Licht und Dunkelheit von Diracdet (Teil 6 des Detektiv Conan-Noir Crossovers) ================================================================================ Kapitel 16: Ran Mori -------------------- Hallo an alle Leser, und wieder melde ich mich aus einem Tokioter Krankenhaus von Conan und Kirika. ;] zuerst einmal vielen Dank für die Kommis zum letzten Kapitel. Ich sage mal voraus, dass in Punkto verwirrende Informationen zum Fall im Schloss ich beim nächsten Mal noch die Krone draufsetzen werde, aber dann hat man eigentlich alle notwendigen Infos zusammen. Insbesondere war Conan gar nicht beim Hügel, falls das so aus den Aussagen noch nicht direkt herauskam, wusste also schon vorher Bescheid. Und, weil die Frage kam, mit dem heutigen sind es noch vier Kapitel, danach beginnt die Fallaufklärung, sprich noch vier Wochen habt ihr Zeit zum miträtseln. ^.~ Nun aber zu einem durchaus wichtigen Kapitel für die Gesamthandlung. Es wundert mich fast, dass der Gedanke, der hier nun aufkommt, bis jetzt scheinbar von niemandem angesprochen wurde – aber OK, dann ist mir die Überraschung vielleicht gelungen. *ggg* ^//////^ Ich verrate mal noch nichts, sage aber am Ende noch was dazu, was sich als Frage an dieser Stelle ergibt. Stattdessen wünsche ich viel Spaß beim Lesen und bis nachher. LG, Diracdet _____________________________________________________________________________ Kapitel 16: Ran Mori „...Ran... Mori...“, wiederholte der kleine Junge zitternd den Namen, den ihm Kirika als Assoziation gab, und verstummte daraufhin sofort wieder. Sein Herz begann schneller zu schlagen und leichter Schweiß auf seiner Stirn, begleitet von Gänsehaut, die ihn frieren ließ, lähmte seine Zunge. In diesem Moment wurde ihm etwas, ein Fakt, zum ersten Mal klar. Er würde nicht auf ewig im Dunkeln stehen bleiben, er... würde sich erinnern. Ganz sicher! Denn es gab wenigstens eine Person, die ganz genau über ihn Bescheid wusste, die seine Geheimnisse kannte. Sie, Kirika Yuumura. Sie hatte eben förmlich seine Gedanken gelesen. Ja, Ran Mori, dieser Name ging ihm, seit er aufgewacht war und ihn das erste mal 'neu' hörte, einfach nicht mehr aus dem Sinn. Dieses Mädchen war vermutlich der eigentliche Grund, dass er überlebte. Nein... nicht vermutlich, definitiv. Mögen es Fieberträume gewesen sein, die er nach seinem Treppensturz durchlebte, möge das alles, was er sah und hörte und fühlte, nur Wahnvorstellungen entsprungen sein – was sie nicht waren, denn er hatte auch deutlich die Sirene des Krankenwaagen sowie die Gespräche der Ärzte mitbekommen, wenn auch nur schemenhaft – und mögen diese Ärzte und Schwestern behaupten, was sie wollen über die Heilung im Krankenhaus, über sein gerettetes Leben... all das schien ihm bedeutungslos. Er wäre gefallen, hätte sie ihn nicht gerufen. Gefallen... aus dem Leben. Und er ist nicht einfach deswegen nicht gefallen... weil sie ihn gerufen hat. Das wäre doch etwas naiv; wie viele Menschen rufen die Verunglückten, die sie fanden, so laut es ging beim Namen und erhielten doch nie mehr eine Antwort. Das war mit seiner Situation nicht zu vergleichen. Er war im Begriff zu fallen. Es war nicht einfach, weil sie ihn gerufen hatte, dass er überlebte. Er überlebte, weil 'sie' ihn gerufen hatte. Ran Mori. Daran hatte er mittlerweile keinen Zweifel mehr. Es war ja sein eigener Gedanke am Anfang. Sie hatte ihn halt damit gehalten, dass sie ihn rief und im nachhinein hat sich diese Assoziation einfach eingebrannt. Der Lebensretter, dem man daraufhin auf ewig dankbar ist, den man nicht mehr vergisst, das war durchaus nichts unübliches und schien Sinn zu ergeben. Sie war die erste Erinnerung im Koma, und sie war das erste, was er sah, als er erwachte. Aber dass er überhaupt erwachte.... das konnte doch nicht daran liegen, das 'irgendwer' einen ruft. Und selbst die Assoziation der großen Schwester, die sie für ihn spielte laut eigener Aussage ihres Vaters schien ihm nicht ausreichend zur Begründung. Es fehlte etwas... eine grundsätzliche Stellungnahme, etwas... bedeutsames, das als Fakt feststand, aber noch nicht ausgesprochen wurde. Und dieses etwas nagte an ihm, biss sich in seinem Kopf fest und ließ ihn einfach nicht los. Dieses Gesicht, dieses warme, freundliche Gesicht, dieses schwache, ehrliche Lächeln, das einfach keine dunklen Seiten zu haben schien. Und da bemerkte er eine Merkwürdigkeit Es war möglich, dass sie irgendwann in der Zeit, in der er hier lag und sie beobachtete, so lächelte, nicht auszuschließen. Gerade anfangs beschäftigten ihn so viele Eindrücke, dass er nicht alles behalten konnte. Aber... das war es eben... er erinnerte sich nicht, dass sie in dieser Zeit so gelächelt hätte, wie im Bild vor seinem geistigen Auge. So etwas unterschwelliges würde doch nicht hervortreten, wenn es ihm gar nicht auffiel, zumal er bewusst über sie nachdachte und nicht spontan sich erinnerte. Fantasierte er ein Lächeln, das er sehen wollte, weil ihr trauriger Blick, als sie die Diagnose erfuhr, ihn auch traurig stimmte? Sicher nicht unmöglich, aber... eigentlich auch absurd. Der Eindruck ihrer Trauer war tief in seinen Gedanken verwurzelt, er sah, wenn er es dort hervorkramen wollte, ohne weiteres dieses Gesicht. Es gefiel ihm nicht, im Gegenteil, es machte ihn unbestimmt wütend. Ihr Gesicht... war irgendwie nicht für diese Trauer geschaffen... sie hatte es in seinen Augen nicht verdient, so empfinden zu müssen. Aber wenn es weder Fantasie, noch ein reales Bild aus der Zeit im Krankenhaus war, die ihm eingebrannt war, blieb nur... 'Eine Erinnerung! Eine Erinnerung an früher! Ich kenne sie... und ich kenne sie... lächelnd... und nur so... will ich sie kennen.' Ja, sie war eine Assoziation, die es wert war, erfragt zu werden. Und genau das nahm ihm nun Kirika quasi vorweg. Sie bestätigte, was ihm längst klar schien, was er aber bis jetzt mit keiner Silbe andeutete... Im Gegenteil, er hatte sich, gerade seit sie hier war, gar nicht zu Ran geäußert. Sie hatte erwähnt, ihr auf dem Flur begegnet zu sein, aber dort wird sicher nicht etwas besprochen worden sein, was ihr zu dieser Aussage verhalf... Schließlich hatte er auch selbst keine wirklichen Hinweise in der Zeit verteilt, als Ran noch da war. Sie wusste es... weil sie wusste, welche Verbindung vor diesem Tag bestanden hatte... oder zumindest, welche Verbindung für ihn bestanden hatte. „Du weißt es...“, formulierte er den Gedanken schließlich, fast ungläubig über sich selbst klingend, zu Ende. „Du weißt, was mit mir los ist... du... du verstehst diese mysteriösen Zusammenhänge... ganz genau, nicht wahr?“ Eigentlich war das die ganze Zeit schon sein Gedanke, nun aber war es offensichtlich geworden, erstmals absolut eindeutig. Sie antwortete nicht, rührte sich nicht einen Millimeter, gar nichts. Sie stand nur da, die Hände vor sich nach unten gefaltet und starrte ihn an. Und zwar wirklich starrte. Es war penetrant genug, dass selbst Conan nach einer Weile den Blick leicht an ihrem Kopf vorbei bewegte. Sie rührte sich überhaupt gar nicht, verzog keine Miene, als hätte er kein Wort gesagt; man bekam Angst, sie hätte aufgehört zu atmen und würde jeden Moment in sich zusammen brechen, aber sie stand weiter nur da... als sei sie eine Maschine, der man einen invaliden Befehl gegeben hatte. Sie konnte nicht reagieren. Sie... würde nicht reagieren, ihm diese Frage nicht offen beantworten, sei es, dass sie nicht wollte, nicht durfte, oder womöglich gar nicht konnte, weil sie selbst nicht wusste, ob oder inwiefern ihre Sicht auf Conan Edogawa korrekt war. „Warum?“ „Darum...“ „Das meinte ich nicht!“, konterte er barsch zurück, was auch ihre Lethargie brach und sie zu einem Stirnrunzeln bewegte. Professor Agasa und Ai schluckten auf ihren Plätzen schwer. Die Situation, das Gespräch zwischen Conan und Kirika, es hatte eine gespenstische Atmosphäre angenommen. Sie wurden zu Zuschauern eines Theaterstücks degradiert, welches gerade in einem entscheidenden Dialog steckte. Die Protagonisten vor ihnen auf der Bühne stellten ebenbürtige Kontrahenten in einer Art Gedankenspiel dar, 'mind games', wie sich Ai aus ihrer Zeit in den Staaten kannte. Jeder versuchte, den anderen dadurch zu übertrumpfen, ihm einen Schritt voraus zu sein. Als gewöhnlicher Beobachter fühlte man sich automatisch klein... zu klein, als könnte man jemals dort mitreden. Erneut wurde ihr klar... wie weit sie doch von ihm entfernt war. 'Kannst du das denn... überhaupt so einfach mit deinem Gewissen vereinbaren, Shinichi? Ich bin Welten von dir getrennt, der Professor und Heiji wohl ebenso... wie weit muss es erst für Ran sein? Vor allem... im Moment scheint sie es ja zu ahnen, aber in deiner idealen Fantasie-Welt, in der sie bis zum möglichen Untergang der Organisation stets vollkommen im ungewissen bleiben sollte... dort wären es doch von hier aus... Millionen Meilen... kannst du wirklich die Person, die du liebst, so von dir stoßen und dann immer noch von ihr Verzeihung erbeten?' „Du... meintest nicht... warum ich dir nicht sage, was du wissen willst?“ „Nein...“ Sein Blick wurde etwas leer, er seufzte leise, betrachtete den blauen Himmel und die Silhouette Tokios darunter. „Warum... nehme ich hin, dass du das tust? Warum ist es mir scheinbar ganz recht, dass du mich nicht aufklärst, obwohl es mir gleichzeitig wie ein unerträglicher Schmerz im Magen liegt, darüber im Unklaren zu bleiben? Ich denke die ganze Zeit darüber nach, über mich, über sie, Ran, über alles um mich herum, obwohl mein Kopf da selbst gar nicht richtig mitspielt und ich immer wieder kurz einen Stich wie von einer Nadel verspüre, der hindurch fährt.“ „Schmerz ist beim menschlichen Körper eine Abwehrreaktion...“, stellte Kirika fest, folgte seinen Augen zum Fenster, suchte nun auch den Blick nach draußen, auf die Welt... vor ihren Füßen. „Er vermittelt dir mit aller Macht, dass du das, was du gerade tust, nicht weiter machen solltest, da es deiner Gesundheit schadet. Ein evolutionäre Erfindung, die ebenso genial für den Selbstschutz, wie auch gefährlich für die Menschen ist, wenn man bedenkt, wie sie in der Vergangenheit missbraucht wurde. Folter... basiert auf genau dieser Erkenntnis, dass der Körper eine übermächtige Hemmschwelle gegen physische Verletzungen hat, eine, die einen verpflichtet, es zu unterbinden. Physischer Schmerz ist das Schlimmste. Dann will man nur, dass es aufhört, nichts anderes.“ Er sah kurz auf, fand einen schwachen Glanz in ihren Augen, ein unmerkliches Zittern. „1984!“ „Ja.“ „Aber... wenn dem so ist... wieso... wieso kann ich dann nicht aufhören? Wieso brennt es mir so auf den Nägeln, auch wenn es schmerzlich ist?“ Schmunzelnd wandte sie den Blick noch weiter weg von ihm. „Was übertüncht denn Schmerz, wann nimmt man Schmerz in Kauf... Schaden, für etwas... von außen betrachtet eher weniger wertvolles, als das eigene Leben?“ Ruckartig fuhr sie um, erschrak dabei alle zu Tode und sah ihm tief in die Augen. „Was, Mister Holmes?“ „Sucht.“, kam es nach einer Weile, fast wie eine resignierende, denn eine erkennende Feststellung vom kleinen Jungen. Es wirkte, wie von Kirika beabsichtigt. Die Assoziationen, die sie motivierte, ließen künstlich Informationen in seinem Kopf, wie aus einer nicht versiegenden Quelle sprießen. „Holmes nahm Kokain, wenn er keine Fälle zu bearbeiten hatte. Er wusste, dass es schlecht für seine Gesundheit war, er wurde oft genug von Dr. Watson darauf hingewiesen... aber er konnte nicht anders. Wie er sagte... er brauchte das, damit sein Gehirn nicht einschlief.“ „Eine besondere Form von Sucht... Neugier. Diese urmenschliche Empfindung... ein kindliches Bedürfnis, das auch in dir tief verwurzelt ist. Es verlangt nach Nahrung fürs Gehirn. Gab es die nicht, behalf er sich mit Drogen. Ja, das meinte ich.“ Conan schluckte in doppelter Hinsicht. Etwas, fast untergegangenes in ihrer Aussage erregte seine Aufmerksamkeit. Das Wort 'kindlich'. Abgesehen vielleicht von der Schwester und dem Arzt war das wohl das erste Mal, dass er als kindlich charakterisiert wurde. Mehr als bemerkenswert, bedachte man, dass er ein sieben jähriges Kind war. Er benahm sich einfach nicht wie eines. Und selbst diejenigen, die ihn nicht anlogen, sondern es nicht besser wussten, behandelten ihn in diesem Sinne nicht kindlich. Sie taten es nicht, mussten es scheinbar auch nicht. Er konnte all ihren Gesprächen gut folgen, diskutierte teilweise als gleichwertiger Partner mit ihnen. Er war nicht nur ein ungewöhnliches Kind... er war praktisch überhaupt nicht wie ein Kind. Das fiel ihm gerade jetzt auf, als sie ihn zum ersten Mal mit diesem Wort beschrieb. Kindlich. Es war etwas an ihm kindlich, eine sehr hervorstechenden Eigenschaft. Neugier... die gleiche Neugier, die Sherlock Holmes trieb, den er wohl sehr gerne mochte. 'Nun ja... wenn ich schon 1984 lese, ist Arthur Conan Doyle wohl auch keine große Überraschung mehr...' Aber diese wichtige Erkenntnis verblasste neben einer tiefen Angst, die Kirikas Formulierung auslöste. „Bin... bin ich abhängig? Von Drogen?“ Der Gedanke musste unweigerlich kommen, wenn sie ihn so direkt darauf hinwies. Eigentlich undenkbar in seinem Alter, zumal, der Arzt hatte absolut nichts davon erwähnt, auch wenn er keinen zwingenden Grund gehabt hätte... Eigentlich. Wie ihm dieses Wort allmählich auf die Nerven fiel. Eigentlich war alles, was er herausgefunden hatte, absurd. Eigentlich war nichts davon möglich, oder real. Eigentlich hat jeder Mensch Eltern, eigentlich treibt sich ein sieben Jähriger nicht auf Tatorten von Mordfällen rum und liest Orwell, eigentlich gibt es keine allmächtigen Geheimbünde... und eigentlich machte nichts, was er sich ausdachte, Sinn. Und doch... war es die einzige Option. Das Unmögliche hatte er bereits ausgeschlossen, bis zum jetzigen Punkt meinte er keine Lücke in seinen Schlussfolgerungen zu haben, lediglich am Ende ein paar Löcher noch. Also warum nicht sogar... so etwas? Ein Kind... das sich aus Neugier zu so etwas... hinreißen lässt. Es fröstelte ihn auf einmal. Wollte er das wirklich wissen? Er musste, aber die mögliche Antwort machte ihm Angst. 'Kann das denn überhaupt sein, nebenbei gefragt? Kann man, nach so einer Amnesie... wenn man sein eigenes Leben erklärt bekommt, etwas ablehnen, was man vorher angenommen hat? Sicher, wenn man nicht alle Puzzleteile kennt, kann man stets zu einem anderen Urteil kommen, aber... wenn man theoretisch wieder alle Erinnerungen vorgesetzt bekommt, nur noch einmal von vorne die gemachten Überlegungen wiederholt, entscheidet man dann bei solchen Meinungsfragen anders? Das macht doch nicht wirklich Sinn, oder? Zumindest... eigentlich...' Wie sehr er dieses Wort mittlerweile verabscheute. Kirikas fröhliches, amüsiertes Lächeln riss ihn erneut aus seinen Gedanken. „Nein, keine Angst. Du bist kein Junkie, oder so.“ „Aber wenn... wenn ich wie er...“ „Ich sagte doch... Neugier ist die eigentliche Sucht. Du willst es wissen, es verstehen. Jedes Rätsel, das dir gestellt wird, je verzwickter, desto besser, wenn es nur lösbar ist. Und du wärst... wahrscheinlich sogar mir böse, wenn ich es dir jetzt verrate, einfach so.“ Sie musste innerlich weiter lächeln. Wahrscheinlich würde er im jetzigen Moment es auch gar nicht verstehen oder überhaupt glauben... „Aber... wieso dann... Holmes hat doch...“ Er wusste selbst nicht recht, wie er diese etwas merkwürdige Frage formulieren sollte, aber Kirika las sie ihm – erneut – förmlich von den Lippen ab, lenkte seinen Blick zurück auf die Tokioter Skyline. „Wir leben im 21. Jahrhundert, in einer Welt aus Informationen, gespickt mit unbeantworteten Fragen, Rätseln, Mysterien. Je mehr wir glauben zu verstehen, desto mehr Fragen können wir stellen, je mehr schwierige Rätsel man löst, desto mehr scheint man von neuen erschlagen zu werden. Du musst nicht fürchten, wenn dich kein Fall umgibt, dass dein Gehirn wegen Mangel an Nutzung erschlafft. Du hast auch einige andere Interessen, wenn auch nicht so ausgeprägte wie diese... Diese Welt ist groß genug für ein Leben voll denken, wie es Holmes gerne wollte.“ Ihr Blick verfinsterte sich kurz, auch wenn er nur von der Seite zu sehen war, verdeutlichte sich eine Unruhe, die sie beschäftigte. „Was ihn selbst betrifft... Du bist der Holmes-Experte in diesem Raum... oder warst es normalerweise. Aber wenn du meine Meinung hören willst, so wie ich es aus ein paar wenigen gelesenen Büchern sehe... hatte er Angst. Angst, wenn er sich anderweitig beschäftigte, oder gar nicht, würde ihm seine Fähigkeit abhanden kommen. Darum wählte er diesen radikalen Weg.“ „Und warum habe ich ihn nicht gewählt?“ Eine ganze Weile war es ruhig nach ihren Ausführungen. Es schien sich ein schmaler Silberstreif für Conan abzuzeichnen, glaubte er. Irgendwie passten nun ein paar Assoziationen, ebenso wie die Tatsache, dass er so verbissen selber nach Antworten suchte, auch wenn es ihm immer wieder Schmerzen bereitete. „Was ist es, was mich so anderweitig beschäftigte?“ Sie sah ihn lange an, lächelte dann freundlich, sagte aber nichts. Sie wusste die Antwort, und er ahnte sie nun auch, ohne den eigentlichen Gedanken dahinter zu verstehen. „Ran... Mori?“ „Bingo!“, grinste sie von der Seite. „Aber wie? Ich kenne sie doch gar nicht mal so lange, so weit ich das verstanden habe. Wie kann sie da ein wichtiger Aspekt meines Lebens sein?“ Er hatte das doch vorhin nicht falsch interpretiert, er wohnte bei ihr und ihrem Vater. Und er war sich sicher, das gehörte nicht zu den gelogenen Gedanken. Aber das hieße doch nach den bisherigen Überlegungen, er hätte sie erst vor kurzem kennen gelernt. Jahre würde er doch noch nicht da wohnen, ohne dass sich seine Eltern blicken ließen. Aber dann konnte sie keine so wichtige Rolle spielen in seinem Leben. Und doch, genau das vermittelten sowohl sein Körper, wie auch Kirikas Worte. Ein schier unauflösbarer Widerspruch. „Wie...?“ Sie musste immer heftiger innerlich lachen. Die Antwort wäre so kurz und prägnant und ein Blick hinter sie genügte um zu wissen, dass auch Agasa und Ai sie genau kannten und aussprechen wollten. Sie war der Schlüssel nun mal zu Conan Edogawas Geheimnis. Und deswegen... konnte sie es ihm nicht sagen. „Tut mir Leid... das würdest du nicht verstehen. Und wenn du es verstehst... ist der Traum vorbei, Conan.“ Ein melancholischer Unterton begleitete ihre letzten Worte. „Ich muss es aber wissen, verdammt!“ Er biss sich fast auf die Zunge, seine Zähne schmerzten fürchterlich, als er sie knirschend aneinander rieb. „Ich muss... sie dann eben selbst fragen!“ Mit einem Ruck fuhr er hoch, seine Gesichtsfarbe änderte sich schlagartig, er wurde bleich. „C... Conan, was hast du?“ Agasa kam angelaufen, versuchte ihn festzuhalten. Es war, als hätte sein Freund einen Geist gesehen. „Sie... sie ist doch mit den anderen zurück zum Schloss gefahren. Ich hatte vorhin schon so ein komisches Gefühl... ich... ich wollte nicht, dass sie geht. Wenn ihr etwas zustößt...“ „Conan, ganz ruhig, ihr Vater, Inspektor Takagi und Heiji sind bei ihr, ihr kann nichts passieren, glaub uns doch!“ Er wehrte sich, ließ den Professor nicht an sich ran und richtete seinen ganzen Oberkörper auf. Zum ersten Mal, seit er erwacht war, wie er mit schmerzverzerrtem Gesicht feststellen musste. Sein Körper war an die Kraftanstrengungen noch nicht gewöhnt, die kleineren Verletzungen durch den Treppensturz gingen doch nicht spurlos an ihm vorbei. „Was, wenn nicht? Dort treibt sich ein Mörder herum, das wissen Sie doch!“ Mit einem kräftigen Ruck, jeden Schmerz ignorierend, drehte er sich zur Seite und aus dem Bett heraus. Zitternd streckte er sich von seinen Knien hoch, die Beine trotzten sich nur langsam der Gravitation, als hätte er sie wochenlang nicht mehr benutzt. Er krallte sich im Bettlaken, dass herunter hing, fest, zog sich hoch, keuchte ein paar Mal und sah mit Wut im Blick auf. „Verstehen Sie doch, Herr Professor! Es war ein Fall auf diesem Schloss. Und nach allem, was ich mittlerweile über mich weiß, bin ganz klar ich selbst schuld an meiner jetzigen Situation. Ich habe unvorsichtig meine Nase zu tief in fremde Angelegenheiten gesteckt. Keine Ahnung, warum ich das tue und was es mir in noch früherer Vergangenheit so alles schon eingebrockt hat. Aber ich kann unmöglich andere Personen dafür büßen lassen, was ich falsch gemacht habe. Schon gar nicht die... die Person, der ich es verdanke, überhaupt noch am Leben zu sein!“ Alle sahen ihn verwirrt an. Er hatte diesen Punkt, der ihn von Anfang an beschäftigte, ja noch niemandem mitgeteilt. Und er hatte auch kein Interesse daran. „Ich... muss auch dahin, wie es der Herr Doktor vorhin formulierte, weil es mir hilft, mich von selbst zu erinnern. Wie sagtest du vorhin, Kirika, eine Pilgerfahrt in die Vergangenheit?“ Er atmete immer noch schwer, wirkte wackelig auf den Beinen, aber der Wille in seinem Blick ließ es praktisch nicht zu, ihm zu widersprechen. „Das kannst du nicht tun, Conan!“, versuchte es Ai trotzdem. „Dann sag mir die Wahrheit, wenn mich das aufhält!“, schrie er unkontrolliert, nicht zuletzt, weil ihm sein Körper immer noch nicht richtig gehorchte. Am liebsten hätte sie angesetzt, und es ihm gleich gesagt, was ursprünglich mal ja der Plan war. Nun aber verstummte sie im Ansatz, schluckte heftigst. '... wenn mich das aufhält!' Die Wahrheit... würde ihn erst recht nicht aufhalten, sondern seine Schritte nur beschleunigen. Er würde niemals zulassen, dass Ran weiter auf diesem Schloss bliebe. Es war, als ob er es ahnte, wenn auch nicht in diesem Umfang, was sie für ihn bedeutete. Ai konnte ihm damit nicht helfen, es zu sagen. Im Gegenteil, sie würde ihn verwirren, ihm lang und breit die unglaubliche Geschichte des APTX erklären müssen, während er auf glühenden Kohlen saß... und solange er sich nicht vollständig erinnerte, würde ihm das nicht im geringsten helfen, die Suche nach dem Mörder voran zu treiben. Der Kloß, der über diesen Gedanken ihren Hals verstopfte, ihre Hilflosigkeit stärker denn je herausstellte, ließ sie stumm Richtung Kirika blicken. 'Sie hat die ganze Zeit das einzig Richtige getan. Ihn hingeführt auf Aussagen, die ihm helfen zu verstehen, und die er aus den vielen falschen Aussagen zu Conan Edogawa heraus filtern konnte... ohne panisch zu werden wegen Ran. Und ich... habe es die ganze Zeit nicht kapiert...' Eine kleine Träne rollte ihre Wangen herunter. Was war sie doch für eine 'hilfreiche' Freundin für ihn. Sie hätte ihn... nur noch mehr gefährdet, ihn ins offene Messer laufen lassen. Er wusste mit ziemlicher Genauigkeit nun, warum ihm auf dem Schloss etwas passiert ist, und was ihn dort erwarten würde. Aber er würde nicht Hals über Kopf nach Ran suchen und dabei sich selbst vergessen. Viel mehr konnte man im Moment nicht erwarten. Kirikas Miene war ernst, tief und mit einer leichten Spur von Trauer versehen. „Du willst... zum Schloss zurück? Kannst du denn überhaupt gehen?“ „Na... na sicher doch, ist nur eine Frage, sich wieder daran zu gewöhnen. Aber ich brauche...“ „Ich bin mit einem Auto hier.“, beantwortete sie seine Frage nach einem Transportmittel direkt, erntete aber nur verständnislose Blicke. „Glaubt ihr, ich habe den Blumentopf durch die halbe Stadt mit Händen geschleppt?“ Conan interessierte die Antwort gar nicht mehr groß. Er ignorierte auch Ai und den Professor, die versuchten, ihn nochmal aufzuhalten. An Kirika trauten sie sich mit dieser Aufforderung nicht heran und sie selbst lehnte nicht es offenbar auch nicht ab, ihn zu dem Schloss zu fahren. Man sah ihr förmlich an, wie sie sich mit diesem Gedanken arrangierte. Sie wüsste, was im Zweifelsfall zu tun wäre, wenn sie einem Mörder begegnete... Dieser Gedanke, kombiniert mit Kirikas nichtssagendem, kalten Blick, ließ beide erschaudern und vor dem Versuch, sie aufzuhalten, zurückschrecken. „Na schön!“ Mit viel Mühe bekam Conan seine Sachen, die Kogoro am Morgen in einem Beutel mitgebracht und auf einem der Stühle platziert hatte, an, musste erneut leichte Atemprobleme bekämpfen. Aber seine Verfassung wurde besser. Er war ja, in diesem Sinne, nicht richtig krank... aber er hatte zu viel Zeit für ein Kind seines Alters liegend verbracht. Er war also wirklich nur ein komisches Kind, mehr nicht scheinbar. 'Merkwürdig.' „Dann... wird es jetzt Zeit für meine Pilgerfahrt... in meine Vergangenheit.“ _________________________________________________________________________________ Hallo erneut, wie versprochen, hier noch eine kleine Erklärung, die spätestens jetzt relevant wird, nämlich, wie denn nun die Zeitverläufe parallel im Schloss und im Krankenhaus sind. Es ist so, dass das Schloss relativ weit abseits liegt, und auch wenn der Notarzt mit Conan sicher das nächstgelegene Klinikum wählte, so muss man doch eine gewisse Fahrzeit einplanen. Die ist umgekehrt natürlich länger im Fall, dass man nicht mit Blaulicht und Sirene versucht zu fahren. Daher dauert die Fahrt jeweils etwa eine Stunde. Die Schlossführung ist, trotz der Größe des Hauses einigermaßen eingeschränkt, da meistens nur Heiji ein paar Fragen hat. Sie ist, inklusive des obersten Stockwerkes, welches im nächsten Kapitel zum tragen kommt, ebenfalls etwa eine Stunde lang. Klingt etwas wenig, aber das ist OK. Die Zeit zwischen Kirika und Conan dauert auch eine Stunde, allerdings gingen dem etwa 15 Minuten voraus, als Kirika noch vor der Tür saß und überlegte, ob sie reingehen sollte. Das heißt, Kirika und Conan fahren los, kurz nachdem Heiji und die anderen angekommen sind, oder gerade die Galerie im Keller bewundern. Und die beiden kommen erst etwas später, als der aktuelle Zeitpunkt im Schloss ist, dort an. So viel zur temporalen Orientierung für den Rest der FF.^^ Also dann, ich hoffe, es gefällt euch so weit immer noch, und wir lesen uns nächste Woche. Bis dann, liebe Grüße, Diracdet Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)