Die Schandsage von Kita (Von Wahren Helden und anderen Halunken) ================================================================================ Kapitel 10: Unterwegs --------------------- Bin unterwegs, bin auf der Reise! Ich will nirgendwo hin! Bin unterwegs, auf meine Weise, und das ist der Sinn! Bin unterwegs und mich umgibt Ein Duft von Freiheit und See! Die Erde dreht sich nur um mich, in ihrem Mittelpunkt ich steh! „Morgen“, gähnte Flint, als er die Gaststube betrat und sich zu Cen an den Tisch setzte. Der Schweigsame nickte ihm nur kurz zu. Suchend blickte Flint um sich. „Wo ist der Rest?“ Cen seufzte, antwortete jedoch nicht, was Flint mit einem missmutigen Stirnrunzeln kommentierte. „Ab und zu könntest du ruhig auch mal von deiner Stimme Gebrauch machen. Zum Beispiel, wenn wir auf andere Gesprächspartner warten. Wo ist der verdammte Vagabund, wenn man ihn mal braucht?“ „Er ist weg.“ Überrascht drehte sich Flint zu Irima um, die mit bitterer Miene in der Tür stand. „Weg?, wiederholte er. „Was soll das heißen?“ Die Brünette setzte sich neben ihn und seufzte: „Genau das, was weg bedeutet: weg. Er ist nicht mehr da. Vermutlich“, sie verzog das Gesicht, „ist er in aller Frühe dem Ruf der Freiheit gefolgt…“ „Du hast es also auch gehört.“ „Aha!“, schnaubte Flint. „Jetzt spricht er!“ Cen ging nicht darauf ein, sondern wartete auf eine Antwort von Irima. Sie nickte. „Ja. Ich kann es einfach nicht glauben!“ Sie schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte. „Wie kann er einfach gehen, ohne sich zu verabschieden?!“ Cen räusperte sich. „Du hast nicht gerade deutlich erkennen lassen, dass dir an seiner Gegenwart etwas liegt.“ Gerade wollte Irima etwas erwidern, da ging Flint dazwischen: „Moment. Rhow ist gegangen, ja? Wo ist die Königin? Der verdammte Vagabund will uns doch wohl nicht um unseren Anteil betrügen, oder?!“ Irima schüttelte den Kopf. „Nein, Flint. Rhow wird Lady Aryana nicht zurückbringen. Er ist wieder auf Reisen.“ Nun blinzelte Flint überrascht. „Wieso das?“ Die Brünette sah ihn verwirrt an. „Was für eine Frage ist das bitte? Wir können Lady Aryana nicht an ihren untreuen Gemahl ausliefern. Das wäre nicht richtig. Rhow hat das erkannt und sich aufgemacht… wohin auch immer.“ Nachdenklich sah Flint auf seine Hände herab, dann meinte er: „Und was tun wir nun? Ohne des Königs Schatz können wir uns in Ahrlanden nicht mehr sehen lassen. Wir sind nun wohl genauso heimatlos wie Rhow.“ Irima seufzte, als sie seinen Namen hörte und Cen runzelte erneut die Stirn. „Du hättest ihn aufhalten können.“ Sie sah auf. „Ich? Wieso ich?“ Ein schwerer Seufzer entfuhr den Schützen. „Auf dich hätte er gehört. Nur auf dich.“ Irima sah noch immer verwundert drein. „Wie kommst du darauf? Wieso sollte er ausgerechnet auf mich hören?“ „Warum?“ Cen spürte den Ärger in sich aufsteigen und er stand auf. „Du weißt warum!“ Er ergriff ihr Handgelenk und hielt ihr die Hand unter die Nase. Im Licht, das durch das Fenster schien, glänzte Rhows Ring an ihrem Finger. „Darum!“ Leise summend schlenderte Rhow die Straße entlang. Wenn er ehrlich war, hatte er es vermisst, alleine zu reisen. Die Stille, die ihn umgab, nur unterbrochen von seiner Stimme, die leise das Lied sang, das ihn stets auf seinen Reisen begleitet hatte. „Bin unterwegs und mich umgibt ein Duft von Freiheit und See. Mal bin ich hier, mal bin ich dort, sehr lang verweil' ich nie. Ihr zeigt mit Fingern hämisch auf mich, ob der Lumpengestalt. Und kaum bin ich an euch vorbei, erwischt die Sehnsucht euch kalt. Schon bin ich fort, schon bin ich fort. “ Er grüßte mit einem spöttischen Grinsen einen fahrenden Händler, der ihn misstrauisch beäugte, ihm jedoch dann mit einem sehnsüchtigen Funkeln in den Augen nachblickte. Rhow lachte leise in sich hinein. Ja, er wusste, wovon er sang. „Ich ziehe meiner Nase nach. Ich halte sie stets im Wind. Schlaf ich nicht heut, so tu ich's morgen wo mein Leib hin nieder sinkt. Bin völlig frei und ungebunden, keine Kette, die mich hält. Ich bin an keinen Eid gebunden, wandle frei durch diese Welt. Schon bin ich fort und schon bin ich fort.“ Wind kam auf und zerrte an seinen Kleidern, doch statt sich zusammenzukauern, streckte er die Arme weit auseinander, als wollte er die Luft umarmen, und schloss mit einem leisen Seufzen die Augen. Eine Bö strich ihm durchs Gesicht und riss an seinen Haaren. Sie schmeckte frisch und salzig und der Geruch nach Regen lag in der Luft. „Bin unterwegs, bin auf der Reise. Ich will nirgendwo hin. Bin unterwegs auf meine Weise, und das ist der Sinn. Bin unterwegs und mich umgibt ein Duft von Freiheit und See. Die Erde dreht sich rund um mich, in ihrem Mittelpunkt ich steh.“ Ein Seufzer entfuhr ihm und seine Schritte wurden wieder langsamer, bis sie schließlich erlahmten und er stehen blieb. Und wenn er es noch tausend Mal sang, es änderte nichts an der Wahrheit: er vermisste die anderen. Ihm fehlte Cens finstere Miene und die Überraschung, die er empfand, jedes Mal, wenn der Bogenschütze den Mund auftat. Herrgott, ihm fehlte sogar dieser dämliche Riese Flint, mit seinem dämlichen Grinsen und seiner dämlichen Visage! Aber am meisten fehlte ihm Irima. Er vermisste ihr Feuer, ihr Temperament, ihre Augen, ihre Haare, einfach alles. Er lächelte leicht. „Rhow, Rhow, Rhow“, murmelte er. „Du wirst auf deine alten Tage noch sentimental…“ Er wollte seinen Weg fortsetzen, doch eine innere Unruhe hatte ihn erfasst. „Was zum…?“ Etwas in ihm drängte ihn dazu, die Richtung zu ändern, und so drehte er sich um und blickte den Weg zurück, den er gekommen war. Nein, dachte er, es gibt kein Zurück mehr… Er tat einen Schritt und erstarrte dann erneut. Hatte da nicht jemand gerufen? Seine Augen weiteten sich erstaunt, als er tatsächlich seinen Namen hörte, und er wandte sich erneut um. Seine Augen mussten ihm einen Streich spielen! War da nicht eine Gestalt auf dem Hügel? Er überschattete das Gesicht mit der Hand und verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. Beinahe hätte er laut aufgeschrien, als er Irima erkannte, die wild gestikulierend die Straße entlang gelaufen kam, dicht gefolgt von Flint und Cen. „Rhow!“, hörte er sie nun rufen. „Warte!“ Selbst, wenn er gewollt hätte, er hätte sich nicht rühren können – seine Beine verweigerten ihm schlicht den Dienst. So verharrte er wie angewurzelt, bis Irima schließlich vor ihm stand und sich keuchend auf ihre Knie stützte. Dann sah sie ihn finster an, was Rhow dazu veranlasste, instinktiv einen Schritt zurückzuweichen. „Du… verdammter Idiot!“, schrie sie nun und Rhow glaubte, Wut aus ihrer Stimme zu hören, gepaart mit etwas anderem, was er nicht zuordnen konnte – Verzweiflung? „Du Idiot!“, wiederholte sie. „Denkst du, das kannst du mit mir machen?!“ Sie stapfte auf ihn zu und hob drohend den Zeigefinger. „Denkst du das?!“ Der Vagabund hob abwehrend die Hände. „Es tut mir ja Leid, dass ich mich nicht verabschiedet habe, aber –“ „Verabschiedet?“ Irimas Stimme erreichte einen Punkt, der vom Kreischen nur wenige Dezibel entfernt war. „Du verdammter Mistkerl machst mir einen Antrag, wenn ich besoffen bin, und dann verdrückst du dich klammheimlich!! Kannst du mir mal sagen, was das soll?!“ Rhow blinzelte verwirrt. „An… Antrag?“ Mit einem wütenden Schnauben hielt Irima ihm die Hand unter die Nase und Rhow schrie überrascht auf. „Mein Ring!“ „Mein Ring!“, verbesserte Irima und zog hastig ihre Hand zurück, als Rhow Anstalten machte, nach dem Schmuckstück zu greifen. „Cen hat mir alles erzählt! Wie kannst du dich nur so… so verhalten?!“ Der Vagabund ergriff nun doch ihre Hand und starrte fassungslos auf den Ring an ihrem Finger. Dann sah er auf. „Das Lied… das letzte Lied! Ich…“ Er erinnerte sich. Das letzte Lied, das er gesungen hatte an jenem Abend, war eine gesungene Liebeserklärung gewesen, inklusive Heiratsantrag. Er sah noch einmal auf den Ring herab und stockte dann. „Moment mal… du… du hast ja gesagt?“ Beinahe ungläubig musterte er sie und die Brünette zog errötend ihre Hand aus seiner. „Das hab ich wohl… und ich denke… ich denke, ich würde es wieder tun…“ Flint stemmte schnaubend die Hände in die Seite. „Das soll mal einer verstehen!“ Rhow blickte an Irima vorbei und meinte: „Was macht ihr zwei eigentlich hier?“ Der Riese verzog spöttisch das Gesicht. „Denkst du, ich lasse dich mit Fräulein Irima allein, nachdem du ihr fast das Herz gebrochen hast?“ „Ich ihr?!“ Rhow zog scharf die Luft ein, als er daran dachte, wie Irima ihn im Lager von Salvain dem Räuber vor den Kopf gestoßen hatte, doch davon wollte er Flint lieber nichts erzählen. Stattdessen wandte er sich an Cen: „Und… du?“ Der Bogenschütze grinste schief. „Ich denke, ich hab mich an eure Gesellschaft gewöhnt.“ „Tja, Rhow“, lachte Irima. „Es scheint, als würdest du uns nicht mehr loswerden.“ Rhow nickte wie in Trance. „Was… was ist mit Lady Aryana?“ Die Brünette zuckte mit den Schultern. „Die ist alleine losgezogen. Ich denke, sie kommt zurecht. Die Frau kann sich wehren – mir tut noch immer das Gesicht weh.“ Zur Unterstreichung ihrer Worte fuhr sie sich über die noch immer leicht geschwollene Wange. Rhow lächelte leicht. „Wisst ihr was? So hab ich mir das Ende unserer Reise vorgestellt – als Anfang einer Neuen!“ Mit diesen Worten ergriff er Irima am Handgelenk, lief los und zog sie lachend hinter sich her. Flint blinzelte einen Moment verwirrt, dann rief er: „Hey! Denkst du, du kannst mich so leicht abhängen?! Na warte, verdammter Vagabund!!“ Cen blieb noch einen Moment unschlüssig stehen, als Flint den beiden hinterher lief, dann schüttelte er leise seufzend den Kopf und folgte ihnen ebenfalls, geführt von Rhows Stimme: „Bin unterwegs, bin auf der Reise. Ich will nirgendwo hin. Bin unterwegs auf meine Weise, und das ist der Sinn. Bin unterwegs und mich umgibt ein Duft von Freiheit und See. Die Erde dreht sich rund um mich, in ihrem Mittelpunkt ich steh.“ ~Ende~ Lieder: - Bin unterwegs Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)