Die Schandsage von Kita (Von Wahren Helden und anderen Halunken) ================================================================================ Kapitel 8: Drei Lieder ---------------------- Der Sänger hob hob erneut die Stimme, Stille herrschte um ihn her, jeder lauschte ganz gebannt der zweiten Strophe umso mehr. Es überraschte Rhow nicht, dass Irima mit keinem Wort auf ihre Nacht im Wald einging, als sie am nächsten Morgen ihr weniges Hab und Gut zusammensuchten und alles zum Aufbruch bereit machten. Im Gegenteil, es hätte ihn wirklich überrascht, wenn sich plötzlich etwas zwischen ihnen geändert hätte. Niemand hatte bemerkt, dass sie für fast eine Stunde praktisch spurlos verschwunden waren und Rhow würde den Teufel tun und Cen oder gar Flint über die letzte Nacht ins Vertrauen ziehen. Der Bogenschütze hatte sich erstaunlich gut erholt. Sein linker Arm lag in einer Schlinge und er würde seine Schießkünste wohl eine Weile nicht mehr demonstrieren können. Doch bedachte man, dass der Pfeil seine Schulter durchschlagen hatte und den damit verbundenen Blutverlust… Rhow konnte nicht von sich behaupten, dass er nach einer solchen Verletzung so schnell wieder auf den Beinen gewesen wäre. „Ist soweit alles in Ordnung?“, fragte er mit einem angedeuteten Nicken auf den verletzten Arm, mehr um die Stille zu durchbrechen, die in der Hütte herrschte, die man ihnen als Nachtlager zugeteilt hatte. Cen gab ein schwer zu deutendes Grummeln von sich und nickte dann. „Hm… gut…“, murmelte der Vagabund und packte seine Sachen zusammen, als Salvain den Raum betrat. „Ich habe mich ein wenig umgehört…“, sagte er zögernd. „Ich weiß nicht, ob es eine wirkliche Spur ist, aber… man erzählt sich von einer Frau, die durch die Lande zieht und für jeden eine Fremde ist. Es kann ein Zufall sein – oder euer Dieb ist in Wahrheit eine Diebin.“ Die Gefährten warfen sich einen Blick zu, der zugleich Frage wie Antwort war und sie nickten. Sie würden die Spur aufnehmen, war es doch die erste wirkliche Spur, die sie hatten. Und so brachen sie wenig später auf und verließen den verwunschenen Wald. „Irima!“ Rhow hatte Irima etwas mit sich mitgezogen, während Flint und Cen mit einem fahrenden Händler um Nahrungsmittel feilschten. „Ja?“, fragte die Frau und die Ablehnung in ihrer Stimme überraschte Rhow erneut. Aber es war ihm egal. Sie waren sich nahe gekommen, sehr nah, vielleicht sogar zu nah, und sie hatten nicht ein Wort darüber verloren. Vielleicht war Irima nur dem Zauber des Augenblicks erlegen, doch Rhow spürte deutlich, dass er sich auf etwas eingelassen hatte, das vielleicht zu groß für ihn war. „Letzte Nacht…“ Irima schüttelte den Kopf. „Ist schon in Ordnung. Es war dumm von uns, uns der Romantik des Ortes hinzugeben. Du musst dir keine Gedanken machen.“ Sie lächelte, doch etwas war in diesem Lächeln, das Rhow erstarren ließ. „Keine Verantwortung für dich oder mich, denn es hat mir nichts bedeutet.“ Er hatte sich geirrt. Es hatte sich etwas zwischen ihnen geändert. Nicht nur, dass sich Irima ihm gegenüber noch kälter verhielt als zuvor, nein, er hatte sich verändert. Ihre Worte trafen ihn, bohrten sich in seine Brust und fraßen sich durch sein Herz. Er hätte nie gedacht, dass er noch einmal solchen Schmerz empfinden konnte, doch er war da, bohrend, drückend, und er würde nicht so schnell wieder verschwinden, denn er wurde geboren aus dem, was er für Irima empfand. Gerade wollte sie sich umdrehen und zurück zu den anderen gehen, da packte Rhow sie am Handgelenk und hielt sie fest. „Aber mir! Mir hat es etwas bedeutet. Also lauf jetzt nicht einfach weg!“ Irima riss sich los und funkelte ihn wütend an. „Dir hat es was bedeutet? Das redest du dir vielleicht ein, aber wahr ist es bestimmt nicht. Ihr seid doch alle gleich!“ Ihre Worte irritierten ihn und gleichzeitig weckten sie die Erinnerung an etwas, das Irima letzte Nacht gesagt hatte. „Ich weiß nicht, wer dir wehgetan hat, Irima, und es ist mir auch egal. Ich werde es nicht tun, das schwöre ich, bei Gott!“ Doch Irima schüttelte nur den Kopf. „Doch, Rhow, das wirst du. Du hast es selbst gesagt, nicht wahr? Wir werden in unsre Heimat zurückkehren und jeder von uns wird seiner Wege gehen. Du warst zu lange ein Vagabund, als dass du daran noch etwas ändern könntest.“ Etwas sanfter fügte sie hinzu: „Es tut mir Leid. Ich wollte nicht, dass das passiert und ich wünschte, es wäre anders, aber aus uns beiden wird niemals etwas Festes erwachsen…“ Und damit drehte sie sich endgültig um und ließ Rhow allein zurück. „Und?“, fragte sie Flint, der nur mit den Schultern zuckte. „Wir haben wieder was zu Essen, aber dafür ist unser letztes Geld draufgegangen.“ Irima betrachtete nachdenklich das Bündel, das Flint in der Hand hielt, und fragte: „Ist das alles?“ „Ja… aber wir haben auch eine gute Nachricht.“ Skeptisch legte die Frau den Kopf schief. „Und zwar? Ist das ein Zauberbeutel, der seinen Inhalt magisch vermehrt?“ Flint schüttelte lachend den Kopf, doch bevor er antworten konnte, hielt Cen ihr mit einem breiten Grinsen ein Stück Papier unter die Nase. Es war ein Steckbrief. Ihr Steckbrief, um genau zu sein. Allerdings konnte sie das nur mit sehr, sehr viel Fantasie erkennen. Sie warf Cen einen fragenden Blick zu und der nickte nur stumm. Gleichzeitig zog Flint mit einem noch breiteren Grinsen ein weiteres Blatt hervor und sagte: „Das hat der Händler mir in die Hand gedrückt, mit den Worten, dass ich gut aufpassen soll auf diesen Kerl.“ Irima las, was unter dem mehr als oberflächlichen Bild stand und musste schmunzeln. „Also… du bist ja schon groß, aber drei Meter? Das halte ich für übertrieben.“ Flints Grinsen wurde noch breiter. „Du sagst es. Das Bild von unserem Vagabunden ist auch nicht besser. Obwohl… vielleicht zeigt es ja seine innere Schönheit.“ Rhow, der sich mittlerweile wieder gefangen hatte und näher getreten war, blickte einige Sekunden verwirrt auf das Pergament, das Flint ihm unter die Nase hielt, ehe er die Stirn runzelte und sich mit den Fingern übers Kinn fuhr. „Mal ehrlich, so ein ausgeprägtes Kinn hab ich doch nicht wirklich, oder?“ Flint schüttelte lachend den Kopf. „Nein. Also, bei solchen Bildern ist es wirklich nicht verwunderlich, dass sie so wenig Halunken schnappen.“ Rhow nickte und fragte dann: „Was hab ich da eben gehört, wir sind pleite?“ Flint nickte. „Der Halsabschneider“, er deutete mit dem Kopf in die Richtung, in der der fahrende Händler verschwunden war und sich vermutlich ins Fäustchen lachte über den Gewinn, den er gerade gemacht hatte, „hat schamlos ausgenutzt, dass wir noch Meilen entfernt sind von der nächsten Stadt.“ Der Vagabund nickte verstehend. „Schlaues Kerlchen… dann müssen wir uns in der Stadt eben noch ein wenig Geld verdienen…“ Spöttisch stemmte Irima die Hände in die Seite. „Verdienen? Ich will dir ja nichts unterstellen, aber wie sollen wir uns Geld verdienen? Lass dir eines gesagt sein, ich werde nicht für dich stehlen!“ Rhow funkelte sie wütend an und fragte sich insgeheim einen Moment lang, ob er wirklich etwas für sie empfand, oder das nur auf ihre Ähnlichkeit zu Melissa zurückzuführen war. „Ich habe weder vor zu stehlen, noch zu betteln! Wie wäre es, wenn du dir deine bissigen Kommentare verkneifen würdest, sonst komme ich noch auf die Idee, dich zu verkaufen!“ Irima lächelte höhnisch und lehnte sich an Flint. „Du und welche Armee?“ Der Vagabund ballte die Hände zu Fäusten, wobei seine Knöchel gefährlich knackten, warf Flint einen finsteren Blick zu, der eigentlich Irima galt, und stapfte davon. Tatsächlich brauchten sie fast zwei Tage, bis sie die nächste Stadt erreichten und ihre Vorräte waren schon wieder erschreckend zusammengeschrumpft. Nun standen sie ein wenig ratlos auf dem überfüllten Marktplatz, wo eine Vielzahl verlockender Düfte auf sie einströmte, und Flint fragte mit hängenden Schultern: „Und, was machen wir nun?“ Rhow dagegen grinste und griff in eine seiner unzähligen Taschen. „Lasst mich nur machen…“ Er drängelte sich durch die Massen, bis er schließlich auf der Mitte des Platzes angekommen war, wo er die Stufen zu dem großen Brunnen, der dort stand, hinauf trat und etwas aus seiner Tasche zog, das die anderen nicht erkennen konnten. „Verehrte Herrschaften!“, rief er laut über die Köpfe der Menschen hinweg. „Zu Euer aller Vergnügen, lauscht meinen Worten, denn ich erzähle Euch eine Geschichte aus alter Zeit. Die Geschichte der letzten Tröte!“ Und damit legte er die Schalmei an die Lippen und begann zu spielen. „Dem Volke die Musik verwehren! sprach der König voller Wut. Stattdessen in stiller Andacht ehren seinen Stolz und seinen Mut. So sprach es sich herum im Land, die Schergen waren brutal und roh und jedes Instrument, das man fand, brannte schon bald lichterloh.“ Die ersten Menschen drehten sich zu ihm um und hörten ihm interessiert zu. Irima konnte nicht sagen, woran es lag; vielleicht interessierte sie tatsächlich die Geschichte, die Rhow mit seinem Lied erzählte, vielleicht waren sie auch nur neugierig, welcher Mann sich da zum Narren machte. Oder sie waren einfach fasziniert von seiner Stimme, so wie sie. Rhow ging derweil voll in seiner Rolle als verfolgter Trötenspieler auf, duckte sich in den Schatten des Brunnens, sah sich verstohlen um und raunte seinem Publikum, das immer größer wurde, zu: „Doch meine Tröte fand man nicht. Ich stand da, spielte meine Lieder. Die Leute scharten sich um mich. Wir zogen los, holten sie uns wieder!“ Und bald hatte er eine solche Menschenmenge um sich versammelt, dass die drei Gefährten ihn kaum noch sehen konnten. Und diese Menge war so von Rhows Spiel mitgerissen, dass sie irgendwann lauthals mit ihm mitsangen: „Ohh, wie sollen wir von wahren Helden singen? Ohh, mit Wein und Weib die Nacht verbringen? Ohh, im Burghof herrscht Revolution! Ohh, man hat uns die Musik gestohlen!“ Als der Vagabund schließlich sein Spiel beendete und sich atemlos verbeugte, schallte donnernder Applaus über den Platz und nicht wenige riefen nach mehr. Rhow lachte und rief über die Menge: „Wer mich heute Abend im hiesigen Gasthaus zu einem Bier einlädt, bekommt eine Zugabe, versprochen!“ Und damit drängte er sich durch die Massen, schob Irima, Flint und Cen mehr oder weniger unauffällig vor sich her und verschwand mit ihnen in einer der zahllosen Nebenstraßen. Lachend zog er einen kleinen Sack hervor und warf ihn Irima vor die Füße. „Bitte, Fräulein, ehrlich verdientes Geld!“ Die Frau starrte perplex auf die Münzen zu ihren Füßen und sah dann wieder ihn an. „So viel…?“ Rhow zuckte nur triumphierend grinsend mit den Schultern. „Gekonnt ist eben gekonnt.“ Cen fragte, fast mehr an sich selbst gewandt: „Wo hast du so singen gelernt…“ „Ich sagte es schon zu Irima: ich war nicht immer ein Streuner. Ihr werdet es vielleicht nicht glauben, aber ich habe schon für Könige gesungen.“ Überraschtes Schweigen senkte sich über die kleine Gruppe und Rhow blies sich mit einem Schnauben eine Strähne aus dem Gesicht. „Das habt ihr nicht erwartet, was? Ich könnte euch Geschichten erzählen… aber ihr bezahlt vermutlich nicht so gut wie die Menge da draußen… also werdet ihr euch bis heute Abend gedulden müssen.“ Als sie am Abend das Gasthaus betraten, herrschte dort reges Treiben – man hatte Rhow tatsächlich erwartet. Breit grinsend hob der Vagabund zur Beschwichtigung die Hände, als er sofort mit freudigen Zurufen begrüßt wurde. „Nur die Ruhe! Ich sagte doch, jeder, der mich auf ein Bier einlädt, kriegt von mir eine Zugabe.“ Augenblicklich winkten mindestens ein Dutzend Menschen mit Münzen und Rhow ließ sich lachend in ihrer Mitte nieder. Er hielt Wort. Die Bierkrüge auf dem Tisch vor ihm häuften sich und für jeden sang er ein weiteres Lied, obwohl er lange nicht jeden trank, sondern – großzügig wie er nun einmal war – mit seinen Kameraden teilte. Und während die tranken, sang Rhow. Er sang von ihrer Reise, ihren Abenteuern, vom verfluchten Sumpf, den Sirenen, vom Geisterschiff. Die Leute lauschten fasziniert und seine Kameraden waren so gebannt, als hörten sie zum ersten Mal von den Dingen, von denen Rhows Lieder handelten. Irima ließ den Bierkrug sinken, als Rhow von der brennenden Erscheinung des Geisterschiffes sang. Ihr fiel auf, dass seine Geschichte von dem abwich, was sie tatsächlich erlebt hatten, und sie stutzte. Erst dachte sie, der Vagabund hätte einige Details verändert, um es spannender für seine Zuhörer zu gestalten, doch dann merkte sie, dass er ein völlig anderes Erlebnis erzählte! Oder bildete sie sich das etwa nur ein? Nein, es war keine Einbildung, das wurde ihr klar, als sie in Cens Gesicht blickte. Er hatte es auch erkannt: Rhow hatte das Geisterschiff nicht zum ersten Mal gesehen. Doch der Vagabund gab ihr keine Möglichkeit, darauf einzugehen, denn die Menschen im Wirtshaus verlangten nach mehr und Rhow lachte: „Ruhig Blut! Ihr werdet erfahren, wie die Geschichte weitergeht!“ Mittlerweile hatten sich sogar einige Musikanten eingefunden, die ihn musikalisch begleiteten, und die Menschen drängten sich auf der Straße zusammen, um dem Vagabunden zuzuhören. Und er sang und trank, darauf bedacht, dass ihm die Zunge nicht schwer wurde vom Alkohol. Im Gegensatz zu Flint, der inzwischen so viele der Krüge gelehrt hatte, dass er bereits aus vollem Halse in Rhows Gesang einstimmte. Und auch Irima tat sich gütlich an all dem Bier, ebenso wie die anderen Gäste, so dass eine ausgelassene Stimmung in der Stube herrschte. Der Wirt kam kaum hinterher mit Nachschenken und Cen konnte deutlich sehen, wie er Rhow dankbare, aber auch berechnende Blicke zuwarf. Vermutlich machte er heute den größten Gewinn seines Lebens. Seufzend ließ sich Rhow in den Stuhl sinken. „Ihr seid unersättlich, ihr lieben Leute.“ Irgendjemand hatte ihm ein Essen spendiert und augenblicklich setzte er sich wieder auf. „Unersättlich und spendabel, das muss man euch lassen. Also gut! Heizen wir die Stimmung noch ein wenig an!“ Er kämpfte sich durch die Menge zu den Musikanten, erleichterte einen von ihnen um seine Laute und begann darauf zu spielen. Er genoss die Aufmerksamkeit der Leute und ihr freudiges Johlen. Es war lange her, dass er vor einem solch ausgelassenen Publikum gespielt hatte. Und so begann er aus vollem Hals zu singen: „Losgelöst und ohne Sorgen, kein Gedanke an den Morgen, wollen wir heut' zusammen sein und an Wein und Bier uns erfreuen. Der Tisch soll reich bedeckt heut sein. Am Spieß, da schmort ein ganzes Schwein und wir halten hoch die Krüge, des Trinkens werden wir nicht müde. Zur Freude soll Musik erklingen, wer noch kann soll dazu singen. Und wenn nicht zu voll der Ranzen, fröhlich auf den Tischen tanzen. Es fließt der Wein, es fließt das Bier. Hoch die Krüge, trinken wir!“ Und die Menschen folgten fröhlich dem Beispiel seines Liedes und tranken und sangen, lachten und tanzten und tranken noch mehr. Und Rhow fuhr fort, inspiriert von Irima, die mit roten Wangen vor dem Musikantenpodest tanzte: „Auf dem Schoß ein schönes Weib und du berührst den zarten Leib. Schaust sie an mit tiefem Blick und willst nie mehr nach Haus zurück.“ Wie überrascht er war, als die Brünette auf einmal zu ihm auf die Bühne stieg, grinsend an ihrem Bier nippte und schließlich ebenfalls zu singen begann, erst leiser und etwas zögerlich, doch dann lauter und kräftiger: „Neben dir ein schöner Mann, nimmt dich sachte bei der Hand. Preist dich deiner Schönheit wegen, will dir die Welt zu Füßen legen.“ Rhow lachte, legte die Laute beiseite und zog Irima an sich heran. Sie war beschwipst, das sah und hörte man, doch sie machte keinerlei Anstalten den Krug aus der Hand zu geben, während sie sich mit der anderen Hand bei Rhow einhakte und mit ihm im Takt der Musik zu wippen begann. Und so sangen beide das Lied weiter, und nach und nach stimmten immer mehr der Gäste mit ein: „Zur Freude soll Musik erklingen, wer noch kann soll dazu singen. Und wenn nicht zu voll der Ranzen, fröhlich auf den Tischen tanzen. Es fließt der Wein, es fließt das Bier. Hoch die Krüge, trinken wir!“ Der Abend flog dahin und selbst, als es schon auf Mitternacht zuging, waren noch gut zwei Dutzend Leute im Gasthaus und feierten. Flint lag quer über einem der Tische und schnarchte dort vor sich hin, nachdem er in einem Zweikampf sein Gegenüber unter den Tisch gesoffen hatte. Cen bemühte sich noch immer, sich vor zwei betrunkenen Frauenzimmern zu retten, und Irima versuchte irgendwie, den schmalen Grad zwischen Tanzen und Torkeln zu Gunsten des Tanzens zu verlassen – was ihr nicht leicht fiel, ob der Mengen an Alkohol, die sie mittlerweile intus hatte. Selbst Rhow hatte inzwischen genug getrunken, um den Einfluss des Alkohols zu spüren. Zwar lange nicht genug, um wie Irima zu schwanken, nicht einmal genug, um zu lallen, doch er merkte, dass seine Zunge langsam schwer wurde und es ihm immer schwerer fiel, seine Gedanken zu ordnen. Er stand auf. „Liebe Leute! Es ist schon spät, und wenn ich ehrlich sein soll“, er räusperte sich, „verlässt mich meine Stimme langsam. Ich denke, es wird Zeit, mein letztes Lied anzustimmen.“ Er ließ sich wieder auf den Stuhl zurücksinken, betrachtete einen Moment lang nachdenklich die Laute in seiner Hand, ehe er es sich dann doch anders überlegte und sie ihrem eigentlichen Besitzer zurückgab. Er sann darüber nach, welches Lied er zum Abschluss singen sollte. Irima ließ sich mit einem Seufzen auf seinen Schoß fallen. „So nachdenklich?“ Rhow musste schmunzeln, als er sie hörte. Ihre sonst klare Stimme war träge und wankte genau wie ihre reizende Besitzerin, die nun die Arme um Rhows Schultern legte und ihm zuflüsterte: „Willst du nicht etwas über mich singen?“ Er lächelte. Warum eigentlich nicht? Einen Moment lang schloss er die Augen und lauschte in sich hinein, dann umfasste er sanft ihre Hand und begann mit leiser Stimme zu singen: „Komm her und lausche meiner Stimme, ich habe dir was zu erklär'n, hörst du das Herz in meiner Brust, pass auf, ich habe dich gern...“ Im selben Moment, in dem er ihre Hand auf seine Brust legte, begannen die Musikanten seinen Gesang mit leiser Musik zu untermalen. Irima schluckte und lauschte gebannt seinen Worten. „Weiß nicht genau, wann es passierte, ein unbeschreiblicher Moment. Ich sah dich an und in mir rührte sich ein Gefühl das brennt... Hielt mich fortan in deiner Nähe, war stets bei dir wenn Unheil droht. Verscheuchte Schatten und Probleme, hielt Wacht bis ins Morgenrot.“ Die zwei Frauen, die bis dahin Cen belagert hatten, sahen nun mit einem leisen Seufzen und verliebt verklärtem Blick zu Rhow. Cen, der als einziger der Gruppe noch nüchtern war, hob skeptisch die Augenbrauen. Was waren denn das für neue Töne zwischen den beiden? „So ging es über viele Jahre, in mir der Sturm schon schmerzhaft tobt. Schließ dich im Traum in meine Arme, während ich dir Treue gelob'.“ Ein unsicheres Zittern mischte sch mit Rhows Stimme, als er Irima ansah. Seine Hand tastete nach der Kordel, die um seinen Hals hing, zog den kleinen Beutel unter seinem Hemd hervor und dachte noch einmal über seine folgenden Worte nach. Er hatte sie in seinem Leben schon einmal benutzt und einen Augenblick lang kam es ihm falsch vor, wie ein Betrug an Melissa, wenn er sie nun erneut aussprach. Doch dann öffnete er mit bebenden Fingern das kleine Täschchen und holte seinen teuersten Schatz hervor. „Sieh, du Schöne was ich habe… Willst du diesen Ring von mir? Streif ihn über und dann sage: Ja, fortan gehör’ ich dir!“ Irima schlug die Hände vor den Mund und starrte Rhow einige Sekunden lang aus weit aufgerissenen Augen an, ehe sie mit einem sanften Lächeln zögerlich nickte. „Ja…“ Ein Jubeln ging durch die noch verbliebenen Gäste und auch der Wirt klatschte begeistert Beifall. „Das ist ein Grund zum Feiern!“ Er hob auffordernd die Arme. „Leute, diese Nacht schließe ich nicht! Trinkt! Die nächste Runde geht auf mich!“ Lieder: - Die letzte Tröte - Trinklied - Willst du? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)