Licht und Dunkelheit von Diracdet (Teil 6 des Detektiv Conan-Noir Crossovers) ================================================================================ Kapitel 10: Conan und Kirika ---------------------------- Hallo an alle Lesenden,^^ ich melde mich nach der einen Woche Pause wieder zurück und hoffe (in meinem Größenwahn... XD), ihr habt mich nicht vermisst. Wenn doch... ^////^° Sorry, es ging nicht anders. Desweiteren hoffe ich, die Kellergalerie hat euch einigermaßen gefallen, den Kommentaren nach zu urteilen... ja. ;] Und für diese natürlich auch noch einmal ein riesiges Danke schön. ^////__////^ So, und damit zurück ins Krankenhaus zu Kirika und Conan – Ai und der Professor sind da ja fast mehr Beiwerk. XD Was ich sagen wollte... ich hab mit diesem Kapitel einige Probleme beim Schreiben gehabt... und das weil... es mir eigentlich so sehr gefällt. Aber es ist... vielleicht sehr... anspruchsvoll. Das soll nichts gegen euch heißen, aber ein bisschen dachte ich bei einigen der Dialoge hier unweigerlich an die Gespräche aus Matrix, zwischen Neo und dem Orakel... und ich liebe diese Gespräche, zumindest größtenteils. Aber erfassen kann man sie erst, wenn man sie sich ein paar mal anhört, oder im Fall, dass man die Texte liest, sehr langsam und aufmerksam liest. Aber dann wirken sie einfach noch beeindruckender. Ich maße mir nicht an, so zu schreiben, um Himmels Willen, aber vom sprachlichen her, ist dieses Kapitel etwas herausgehoben von den anderen, zumindest den bisherigen. In diesem Sinne kann ich nur sagen, genießt es. ;] Bis nächste Woche.^^ LG, Diracdet Kapitel 10: Conan und Kirika Alle drei, der Professor, Conan und Ai, betrachteten die Besucherin nur in ungläubigem Staunen. Der alte Mann schien mit einem Mal noch fester an seinem Stuhl angewachsen zu sein. Er sah da vor sich diese fast zierliche Person... wusste, sie war eine Mörderin, eine, die ihre wahre Identität vor dem FBI schützen konnte... so hatte er es bisher verstanden. Doch stattdessen... kannte sie selbst ihre eigene Vergangenheit nicht. Er konnte nicht anders, aber der traurige Blick des Mädchens, den er bis eben als reine Kaltherzigkeit wahrnahm, Emotionslosigkeit; nun stellte er für ihn einfach das wahre Bild von ihr da. Eines, das ganz allein Mitleid hervor rief. 'Wie kann jemand, der seine eigene Vergangenheit nicht mal kennt, ein gefühlloser Killer sein? Sie ist doch... gar nicht gefühllos. Dieser Ausdruck in ihrem Gesicht... ist doch echt!' Ais Gedanken kreisten um ein einziges Wort, das ihr selbst immer unrealistischer vorkam, je öfter es ihren Kopf durchfuhr: 'Unmöglich!' 'Das kann nicht wahr sein! Noir... die Noir... ist eine Frau ohne Gedächtnis? Wie...? Das ist doch einfach absurd! Dass das FBI sie nicht finden kann, mag ja möglich sein, aber sie selbst!?' Ihr Herz zog sich noch ein Stück enger zusammen und ein kalter Zug von draußen schien durch das Fenster hindurch ihr eine Gänsehaut über den Kopf zu jagen. Ja... sie wirkte unbeholfen, vorhin. Ja, sie scheint genau zu wissen, wie sich eine Amnesie für das Opfer anfühlt, so wie sie es beschrieb. Ja, sie konnte auch Conan damals im Restaurant schon überzeugen, dass sie eine Mörderin ist, die eiskalt ihre Aufträge ausführt und gleichzeitig... einige merkwürdige Reaktionen auf ihre Umgebung zeigt... Ja, es würde alles... halbwegs Sinn ergeben... bis auf das warum. Aber dennoch... machte es die junge Frau aus Sicht der Forscherin... nur noch unheimlicher. Sie war für Ai dieser Welt eigentlich entrückt, stand außerhalb aller Grenzen, die den Menschen gegeben schienen, als Noir, und gleichzeitig... fragil wie ein zartes Pflänzchen, das im Sturm der modernen Welt hoffnungslos unterlegen wäre. 'Vollkommen... absurd. Einfach... unmöglich!' „Wieso?“ Conans hohe Stimme ließ alle Anderen im Zimmer aufhorchen. Kirika stand immer noch ruhig da, fixierte seine zitternden Augen, unterdrückte jede weitere Regung in ihrer Miene. „Wieso... haben Sie ihr Gedächtnis... noch nicht wieder?“ Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken, den sie mit aller Gewalt im Zaun hielt. Hatte sie zu viel gesagt? In seinen Augen stand ein Maß an Angst, das ihr schnell verdeutlichte, welchen Gedanken er hegte. Wenn sie es nicht wieder hatte bis heute... wer sagt, dass er es wieder bekäme... jemals? 'Aber... der Arzt hat doch gesagt...' „Wie kommst du darauf, Conan?“ Ihre Stimme wirkte ruhig, nicht fest, aber auch nicht von dem Gesprächsthema stark beeinflusst. Sie versuchte, ihren Herzschlag herunter zu fahren, normal weiter zu reden. „Wieso denkst du, ich müsste mein Gedächtnis wieder gefunden haben... bis heute?“ Ihre Stimme war gegen Ende des Satzes wieder so normal, wie am Anfang, sie hatte sich scheinbar gefangen. „Na weil... der Arzt. Er meinte, bei so einer Amnesie... da erinnert man sich relativ schnell wieder.“ „Du... sollst dich bald wieder erinnern?“ Leichte Verwunderung wich schwachem Lächeln. „Das würde erklären, wieso du so optimistisch wirkst. Das ist schön.“, stellte sie fest, ohne zu zeigen, wie sehr der Gedanke ihren Körper erwärmte, aber es war wahre Freude da... irgendwo. „Nun... er sagte... wenn man erstmal wieder mit seiner Vergangenheit konfrontiert wird... es ist halt nicht alles automatisch verloren, nur... im Unterbewusstsein versteckt. Und muss wieder heraus gelöst werden, indem man eben... die eigene Geschichte... rekapituliert.“ Die Unsicherheit in seiner Beschreibung rührte, wie sich Conan eingestehen musste, von seiner eigenen Unsicherheit im Kopf her. Ihm selbst schienen die Zusammenhänge, was seine Vergangenheit anging... merkwürdig... einfach... falsch. „Das ist durchaus möglich, Conan... du hast... der Arzt hat sicher Recht damit, dass die Vergangenheit verborgen in den Menschen ruht, und damit nicht vollkommen ausgelöscht ist.“ Einige Gedanken hemmten kurzzeitig ihre Sprache, diese eine dunkle Erinnerung kehrte erneut zurück. 'Bitte... pass auf sie auf.' Ein schweres, gepresstes Ausatmen folgte. „Aber... ich bin mit meiner Vergangenheit nie wieder in Kontakt gekommen. Ich hatte nie... bis auf einen einzelnen, für meine eigene Geschichte wohl irrelevanten Punkt... niemals genaueres über meine Vergangenheit erfahren.“ „Das ist unmöglich!“ Jetzt musste es raus und Ai schrie so laut, dass Kirika und Conan aus ihren Gedanken hoch schreckten, zu dem Mädchen starrten. Sie stand da, verkrampft, atmete heftig ein und aus, versuchte verzweifelt, ihren Puls zu drosseln, aber es wurde ihr mit jedem Satz zu viel. Etwas drückte von allen Seiten auf ihren Körper ein. Ein Gewicht, eine unsichtbare Masse, die ihren zarten Kinderkörper zu zerquetschen drohte und nur dieser Schrei schien ihr Luft zu verschaffen. „Das geht einfach nicht. Nicht in... nicht in Ihrem Fall. Nicht Sie! Nicht als ein Mitglied der Soldats!“ Die Mörderin wirkte sichtlich ergriffen von dem kleinen Mädchen, antwortete eine Weile nicht, bevor sie langsam wieder begann zu lächeln, ironisch, melancholisch... man konnte es nicht genau erkennen. „Du denkst zu viel... Ai. Du siehst die Dinge durch die rosarote Brille, die dir andere Leute mit ihren Meinungen aufgesetzt haben. Les Soldats... sind alles andere als unfehlbar... und... auch nicht unüberwindlich. Aber vor allem... nicht allwissend... manches... wollen sie gar nicht wissen. Also... warum nicht gerade ich... Cherie?“ Ihr Lächeln wurde etwas breiter, als sie mit dem letzten Wort... diesem Wortspiel, ihr einen Stich ins Herz gab und Ais Lippen für eine Weile versiegelte. Cherie... Schatz, Liebling, dieses scheinbar harmlose Wort, dessen Ausprache aber fast identisch ist zu... 'Sherry!' Ja, als Sherry... als dieser Name noch für sie... sie selbst war, damals hatte sie so vieles über die Killer der Soldats gehört. Von den 'Allmächtigen', die die Welt kontrollieren könnten, wenn sie wollten. Und die Legende von ihrem persönlichen Attentäter, den ausführenden Organen, den schwarzen Händen der Soldats... die Jungfrauen mit den schwarzen Händen... Noir. Niemals könnte so eine Person doch so vollkommen... unwissend sein? Und doch... schien sie es in einem Satz zu behaupten und noch im selbigen die Forscherin in ihrer wahren Person bloßzustellen. „Sie waren einige Zeit in Frankreich?“ Conans Frage folgend wendete sich Kirika wieder von dem Mädchen, das sie nur noch mit offenem Mund beobachtete ab und betrachtete die neugierige Miene des Grundschülers. „Hm?“ „Ich meine nur, wegen dieser Worte, 'Cherie', 'Soldats' und beide wirkten auch sehr gut betont, als seien sie Muttersprachlerin.“ Sie schmunzelte verlegen. „Nun ja... also... ja, ich war mal da, ich hab meine Vergangenheit gesucht.“ Der Satz brachte augenblicklich das alte Gesprächsthema zurück und versteifte ihre Gesichtszüge. Conan beobachtete ihr Schweigen eine Weile, seufzte einmal. „Ihr Name?“ „Was... ist mit meinem Namen?“ „Sie haben sich doch als Kirika Yuumura vorgestellt, also haben Sie einen Namen als Startpunkt, und Verwandte, und eine Heimat, wie können Sie sich da nicht erinnern?“ Nun seufzte sie auf, kramte in ihrer Jackentasche nach einem Portemonnaie, holte ein kleines Kärtchen raus. „Hier.“ Mit einer geschickten Handbewegung warf sie die Karte rotierend durch die Luft, so dass sie Conan genau vor die Füße im Bett fiel. Darauf fand sich ein Bild von Kirika in jüngeren Jahren mit den amtlichen Daten daneben ordentlich aufgelistet. 'Ein Personalausweis?' „Das... ist Kirika Yuumura.“ Sie spuckte den Satz förmlich aus, pure Abscheu vor der Aussage dahinter deutete sich an... und Trauer. „Wie... das sind doch... Sie, oder nicht? Ein Doppelgänger?“ Sie schüttelte zittrig mit dem Kopf, starrte zur Seite, während sie erklärte. „Doch, das ist schon mein Bild... das ist es ja. Das Einzige, was auf diesem Ausweis stimmt... ist mein Bild.“ Conans Augen weiteten sich, er musterte das dünne Objekt von allen Seiten. „Der Ausweis ist...“ „Mhm... eine Fälschung. Eines Tages... vor Jahren, wachte ich auf, in einem leeren Haus, ohne Gedächtnis. Nur dieser Ausweis fand sich darin. Als scheinbare Erinnerung... an meine Vergangenheit. Aber er stellte sich als falsch heraus. Es gab nie eine Kirika Yuumura, so viel weiß ich mittlerweile. Der Name ist eine Lüge, aber... mehr gab es auch nicht... alle Fäden liefen auf diesen Namen, an den sie wie an eine hohle Kugel gebunden waren... lose Enden ohne etwas Wahres dahinter. Sie wurden abgeschnitten.“ In diesen letzten Satz mischte sich Wut, ihre Hände ballten sich leicht zu Fäusten, wild schwenkte ihr Blick zur kleinen Ai, die daraufhin ängstlich zurück wich. „Wenn du wissen willst, was Les Soldats wirklich können, das. Die Geschichte umschreiben, nach ihrem Willen... Dinge auslöschen, die ihnen missfallen... so wie meine Vergangenheit. Sie ist unwiederbringlich von ihnen... vernichtet wurden, vollkommen ausradiert.“ Ai konnte sich nicht rühren, fühlte sich hilflos in der Aura der Person ihr gegenüber gefangen,obwohl diese selbst größte Mühe hatte, überhaupt ihre Gedanken und Reaktionen unter Kontrolle zu halten. Es war keine Lüge... das war alles wahr, so viel stand nach einem Blick in Kirikas funkelnde Augen fest. Les Soldats hatten ihr ihre Vergangenheit genommen, sie aus dieser Weltgeschichte radiert... selbst das FBI war hoffnungslos daran gescheitert, etwas zu ihr heraus zu finden. Sie war... 'Allein. Eine einsame Person... eigentlich... der perfekte Ausgangspunkt für einen gefühllosen Killer...' Und in diesem Moment ging ihr auf, was Kirika dort sagte. Sie war... vermutlich schon vor ihrem Gedächtnisverlust aus dieser Welt gerissen worden. Um das zu werden, was Les Soldats wollten... Noir. „Es war alles nur... damit Sie...“ Sie nickte stumm, erlaubte es Ai, die Worte unausgesprochen zu lassen, die nicht jeder hören sollte. Dann wandte sie sich wieder um zum kleinen Jungen, der alles aufmerksam beobachtete, ohne einzugreifen. „Es... tut mir Leid, Conan, ich wollte dich nicht verunsichern. Ich hoffe sehr, und... ich habe auch genug Vertrauen, dass du dein Gedächtnis anhand deines früheren Lebens wieder bekommen kannst. Aber ich... ich habe so ein Leben nicht.“ „Warum sind Sie nicht... zur Polizei gegangen, wenn alles nur... eine Lüge war? Und was sind diese Soldats, von denen Sie und Ai die ganze Zeit reden?“ Sie schmunzelte, schüttelte leicht ironisch den Kopf angesichts Conans Fragen. Es waren die gleichen Fragen, wie damals, zumindest eine davon. Hinter diesen neugierigen, tiefen Augen, die nicht verstanden... dachte irgendwo immer noch der gleiche von Kriminalliteratur durchsetzte Geist von Shinichi Kudo. Eigentlich... musste dieses Gespräch... für ihn wie ein Blick in den Spiegel wirken, stellte sie in Gedanken fest. „Die eine Frage, Conan, beantwortet die Andere, obwohl diese nicht relevant ist. Nicht hier und nicht heute.“ Er stutzte, als sie damit schwieg und ihren Ansatz einer Antwort mit nach einigem Zögern abbrach. „Sie antworten mir nicht?“ „Muss ich es denn, Conan? Sie wurden dir einmal beantwortet... vor einiger Zeit bereits, auch wenn du es vergessen haben magst.“ „Und wie soll ich mich bitte erinnern ohne einen Ansatz?“ Er kniff die Hände kraftvoll in das Laken, Wut stieg in ihm hoch und etwas benebelte seine Gedanken. „Wenn Sie mir die Frage schon mal beantwortet haben, warum können Sie es nicht einfach wieder tun... Und wieso... aah...“ Er beruhigte sich, zwang sich ein- und auszuatmen, bis das Bild vor seinem Kopf deutlich hervortrat, alle anderen Überlegungen verdrängte und er es in Worte fassen konnte. „Ich habe in meinem Kopf eine Melodie... seit Sie diese Soldats erwähnten. Sie lässt mich nicht klar denken. Eine Melodie... wie von... einer Spieluhr.“ „Mireilles Uhr. Oder genauer, die ihrer Mutter Odette. Du hast sie spielen gehört, und du assoziierst sie mit den Soldats.“ „Nein!“ Er schnaubte förmlich, weil die Melodie immer lauter wurde, ihm jegliche Konzentration nahm. „Wie kann ich etwas mit etwas assoziieren, das ich nicht kenne?“ „Du kennst es nicht... aber dein Unterbewusstsein.“, flüsterte Ai ängstlich. Das, was Dr. Asunaja prophezeite, schien durch Kirikas Anwesenheit in erschreckenden Dimensionen zu Tage zu treten. Unterschwellige Erinnerungen, die vielen Verknüpfungen, die der Detektiv in seinem Kopf einst geschlossen hatte zu einem fein verwobenen Netz, wurden nun deutlich hervorgetragen, wie einzelne Erhebungen im Meer, die bei Ebbe wie aus dem Nichts auftauchten. Aus dem Nichts der Leere, die eigentlich in seinem Bewusstsein herrschte, ragten diese Spitzen hervor, von denen sich hunderte Fäden zu anderen Spitzen bewegten, ein Muster bildeten, das im Kontext... hoffentlich zumindest, den Sinn ergab, den sich Ai und der Professor erhofften, von ihm zu erfahren... wenn er ihn endlich wieder fand. Von einer Spieluhr wussten beide zum Beispiel noch gar nichts, und Mireille war der Vorname der Französisch-Referendarin an Rans Schule. Dass beide etwas mit Les Soldats zu tun hatten, war wohl auch klar, aber wie sollte man da eine Spieluhr einordnen? Zumal... sie offenbar so bedeutsam war, dass Conans Gedanken von ihnen betäubt wurden, er wahnsinnig darüber zu werden drohte. „Was hat es mit dieser verdammten Spieluhr auf sich?!“, schrie er mit einem Mal heraus, so dass alle kurz zusammen zuckten. Kirika aber blieb danach ruhig stehen, beobachtete die psychische Pein, die Conan für einen Moment durchmachte. „Für die meisten Menschen ist Unwissenheit... eine Befreiung von zu vielen Sorgen, oder zumindest ein notwendiges Übel, um das Leben nicht völlig in Tristesse zu verbringen. Selbst Forscher erkennen an, dass sie nur lernen können, was falsch ist, nicht, was richtig. Für dich aber ist Unwissenheit direkt eine Folter, oder? Das Mysterium zu ergründen... wie eine Droge, der du dich nicht entziehen kannst. Die Melodie ist so laut in deinem Kopf, weil dir dein Unterbewusstsein sagt, dass an dieser Spieluhr etwas wichtiges hängt. Auch in meinem Kopf ist sie jedes Mal wie ein ohrenbetäubender Lärm, wenn ich an sie denke.“ Sie begann unwillkürlich zu pfeifen, die Melodie nachzuspielen, dass auch Ai und Professor Agasa sie hören konnten. Eine klassische Spieluhr-Melodie, aber... sehr traurig. Ai konnte nicht genau sagen, ob es an der Melodie selbst, oder an Kirikas Betonung, ihrer Spielweise lag, aber etwas von beidem wirkte... '...zu Tode betrübt. Die Melodie... ist für sie die Erinnerung an einen Tod. Einen... einzelnen Tod?! Sie... Noir??' Es war einfach nicht zu fassen, Ai verstand die Welt nicht mehr. Diese Frau war Noir, keine Frage, ihre ganze Aura schien das zu bestätigen, und sie wusste auch ganz genau, was sie sagte, und für wen Ai sie hielt. So eine Person, eine... hundertfache, vielleicht tausendfache Mörderin, wenn das genügte... empfand innerlich Schmerz wegen eines einzelnen Todes? Das widersprach vollkommen dem ganzen Sinn der Argumentation. „Die Spieluhr...“, begann Kirika leicht verunsichert, als sie mit dem Pfeifen endete, „war... das zweite Objekt, was ich... als unorthodox in dem Haus fand, in dem ich aufwachte. Sie trug mich nach Frankreich... zu einer Person... einer der wenigen, die... vielleicht ähnlich zu mir war. Die verstand, was ich fühlte, und mir half... etwas Licht hinein zu bringen.“ „Diese Mireille?“ „Hm...“ Sie nickte, starrte stumm auf den Fußboden. „Aber dann... haben Sie doch... etwas Licht...“, aber er brach ab, als sie vehement den Kopf schüttelte. „Ich habe herausgefunden, warum ich mein Gedächtnis verlor und ich habe herausgefunden, warum Mireille und ich... uns so ähnlich vorkamen, warum die Uhr bei mir war. Und dann noch... was Les Soldats wollten... von mir. Aber wer ich eigentlich bin... habe ich nie erfahren.“ Er schluckte, synchron zu ihr, dann hob sie den rechten Arm, zeigte schräg an ihm vorbei. Auf das Buch, welches ihn angeblich seit Tagen so begleitete. 1984. „Das Buch dort, Mireille hat es dir geschenkt.“ Er blickte verwirrt zu dem dicken Einband des Taschenbuchs und von dort wieder zum Gast. „Aber... man sagte mir, ich hätte es gekauft!?“ „Nun... du wolltest wohl nicht... Ran verwundern, warum dir jemand dieses Buch schenkt... Aber was ich sagen wollte... 1984 beinhaltet die Antwort auf deine Frage... wer sind Les Soldats.“ Augenblicklich huschte ein Bild durch seinen Kopf, eine weitere Erinnerung. Wieder tauchten die Lippen jener unbekannten Frau auf, die ihn vorhin vor Kirika warnte. Unwillkürlich sprach er den Satz nach, den sie formulierte. „Les Soldats sind wie Darius... wie die innere Partei aus George Orwells 1984... sie schreiben die Geschichte nach ihren Wünschen um. Ohne jedoch jemals... in Erscheinung zu treten.“ Der Professor und Ai schauten ihn ebenso verwirrt an, wie er daraufhin Kirika. „Darius?“ Sie kicherte heftig, musste sich die Hand vor den Mund halten. „Du änderst dich nie, Mireille...“ Als sie einigermaßen sich beruhigt hatte und immer noch verwirrte Gesichter vorfand, erklärte sie sich kurz. „So genau kenne ich die Geschichte auch nicht, aber Mireille hat sie fasziniert, weshalb sie sich auch viel damit beschäftigt hat. Darius, einer der berühmtesten Könige des antiken persischen Reiches... er hat... nun 'offiziell' ist wohl falsch, es ist nichts bewiesen und die Lehrmeinung spricht für ihn im Sinne, im Zweifel für den Angeklagten... aber... er hat den Thron bestiegen, indem er einen Betrüger, der sich darauf nieder gelassen hatte, ermordete und wurde später dafür als Held gefeiert. So weit die anerkannte Theorie, de facto gibt es aber einige Unstimmigkeiten dabei, die es mehr als offen lassen, ob der Mann auf dem Thron der Betrüger war, oder Darius selbst einen Königsmord verübt hatte, den er dann als Staatsstreich gegen einen Betrüger verkaufte. Es ist die Aussage, wie durch Macht es möglich ist, die Geschichte umzuschreiben... und irgendwann kann niemand mehr die Wahrheit erkennen... weil sich niemand erinnern kann, was Wahrheit ist. Hier... auf der Erde sind wir Menschen und als solche gebunden an subjektive, irdische Wahrheiten. Mag es ein höheres Wesen geben, das objektive Einschätzungen zu unseren Fragen und Problemen geben kann, wir können es nicht. Deswegen konnte ich mich damals auch nicht wegen meiner Probleme an die Polizei wenden, es hätte nur unschuldige Tote gegeben. Die Macht der Soldats ist erdrückend, wenn man sich ihnen entgegen stellt und wenn sie eine Wahrheit auslöschen wollen, hinterlassen sie keinen Krümel mehr, der Aufschluss geben könnte. Oder... glaubst du, du könntest trotz aller Macht aus lauter falschen Informationen... die eine Wahrheit finden, Conan?“ Er starrte ungläubig vor sich hin, nicht in ihr Gesicht. Das war das erste Mal, dass sie... so lange am Stück erzählte... und irgendwie... recht hatte. Wie Murmeln klangen seine Worte, als er antwortete. „Das klingt... alles sehr einleuchtend... aber... ich kann es trotzdem nicht so glauben.“ Jetzt wandte er den Kopf hoch, in seinen Augen stand ein Anflug von Kampfeswille, Überzeugung, die sie verwunderte. „Man kann... doch bei aller... Schlechtigkeit auf dieser Welt nicht aufhören, an das Gute und die Wahrheit zu glauben. Schon gar nicht ich... als Kind. Wenn ich nicht glauben kann, dann wird es wirklich unmöglich. Aber... ich... ich weigere mich einfach, das hinzunehmen, als unabänderlich. Niemand ist perfekt auf dieser Welt, also kann auch niemand... vollkommen die... eine Wahrheit vernichten. Und wir können uns doch auch nicht in so einem Fall auf einen Gott, wie Sie es nennen, verlassen, wenn es unsere eigenen Fehler sind, die diesen Zustand herbeigeführt haben.“ „Also glaubst du, du kannst daran etwas ändern?“, unterbrach sie ihn, als er kurz inne hielt. Die Worte, die aus Conan heraussprudelten, verwirrten ihn selbst nur immer mehr. Dachte er normalerweise so? Es klang viel zu erwachsen, höchstens noch mit Kinderbock beladen, aber viel zu gereift für ein kleines Kind. Aber ein Blick in Ais und Agasas Gesicht schien ihm zu verraten, ja, so dachte und redete er sonst wohl. Dabei hatte er selbst Probleme es zu verstehen. Wenn es so eine Organisation, wie Kirika sie beschrieb, wirklich gab, was maß er sich dann an, ihr die Stirn bieten zu wollen. Dem Wind zu trotzen ist mutig, den Wellen des Meeres hingegen einfach nur tödlich. Und doch... wie er sagte, er konnte diesen Zustand einfach nicht hinnehmen, akzeptierte scheinbar nicht Mal, dass die Vergangenheit für immer ausgelöscht werden konnte, obwohl es sicher schon einige Male passiert ist. Etwas sträubte sich in ihm so sehr dagegen, diese Überzeugung... „Ich danke dir.“ Erneut unterbrach Kirika seine Gedanken; als er aufsah, fand er sie fröhlich lächelnd vor ihm stehend. „Hm?“ „Es war wohl nicht, was ich erwartet... aber was ich erhofft hatte, von dir zu hören. Es ist nämlich auch ein Teil von dir, Conan... dass du keine Lüge auf dieser Welt wirklich akzeptieren kannst.“ „Das war keine Antwort auf meine Frage.“, konterte er erregt, ohne zu zögern. War es auch nicht, und er merkte allmählich, dass sie ihn zwar zu verstehen schien, aber alles andere als hilfreich war. „Korrekt.“ Sie schmunzelte. „Aber genau deswegen beantworte ich sie ja auch nicht. Schließlich ist das bereits eine der Fragen, die dich beschäftigen, nicht wahr?“ Seine Kinnlade fiel fast nach unten, als er sich ertappt fühlte. Diese Frau wusste ganz genau, wer er war, kannte die Gedanken, die ihn unruhig werden ließen, hatte selbst Erfahrung mit Amnesie... und rückte partout nicht mit der Sprache raus, was er wissen wollte! Er blickte zur Seite, atmete betrübt aus. „Sie wollen mir nicht sagen, wer ich bin, oder?“ „Niemand kann einem Menschen sagen, wer er ist, außer man selbst. Höchstens wer man mal war, aber da Veränderung die einzige Konstante im Leben ist, wäre es absurd einen Menschen zum aktuellen Zeitpunkt klar einzuordnen. Du warst immer etwas geheimniskrämerisch, etwas eigenbrödlerisch, Conan. In deinem speziellen Fall... weißt vermutlich nur du selbst, wie ganz genau dein Kopf gestrickt ist.“ „Toll... und warum macht es für mich dann keinen Sinn?“ „Sollte es das denn? Hast du Erwartungen an einen Menschen, den du nicht kennst, und um die du dich enttäuscht fühlst? Das wäre doch... voreingenommen?“ „Soll das ein Witz sein?“, brüllte er plötzlich heraus, nur um sich dann noch weiter in das große Kopfkissen hinter sich zu pressen. „Es... es tut mir Leid.“ Er fasste sich unwillkürlich an die Stirn, sie fühlte sich heiß an, auch durch den Verband, das Blut pulsierte kräftig durch seinen Körper. „Es macht keinen Sinn, was ich bisher gehört habe. Ich habe einen absurden Namen, der mir nicht mal gefällt, Fachwissen über Biologie wie Oberschüler, lese komische Bücher, interessiere mich für Mordfälle... und das alles als sieben Jähriger. Dazu kommt... dass ich scheinbar keine realen Eltern habe... oder zumindest keine, denen ich was bedeute.“ „Jeder Mensch hat Eltern, das ist biologisch unumgänglich.“ Als hielt sie ihn auf einmal für vollkommen dämlich, erwähnte sie dieses Detail fast nebensächlich. „Denken Sie, das weiß ich nicht?! Bin ich vielleicht ein Adoptivkind aus dem Heim und das wollten mir Herr Mori und Ran nicht sagen, weil sie dachten, es wäre zu viel für mich?“ Er starrte mit leicht finsterem Blick zu den beiden anderen Personen im Raum. Sie schüttelten nur den Kopf, aber Kirika war es letztlich, die antwortete. „Nein, du bist kein Adoptivkind. Deine Eltern sind nur gerade im Ausland und haben noch nicht erfahren, wie es dir geht.“ Er starrte sie unverwandt an, dann zu den anderen Beiden, die kurz angebunden nickten, dann wieder zurück. „Und der Rest...“ „Macht auch einen Sinn, wenn du dich erinnerst.“ „Sicher?“ Es nervte ihn sichtlich, dass er nur indirekte Antworten bekam, auch wenn es ihn gleichzeitig reizte, selbst einen Sinn dahinter zu finden, wenn es denn einen gebe. Ein weiterer Punkt, der ihn stutzig machte in seinen Gedanken. Kirikas Schmunzeln wurde zu einem melancholischen Lächeln verbreitert. „Oh ja, Conan... für dich macht es Sinn. So viel... dass du dafür schon mehr als einmal alles andere... hast gehen lassen...“ Er wirkte anfangs noch unsicher, aber seine Mundwinkel zogen sich langsam nach oben, bis er leicht lächelnd nickte. „Danke.“ „Schon gut. Warts ab, bis du dich erinnerst, bevor du mir dankst, dich dazu zu ermutigen...“ Jetzt musste er kurz wieder innehalten... sollte er Angst haben, vor dem, was in seinem Unterbewusstsein lauerte? Gebe es da etwas, woran er sich nicht unbedingt erinnern wollte? „Jeder Mensch hat schlechte Erinnerungen. Und ganz kann man sie nicht auslöschen... nur mit ihnen zu leben versuchen.“ Sein Blick fiel wieder auf das Buch neben sich, als ihm plötzlich eine Idee kam. „Ähm... Sie, Kirika... sagen Sie...“ „Ja...?“ Sie wirkte selber überrascht, angesprochen zu werden, und das offenbar wegen dem Buch. „Wenn Sie... sowieso so viel wissen... es hat wohl nicht direkt etwas mit mir zu tun, glaube ich, aber wissen Sie zufällig, was das hier bedeuten soll?“ Er blätterte durch das Buch, blieb an einer bestimmten Stelle stehen, und drehte das Buch um, so dass Kirika aber auch Ai und Professor Agasa es sehen konnte. Der kleine Text war aus der Entfernung nicht zu erkennen, aber rechts daneben stand eine kleine Notiz mit Kugelschreiber, dick gedruckt. Ai spürte, wie ihr Herz sich zusammen zog und hörte, wie ihre Atmung immer lauter wurde. Dabei hatte sie das Gefühl, sie bekam gar keine Luft mehr. Es waren nur drei lateinische Buchstaben, die da neben den Text gekritzelt wurden, die sie jedoch vollkommen aus der Bahn warfen, die sie gerade erst wieder erreicht zu haben glaubte. G-I-N Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)