 6 des Detektiv Conan-Noir Crossovers) ================================================================================ Kapitel 23: Rans Entscheidung ----------------------------- Hallo liebe Leser, schön, wenn ihr euch immer noch her verirrt – oder muss ich jetzt allmählich in Deckung gehen, damit nicht Messer geworfen werden, weil ich immer ne Woche Pause nach... etwas dramatischeren Kapitel-Enden mache? ;ppppppppppppppp Also ein Versprechen, am Ende dieses und auch des nächsten – des letzten – Kapitels, wird es nicht um Leben und Tod für Ran und Conan gehen, ehrlich! ^-^ Was nicht heißt, dass ihr nicht unter Umständen dennoch hiernach die Messer neu schärft.... *Muhahahahhahahah* *Schluck* So, mal weg von den Metaphern und Hyperbeln, ich hoffe, der ganze Fall um die Künstler hat euch gefallen, mein bisher komplexester wohl. Aber man soll ja immer noch nach höherem streben. Beim nächsten Mal wird es ne ganz andere Gruppe an Leuten betreffen... Und an dieser Stelle wie immer ein herzliches Danke schön an die fleißigen Kommischreiber.^^ Die letzten beiden Kapitel betreffen essentiell ein... anderes Thema, ich will gar nichts groß vorweg nehmen, außer dass der Titel nicht ihre Entscheidung vom letzten Kapitel, Conan mit ihrem Körper vor den Explosionen zu schützen, meint... So, dann wünsche ich viel Spaß beim Lesen, am Ende des Kapitels melde ich mich nochmal kurz. Insofern, bis nachher. ^.~ LG, Diracdet _____________________________________________________________________________ Kapitel 23. Rans Entscheidung Das Getöse der Explosion gar nicht weit neben ihnen warf einzelne Steinkörner bis in Rans Gesicht. Die pieksenden Nadelstiche spürend krümmte sie ihren Körper nur noch mehr um den kleinen Jungen, um, wie auch immer, ihn vollkommen abzuschirmen. Die Bewegung hatte fast schon etwas von einem Reflex, denn sie wusste selbst nicht, ob sie noch ganz bei sich, oder durch den Schock dieser ersten Explosion bereits in ein leichtes Koma gefallen war. Nicht, dass sie sich dann hätte krümmen können, aber zu solchen Gedanken war sie gar nicht mehr fähig. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die ersten Brocken von einer anderen Seite oder, wovor Ran sich am meisten fürchtete, von oben, kommen würden. 'Gleich ist es vorbei...' In doppelter Hinsicht, wie sie zu verdrängen suchte. Die Angst würde verschwinden, aber auch keine wirkliche Erleichterung folgen. Wieso musste es gerade so enden? Die einzige Frage, die ihr jetzt klar vorschwebte. Jetzt, wo ihr zwei Dinge eigentlich klar waren. Die Person vor ihr, das musste doch Shinichi Kudo sein, ihr verschwundener Freund. Der vermisste Detektiv, der ihr schon mehrfach das Leben rettete. Und... dass sie ihn liebte. Dass das, was sie vor langer Zeit einem vermeintlichen Kind erzählte, ansonsten aber den meisten Leuten gegenüber gewissenhaft verschwieg, keine leeren Worte waren. Dass es keine Gefühlsschwankungen waren, keine bedeutungslosen Sehnsüchte. Es war echt. Sie hatte sich an ihn gewöhnt, und hatte dann die Welt ohne ihn erlebt. Hatte versucht, ohne ihn zu leben, normal zu leben, hatte neue, andere Menschen kennen gelernt, Höhen und Tiefen – oh ja, die tiefste Tiefen – erlebt, aber... dabei nur eines festgestellt. 'Wirklich ohne dich konnte ich nie, Shinichi. Das ist wohl der Unterschied zwischen einem kleinen Flirt... und wahrer Liebe. Sie kann... einfach nicht abgeschlossen werden.' Die Sekunden verrinnten wie Ewigkeiten und die starre, auch jenseits der Fesseln unbequeme Haltung Rans ließ sie glauben, sie befinde sich vielleicht bereits unter Tonnen Gestein begraben. Aber... da war nichts... nichts außer dem altbekannten Stahl, der sie in diese Form zwängte. „Wo... wo bleiben die anderen Explosionen?“ Es war still, die Höhle hatte bis auf das Geräusch des Wassers hinter ihr jedweden Ton scheinbar verloren, der Widerhall ihrer Stimme drang direkt zu ihr zurück. „Es gibt keine weiteren.“ Mitten in diese Ruhe drang die feste, emotionslose Stimme einer ihr vertrauten Person. Erschrocken hob sie ihren Kopf, wandte ihn nach rechts, und sah im Profil vor sich entstehend eine junge Frau mit vor ihrem Körper verschränkten Armen. „K-Kirika?!“ „Ich habe die anderen Bomben entschärft.“ „W-was?!“ Sie starrte sie nur völlig baff an. Wo kam Kirika jetzt her? Eigentlich gleich bedeutend mit der Frage, wo überhaupt Conan so plötzlich herkam. Aus dem Krankenhaus? Warum? Und wie? Wie sind sie hier rein gekommen, in die Höhle? Es war doch verschlossen. Und wieso dann 'nur' die beiden, wo waren die Anderen? Und woher wusste Kirika von den Bomben? Und wie konnte sie sie entschärfen? Die Fragewelle in diesem Moment überrollte sie förmlich. Ging es bis eben 'nur' um leben oder sterben, war ihr fast alles andere egal, so wurde ihr nun klar, wie unverständlich, verwirrend die Situation eigentlich war. „Wie... die... 'anderen' Bomben?“, stammelte sie zögerlich. Es war wohl die überflüssigste Frage von allen. Mindestens eine war ja offensichtlich übrig geblieben und eben hochgegangen. Kirika antwortete auch nicht direkt, bewegte ihre Augen leicht nach oben, fixierte einen Punkt hinter Ran. Das Mädchen windete sich krampfhaft um, um selbst zu sehen, was sie meinte. An der Stelle, wo sich jetzt ein Haufen Geröll sammelte und im Wasser eine neue Insel aufzutürmen schien, befand sich bis eben der Tunnel hinaus aus der Grotte. „Ich wollte sicher gehen, dass der Täter nicht nochmal zurück kommt. Deswegen hab eich diese Bombe nicht entschärft.“ „A-aber... wie? Woher weißt du, wie man Bomben ent...“ Sie erstarrte in ihren eigenen Worten, als sie sich gerade umdrehte und mitten in den Lauf von Kirikas Baretta blickte. Ihr kalter Blick, den Ran früher als einfach nur neutral, schüchtern interpretierte, kam ihr nun wie die verklärte Fratze des Todes höchst persönlich vor. Es war etwas abgestumpftes dahinter, etwas, das die Angst in Rans Augen als völlig belanglos bewertete. Was diese Frau in ihrem Leben schon gesehen haben mag, war ihr nie wirklich klar, aber in diesem Moment wusste sie eines ganz sicher. An den Anblick von Toten, wie auch sterbenden Menschen, die über ihr Schicksal Bescheid wussten, die vielleicht vor ihrem Henker um Gnade bettelten, war sie vollkommen gewöhnt. Es war für sie... alltäglich, wie in diesem Augenblick. Es hatte keinerlei Einfluss auf sie. „Wer... bist... du?“ Ein dunkler Schatten schien über ihr Gesicht zu huschen, ansonsten aber blieb es absolut regungslos. „Der Nachhilfeunterricht ist wohl vorbei.“ Sie entsicherte kurz die Waffe und richtete sie aus auf Ran. Verängstigt schloss sie die Augen, wandte sich um... dann fiel der Schuss, und sie selbst in eine tiefe Dunkelheit, genannt Ohnmacht. „Hallo? Ist hier unten wer?“ Der laute Ruf drang nur langsam zu ihr durch. Aber dann deutlich. Sie hörte jemanden, jemanden rufen. Und sie vernahm das Geräusch von Wasser in einer Höhle sowie durch die Nase den Geruch von Farben und Metallen. Sie war immer noch hier, sie war immer noch am Leben! Und sie fühlte sich... unbestimmt behaglich, anders als vorher. Vorsichtig öffnete sie ihre Augen, blickte geradeaus, in das schlafende Gesicht eines kleinen Jungen. „Conan!“ Sofort bemerkte sie seine Blut- und Wasser getränkten Bandagen am Kopf, die Wunde, die wieder aufgegangen war. „Conan?! Conan, wach auf, bitte!“ Sie rüttelte ihn heftig, in der Hoffnung, eine Reaktion zu erhalten, doch seine Miene blieb unbeweglich. 'Meine Arme?' In diesem Augenblick erst wurde ihr klar, was sich so ungewöhnlich im Vergleich zu vorher anfühlte. Sie war frei! Um sich blickend fand sie die Reste der Ketten neben sich liegend, und die Schlösser... „... zerbrochen?“ Sie wirkten direkt zerstört, mit grober Gewalt. 'Kirika? Hat sie etwa... mit ihrer Pistole nur die Schlösser...' Der Gedanke schien ihr direkt absurd, selbst wenn sie, wovon Ran überhaupt keine Vorstellung hatte, eine gute Schützin sei, sie war vollkommen unverletzt und die Schlösser Zentimeter neben ihrem Körper gewesen... Und dennoch... jemand anderes war es doch auch nicht. „Da, da sind sie, das ist Herr Moris Tochter, glaube ich!“ Endlich, im faden Licht der einzelnen Lampe nahm sie die Polizeiuniformen wahr. Sie waren gerettet. „Wie geht es dir? Da ist noch der kleine Junge, von dem Herr Hino sprach. Er ist verletzt. Ruf einen Krankenwagen, schnell!“ Vieles von dem, was in den folgenden Stunden noch passierte, bekam Ran erst später richtig mit, auch sie war erschöpft und leicht benommen ins Krankenhaus gebracht wurden und erfuhr es im Nachhinein von Kazuha und den Anderen. Heiji hatte dank Herrn Yamamura den Eingang vom Fluss etwa hundert Meter weiter stromaufwärts gefunden. Eine dünne Steinplatte, die mit Erde säuberlich überdeckt und auch teilweise mit wasserfestem Universalleim fixiert wurde. Nur von außen zu verschließen, dann aber praktisch unauffindbar. Die Polizei, die angerückt war mit zwei Tauchern, teilte sich auf. Die beiden Taucher folgten mit Ausrüstung und bewaffnet dem Tunnel unter dem Wald in die Tiefe, bis vor ihnen das Licht einer künstlichen Quelle auftauchte. Der verängstigte Herr Tomoko wollte umdrehen, kam auch bis zum Ende seines großen Tunnelbauwerks, fand aber wie von Kirika geplant diesen verschlossen und sich damit in einer Sackgasse wieder. Einen Moment wollte er sich noch wehren, schwach war er ja nicht, aber zwei Probleme, jenseits der beiden Polizisten machten ihm zu schaffen. Am Ausgang würden sicher noch deutlich mehr auf ihn warten. Und diesen müsste er erstmal erreichen, da er schon mehr Sauerstoff als üblicherweise bei einem Tauchgang durch den Tunnel verbraucht hatte und sein Vorrat bald zur Neige gegangen wäre. Da es keinen Ausweg gab, außer besagten in einem Kilometer Entfernung, ergab er sich letztlich kampflos den Beamten. Der zweite Trupp begab sich zum Schloss, nicht zuletzt, weil man unterwegs noch zwei Anrufe erhielt. Der eine kam aus der Villa eines 82 Jährigen Mannes, dessen Augen von einer sehr umfassenden Erfahrung, was diese Welt betraf, zeugten. Am Krückstock gehend, mit leicht verrauchter, leiser Stimme, war Tomoji Kunieda immer noch eine imposante Gestalt, die Kommissar Shiratori dort gegenüber stand und Respekt einflößte. Als er sich mit den Vorwürfen, die Takagi geschildert hatte, konfrontiert sah, glitt ein resignierendes Lächeln über seine Lippen, während er die tiefe Nachmittagssonne dieses Herbsttages sich in leuchtendem Orange auf die Stadt ergießend durch seine Panoramafenster beobachtete. „Hm... Das Leben ist doch... wirklich wie ein Spiel. So lange es nicht vorbei ist, kann einem noch der dümmste Fehler vom Anfang das freudige Ende kosten, selbst wenn man quasi auf der Ziellinie steht, nicht wahr, Herr Kommissar?“ Er setzte sich mit grimmiger, aber auch gelöster Miene, in seinen warmen Sessel, und erklärte, kurz, und direkt auf die Fragen des Polizisten antwortend sein Wissen über das Geheimnis seines Schlosses. Insbesondere, wo der Eingang zur Höhle zu finden war. Dieser Information folgend leitete er die anrückenden Beamten an, wie sie zum Versteck kommen würden. Der zweite Anruf stammte aus dem Polizeihauptquartier und besagte, dass ein gewisser Daijo Hino, der im Schloss Kunieda wohne, einen Notruf gemeldet hatte, weil im Schloss eine wild gewordene Frau mit einer Waffe um sich schoss. Leider erreichte dieser Notruf die Polizisten erst am Schloss, die Frau, die wenige Minuten vorher vorschriftsmäßig ordentlich und der Sirene Platz machend, an ihnen vorbei fuhr, hatten sie nicht mehr abfangen können. Lediglich die geöffnete Falltür, wie von Shiratori beschrieben, sowie darin, wie von Takagi vorhergesagt, Ran Mori. Woher der kleine Junge kam, erklärte der Künstler dann ohne selbst die Situation zu verstehen. Eine Untersuchung bezüglich Kirika gab es zwar, aber diese brachte lediglich zwei Dinge hervor. Erstens, sie besaß einen gültigen Waffenschein und war wohl auch seit ihrer Ankunft in Japan in einem Tokioter Schützenverein aktiv und für ihre beeindruckenden Fähigkeiten dort bekannt. Zweitens waren Herrn Hinos Aussagen maßlos übertrieben, da sich die zerstörten Patronen lediglich am Schloss der Falltür sowie an den Kettenschlössern zu Rans Fesseln fanden. Ihre Fingerabdrücke hatten sich an den Bomben, ausgenommen den Resten der einen Explodierten, nachweisen lassen, ansonsten war in der gesamten Höhle nichts außer ihren Fußspuren. Da niemand verletzt war und auch Herr Hino zugestehen musste, dass sie offiziell vorhatte, das Schloss mit ihrer Baretta zu öffnen, konnte man ihr höchstens gefährliches Verhalten vorwerfen, was aber aufgrund einer Notsituation und ihrer gegebenen Möglichkeiten wenig Aussicht hatte, vor Gericht irgendeinen Bestand zu haben. Letztlich beließ es Kommissar Megure sie einmal persönlich darauf hinzuweisen, die Waffe nicht einfach so mit sich zu führen und schon gar nicht unter Menschen zu benutzen. Mireille wohnte dieser 'Rüge' mit einem ironischen Grinsen auf den Lippen und einer Tasse Tee in den Händen bei. Shiratori, Megure und nicht zuletzt Takagi, der sich vor beiden für gewisse 'Unstimmigkeiten' bei der Auskunft zu Conans Zustand und den Ermittlungen im Fall des verschwundenen Künstlers Atsushiro Tashija rechtfertigen musste, diskutierten eine ganze Weile über diesen Fall, während sie im Krankenhaus – in dem es ja immer noch einen weiteren mysteriösen Fall gab, auch wenn dieser offiziell gelöst war – auf die Ergebnisse zu Conans möglicher Vergiftung warteten. Ran hatte sich außer einer leichten Unterkühlung durch das Wasser und den kalten Boden in der Höhle nichts zugezogen, und wartete nun ebenfalls seit zwei Stunden darauf, dass Conan aufwachte. „Er hat sich leider nicht nur eine leichte Blutvergiftung zugezogen.“, gab einer der Ärzte, der sie mit ungewöhnlich distanziertem Blick beobachtete, an. „Da er unter Wasser das Bewusstsein verlor, hat er auch einiges von dieser Brühe geschluckt. Glücklicherweise hat die Polizei eine Probe mitgebracht, so konnten wir abschätzen, was diese Substanzen in seinem Blutkreislauf anrichten und das Blut reinigen. Aber vorläufig, auch wegen seiner Erschöpfung, ist er nach so einer Behandlung in einem kritischen Zustand. Wir müssen abwarten, wie er reagiert.“ Das war, wie gesagt, vor zwei Stunden. Mittlerweile war es Abends, und die dunkle Nacht ließ ihr Gesicht im Fenster reflektieren. Sie sah den traurigen Blick, den sie selbst aufsetzte, den sie eigentlich schon so lange nicht mehr sehen wollte. Daneben tauchte das Gesicht Professor Agasas auf, der sich zu ihr setzte, Ai, Kogoro, Kazuha und Heiji etwas weiter weg, die drei Polizisten abseits, die beiden Fälle leise erörternd. Herr Yamamura und Herr Hino waren vor einer Weile aufs Präsidium gefahren, um ihre abschließenden Aussage zu machen. Der alte Mann beobachtete sie eine Weile, fand sie tief in Gedanken versunken. „Ran...“ „Sagen Sie, Professor... wieso sind die Ärzte jetzt auf einmal so abweisend zu uns gewesen? Sind sie wütend, dass Conan einfach so mit Kirika abgehauen ist aus dem Krankenhaus?“ „Weißt du es noch nicht?“ Sie schüttelte neugierig den Kopf, was ihn laut schnaufen ließ. Er erklärte ihr kurz, was sich zwischendurch ereignet hatte, dass drei Ärzte ihr Leben verloren hatten, und dass aufgrund der Verbindungen das Gerücht wohl die Runde machte, wonach Conan ein Unglücksbringer sei. Dem Schock in ihrem Gesicht folgte ein deutlicher Trotz. „Schwachsinn!“ Sie wollte eigentlich laut protestieren, aber ihre Stimme gab unwillkürlich nach. Sie kniff die Hände zusammen, sah wieder in ihr künstliches Spiegelbild. „Es ist doch... Ironie, oder nicht, Professor?“ „Äh... was?“ „Das Spiegelbild. Eigentlich ist es Glas, gemacht, um durchzusehen, um Licht hinein zu lassen... aber es lässt immer nur da mehr Licht hinein, wo weniger vorhanden ist. Jetzt, wo es draußen dunkel ist, wird das wenige Licht, das von draußen reinkommt, überstrahlt von den Flurlampen und stattdessen können alle hier hinein sehen. Und wir sehen nur..., wofür wir uns eigene Geräte in die Badezimmer hängen und Fenster nicht brauchen. Die Leute kaufen sich Jalousien und Abdunklungen, nur um diesen Effekt zu vermeiden...“ Was war nur mit ihr los? Wollte sie sich irgendwie ablenken? Auch Ai und Kazuha beobachteten von einiger Distanz ihre kurze Ansprache. „Ich meine nur... das Glas macht nichts als Dasein. Dennoch... über das Jahr gerechnet macht die Scheibe die Hälfte des Tages das Gegenteil von dem, was sie soll. Ist das dann ihre Schuld? Selbst... selbst wenn Conan ein Talent hat... Verbrechen um sich zu scharen... er ist es doch auch, der sich darum bemüht sie aufzuklären. Er verübt sie doch nicht... und er ist auch nicht... verantwortlich für sie.“ Sie kniff die Lippen zusammen, verdrückte die Träne, die sich in ihrem Auge bildete. Es war ihr selber merkwürdig, warum sie diese Assoziation hatte... praktisch... Physik. Mamoru. Unwillig stützte sie ihre Stirn auf den rechten Arm. Wieder kam der Gedanke an diesen Studenten, der damals einfach verschwand, nachdem er ihr diese eine Botschaft hinterlassen hatte. 'Wenn die Raben vom Tower wüssten, warum man ihnen die Flügel abschnitt, würden sie niemals in Erwägung zu ziehen, davon zu fliegen... und man könnte sie in Frieden leben lassen.', fügte sie noch an. Irgendwo schien es naheliegend, was er sagen wollte. Ja, Shinichi wollte Ran nicht in Gefahr bringen. Unter dem Gedanken, dass eine mächtige Organisation im Hintergrund stand, so wie es ihr Vermouth und Gin angedeutete hatten - eine die ihn womöglich verfolgte - mehr als verständlich. Und vermutlich hätte sie sich früher viel weniger eingemischt, wenn sie diesen Gedanken vorher kannte. Aber... das alles traf einen Aspekt nicht! Sie sah auf, blickte sich um. 'Der Professor. Ai... wie auch immer sie richtig heißt... vielleicht erfahre ich das eines Tages ja. Heiji. Inspektor Takagi. Kirika und Fräulein Bouquet. Sicher seine Eltern. Miss Jodie vom FBI. Womöglich auch Sonoko? Das sind schon zehn...zehn Leute, die dieses Geheimnis offenbar kennen, Shinichi. Wie oft habe ich dich gefragt? Wie oft habe ich auch mit aller Macht förmlich darum gebettelt, es von dir zu erfahren.Wie oft hast du mich als Conan wegen dir weinen sehen. Und glaub mir, ich habe deinen Blick in diesen Momenten auch bemerkt. Es hat dich nicht... kalt gelassen. Egal, ob du es warst oder nicht. Das... das kann doch nicht sein... dass sie alle so viel bessere Argumente fanden, dich zu überführen als ich.' Es war einfach nicht möglich für sie, das in Betracht zu ziehen, so... dumm war sie doch nicht. Einen Teil konnte sie sich denken, seine Eltern hätten niemals Ruhe gegeben, deswegen mussten sie es ja wissen. Der Professor hatte die beiden noch am Tag seines Verschwindens bekannt gemacht, also hatte Shinichi es ihm wahrscheinlich freiwillig erzählt und danach erst gemerkt, dass er das besser nicht tun sollte... aber dann... 'Ist ja nicht so, dass ein Mensch einem Kind so einfach abnehmen würde, er wäre in Wahrheit ein Erwachsener, dafür braucht es einige gute Gründe.' Und er war auch nicht der Typ, der rumlief und es jedem Dahergelaufenen erzählte. Sie mussten also in aller Regel von selbst drauf kommen. An dieser Stelle kam hinzu, dass Ran ihre persönlichen Beweggründe in jedem Fall als... fragil ansah, um es diplomatisch zu formulieren. Es waren Dinge, die ihr nunmal an Shinichi aufgefallen waren und später an Conan auffielen. Seien es äußere Sachen, seien es Fähigkeiten und Fertigkeiten... oder Unfähigkeiten wie seine musikalische 'Begabung', oder auch seine ganze Art an sich. Das würde die wenigsten der genannten Personen überzeugen können. Im Gegenteil, würde sie damit jemand anderes zur Einsicht bringen wollen, Conan Edogawa wäre Shinichi Kudo... man würde sie eher für paranoid erklären. Nein... es gab nur eine Möglichkeit... er gab einen Unterschied... er sah einen Unterschied zwischen diesen Leuten... und ihr. Sie war in irgendeiner Form anders. Und deswegen durfte sie es noch weniger erfahren als zum Beispiel Heiji oder Ai. Warum machte er bei ihr so eine Ausnahme? Sie seufzte demoralisiert. 'Tut mir Leid, Mamoru, aber ich denke, du irrst dich. Das ist nicht der Aspekt, um ihn zu durchschauen.' Es war noch etwas tieferes. Eine Assistenzärztin öffnete die Tür zu Conans Zimmer, sah sich mit leichter Blässe um, fand die Gäste stumm hoffend zu ihr aufsehend und gab ein gezwungenes Lächeln. „Es geht ihm gut. Er ist eben wach geworden.“ Mit beruhigender, leiser Stimme schloss sie hinter sich die Tür, postierte sich davor. „Ich würde Sie bitten, kurz zu warten...“ „Sagen Sie...“, unterbrach Heiji sie zögerlich, aber sie ahnte, worauf er hinaus wollte. „Wie gesagt, es geht ihm wohl gut, physisch, es scheinen keine bleibenden Schäden von der Vergiftung zurück zu bleiben. Auch wenn man das so schnell sicher nicht genau sagen kann. Was seine Amnesie angeht...“ Ihr Blick trübte sich leicht. „Nun er erinnert sich an alles, was seit dem erstmaligen... Schlag auf den Kopf passierte. Also hat er zumindest nichts nochmal vergessen. Dennoch hat auch der Besuch des Schlosses wohl wenig Erinnerungen geweckt. Wir sind da nicht wirklich weiter gekommen.“ „Also ist er weiterhin ohne Gedächtnis, aber hat genauso gute Chancen, wie vorher?“ „Nun ja, wir wissen nicht genau, wie gut Dr. Asunaja seine... 'Chancen' einschätzte. Dr. Hagui ist auch relativ optimistisch, hat aber nur ein paar wenige Anhaltspunkte bis jetzt. Er meinte aber aus dem kurzen Gespräch, welches er mit Conan führte die Information herauszuhören, dass sich sein Gehirn langsam wieder aufbaut. Er scheint unglaublich schnell lernen zu können und hat in den wenigen Stunden seit er heute Vormittag erwachte ein recht komplexes Netzwerk seiner Vergangenheit wieder herstellen können. Vermutlich... wird er sich an das meiste mit ein bisschen Hilfe sehr bald schon erinnern... Aber eine Garantie gibt es noch nicht.“ Sie versuchte schwach zu lächeln, sich auf ihre Aufgabe zu konzentrieren. Man merkte ihr an, wie ihr, wie auch dem behandelnden Arzt, der kleine Junge nicht ganz koscher vorkam. Und das nicht nur wegen der Morde im Krankenhaus. „Können... können wir ihn dann jetzt noch besuchen?“, fragte Ran zögerlich von der Seite. Die halbpositive Erklärung zu Conans Amnesie ließ sie in der Luft hängen und zwang sie dazu, sich selbst ein Bild machen zu wollen. „Eigentlich nicht wirklich. Um es kurz zu machen, Dr. Hagui empfiehlt Ihnen, höchstens kurz reinzugehen, hallo zu sagen, sich aber praktisch auch zu verabschieden, er braucht die Ruhe einer langen Nacht. Das hilft ihm, seine vielen Eindrücke zu ordnen und seine Vergangenheit besser zu verstehen. Längere Aufenthalte würden bei seiner Neugier eh nur dazu führen, dass er noch mehr über sich selbst erfragt, und ob er damit besser zurecht käme in seiner Situation, ist fraglich.“ Alle nickten bedenklich, die Polizisten etwas abseits sahen das als persönliches Signal, sich auf den Weg zurück zum Revier zu machen, da Conan zwei von ihnen noch gar nicht wiedererkannte und der Dritte wohl keine große Hilfe für ihn war. Sie wussten, es ging ihm gut, alles andere würde wahrscheinlich Zeit brauchen. Als Megure mehr stumm abnickte und den Anderen einen erholsamen Abend wünschte, legte die Krankenschwester nachdenklich den Zeigefinger ans Kinn. „Vielleicht sollten auch von den Übrigen nicht alle kommen. Nicht gleich wieder so viele Leute. Er hat insbesondere nach Fräulein Mori gefragt, wohl wegen der Ereignisse in dieser Höhle...“ Ran schluckte heftig, ballte ihre Hände neben sich zu Fäusten. Ihr Vater beobachtete skeptisch ihren undeutlichen Gesichtsausdruck, lenkte dann aber ein. „Gut, dann geh ich mal schon vor zum Auto, Mausebein. Grüß den Nervenzwerg von mir.“ Er drehte sich ohne aufzusehen um, marschierte schnurstracks ein paar Schritte, blieb dann aber wieder stehen. „Ach ja, Ran?“ „Was?“ „... Sag ihm Danke schön, er hat dir immerhin das Leben gerettet.“ Was er damit wirklich meinte, war Ran sehr genau klar. 'Ich werde mich auch in deinem Namen bedanken, keine Sorge, Paps.' Damit zog er ab, gefolgt von Kazuha, die ihm auf Hinweis Heijis nachging. Er wollte sich auch kurz verabschieden – und er würde auf Ran achten, da solle sie sich nicht fürchten. Der Professor überlegte kurz, ob er mit rein käme, aber Ai winkte leise von der Seite ab. „Gehen Sie... auch schon mal vor. Ich glaube, er möchte noch... etwas klären... etwas, das keinen Aufschub duldet. Wir kommen gleich nach.“ Sie warteten, bis auch er im Aufzug verschwunden und dieser gemäß dem Blinklicht in die nächsttiefere Etage gedriftet war. Der Flur war erstaunlich leer um diese Zeit. Es war halt... ein Kinderkrankenhaus... und die offizielle Besuchszeit war um. Auch wenn es noch nicht nachts war... es war einfach still. Beruhigend still. Mochten die Neonreklamen Tokios im Hintergrund noch so strahlen und das Nachtleben Shibuyas noch bis zum nächsten Sonnenaufgang dauern, hier war es still, hier konnte man ruhen... hier konnte Conan seine Gedanken, wie die Schwester sagte, ordnen. „Na los.“, ermutigte Ai Ran von der Seite. „Er wartet sicher nicht ewig.“ Mit einem leichten Schweißgefühl in den Fingern drückte sie die Klinke der Tür ins Krankenzimmer runter und trat in den Raum mit gedämpfter Beleuchtung. „Ran!“ Die Miene des kleinen Jungen im Bett heiterte sich sofort auf, als er sie sah, lediglich mit einem kleinen Pflaster an der Stirn versehen, ansonsten aber offenbar unversehrt. Auch sie wurde sofort etwas munterer, als sie seine kindliche, ehrlich freudige Stimme vernahm. Es ging ihm... so weit gut. Neben ihm stand Dr. Hagui, eine älterer etwas untersetzter Mann mit leicht angegrautem Haar, einen Notizhalter unter den Arm geklemmt und musterte die Besucher skeptisch. „Nur Sie drei?“ Seine Stimme war rau, aber gutherzig, bestimmt, aber auch väterlich fürsorglich. Er erlaubte, was er erlauben konnte, ohne seinen Patienten damit unnötig zu belasten. „Na gut. Machen Sie... nach Möglichkeit nicht länger als fünf Minuten, er braucht wirklich etwas längeren Schlaf, gerade in seinem Alter.“ Ein mildes Lächeln drang von seinen Lippen, als er sich Conan zuwandte. „Also bis Morgen früh, Conan. Gute Nacht.“ „Gute Nacht, Dr. Hagui!“ „Einen schönen Abend wünsche ich.“, gab er im Vorbeigehen den Anderen noch auf den Weg und schloss leise die Tür hinter sich. „Geht es dir gut, Ran?“, kam es zögerlich nach einem Moment der Stille. Sein Blick glitt zur verwundeten Stelle auf ihrem Kopf. „Ach das? Keine Sorge, das war...“ Sie zögerte etwas, sollte sie ihn offen damit konfrontieren, was sie erfahren hatte? „Es ist... es ist... einfach nur eine kleine Verletzung, als mich Herr Tomoko niederschlug. Nicht weiter wichtig.“ Was sollte das für eine Erklärung sein? Er kannte Herrn Tomoko gar nicht, hatte auch unmöglich bis jetzt dazu etwas erfahren können – zumindest, so weit sie die Geschichte mitbekommen hatte. „Ist es... die gleiche Verletzung wie meine?“ Unwillkürlich glitt auch seine Hand zur Stirn, zum neuen Verband. Die Wunde tat nicht mehr weh, im Gegenteil, sie schien einigermaßen verheilt, zumindest verursachte sie keine Schmerzen mehr beim Denken. Ran zuckte bei der Aussage etwas zusammen, was ihm letztlich zur Bestätigung reichte. „Ein... Stalaktit. Ein Tropfstein, gleich beim Eingang der Höhle, dort fand ich auch... Spuren von deinem Blut... vermutlich.“ Er nickte leicht angestrengt, starrte mit etwas betrübtem Blick nach draußen. „Da war meine Überlegung mit dem Rohr wohl eher verwirrend, was?“, murmelte er vor sich hin. „Naja, falsch wars nich', Conan, aber hilfreich für die Untersuchung auch nich.“ Heijis nun wieder deutlicher hervortretende Akzent beruhigte ihn irgendwie. Er deutete an, dass es wohl wirklich vorbei war, er war wieder in Sicherheit... und ab Morgen könne er sich genauer dem Leben von Conan Edogawa widmen. 'Alias...' „Es ist schön, dass es dir gut geht, Conan.“, stellte Ai mit einem schwachen Lächeln fest, ohne ihn genau zu beobachten. Sie wirkte leicht abwesend, was ihm nicht entging. 'Du bist wie ich, Ai Haibara. Kann das sein? Bist du... wie ich womöglich?' Der Gedanke hatte ihn auch schon eine Weile beschäftigt, seit er für sich feststellte, kein Kind sein zu können. Sie war ihm ähnlich. In dieser Hinsicht nur, aber doch sehr auffällig. „Du wusstest von Anfang an, wer Kirika ist, oder?“ Ihre Miene verzog sich augenblicklich zu einer Fratze und auch Heiji und Ran entglitten kurzzeitig die Gesichtszüge. Ja... dieser kalte Blick vorhin in der Höhle, die Waffe, die sie mehr als beeindruckend benutzen konnte... Kirika Yuumura war eine... eine... „Du... du weißt es auch... also jetzt?“, brachte Ai nur stockend hervor. „Ja... auch wenn ich nicht weiß... woher ich sie kenne.“ Er schluckte. Eigentlich wollte er dieses Thema noch nicht heute Abend anschneiden. Fetzen zogen an seinem inneren Auge vorbei. Ereignisse... mit Kirika... mit einer zweiten Frau, einer blonden Frau, die ebenfalls eine Waffe trug... und sie benutzte. Sie beide... sowie mehrere Leute, gekleidet in ein dunkles Schwarz, welches alles Licht aufsaugte und wie ein Schattenriss die Figuren begrenzte. Und... Blut... viel... Blut. Da waren noch mehr Dinge, die er nicht einordnen konnte, Bilder, die keinen Sinn ergaben, wie das vermeintliche Rohr, welches sich als natürliches Gestein mit regelmäßiger Form herausstellte. Aber er war sich ganz sicher, wenn er nur etwas länger mit jemandem darüber diskutieren würde, der seine Vergangenheit etwas besser kannte, der seine Gedankengänge nachvollziehen konnte, dann würde es genügen, diese Einzelteile zu einem Bild zusammen zu fügen und sich weitesgehend zu erinnern. Der Nebel lichtete sich... allmählich, ganz sicher. Auch wenn er das, nach den Erfahrungen mit Kirika, nicht offen dem Arzt sagen wollte. Eigentlich konnte er es kaum abwarten, aber dennoch, er war wirklich müde, erschöpft. Diese Nacht würde er ruhen, nicht über Shinichi Kudo nachdenken, so hoffte er. Und Morgen... Morgen würde er sich um das Geheimnis seiner Identität kümmern. Gelassen, die Anspannung lösend, atmete er tief aus. „Na schön... das sind Fragen, die mich Morgen beschäftigen sollen.“ „Genau!“, stimmte Ran ihm zu. „Ruhe dich eine Nacht aus Conan und...“ Sie hielt inne, trat einen Schritt nach vorne, sah ihm tief in die kleinen Augen. In den ihren standen Ansätze von Tränen, aber sie blieb stark. „Ich wollte dir danken, Conan.“ Mit einem Mal tauchte eine deutliche Farbe in seinem Gesicht auf. „Was... ähä... nicht doch... ich...“ „Nicht nur für dieses Mal.“ „Was?“ Er verstummte, sah sie verwundert an. „Du weißt es nicht mehr... aber... es war heute nicht das erste Mal, dass du mir das Leben gerettet hast, Conan. Und ich... ich... Dummerchen kann immer nicht mehr tun... als Danke sagen. Eigentlich... müsste ich das... viel öfter noch tun... aber es klingt fast schon bedeutungslos, wie eine Floskel, meine ich manchmal.“ Sie wandte sich ab, als er ihre Worte nur stumm vor sich hin starrend annahm. Sie gab ihm auch gar nicht weiter die Gelegenheit, ihr zu widersprechen. Länger würde sie es einfach nicht aushalten. „Schlaf... schlaf gut Conan...“ Sie wollte gerade mit den anderen gehen, als „Warte! Warte, Ran. Bitte!“ Sie stockte, wollte sich fast nicht umdrehen. Aber Heiji sah sie kurz an und auch Ai nickte nur. „Wir warten draußen. Macht ganz in Ruhe.“ Als die Tür wieder zu war, lehnte sich Ran mit dem Rücken zur Wand an diese. So weit wie möglich weg von Conan, und ihm nicht in die Augen sehen, lautete die Devise. „Gibt... gibt es noch etwas, Conan?“ „Ja, ich... ich wollte noch etwas mit dir besprechen.“ Sein Herz pochte wie wild bei dem Gedanken an das, was er klären wollte, was er einfach nicht auf Morgen aufschieben wollte, egal wie viel Kraft es ihn jetzt noch kosten würde. „Könntest du dich hier aufs Bett setzen, ich wollte nicht... so aus der Entfernung darüber reden.“ Nun wurde auch ihr Herz merklich lauter und schneller. Sie sollte sich... zu ihm setzen? Es war also etwas... persönliches, was er ihr sagen wollte? Musste das sein? Langsam, Schritt für Schritt ging sie die wenigen Meter in Richtung Bett. Überlegte, ob sie nicht einfach nein sagen konnte... aber warum? Er war der Patient, der kleine, hilflose Junge, der unter Amnesie litt und gerade auch eine Blutvergiftung überstanden hatte. Der eigentlich Ruhe brauchte, aber sich extra noch einmal aufrappelte, um vorher mit ihr zu reden. Sie konnte ihm unmöglich diesen kleinen Gefallen verwehren. Und außerdem... musste auch sie es wissen... was er so wichtiges jetzt noch von ihr wollte. Die Matratze gab ihrem Gewicht leicht nach und hob sie an Conans Ende ihr gegenüber ein wenig an, so dass er ihr automatisch besser ins Gesicht sehen konnte. Sie versteckte es hinter einigen Haarsträhnen, er konnte nur die Züge ausfindig machen, ihre Gedanken, Emotionen, Stimmungen aber nicht ablesen. „A...also, worum geht es, Conan?“ Er sah sie lange an, suchte nach geeigneten Worten. „Mein... mein Leben, Ran.“ Nun schaute sie doch verunsichert auf. „Was... meinst du?“ Er suchte den Blickkontakt abzubrechen, sah nach draußen. „Mein Leben... als Conan Edogawa... es ist vollkommen... absurd. Es passt einfach nicht... nicht so.“ „Ach das... du hast halt kein so normales Leben, aber das... das renkt sich wieder ein, wenn du erstmal Morgen...“ „Es hat sich bereits wieder eingerenkt.“ Sie sah erschrocken auf. „Ich... ich meine, natürlich sind da viele Lücken, viele Details die ich nicht verstehe, aber die groben Züge, die Umrisse glaube ich erkennen zu können.“ Sie konnte es nicht vermeiden, ihre Freude über diese Aussage durch ein warmes Schmunzeln deutlich zu machen. „Das ist... doch schön, Conan. Dann kannst du bald... dich an alles wieder erinnern. Das freut mich, wirklich. Aber... wieso wolltest du dann...“ „Es fehlt etwas.“ Nun starrte er wirklich fest in Richtung Fenster. „Ich weiß... dass mein Leben alles andere als ungefährlich ist... das habe ich heute ja zur Genüge festgestellt... und dass ich deswegen... wohl nicht immer alles offen gesagt habe, was ich sagen wollte... oder müsste...“ Ihre Augen weiteten sich und sie nahm ihn fest ins Visier. 'Jetzt? Er will... jetzt darüber reden... warum?' Nicht, dass es ihr ungelegen kam, wenn er in diesem Moment das aussprechen wollte, was sie seit langem glaubte, aber... merkwürdig kam es ihr schon vor. Was hatte denn seine Meinung geändert... seit gestern? Die Amnesie? Oder die Ereignisse im Schloss? „Wieso... erzählst du mir das jetzt?“ Und warum musste sie nachfragen und riskieren, dass er sich nochmal umentschied? „Es gibt da noch etwas.“ Er zwang sich, den Blick vom Fenster abzuwenden, das Folgende konnte er ihr nur ins Gesicht sagen, alles andere wäre bedeutungslos in seinen Augen. „Etwas... das... zwar offenbar auch noch nie... ausgesprochen wurde... etwas was ich wohl auch... verheimlicht habe bis jetzt... aber ich sehe einfach keinen Grund.“ „Was?“ Ihr Herz klopfte auf einmal rasend schnell. Es gab ihr ein unglaublich warmes Gefühl... aber... da war noch etwas anderes. Ein leichter Schauer durchzog sie, ein bitterer Geschmack auf der Zunge, ein unwohliges Kribbeln im Magen. Es waren alles keine positiven Signale ihres Körpers, wie sie für diesen Moment geplant hatte. Nein, ihr war direkt schlecht bei dem Gedanken, was er gleich sagen könnte. Heftig atmend nahm sie ihren Mut zusammen. „Du... hast es nicht gesagt, kennst aber den Grund nicht?“ „Es mag sicher einen absonderlichen Grund gegeben haben... früher. Aber was auch immer es war... es... gilt einfach nicht mehr. Die Realität muss Conan Edogawa eingeholt haben, aber er hat unnötig daran festgehalten.“ „Wie kannst du dir da so sicher sein?“ „Ich sagte doch... ich denke, ich verstehe schon recht vieles über... 'ihn', mich. Aber dennoch, dieser Punkt, der definitiv essentiell für mich ist... fehlt einfach. Dafür kann ich keinen Grund so recht mehr finden. Und ich... ich möchte, dass du es weißt... was ich herausgefunden habe... über mich.“ Alle ihre inneren Organe zogen sich förmlich zusammen, ließen sie verkrampfen. Schmerzhaft windete sich ihr Magen und Darm Trakt gegen seine Worte. Conans Gesichtsfarbe bekam einen leicht roten Ton, aber Ran bemerkte es nicht mal, sie sah ihn nicht an, kämpfte gegen die Windmühlen in ihrem Körper einen aussichtslosen Kampf. Sie musste eine Wahl treffen und sie kannte die eine richtige Entscheidung, die ihr Körper ihr aufzwang. Die eine, gegen die sich nur ihr Herz mit aller Kraft sträubte. „Also... also weißt du... ich... Ran... ich...“ „Halt.“ Mitten in sein Gestammel fegte sie jede Zuversicht mit dieser einen Silbe gewaltsam hinfort. Es war ein kaltes, starkes 'Halt', nicht gehaucht, nicht halbherzig. Es kam aus voller Überzeugung. Auch wenn sie eines nicht konnte, ihm jetzt in die Augen zu sehen. Betont wurde es noch von einer ausgestreckten offenen Handfläche. Sie hielt sie ihm direkt vor das Gesicht, ein unüberwindliches Stopp, welches ihm Einhalt gebot. „Was... hast du... Ran?“ „Sag es mir nicht, Conan.“ „Aber...“ „Ich will es nicht wissen!“, fauchte sie heftig. Er wollte fast noch etwas erwidern, jedoch war diese Reaktion so unerwartet, dass es ihm im wahrsten Sinne des Wortes die Sprache verschlug. „Ich bitte dich, Conan. Lass dir von Heiji deine Vergangenheit erklären. Vorher... will ich es... wirklich nicht wissen.“ Sie drehte sich um, ignorierte mit stoischer Selbstbeherrschung jedes weitere seiner Widerworte, wie auch jedes ihres Herzens, welches gerade zu brechen drohte, so taten ihr die Schmerzen darin weh, und schritt zur Tür, trat hinaus und schloss sie wieder hinter sich. Dann erst öffnete sie die feuchten, wenn auch noch nicht nassen Augen, und erblickte Heiji und Ai genau vor ihr auf der gegenüberliegenden Seite des Flurs, vielleicht vier Meter getrennt, ebenfalls an die Wand gelehnt und sie mit festen, fragenden Blicken anvisierend. „Was... ist passiert?“, begann der junge Mann ernst. „Er... wollte mir die Wahrheit sagen.“ Der Schlag hatte gesessen. 'Dieser Idiot! Kaum hat er Gedächtnisverlust, erzählt er alles herum.' Diese Interpretation geisterte beiden durch den Kopf, nahm ihnen jede eben noch vorhandene Ruhe. „Hat er...“ „Nein. Ich habe ihn abgehalten.“ Ran hatte es noch nie gesehen, Heiji ebenso wenig und wohl auch noch nie jemand anderes, der sie nur in dieser Form kannte, aber nach diesen Worten stand Ai Haibara sprachlos mit weit geöffnetem Mund da. Hatte jede Selbstbeherrschung, die sie sonst so auszeichnete, eingebüßt. Starrte nur bewegungslos zu der jungen Frau. „Du hast ihn... abgehalten, dir die Wahrheit zu sagen?! Wa... warum?“ Rans Blick wanderte zu Boden, eine melancholische Grundstimmung in ihren Augen wurde übertüncht von aufkommenden Tränen, die sie bald nicht mehr würde zurück halten können. „Ist das... ist das denn nicht klar?“ Sie grinste selbstironisch, während ihre Stimme bebte. „Er wollte es... er wollte es mir sagen, ohne zu wissen, warum er es vorher verschwieg! Das wäre doch... das wäre doch genauso, als würde ich ihn zwingen, es preiszugeben.“ „Aber... wenn er dich sonst anlügt...“ „Ich weiß... ich... habe damals, vor langer Zeit versucht, ihn... zu einer Erklärung zu zwingen... aber er hat dicht gehalten, egal, was ich tat.“ Die Gedanken an ihre frühe gemeinsame Zeit mit Conan kamen ihr hoch. Die Zeiten als Shinichi einfach nur länger für einen Fall weg und der kleine Conan immer für sie da war. Wie sehr sie mittlerweile selbst diese Zeiten vermisste, war unerträglich. Sie schniefte, um noch einmal Luft für eine Erklärung zu haben. „Damals... wurde mir eines klar. Falls er mich anlügte... so hatte er einen Grund... einen verdammt wichtigen Grund. Ich konnte ihm unter diesen Umständen doch kein Geständnis abpressen. Das hätte... jede Freundschaft zwischen uns zerstört... wenn ich ihm dieses Vertrauen nicht entgegen bringen würde. Und jetzt... ohne das Wissen um diesen Grund... es einfach auszusprechen... wenn ich weiß, dass er den Grund nicht kennt, und wie wichtig er früher für ihn war... das wäre doch nichts anderes, als es von ihm zu erzwingen, oder? Oder?“ Das Herz des kleinen Mädchens wurde bei dem Anblick ihres Gegenübers schwer wie Blei, sank in ihr scheinbar nach unten. „Nach all... all der Zeit?“ Ran konnte nicht mehr, es wurde ihr zu viel. „Entschuldigt... entschuldigt mich, ich brauche frische Luft.“ Ohne sich nochmal umzusehen rannte sie davon Richtung Treppenhaus, dort wo in einem mit Liften bestückten Krankenhaus nicht so viele Leute langgehen würden. Einfach nur raus, einfach nur weg von Conan, an einen Ort, wo sie ihren Tränen endlich freien Lauf lassen konnte. Die beiden blickten ihr eine Weile nach, hörten noch lange das Schluchzen und Heulen von ihr und wussten... er hörte es auch. Durch die Tür, die vor ihnen sich aufbaute und Conan von ihnen trennte. „Nach all der Zeit... all den offensichtlichen Lügen und Ausreden, die er gebrauchte...“ „Nicht zu vergessen, die vielen Versetzungen, und sie alleine lassen, obwohl sie ihn brauchte...“, ergänzte Heiji. „Natürlich. Nach alldem... ist ihr einziger Gedanke, im Moment, da er ihr die Erlösung anbietet...“ „... das Vertrauen zu ihm. Das Vertrauen in den Sinn seiner Taten, so sehr sie sie auch quälen mögen.“ „Ran hat die Entscheidung eines Freundes getroffen, die Entscheidung eines Liebenden. Sie hat diese Beziehung nicht riskiert, um dem, woran sie glaubte, den Vorzug zu geben, vor ihrer eigenen... Freude in diesem Leben.“ „Sie hat die richtige Entscheidung getroffen, Haibara.“ Sein Gesicht verfinsterte sich zu einem schmerzverzerrten Beispiel an Resignation. Und Ai konnte das nur nachempfinden. „Ja, die Entscheidung... gegen sich selbst.“ Hallo nochmal liebe Leser, eine kleine Erklärung hier. Ich habe beim Schreiben und Überarbeiten dieses Kapitels immer wieder wegen einer Stelle überlegt. Warum hat Kirika Rans Ketten zerschossen? Also, ich fragte mich, ob es heraus kam für euch, oder ob ich es an irgendeiner anderen Stelle vielleicht noch sinnvoll erläutern könnte – aber keine war wirklich passend. Und nach einigem hin und her entschied ich mich, es zu lassen, und in einem 'echten' Buch hätte ich das als kleines Rätsel für den geneigten Leser wohl sogar mit Freuden so getan. Hier aber dachte ich, ich erkläre es kurz für den Interessierten. Wer lieber selber drüber nachdenkt, sollte den folgenden 'Spoiler-Absatz' überlesen. Eigentlich ist es relativ einfach, Kirika wollte, dass Ran sich um den noch bewusstlosen Conan kümmert, der auch verarztet werden musste. Dass bald jemand käme und so, war klar, weil Hino ja meinte, er würde die Polizei wegen ihr rufen und dann wohl auch zurück kommen. Aber auch er könnte sie so schnell nicht aus den Ketten befreien, könnte sie in dieser Form auch schlecht aus der Höhle raus holen, wenn er erst Conan vielleicht ins Krankenhaus fahren müsste. Dann bliebe Ran noch ne Weile in der Höhle allein und gefesselt und wer weiß, ob nicht doch noch der Täter wieder käme, durch eben die Falltür im Keller. Kurzum, es ging darum, genau wie bei den Bomben, eine mögliche Gefahr in naher Zukunft auszuschalten. Das Problem war, dass Ran da nicht 'mitgespielt' hatte, sondern selber bewusstlos wurde, weil sie dachte, sie würde gerade erschossen. Tja, Pech gehabt, Kirika. Dennoch war das Grundproblem für einen Moment zumindest gelöst – Ran war frei, würde auch nicht ewig weiter schlafen – ich gebe ihr mal nicht so lange, grob zehn Minuten – und da der Täter nicht so bald wieder kommen könnte, der Tunnel war ja verschüttet, und Herr Hino kam auch bald – mindestens würde er die Falltür überwachen – empfand sie es dann als besser, sich nicht länger als nötig mit quälenden Polizeifragen hier zu beschäftigen, wenn sie auf diese wartete. Und Natürlich konnte sie diese Gedanken auch nicht alle gegenüber der Polizei bei der späteren Untersuchung angeben, weshalb auch dort keine Erklärung ihrer Motive stattfand. Also... boah, kann ich manchmal ausartend labern, das sollten fünf Zeilen werden... XD Aber nun wisst ihr auch das, wenn es euch interessiert. Also, bis nächste Woche zum großen Finale... naja groß vielleicht nicht, Finale aber definitiv. ;-] LG, Diracdet Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)