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Gemeinsam fliegen

von

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Der Neue

Alles begann damit, dass wir einen Neuen in die Klasse bekamen. Ich hatte gerade den Text an der Tafel abgeschrieben und starrte nun gedankenverloren aus dem Fenster.

Wenn ich meine Eltern davon überzeugen könnte, dass ich mit Religion nichts anfangen konnte, dann hätte ich es schon längst abgewählt. Reli war eins der langweiligsten Fächer überhaupt. Unsere Lehrerin eine der Dümmsten der Schule.

„Wenn den Text abgeschrieben habt, dann malt einen Engel, so wie ihr ihn euch vorstellt.“

Ich starrte sie an. Geht’s noch? So einen Quatsch hatten wir zuletzt in der Grundschule gemacht. Wie immer sprach mein bester Freund Eric das aus, was ich dachte.

„Sind sie sich sicher, dass das nicht eine Aufgabe für Grundschüler ist?“

Hinter mir fiel Kathrin vom Stuhl und wachte dadurch wieder auf, was meine Lehrerin allerdings nicht mitbekam, da sie sich gerade mit Eric eine heftige Diskussion lieferte.

Was allerdings noch niemand mitbekam war, dass es an der Tür klopfte.

„Es klopft an der Tür.“, sagte ich, doch ich wurde ignoriert. „Herein!“, schrie ich und endlich unterbrachen Eric und meine Lehrerin ihr Streitgespräch. Köpfe wurden gehoben, Sabberflecken wurden hastig von Tischen gewischt und sogar Stephan schaffte es, seine Zunge aus dem Mund von Lisa zu nehmen.

Die Tür wurde geöffnet und ein kleines Mädchen steckte den Kopf zur Tür herein.

„Wie süß!“, quietschte Lisa, worauf das Mädchen nur die Augen verdrehte und fragte:

„Ist das hier der Kurs für Katholische Religion? Wenn ja, dann hab ich hier nen neuen Schüler für Sie.“ Sie trat kurz in den Flur hinaus und sagte: „Komm schon rein, da herrscht kein Krieg.“ Als sie dann einen Schritt zurück trat kam der Neue ins Klassenzimmer.

Ich hab nie an Engel geglaubt, aber jetzt begann ich an meinen Vorstellungen zu zweifeln.

Er war ca. 180 cm groß, hatte hellblonde, schulterlange Haare, dunkelgrüne Augen und eine unglaubliche Ausstrahlung. Sofort begann ich zu zeichnen. Der Neue bedankte sich bei dem Mädchen und kam dann nach vorne, um sich unserer Lehrerin vorzustellen.

Ich musste die Zeichnung abbrechen, da ich jetzt keine Frontalansicht mehr hatte und machte mich daran, seine Rückenansicht zu zeichnen.

Während Eric unsere Lehrerin zeichnerisch an den Galgen hängte, fügte ich meiner Zeichnung ein paar Engelsflügel bei. Eric beugte sich zu mir rüber. „Schau dir mal dieses Meisterwerk an!“ Dann stutzte er. „Wen malst du denn da?“ Ich zeigte mit dem Bleistift kurz nach vorne und begann dann die Flügel zu schattieren.

„Jetzt nicht im Ernst, oder? So stellst du dir einen Engel vor?“ „Du musst doch zugeben, dass er besser aussieht, als alles was wir in der Klasse haben.“ „Na ja, schon, aber deshalb ist er noch lange kein Engel!“, sagte Eric. „Und er sieht auch nicht besser aus als ich.“, fügte er hinzu und tat so als würde er schmollen. „Stimmt, er sieht viel besser aus!“, grinste ich.

„Tse, wenn du meinst. Das beweißt nur, dass du einen schlechten Geschmack hast“

In diesem Moment drehte sich der Neue wieder zu uns um.

„Das ist euer neuer Mitschüler.“, sagte unsere Lehrerin. „Erzählen Sie uns was Neues!“, rief Eric und sorgte so für Gelächter. „Mein Name ist Phil Logan. Ich freue mich euch kennen zu lernen.“, sagte der Neue und verbeugte sich sogar leicht. „Dann setz dich doch bitte. Wo haben wir denn noch einen freien Platz?“ Neben mir war noch einer! Während sich unsere Lehrerin umblickte zeigte ich mit den Fingern auf den Platz neben mir. „Hier!“, rief ich.

„Hier drüben ist noch was frei!“ „Es scheint nichts mehr frei zu sein.“ Das war doch wohl die Höhe! Was sollte ich denn noch machen? Eine Leuchtreklame neben mir anbringen?

„Verzeihen Sie bitte, aber neben dem rothaarigen Mädchen ist noch etwas frei.“

Endlich! Geht doch! Jetzt kam Phil auf mich zu. „Hast du etwas dagegen, wenn ich mich neben dich setze?“, fragte er und lächelte mich an. Er schien von innen zu strahlen. Nicht wenn du mich so anlächelst, dachte ich, doch bevor ich etwas sagen konnte meinte Eric:

„Nein, ist gar kein Problem, sie steht nämlich auf dich.“ Sofort wurde ich knallrot.

„Eric!“ Wie peinlich. Jetzt hatte er mich direkt blamiert, doch Phil lachte nur. Ein Engel, dieser Typ musste einfach ein Engel sein.

„Können wir jetzt mit dem Unterricht weiter machen?“, keifte unsere Lehrerin.

„Yes, Sir!“, rief Eric und schon waren die beiden wieder in einem Streit. Beziehungsweise unsere Lehrerin stritt, Eric gab nur gelangweilte Antworten von sich.

„Kann ich mir mal deinen Hefter leihen, damit ich weiß, was wir bis jetzt besprochen haben?“ Ich schreckte hoch. Viel zu sehr hatte ich mich mit meiner Zeichnung beschäftigt, als dass ich mit bekommen hätte, was er gesagt hatte. „Tut mir leid, ich hab dir nicht zugehört.“

„Das merke ich. Ich hab dich gefragt, ob ich mir mal deinen Hefter leihen kann.“

Ich reichte ihm meine Unterlagen, in denen er sich sofort vertiefte.

Das nächst war eine Zeichnung von seinen Profil. Gewissenhaft zeichnete ich jedes kleine Detail, von den Lichtreflexen in seinen Augen, über die sanft geschwungen Lippen bis zu den Haarspitzen, die sich an den Schultern leicht kräuselten. „Was zeichnest du eigentlich da?“

Schon wieder zuckte ich zusammen. „Sie zeichnet dich, weil sie dich für einen Engel hält.“, sagte Eric und wandte sich dann wieder seinem Gespräch mit der Lehrern zu.

Ich ließ meinen Kopf auf den Tisch knallen. Wenn der Unterricht vorbei war, würde Eric dafür bezahlen müssen. „Darf ich mir mal die Zeichnungen anschauen?“ Wortlos gab ich sie ihm. Zu meinem Erstaunen, machte er sich nicht über mich lustig oder sagte mir, dass ich es wegschmeißen sollte, weil es ihm peinlich war. „Die sind ja wunderschön.“, sagte er ehrfürchtig, als er die Zeichnungen sah. Dann sah er mich direkt an. „Du kannst unglaublich gut zeichnen.“

Verdammt! Ich wurde schon wieder rot! „Danke.“, murmelte ich.

„Konntest du das schon immer?“ „Eigentlich schon.“

In diesem Moment klingelte es. Wir packten unsere Taschen. „Wie heißt du eigentlich?“

„Ich heiße Kate Blackwood.“ „Schön dich kennen zu lernen.“ Und wieder zeigte er mir dieses Lächeln, welches mich fast zu schmelzen brachte. „In welche Klasse gehst du eigentlich?“, fragte ich ihn. „In die 12 a.“ „Super, dann sehen wir uns ja morgen. Ich muss jetzt zum Bus, also bis dann!“ Gutgelaunt lief ich los.

abendliches Treffen

Nachdem ich meine Hausaufgaben erledigt hatte, blieb mir noch genug Zeit um etwas zu essen, bevor mein abendlicher Zeichenkurs begann. Trotzdem kam ich mal wieder zu spät, weil meine Mutter mir wie jeden Mittwochabend die gleiche Predigt hielt.

Die Sache mit dem „Nicht mit Fremden mitgehen“ und so, kennt man ja. Diese Regel wird einem ja von Geburt an eingeprägt. Heute hielt meine Mutter allerdings eine Überraschung für mich bereit. „Denk daran: Der Teufel will uns in Versuchung führen, also zeigt er sich in schöner Gestalt.“ Ich musste unwillkürlich an Phil denken. Eine schöne Gestalt, in der Tat.

Während meine Mutter völlig in ihrer Rede über Versuchung aufging, machte ich mich mit dem Motorrad auf, um wenigstens nur 15 Minuten zu spät zukommen.
 

„Kate! Welch seltener Gast in unseren Reihen!“, rief mein Lehrer aus, als ich in den Raum trat. „Sehr witzig.“, murrte ich. „Du weißt doch genau, dass mich meine Mutter nie zeitig weglässt.“ „Ok, ist ja schon gut.“, meinte er beschwichtigend. „Wir haben sowieso gerade erst das neue Thema besprochen.“ Ich runzelte die Stirn. „Welches neue Thema denn?“

„Du hast letzte Stunde wieder gepennt, was?“ „Nein, ich habe mich mit dem Thema befasst.“ Er zuckte mit den Schultern. „Ist auch ok. Also, das nächste Thema handelt von: Aktmodellen!“ Ich zog eine Augenbraue hoch. „Aktmodelle? Na ja, solange du nicht das Aktmodell bist, kann es mir ja egal sein.“ Ich ging zu meinem Platz und setzte mich.

„Tja, da kann man mal wieder sehen was du für einen schlechten Geschmack hast!“

An dieser Stelle muss man zu seiner Verteidigung sagen, dass Vincent erst 28 Jahre alt und mit einem athletischen Körper, honigfarbenen Locken und strahlendblauen Augen gesegnet war, was alles in allem ja ganz nett war, aber halt nicht das, was ich sehen wollte.

Wohl aber die meisten der anderen Mädchen, und vielleicht auch ein paar Jungen, die wahrscheinlich nur wegen ihm diesen Kurs belegt hatten.

„Ich hab auch schon jemanden gefunden, der sich dazu bereit erklärt hat, für uns als Aktmodell zu arbeiten. Und er sieht fast so gut aus wie ich!“ Die Mädchen neben mir begannen zu tuscheln und zu kichern. Ich verdrehte genervt die Augen.

Vincent war, wie sein Bruder Eric, ein Angeber, was mal ganz nett war, aber auch auf die Dauer richtig ätzend werden konnte.

„Eigentlich müsste er jeden Moment hier sein.“, sagte Vincent und sah auf die Uhr.

In diesem Augenblick, klopfte es an der Tür. „Herein!“, rief Vinc und als sich die Tür öffnete, schlug mein Herz einen Purzelbaum. Wer da in der Tür stand, war kein Anderer, als Phil Logan. Phil würde mein Aktmodell sein!

Ich glaube in diesem Moment, nahm meine Gesichtsfarbe die meiner Haare an. Zum Glück bemerkte es niemand, denn die Aufmerksamkeit aller, war auf Phil gerichtet.

„Da ist ja unser Aktmodell! Wir haben gerade über dich geredet!“ Vinc kam auf ihn zu und stellte sich mit ihm vor die Klasse. „Ich hab ihn heute zufällig in der Stadt getroffen und ihn gefragt, ob er nicht Lust hätte Aktmodell zu spielen.“

Phil stellte sich vor und legte direkt wieder so ein Lächeln auf, dass die gesamten Mädchen in der Klasse aufseufzten. Alle außer mir. Klar, ich kannte es ja auch schon. Obwohl, es immer wieder beeindruckend war, wie er strahlen konnte. Als er den Blick durch die Klasse schweifen ließ, duckte ich mich. Ich wollte nicht von ihm gesehen werden, denn wenn Vinc davon Wind bekam, wüsste es Eric morgen auch und das konnte zu ganz blöden Situationen führen. Doch zu spät!

„Kate, was machst du denn hier?“ Sofort spürte ich Blicke, die sich in meinen Rücken bohrten. „Malen.“, antwortete ich. „Na dann.“ Phil grinste. Vincent auch.

„So, dann fangen wir mal an. Ihr packt bitte eure Sachen aus und Phil, du kommst bitte mal mit. Ich geb dir die Sachen die du dann anziehst.“

Kaum waren die Beiden weg, wurde ich ausgefragt. Woher ich ihn kennen würde, wie alt er wäre, was seine Hobbies wären und so weiter. „Ich kenn ihn erst seit heute Morgen! Ich weiß so gut wie gar nichts über ihn!“ „Aber immerhin etwas, oder?“

Als ich schon das Gefühl hatte, dass mein Schädel platzen würde, kam Vincent wieder.

Er ging nach vorne und begann eine Art Podest aufzubauen. Als er damit fertig war, rief er:

„Begrüßt mit mir: Phil, das Super-Model!“

Als das ‚Model’ dann den Raum betrat, fiel nicht nur mir die Kinnlade herunter.

Das einzige was Phil vor unseren Blicken schützte, war ein Seidentuch, welches farblich zu seinen Augen passte. Ich war die Erste, die ihre Sprache wieder fand. „Findest du nicht, dass das etwas übertrieben ist Vinc? Er schämt sich ja zu Tode.“ „Nein, jetzt schau doch mal!“

Vinc war ganz aufgeregt. „Setz dich mal hier hin.“ Phil ging zum Podest und setzte sich.

Doch damit wie er sich hingesetzt hatte, war Vincent natürlich nicht zufrieden.

„Du musst lockerer werden. Setz dich so hin.“ Er machte es Phil vor, wie er sich setzen sollte. „Jetzt schaut es euch noch mal an, wie der Stoff fällt. Seide fällt ganz anders als zum Beispiel samt oder Baumwolle.“ Ich verdrehte die Augen. Der hatte sie echt nicht mehr alle!

„Kate, das hab ich gesehen! Alle an die Arbeit!“

Also holte ich meine Sachen raus und begann mit den Konturen. Während ich zeichnete, machte ich mir Gedanken über Phil. Einerseits tat er mir Leid, weil er hiernach den Mädchen aus dem Kurs schutzlos ausgeliefert sein würde, andererseits, wann würde sich sonst so eine Gelegenheit noch mal bieten, Phil mit nackten Oberkörper zu sehen.

In diesem Augenblick war ich froh die Haare heute offen zu tragen, denn ich konnte fühlen wie meine Ohren glühten. „Gefällt dir was du siehst?“ Vor Schreck zuckte ich zusammen und stieß dabei den Stift, mit dem ich gerade arbeitete, durch die Leinwand.

„Verdammt noch mal Vincent! Lass den Scheiß!“ Verärgert besah ich mir den Schaden.

„Wirklich toll gemacht! Woher soll ich jetzt eine neue leinwand nehmen? Ich hab doch eh kein Geld mehr für diesen Monat übrig! Denk doch einmal nach bevor du handelst!“

Wütend starrte ich ihn an. „Hey, reg dich doch nicht so auf! Du kannst eine Leinwand von mir haben, was aber immer noch nicht meine Frage beantwortet.“ „Ja, er gefällt mir! Was ist jetzt mit der Leinwand?“ „Kriegst du schon noch, kein Problem.“ Er hob abwehrend die Hände, ging nach vorne und gab mir neues Material.

Genervt setzte ich meine Arbeit fort.
 

Drei Stunden später waren wir am Ende der Sitzung angelangt. Wie ich erwartet hatte stürzten sich die Mädels und ein paar Jungs direkt auf Phil. Zu meiner Verwunderung hatte Vincent heute mal einen großzügigen Tag und lud die gesamte Klasse auf einen Drink ein.

Ich wehrte ab, da ich nach hause musste und Phil erwiderte das Gleiche.

„Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich so schnell wieder sehen würde.“, sagte ich.

„Ich auch nicht.“ Phil lächelte. „Die Leute hier scheinen nett zu sein.“ Ich schaute ihn an.

„Die Mädels sind ein bisschen seltsam, aber man kann mit ihnen auskommen, wenn es sein muss.“ Wir schauten uns an. „Soll ich dich nach hause bringen? Ist ja ganz schön spät geworden.“ Verdammt! Warum war ich denn auch mit dem Motorrad gekommen? Scheiße!

„Ist schon in Ordnung, ich bin mit dem Motorrad da.“ „Tja …“ „Tja …“

„Wir sehen uns dann morgen?“ „Ja klar.“ Wieder standen wir vor einander. „Ok, … ähm … dann bis morgen.“ Ich brachte meinen ganzen Mut auf, stellte mich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Dann lief ich ganz schnell zu meinem Motorrad und fuhr nach Hause. Was hatte ich mir nur dabei gedacht?

Auseinandersetzung

Auseinandersetzung
 

Heute Morgen stürmte meine kleine Schwester Lucy in mein Zimmer. „Katie! Aufstehen!“

Murmelnd drehte ich mich auf die andere Seite und versuchte weiter zu schlafen. „Katie, du musst aufstehen! Wir sind spät dran!“ Ich zog mir die Decke über den Kopf. „Katie!“

In diesem Moment klingelte es an der Tür. Lucy flitzte nach unten, während ich mich aus dem Bett quälte, um noch kurz zu duschen. Als ich fünf Minuten später nach unten lief, wäre ich am liebsten direkt wieder nach oben gerannt, denn wer da am Küchentisch saß war kein Geringerer als Phil!

Komm schon! Reiß dich zusammen, ermahnte ich mich und versuchte möglichst lässig die Treppe runter zu gehen, was mir nicht gelang, denn auf der letzten Stufe rutschte ich aus irgendeinem Grund weg und knallte mit dem Gesicht auf den Boden.

„Katie! Was machst du denn da?“, rief Lucy erschrocken und kam zu mir gelaufen. Phil folgte ihr. „Lass mich einfach liegen.“, nuschelte ich. Verdammt, war das peinlich!

„Du darfst aber nicht liegen bleiben! Wir müssen doch zur Schule!“, sagte Lucy und zog an meinem Arm. „Komm schon!“ „Nein, nein, nein.“ Mit diesen Worten machte ich mich noch etwas schwerer, nur um festzustellen, dass ich kurze Zeit später hochgehoben wurde.

Völlig erstaunt blickte ich in das Gesicht von Phil, der mich anlächelte und sagte:

„Wenn du nicht mitkommen willst, dann werde ich dich wohl tragen müssen.“

„Jetzt kommt schon!“ Lucy stand schon an der Tür und hatte den Haustürschlüssel in der Hand und bevor ich noch protestieren konnte, hatte mich Phil ins Freie getragen.

Endlich fand ich meine Sprache wieder. „Lass mich jetzt sofort runter, Phil!“ „Nein. Es macht Spaß.“ Als ich mich wehrte, fielen mir ein paar ältere Damen auf, die aufgeregt tuschelten und immer wieder zu uns herüber sahen. „Jetzt hör schon auf damit! Ich kann alleine laufen!“

„Wenn du meinst.“, sagte Phil und ließ mich sanft zu Boden gleiten.
 

Auf dem Weg zu unserer Schule lieferten wir Lucy bei der Grundschule ab. Sie umarmte erst mich und dann auch noch Phil. Vor der Schule wurden wir erstmal überschwänglich von Eric begrüßt. „Guten Morgen!“, schrie er quer über den Parkplatz und stieg von seinem Motorrad.

„Warum muss der denn jeden Morgen sooo laut sein?“, brummte ich und boxte ihn direkt erstmal gegen den Bauch. „Hey, heißt das „Guten Morgen“ auf Katieanisch?“, grinste er.

„Hör bloß auf mit Katie, Freundchen.“, drohte ich ihm. „Ja ja, schon gut.“, meinte er und ging vor uns her in die Klasse. Seufzend ließ ich mich auf meinen Platz fallen und Phil ließ sich neben mir nieder. Und dann kam SIE auf uns zu! Elizabeth, die Klassenschlampe!

„Na mein Hübscher, was machst du denn hier?“, schnurrte sie und räkelte sich auf seinem Tisch. Zu meiner Freude, reagierte Phil kein bisschen darauf. „Ich bin ein neuer Schüler.“, sagte er und lächelte sein typisches Lächeln, bei dem mir wieder unnatürlich warm wurde.

Allerdings nicht nur mir, sondern auch Eliza. „Wir könnten uns ja mal treffen und bring dir den verpassten Stoff bei.“, säuselte sie und zog ihn mit den Augen förmlich aus. Bevor ich noch irgendwas tun konnte, antwortete Phil ganz gelassen: „Danke, für das Angebot, aber das macht Kate schon.“ Daraufhin wurde ich von ihrem Blick beinah durchbohrt. „So, tut sie das?“ Dann wandte sie sich wieder Phil zu. „Ich würde mich trotzdem freuen, wenn du auf mein Angebot zurückkommen würdest und die Tussi hier links liegen lässt.“

In diesem Moment ertönte ein Aufschrei von der linken Seite her. „Power of Love!“ Eric kam angerannt und schubste Eliza vom Tisch. „Phil gehört zu Kate, also lass deine Griffel von ihm!“ Eliza strauchelte, schaffte es aber dann trotzdem sich auf ihren knapp zehn Zentimeter hohen Stöckelschuhen zu halten. „Was geht dich das an?“, fauchte sie und verengte ihre Augen zu Schlitzen. „Ich bin der Bote der Liebe! Amor!“, erklärte Eric ihr und breitete die Arme mit einer dramatischen Geste aus. „Und die, die es nicht verdient haben zu lieben, die werden auch keine Liebe erfahren!“ Er senkte die Arme und grinste Eliza an. „Zu den Leuten zählst du übrigens auch.“

„An deiner Stelle würde ich aufpassen, was ich sage.“, erwiderte Eliza und funkelte Eric an.

„Wieso? Willst du mir mit deinen Stöckeln ein Piercing verpassen oder was?“ Auf diese Frage sollten wir allerdings keine Antwort erfahren, denn in den Moment betrat unsere Englischlehrerin den Raum. Mit einem fröhlichen „Good morning!“ ließ sie sich auf ihren Platz fallen. „Let’s talk about your homework!“

Noch mehr Streit

Als die Schule vorbei war, lief mir Phil hinterher. „Warum tust du das?“ „Was denn?“ „Mir folgen!“ „Lucy hat mich zum Mittagessen eingeladen.“, sagte Phil und schloss zu mir auf. „Sie kann doch gar nicht kochen!“ „Stimmt, aber sie hat gesagt, dass du kochst.“

„So, hat sie das.“ Schlecht gelaunt trat ich einen Stein vor mir her. „Warum tust du das?“ „Was denn?“ „Schlechte Laune haben!“ „Und warum hast du so unverschämt gute Laune?“ „Warum denn nicht? Das Wetter ist schön, die Vögel zwitschern …“ Er sah mich erwartungsvoll an.

Ich pustete mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und ergab mich in mein Schicksal.

„Willst du was Besonderes essen?“ Phil schüttelte den Kopf. „Ich esse alles.“

„Dann muss ich trotzdem noch einkaufen.“
 

Als wir Lucy vom Babysitter abholten, war sie schon ganz ungeduldig und hopste von einem Bein auf das Andere. „Duhu, ich muss dir was sagen!“ „Wenn du noch mal auf die Toilette gehen musst, dann tu das, aber geh mir nicht auf den Keks.“, sagte ich angesäuert und gab der Frau, die auf meine Schwester aufgepasst hatte, ihr Geld.

Lucy zog einen Schmollmund und zog sich ihre Schuhe an. „Du bist doof, das mein ich doch gar nicht!“ Sie schüttelte den Kopf so heftig, dass ihre braunen Locken wild durcheinander flogen.

„Ich hab Phil zum essen eingeladen.“ „Ich weiß.“, sagte ich gelangweilt und gab ihr ihre Jacke. „Jetzt komm, wenn ich schon noch einkaufen muss, weil du andere Leute zum essen einlädst, will ich wenigstens vor Mum zuhause sein.“
 

Im Supermarkt angekommen, rannte Lucy sofort in die Tiefkühlabteilung.

„Kate! Ich will Pommes!“ „Nein, willst du nicht, die hattest du erst gestern.“, sagte ich und zog sie weiter. „Du weißt doch, dass Mum nicht will, dass wir zu viel Fast Food in uns reinschaufeln.“ Trotzig stemmte sich meine kleine Schwester mit ihren Füßen in den Boden.

„Ich will aber!“ „Wie alt bist du eigentlich? Mach doch keinen Aufstand.“

Ich seufzte. „Pass auf. Wenn unsere Mutter das nächste Mal zu einer Tagung fährt, bekommst du so viele Pommes bis sie dir zu den Ohren wieder rauskommen, okay?“ „Danke!“, jubelte Lucy und umarmte mich auf Bauchnabelhöhe.

Lächelnd drehte ich mich zu Phil um.

„Gibt es etwas was du nicht isst?“ „Ich esse so ziemlich alles außer Fleisch.“, erwiderte dieser ebenfalls lächelnd.

„Pizza!“, rief Lucy und streckte fröhlich die Arme in die Höhe. Ich schaute sie böse an.

„Vegetarisch?“, fragte Lucy vorsichtig. „Was hältst du denn von Kartoffeln mit Lachs und buntem Salat?“, sagte ich, woraufhin sie schmollend so tat, als würde sie einen Stein vor sich her treten. „Wenn es denn sein muss.“ „Ach komm schon, ich kauf dir auch ein Eis auf dem Nachhauseweg.“ Sofort erhellte sich ihr kleines Gesicht wieder. „Dann is ja okay.“

Grinsend schüttelte ich den Kopf.

„Du wirst irgendwann noch mal kugelrund.“, sagte ich und piekste ihr in den Bauch, woraufhin sie anfing zu kichern.

„Aber nicht so rund wie Frau … du weißt schon, die Kunstlehrerin. Die passt kaum noch durch die Tür.“
 

Nachdem wir alles bezahlt hatten, bestand Phil darauf mir die Taschen abzunehmen.

Erst wollte war ich dagegen, aber als Lucy unbedingt auf meine Schultern klettern wollte, damit sie nicht laufen musste, war ich doch ganz froh darüber.

„Ich will jetzt mein Eis!“ „Wie heißt das Zauberwort?“, fragte ich genervt und wich einer Frau mit Kinderwagen aus. „Flott!“, rief Lucy und bekam einen Lachkrampf.
 

Als wir beim Eisladen angekommen waren kicherte sie immer noch vergnügt.

„Ich will ein gaaanz großes Schokoladeneis!“, rief Lucy. „Wie heißt das?“ „Danke!“ „Ne, bitte.“, sagte ich, während ich ihr das Eis kaufte. Da sie jetzt in der einen Hand das Eis hielt, krallte sie sich mit der Anderen in meinen Haaren fest.

„Hey! Was soll das denn jetzt?“ „Ich will ja nicht runterfallen.“, erwiderte sie mit verklebtem Mund. „Na toll!“, murrte ich und zog eine Grimasse. Phil lachte.

„Ihr beiden seid einfach zu köstlich.“ „Danke, aber da ich weder mich noch meine Schwester je probiert hab, kann ich dir nicht ganz zustimmen.“, grinste ich.

„Ich wette, ich schmecke nach Schokoeis!“, rief Lucy aufgeregt und zog dabei an meinen Haaren. „Entweder du lässt das oder ich schmeiß dich runter.“, drohte ich meiner Schwester, während ich neben Phil hertrottete. „Entschuldige, wollt ich nicht.“, sagte sie kleinlaut. „Schon gut.“, antwortete ich.
 

„Ist es auch wirklich in Ordnung, wenn ich zum essen bleibe?“, fragte Phil, als ich die Haustür aufschloss. „Selbstverständlich.“, gab ich zurück. „Andernfalls hätte ich es dir schon gesagt.“ „Ich meinte wegen deiner Mutter. Lucy hat gesagt, dass du oft Streit mit ihr bekommst.“ „Was hast du ihm denn noch von unserer Familie erzählt?“. Fuhr ich Lucy böse an. Erst als ich sah, dass ihr die Tränen kamen, merkte ich was ich da eigentlich gesagt hatte.

„Komm her. Das war nicht so gemeint.“ Ich ging in die Hocke und umarmte sie.

„Das war fies von dir.“, murmelte Lucy und kuschelte sich an mich.
 

Zum Glück verspätete sich unsere Mutter und so konnten wir noch in Ruhe essen.

Lucy quatschte Phil mit irgendwelchem belanglosen Zeug voll und er schien ihr aufmerksam zuzuhören. Er hatte auch wieder dieses Lächeln aufgesetzt, was ihn zumindest in meinen Augen unwiderstehlich machte.

In meinen eigenen Gedanken versunken, merkte ich gar nicht, wie die Haustür geöffnet wurde und Mutter die Küche betrat.

Als sie Phil sah erstarrte sie. „Was macht der hier?“ „Ich hab ihn zum Mittagessen eingeladen.“, sagte ich ungerührt und steckte mir noch ein Stück Kartoffel in den Mund, während Lucy auf ihren Teller starrte. Sofort sprang Phil auf und wollte sich ihr vorstellen, doch sie ging einfach an ihm vorbei und verpasste mir eine schallende Ohrfeige.

Angepisst spuckte ich mein halbgekautes Kartoffelstück in meine Serviette und warf diese in den Mülleimer.

„Es wäre besser, wenn du jetzt gehst.“, sagte ich an Phil gewandt.

Wortlos nickte dieser und verabschiedete sich.

„Du bleibst hier!“, fauchte unsere Mutter, als sie mitbekam, wie Lucy sich nach oben stehlen wollte. „Sie hatte damit nichts zutun, Mum. Das war alles meine Idee.“ Ich nickte Lucy zu, die daraufhin nach oben rannte.

„Warte nur bis dein Vater nach hause kommt!“

Nein, dachte ich, auf ihn warten würde ich garantiert nicht. Schweigend ging ich nach oben, schloss die Tür und ließ mich auf mein Bett fallen.

Da fiel mein Blick auf mein Handy und kurz entschlossen wählte ich eine bestimmte Nummer.



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Kommentare zu dieser Fanfic (7)

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Von:  Flecki49
2010-07-21T08:33:38+00:00 21.07.2010 10:33
Hui~~~
Nein, ich muss P-chan zustimmen, diese Mutter ist ja echt schlimm. Verbietet ihr, einen Jungen zum Essen einzuladen, erzieht sie dann aber mit Ohrfeigen und schreien. Wenn ich mal Mrs. Messingale zitieren darf: "Wie heißt es doch im Volksmund so knapp und so richtig? Wer schreit hat Unrecht!"
Nur mal so. Schönes Kapitel, und mal ne Frage: Würdest du ernsthaft so mit deiner kleinen Schwester umgehen? =P
Na wahrscheinlich ja, du Engel^^
Lg, oh, und danke für das Foto, aber da bin ich nur fotogen weil man mich fast nicht sieht^^
Hdl^^
Flecki^^
Von:  Clint-the-Archer
2010-07-20T19:45:05+00:00 20.07.2010 21:45
Böse Mutter!!!!
Gaaaaaaaaaaaaaaaaaa~nz böse!!!!!!!
*verpasst der Mutter eine Ohrfeige*
So!
...
...
...
Tolles Kappi!^^
Lucy is ja sowas von süß *.*
Freu mich, wenn du weiterschreibst!^^

LG,
dat Super-P-chan
Von: abgemeldet
2010-05-27T22:05:42+00:00 28.05.2010 00:05
Klasse, super, mehr davon!!!
Du bist gut, wirklich. Diese Geschichte gefällt mir am besten. Bodenständig, witzig, charmant und etwas, das jeden Tag passiert und mit dem sich jeder identifizieren kann.
Du hast mich gebeten, deine Storys zu lesen. Und ich bin begeistert. Mach weiter so.
Von:  Flecki49
2009-12-28T17:27:21+00:00 28.12.2009 18:27
Hey, das ist wirklich süß!
Musst wirklich weiterschreiben!
Frage: Welche Klasse der Grundschule besucht Lucy? Die minus erste?^^
Sie ist ja echt süß, aber ihr Kommentar... Du kannst nicht liegen bleiben, wir müssen zur Schule... süß! Weil isso!=)
LG
Flecki49^^

Von: abgemeldet
2009-11-23T17:14:46+00:00 23.11.2009 18:14
Weiter schreiben! Ich find die Geschichte echt toll^^
Meld dich bitte sofort wenn du weitergeschrieben hast.
Von: abgemeldet
2009-11-22T16:57:36+00:00 22.11.2009 17:57
Du schreibst echt toll. Sorry wegen meinem letzten Kommentar.

Von:  Clint-the-Archer
2009-10-11T16:32:03+00:00 11.10.2009 18:32
Kyaaaaaaaaaaa!!!!
How putzig^^
Tja, ich weiß, ich schon wieder^________^
Ich komm einfach nich von deinen FFs los!!!
Schreib schnell weiter, ja?


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