Wie weit... von Phoenix_Frost (...muss ich gehen?) ================================================================================ Kapitel 6: six -------------- 6. » Wie weit muss ich gehen um zu sehen « Ich versage. Ich versage im Kampf gegen mich. Denn ich will ihn und ich will ihn nicht. Doch die Seite in mir, die immer und immer wieder versucht, ihn zu hassen, scheitert plötzlich. Mein Biss lässt nach, ich ziehe meine Zähne aus der Wunde und lecke mit der Zunge vorsichtig darüber. Meine Hände bleiben zärtlich und ich spüre, dass mein Hunger gestillt ist, doch ein Verlangen, das ich nicht deuten kann, ist noch da. Ich richte mich auf, um in sein Gesicht zu schauen. Unsere Gesichter sind sich nah. Ich sehe, dass seine Augen halb geschlossen sind und er wirkt müde. Die Verletzung hat ihm den Tag schwer gemacht und der Blutverlust streckt ihn nieder. Ich betrachte sein Gesicht. Ich kann ihn nicht mehr hassen. Es geht einfach nicht. So sehr ich es versuche, ich kann einfach nicht. Langsam streicht meine Hand von seiner Schulter hinab und ergreift seine Hand. Sie ist schlaff und zuckt nicht, doch er reagiert trotzdem auf mich. Ich sehe, wie sein müder Blick sich zu mir hebt. Er ist schwach und er unterliegt mir. Ich habe ihn besiegt und bestraft. » Dass die Nacht ein Ende sucht « Doch nun bereue ich meine Rachsucht. Denn während ich ihn betrachte, fallen mir Dinge auf, die ich mehr lieben als hassen will. Seine Gesichtszüge sprechen von Müdigkeit und doch wirken sie weicher und entspannter, als zuvor. Sie sehen nicht hassenswert aus. Auf keinen Fall. Seine Augen sind trüb und doch schauen sie mich wachsam an. Erst jetzt, jetzt in diesem Moment, in dem ich ihn zu Fall brachte, sehe ich etwas in seinen Augen, was mein Herz zusammenschnürt. Ich sehe Treue und Wärme. Ich habe es oft gesehen doch habe ich es nie wahr genommen. Egal, wie kalt sein Ausdruck doch ist, seine Augen sind stets warm und treu. Genauso, wie seine Seele. Ich hebe die Hände und lege sie vorsichtig auf seine Wangen. Ich will, dass er mich direkt anschaut und ich hebe seinen Kopf. Er wehrt sich nicht gegen mich, denn er hat verloren und jeder weiß, dass ein Hund, der erfolgreich unterworfen wurde, still hält und alles mit sich machen lässt. Doch ich will das nicht ausnutzen, denn ich hasse ihn nicht. Ich will ihm nicht mehr weh tun, denn das habe ich genug getan. » Wie viel muss ich geben um zu fühlen? « Ich kann nicht anders, ich muss ihm näher kommen. Vorsichtig lehne ich meine Stirn gegen seine und wir schauen uns in die Augen. „Sprich mit mir…“ Bettle ich leise und ich höre, wie er Luft holt. Meine Hände liegen noch immer auf seinen Wangen und meine Daumen streichen immer wieder sanft über seine Haut. Er ist etwas blass um die Nase geworden und leise Schuldgefühle regen sich in mir. „Geht es dir besser?“ fragt er mich leise und versetzt mir einen Stich ins Herz. Er macht sich Sorgen um mich und ich werfe ihm meinen Hass und meine Rache auf. „Mach dir keine Sorgen um mich.“ Kontere ich und beobachte, wie er resignierend die Augen schließt. Er hasst es, wenn ich ihm sage, dass ich weiß, dass er ein gutes Herz hat. Doch wenn er hasst, was ich tue… hasst er dann auch mich? Wenn er mich hasst, warum tut er all dies? So lange will ich ihn das schon fragen. Warum habe ich es nie getan? Ich weiß es nicht. Ich höre, wie er leise seufzt und beginne erneut, ihn sanft zu streicheln. Ich will, dass er sich entspannt. Ich will, dass er mir vertraut. Ich will, dass er meine Nähe akzeptiert. Seine Augen bleiben geschlossen und ich betrachte ihn noch immer. Ich untersuche seine Gesichtszüge und immer wieder fällt mir auf, dass er eigentlich gar nicht so böse aussieht. » Bin ich denn verflucht? « „Kuro-sama…“ „Hm?“ Langsam öffnet er die Augen wieder und schaut mich an. Er schaut zu mir auf, wie ein müder Hund, ich sehe den Blutverlust an seinen matten Augen. Das arme Tier wurde geschändet. Es hat Angst davor, gestreichelt zu werden, weil irgendjemand, der es einmal gestreichelt hat, es plötzlich direkt danach geschlagen hat. Ich hege den Wunsch, es wieder daran zu gewöhnen. Ihm bei zu bringen, dass gestreichelt zu werden schön ist und nichts Böses. „Was ist?“ seine Stimme klingt dünn und schwach. Ich schenke ihm ein warmes Lächeln. Meine heftigen Gefühle sind abgeschwollen doch mein Wunsch nach Nähe ist geblieben. Ich möchte ihn noch immer anfassen und ihm nahe sein, aber anders, als eben. Meine Belange liegen nicht mehr auf seinem Körper. Ich will nicht mehr sein Blut. Ich will seine Seele und sein Herz. Denn er hat die meinen geheilt und nun will ich seine Wunden nähen. Vorsichtig streicheln meine Hände über seine Wangen, an seinem Hals hinunter und wieder hinauf. „Du solltest die nächsten Tage eine Pause machen… unser nächster Kampf ist noch etwas hin.“ Er blinzelt mich unverwandt an und ich warte auf seine Antwort. » Wie groß ist die Sehnsucht die mich trägt « „Wieso…?“ „Weil ich mir Sorgen um dich mache.“ ich betrachte sein Gesicht. Es regt sich nicht. Und doch kann ich so viel darin sehen. Wieder wandert meine eine Hand in seinen Nacken, um ihn zu streicheln, zärtlich zu ihm zu sein. Ich weiß nicht, warum ich das tue. Ich weiß nicht, warum ich es genau auf diese Art tue. Aber ich tue es gern so und ich möchte es so tun. Ich entferne mein Gesicht wieder von dem seinen und beobachte, wie seine Augenlider sinken, während ich seinen Nacken kraule. Er genießt es? Ich muss lächeln. Ich bin irgendwie stolz und glücklich. Heißt das, er verzeiht mir? „Du bist ein Idiot.“ Mahnt seine Stimme mich leise und ich muss lachen. Ja, ich bin ein Idiot, ein ganz großer. Aber er versteht mich. Er scheint zu wissen, was ich ihm sagen, zeigen und geben will. Meine linke Hand streicht über seine Schulter herunter, sucht wieder nach dem Kontakt zu seiner Hand, welche eben noch so reglos gewesen war. Sie tippt sie an, spielt mit ihren Fingern, zeichnet sie nach. Und plötzlich regt sie sich. Ich lächle zufrieden und lehnte meine Stirn wieder an seine. » Verlier ich meinen Ruf « Unsere Hände sind es nun, welche unser Blickduell für unsere müden Augen weiterführen. Sie rangeln miteinander, scheinen sich gegenseitig zu streicheln, schieben einender weg und greifen wieder nacheinander, bis sie sich flach aufeinander legen. Ich hebe den Kopf und sehe, dass er seine Augen wieder geöffnet hat. Er beobachtet stumm, wie unsere Handflächen aufeinander liegen und mein Blick folgt dem seinen, um zu untersuchen, was er sieht. Unsere Hände sind genauso unterschiedlich, wie der Rest von uns. Meine Hand ist blass, meine Finger sind dünn und sehnig. Meine Nägel stechen in einem sanften Rosaton hervor und meine Haut ist fein hell. Kuroganes Hand ist anders. Sie ist größer als meine, auch sehnig, aber kräftig und seine Fingerkuppen ragen über die meinen hinaus. Trotz des Unterschiedes ergeben unsere Hände eine seltsam harmonierende Eintracht. Ich sehe, dass er seine Hand leicht dreht, so, dass unsere Finger jeweils die Zwischenräume der des anderen ergänzen. Ich lenke ein. Meine Hand greift nach der seinen und hält sie fest. Ich spüre, wie sein Blick sich wieder auf mich legt. Ich erwidere ihn und sehe, dass er mich fragend und neugierig anschaut. Er will wissen, was ich damit sagen will. Doch ich weiß noch nicht, ob ich es ihm erzähle. » Soll ich mich ergeben oder leben « „Kuro-sama.“ „Hm?“ Wieder hebt er den Kopf und sein Blick ruht weiterhin auf mir. Ich schenke ihm erneut ein Lächeln. „Bitte frag mich nicht, was das soll.“ Er ist irritiert. Ich bin mir sehr sicher, dass es das nächste ist, was er mich gefragt hätte. Wenn nicht jetzt, und auch nicht in fünf Minuten, dann morgen oder sobald er sich erholt hat. „Warum nicht?“ will er mit schwindender Stimme von mir wissen. Ich sehe, wie erschöpft und müde er ist. Mein Lächeln bleibt standhaft und ich auch. Ich halte seine Hand weiter fest, während ich es ihm erkläre. „Weil ich es dir nicht sagen kann. Ich kann es dir nicht erklären.“ Ich beobachte, wie seine Mimik wieder zum Leben erwacht. Er schaut nicht misstrauisch, wie immer. Seine Augenbrauen ziehen sich leicht zusammen und sein Blick wirkt irgendwie … traurig. Es ist seltsam. Ich kann es nicht deuten. Ich möchte nicht, dass das Hündchen winselt. „Ich… kann es dir leider nur zeigen.“ Eröffne ich ihm dann und warte auf seine Reaktion. Ich muss breiter lächeln, als ich sehe, dass er seinen Kopf leicht schief legt und seine Gesichtszüge sich entspannen. Seine Nachfrage springt mir aus seinen Augen entgegen. Ich weiß, dass er zu müde ist, seine Stimme dazu zu erheben. Soll ich es ihm wirklich zeigen? Soll ich es ihm mit einer Tat erklären? Auch, wenn ich sie vielleicht bereuen würde? Ich bin mir unsicher, doch mein Herz schreit. Ich höre es. Es schreit danach. Es will, dass ich mich öffne. Und ich will mich nicht mehr wehren. Ich bin dessen müde geworden. Ich will endlich das nehmen, was ich mir wünsche. Und so bin ich egoistisch und tue dies. » Das leben nach der Flut « Ich sehe, wie sein neugieriger Blick mein Gesicht streift, meine Züge untersucht. Er versucht, mir die Antwort ab zu lesen. Ich weiß es. Doch ich werde es ihm abnehmen. Denn ich werde ihm antworten. Ich werde es ihm erklären. Ich ziehe meine rechte Hand aus seinem Nacken. Sie streicht vorsichtig an seinem Hals hinauf und legt sich erneut auf seine Wange, während ich mich vorlehne. Ich lächle. Ich fühle mich wohl bei dem, was ich tue, auch, wenn er vielleicht falsch ist. Ich weiß es nicht einmal. Ich nähre mich ihm immer mehr und bemerke, dass er den Kopf dieses Mal nicht wegzieht. Noch immer halte ich seine Hand fest, und ich schaue in seine Augen. Sie sehen mich fragend an. Noch immer. Ich seufze leise und lege mein Lächeln mit einer sanften Berührung auf seine Lippen. Ich streichle über seine Wange, an seinem Hals hinab und wieder hinauf, immer und immer wieder. Ich küsse seine Lippen, ich bin ihm nah, ich beobachte ihn dabei. » Will ich’s wagen ist es gut « Ich sehe, wie seine Augenlider langsam sinken und er sich mir ergibt. So schließe auch ich mein Auge und lächle in seinen sanft und vorsichtig erwiderten Kuss, als ich spüre, wie seine Hand auf den Druck der meinen antwortet. Und ich spüre, dass es richtig ist. » Oder bin ich doch verflucht? << Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)