Asylum von Pudel (Die Wahrheit über den Wahnsinn) ================================================================================ Kapitel 4: I.IV --------------- Akt I: Welcome to the Asylum Szene IV Als Farin aus dem Raum herauskommt, hätte er eigentlich gerne ein wenig Zeit für sich, um sich vielleicht einen kurzen Moment lang an die Wand zu lehnen und das Gefühl auszukosten, das er doch schon so lange nicht mehr hatte: Das des Erfolgs. Schreiben ging ihm früher immer leicht von der Hand, Artikel wie freie Texte, bis vor ein paar Monaten, als er sich langsam regelrecht eingeengt fühlte von der Deadline, überhäuft von Arbeit, viel zu sehr unter Stress gesetzt, um noch irgendetwas qualitativ Hochwertiges hervorzubringen. Er hat den Raum ein wenig nervös betreten, unsicher, ob er auch hier nicht würde arbeiten können, obwohl es doch etwas Freieres gar nicht gibt – es gibt keine Frist, kein Thema, keine Form, man darf einfach schreiben. Und irgendwann ist es ihm dann doch ergangen wie ganz früher, dass er schreibt und schreibt und schreibt und nichts und niemand kann ihn stören, bis er fertig ist. Farin verbucht es als Erfolg auf der ganzen Linie. Leise schließt er die Tür hinter sich, er ist der Letzte gewesen, absichtlich, um ein bisschen Ruhe haben zu können, den Weg in sein Zimmer alleine zu gehen. Bela stößt sich von der Wand ab und gesellt sich, munter auf ihn einredend, an seine Seite. Das war’s dann wohl mit Ruhe, denkt Farin frustriert und mit dem heftigen Bedürfnis, Bela einen Keil in den Mund zu rammen. „Und, wie war’s, bist du jetzt auch unter die Poes gegangen? Erfolgreich verlaufen, das Ganze? Du siehst besser aus als gestern! Schreiben tut dir gut – mich stresst das ja immer nur, total nervig, kann ich überhaupt nicht gebrauchen. Hast du ne Geschichte geschrieben? Darf ich sie lesen?“ „Nein!“ Das klingt wesentlich heftiger als beabsichtigt. Farin ist nicht dumm. Er kann sich ausmalen, dass Bela die Geschichte umso mehr haben wollen wird, je weniger egal es ihm ist. Allerdings, mit der folgenden Stille hat er nicht gerechnet. Er sieht vom Boden auf in Belas Gesicht, das völlig ausdruckslos in Gehrichtung gerichtet ist, während der Kleinere immer noch neben ihm hergeht wie von einem Motor betrieben. Farin weiß nicht, wie es aussieht, wenn Belas Stimmung umschwingt. Aber er weiß, dass diese Situation ihm nicht geheuer ist. „Bela?“, fragt er vorsichtig nach. Mit dem Ruck an seiner Hand weiß er, dass das alles zur Taktik gehört. Bela entreißt ihm sein Heft und schlägt die erste Seite auf. Farin ist nicht kindisch. Und so wichtig, dass er Bela das Heft unbedingt wieder abjagen müsste, ist ihm die Geheimhaltung seines Gedichts auch nicht. Also bleibt er stehen und sieht Bela zu, der beginnt, laut vorzulesen, zuerst skeptisch und stockend, dann immer flüssiger: „Es ist nie vorbei, Es geht nie zu Ende, Es hört niemals auf, Jede gute Tat, jede Heuchelei - Es ist nie vorbei Es geht immer weiter, Also bleib entspannt, Setz dich auf die Couch, Lehn dich an die Wand. Und ich sag dir: Sei mal nicht so ein Erbsenzähler, Es ist klar, jeder macht mal Fehler, Zwischen Bergen gibt es immer Täler Und da ist sicher noch ein paralleler Lebensweg, Ich weiß, das klingt jetzt schräg, Es wär ein Privileg, Ihn zu finden und dann weiter drauf zu gehen. Es ist nie vorbei, Mach dir keine Sorgen, Du bekommst die Chance - Mach es wieder gut, Mach dich endlich frei, Es ist nie vorbei. Es gibt stets ein Morgen, Also gib nie auf, Weil auch dein Tag kommt, Freu dich schon darauf, Denn es ist so: Irgendwann wirst auch du gewinnen, Und dann kannst du von vorn beginnen, Kannst fantastische Pläne spinnen, Doch am Ende gibt es kein Entrinnen - Du wirst dastehen, Mitten im Geschehen, Als wär es ein Versehen, Denn das Leben ist ein Werden und Vergehen…“ Bela hält inne, liest die letzten Zeilen noch einmal, ein entzücktes Lächeln auf den Lippen: „Hey, das ist richtig schön! Das gefällt mir! Du wirst dastehen… mitten im Geschehen… als wär es ein Versehen… Schreibst du oft? Das sieht richtig professionell aus! …Aber diese Zeilen…“, Bela tippt energisch auf die Stelle im Heft, „die merk ich mir, ganz bestimmt! Und später, wenn wir längst draußen sind und du berühmt bist, dann werd ich dich daran wiedererkennen!“ Ein ganz kleines Lächeln schleicht sich auf Farins Lippen und hält sich hartnäckig dort. Es bleibt nicht unbemerkt. Aber das ist egal. Farin hat sich schon immer über ein Lob seiner Arbeit gefreut, ganz gleich, von wem es kam. Und jetzt ist es eben von Bela. Dieser unterdessen hakt sich glücklich bei ihm unter: „Schau an, du kannst es ja doch!“ „Was?“ Farin sieht mit hochgezogenen Augenbrauen an seiner Seite herunter, wo Bela vergnügt an seinem Arm baumelt. „Lächeln! Dachte schon, du hast’s verlernt.“ Bela bemerkt den Blick wohl. Aber, anstatt sich wie jeder normale Mensch hastig zu entschuldigen und Farin loszulassen, klammert er sich nur noch fester an ihn. Farin seufzt abgrundtief. Was hat er schon erwartet? Hier wird er wohl kaum irgendwelche normalen Reaktionen bekommen. Niemand hier ist normal. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)