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Trauergeschichten

von

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Trauergeschichten Teil I

Genauso stumpfsinnig wie eine Fliege immer in mitten eines Raumes im Kreis fliegt, starrte ich gedankenlos hinaus in den Regen. Es war durchaus angenehm in einem warmen Zimmer zu sitzen, während es draußen in Strömen goss, dabei den Mund einen Spalt offen zu haben und die schweren Augenlider halb über den verweinten Augen hängen zu lassen. Dies mochte vielleicht kein schöner Anblick sein, half aber, den verwirrten Geist zu ordnen.

Das hyptnotische Fallen der Regentrofen ließ mich beinahe vergessen, wieso ich so unbeholfen dasaß und mir zu schwach vorkam, wenigstens einmal mit dem Handrücken über die Wangen zu fahren. Ich war alleine hier und wünschte mir nichts sehnlicher als dies auch zu bleiben. Meine Finger lagen kalt auf dem Stoff des Sofas. Mein Magen erstarrte zu Stein. Meine Kehle drohte mich zu ersticken. Ich dachte immer, dieser Tag würde erst kommen, wenn ich einmal fünfundzwanzig wäre. Dann hätte ich mich in mein Auto gehockt – welches ich bis dahin längst besässe – und wäre gedankenlos wohin gefahen. Der Unterschied zu meiner eigentlichen Situation bestand jediglich darin, dass ich kein Auto besass.

Einen Anfall zu bekommen und auszurasten, malte ich mir noch am Vortag aus, als ich wegen meines Schulabschlusses in der Kirche saß, und mir die kunstvollen Figuren von heiligen Persönlichkeiten anschaute. Meine Gedanken kreisten immer wieder um fremde Gesichter, die ich mir gemerkt habe, an den Abend in der Halle, an Regentropfen, an meine Wut, an den Heimweg...

Mein Gesicht fühlte sich an, als würde es mir gleich herunterfallen. Unbewusst hatte ich die Augenbrauen zusammengezogen und musste schrecklich verbittert ausgesehen haben. Ganz kurz durchzuckte mich die Frage, ob alles was ich anfing zu lieben, bald gegen würde.

Trauergeschichten Teil II

Im Winter ist es kalt und wie ich es noch nie zuvor erlebte, lag eine schreckliche morbide Decke aus Nebel, wie grüner Dunst, auf allem, was mein Blickfeld erfasste. Meine Hände waren leer, meine Kleidung nicht zu definieren und ich hatte das Gefühl, durch eine andere Person zu sehen. Ich nahm kein Haar an meinen Wangen wahr, ich spürte keine Luft in den Lungen, kein schlagendes Herz. Das Haus vor Augen mit hellem aber altem Putz, mit dunklen Fenstern und einer Tür die starr und massiv wirkte, als sei sie nicht zum Öffnen gedacht. Ein kleiner Gewächsloser Garten zur rechten Seite, und zur linken die matt graue Mauer eines Anbaus der Scheune, von der ich merkwürdigerweise wusste, dass sie existierte. Kümmerlich stand ein dünnes Metallgestänge weiter vorne, welches keinen wirklichen Zweck zu erfüllen hatte. Am Rand meiner Wahnnehmung schien ich von Moos bedekte Pflanzsteine, die wie Tischchen aussahen, erkennen zu können. Vor mir ein schmaler Betonweg. Das erdrückende Wetter verschmolz mit dem vorherrschenden Gemisch dunkler Farben wieder zu demselben morbiden Bild. Nicht ohne ein unwohles Gefühl schauderte mir auf einmal, als ich bemerkte, wie alleine ich doch war. Wie ein Foto, wie ein Bild, das festgehalten worden war, um mir einen Schrecken einzujagen. Als wolle jemand mir das Gefühl geben, dass genau so mein Leben im Moment ausah, genauso kalt und rauh und genauso morbid und leblos. Wobei der Unterschied zwischen Leben und leblos zu gross wäre, als dass man es hätte so vergleichen können. Eine beinah schmerzende Sehnsucht liess mich innerlich zusammenkrampfen. Ich könnte schwören, einen kleinen Ruck durch das Gesicht zu spüren, was mir im nächsten Moment die Wangen heiss und die Augen nass erschienen liess. Jetzt fühlte ich auch, wie meine Hand sich zu einer Faust ballte und dass ich sehr wohl atmete und ein schlagendes Herz in mir hatte. Ich sah sogar wie der Hauch einer Bö Haare bewegte. Und dann schlug die Welle zusammen. Eine gigantische Gedankenflut prallte auf mich zu und zerriss meinen Verstand. Wühlte in meinem Hirn herum, zerfleischte meinen Körper, riss mir sie Seele aus dem Leib. Ein seltsam schwindliges und benommenes Gefühl breitete sich in mir aus. Ich sah zuerst doppelt dann auch verzerrt und das heftige Zittern zwang mich zu Boden. Von aussen hätte es nicht weiter schlimm ausgesehen. Etwas metallisches lag auf meiner Zunge.

Ihre Anwesenheit hätte man mit der prallen Sonne in der Wüste vergleichen können. Dabei wusste ich genau, dass es etwa fünf bis sieben Grad Celsius kühl war, dass es regnete und mein Schal eigentlich viel zu eng am Hals lag. Nicht nur die widerliche Luft im Raum bewegte mich dazu nur sehr flach zu Atmen, auch der Gedanke daran, dass ich gerade drei Treppen mit jeweils elf oder sogar zwölf Stufen hinauf geeilt war und ich trotz allem nicht als unsprotlich gelten wollte. Den Gedanken, nicht zu atmen, obwohl es ratsam wäre, koppelte ich seltsamerweise mit etwas göttlichem. Deswegen sprach ich auch nichts. Das Sprechen würde mich verraten und dann würde ich als unsportlich gelten. Stattdessen hüstelte ich unauffällig und versuchte dabei hastig etwas stickige Luft einzuatmen. Niemand sah mich an. Das befriedigte mich auf eine Weise wie ich es nur selten spürte. Mein Blick wanderte etwas ziellos auf die, erst vor kurzem von Bildern befreiten, hohen Wände dann aus dem Fenster. Im obersten Geschoss sah man nur die Spitze zweier grosser Linden, die mitten im Hof auf einer Erhöhung wuchsen. Wassertropfen gliten die dünnen Zweigchen herunter und bei jedem Windstoss perlten hunderte Tröpfchen ab und verloren sich in der Tiefe. Dieses Spektakel brachte mich dermassen zum Staunen und tatsächlich fiel es mir schwer den Blick wieder abzuwenden. Ein kleiner Schock durchfuhr mich als ich im Augenwinkel erkannte, dass sie in meine Richtung sah. Der Gedanke, dass sie vielleicht nur auch aus dem Fenster sah, brachte ich nicht fertig und ich bemühte mich so still zu stehen wie es nur ging und möglichst nicht zu atmen. Die Weile schien unendlich. Ich überlegte sogar einen Herzschlag lange, ob ich sie ansehen sollte. Dann erlöste sie mich und blickte weg. Eine Sekunde später verlor sich das Gespräch und ich wurde sachte zur Seite gedrückt, als jemand an mir vorbeiging. Noch eine winzige Zeit starrte ich ins Leere, bevor ich mich auch bewegte. Es waren leichte und schwunghafte Schritte die mich vorran trieben. Einen Weile betrachtete ich die Baumspitze und die Wassertröpfchen nocheinmal vor dem inneren Auge, versuchte mich ganz und gar darauf zu konzentrieren mimiklos zu bleiben.

Der Schulgeruch war angenehm wenn auch so typisch, dass man ihn nicht unbedingt nur mit guten Dingen verglich. Meine Gedanken irrten umher und fanden keinen Punkt, an dem sie sich zu tummeln wagten. Ich musterte einige Schüler. Einige sahen mich an, ich schaute weg. Ich schaute immer weg. Ich war mehr eine Beobachterin als eine, die einem in die Augen sieht. Trotzdem hatte jeder Glück, den ich mochte, denn vertraute Personen wollte ich durchaus anblicken. Das Problem nur war stetig das gleiche. Ich war eine muffige Einzelgängerin, die in jedem zuerst das überaus Schlechte und dann das weniger Schlechte, aber noch lange nicht das Gute, sah. Mir missfiel immer etwas. Die Haare, die Sprache, das Aussehen, die Kleidung, die Gangart und die Einstellung gegenüber Allgemeinwissen. Ich mochte niemand und niemand mochte mich und genau das machte mich glücklich. Jeder liess mich alleine nur weil ich alle alleine liess. Keiner sprach mit mir, weil ich keine Gespräche suchte. Aber als ich diesen Brief bekam, auf dem mein Name stand, zerstörte sie meine heile Welt. Das Wort "just", die Zahl 4 und ein "U" zierte die andere Seite des Briefes. Geschrieben in einer kantigen Art, die beabsichtigt war.

Sie reichte mir den Brief am Nachmittag, in dem Raum, den ich seit dem nicht mehr mochte. Sie ging und ab dann war ich alleine. Die Wintersonne hing müde am Himmel, das Geräusch ihrer Schritte verstummte, in meinen Händen das gefaltete Papier und diese schläfrig

halbdunkle Stimmung im Raum. Oh, ich wusste genau was Inhalt des Briefes war. Ich roch förmlich die Zeilen, jedes Wort, das spezielle Wort. Mein Blick nach draussen hielt an nichts fest, ich tat nur so um mein Gesicht keinem sichtbar zu machen, auch wenn ich alleine war. Ohne hinzusehen flaltete ich das Papier einmal auf, dann sah ich hin um den Brief nicht verkehrtherum zu öffnen. Die Schrift wurde sichtbar. Eine unschöne, blaue Schrift, die, genau wie aussen, kantik wirkte. Ohne es wirklich zu wollen fing ich an zu lesen. Der Text glich dem Aufbau eines Gedichtes, und tatsächlich reimten sich die Zeilen. Meine Hände wurden kalt mein Gesichtsausdruck hilflos. Ich verlor mich in den Zeilen und ihrer Bedeutung und blickte wieder nach draussen. Erschrockenerweise musste ich gegen plötzliche Tränen ankämpfen. Ich schluckte und ein Knoten der Angst und Hilflosigkeit und Trauer verschwand.

Trauergeschichten Teil III

Ich habe mir ein blutendes Herz nicht so vorgestellt. Es tut schrecklich weh. Es ist ein dumpfes Drücken im Brustkorb. Es treibt einem die Tränen in die Augen. Man möchte am liebsten schreien und weinen gleichzeitig. Es lähmt die Arme. Es zieht die Mundwinkel nach unten. Die Hand fängt unwillkürlich an zu zittern. Die Stimme schwankt. Ich wusste auch nicht was ich tun sollte. Verzweiflung, Angst, Frust... alles breitet sich gleichzeitig aus und umhüllt die Seele mit einem dicken schwarzen Tuch. Und im selben Augenblick flammt dieses Tuch auf. Die brennende Wahrheit verkohlt den letzten hellen Schein einer Hoffnung. Sie brennt heisser als Feuer. Frisst mehr und hinterlässt nicht einmal Asche. Nichts hätte mich retten können. Niemand. Das schönste Licht war in meinem Dunkel untergegangen. Das unschuldigste Kind verstümmelte sich selbst. Die reinste Seele ward auf einmal befleckt. Das seidigste Gefühl barstete auf. Der grösste Stern ging unter. In einem Regen aus Sternschnuppen verdunkelte sich der Mond. Die Erde stand still. Mein blutendes Herz zersprang. Meine Schritte machten mich taub. Die Luft erstickte meine Stimme. Mein Blick in den Himmel liess mich erblinden. Das Gefühl von Verlust lähmt meine Nerven. Dein Tod bringt mich um.



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