Cruel Nature von Rhyo ================================================================================ Kapitel 14: Vigor ----------------- Vigor Eine regnerische Nacht. Hastig rennt ein junges Mädchen mit orangenen Haaren und roten Augen durch die dunklen Gassen von Logaly. Sie ist schon so spät dran, jetzt muss sie sich beeilen. Ihre Eltern machen sich bestimmt schon Sorgen um sie. Aber sie hat heute soviel Spaß mit ihren Freundinnen gehabt, sie wollte schlicht und einfach noch nicht von da weg. Und dafür ist es jetzt dunkel, es regnet in Strömen und es ist eiskalt. Im Fernen kann sie eine Ampel erkennen: Gut, dann ist sie so gut wie da. Plötzlich bemerkt sie jemanden, der direkt vor ihr steht, kann aber nicht mehr ausweichen und rempelt die Person an. „Entschuldigung“, keucht Yuri erschrocken. Der Mann trägt einen schwarzen Regenschirm, und schaut sie finster an. Gerade denkt Yuri darüber nach, sich noch einmal zu entschuldigen und danach aus dem Staub zu machen, da kommt ein anderer Mann um die Ecke und steuert geradeaus auf die beiden zu. „Was ist das denn?“, fragt er mit tiefer Stimme und Yuri kann sein hinterhältiges Grinsen sehen. „Hat mich gerade gerammt“, antwortet der andere Mann mit dem Regenschirm genervt. „Ach echt...“ Der Mann mit der tiefen Stimme fängt an, zu lachen. Dann geht er schnellen Schrittes auf das Mädchen zu, packt sie mit den Händen an die Schultern und zieht sie gewaltsam an ihn heran. „Hey!“, ruft Yuri sauer; „Was machst du da?!“ Schon wieder lacht der Mann: „Findest du nicht, dass du uns... entschädigen solltest?“ Wollen diese Typen etwa Geld? Dann haben sie ja wohl Pech gehabt, Yuri hat gerade nämlich nichts dabei. Plötzlich lässt der Mann seine Hand unter Yuris T-Shirt gleiten, diese versucht verzweifelt, sich loszureißen, schafft es aber nicht. Der andere Mann, mit dem Regenschirm, steht nur daneben und starrt die beiden an. Auf einmal ertönt eine fremde Stimme: „Ihr Ungeziefer!“ Ein Junge mit schwarzem, langen Haar und leuchtend roten Augen tritt an die drei heran. „Ihr habt alle keinen Respekt vor dem Alter!“, ruft der Mann mit dem Regenschirm und geht mit zornigem Blick auf den Fremden zu, aber dieser muss nur seine Hand ausstrecken, und sein Gegner liegt mit dem Rücken auf dem Boden. Der ist ja cool, denkt Yuri, und der verbrecherische Typ lässt sie los. „Ich wollte mich ein wenig mit diesem Mädchen vergnügen... Du scheinst ja ziemlich stark zu sein. Willst du Geld haben? Ich zahle dir was, und du verschwindest, okay?“ Aber der junge Mann antwortet ihm nicht, stattdessen legt er die Hände übereinander und hält sie in die Richtung des Perversen. „Du bist wie eine Ratte, also werde auch zu einer!“, ruft er mit lauter Stimme. Ein gleißender Blitz lässt die dunkle Stadt für den Bruchteil einer Sekunde hell erstrahlen, und der Mann, der vorher noch Yuri bedroht hat, schrumpft in rasender Geschwindigkeit, bis er nicht mehr da zu sein scheint. Schließlich sieht man nur noch eine kleine Ratte über den Boden laufen. Der Fremde geht auf Yuri zu: „Bist du verletzt? So spät noch in der Stadt zu sein, ist gefährlich.“ Sie steht nur für einen Moment da und starrt ihn an, und dann springt sie auf ihn zu und umarmt ihn fest. Glücklich ruft sie: „Danke, dass du mir geholfen hast! Wie du diese Kerle fertig gemacht hast, das war echt cool! Und am allerbesten war dein Zaubertrick!“ Gespannt wartet Yuri auf eine Antwort. Sie fühlt, wie sich das Gesicht vom Fremden auf ihren Hals zu bewegt. „Wie hast du das gemacht?“, fragt sie. Er antwortet nach einer kurzen Pause: „Wenn ich es dir erzählen würde, würdest du Angst bekommen.“ Die beiden gehen gemeinsam ein Stück durch die Straße. „Ich werde keine Angst haben, versprochen! Aber ich will wissen, wie das geht. Im ersten Moment dachte ich, ich träume.“ Der junge Mann lacht. Er hat ein schönes Lachen, überlegt das Mädchen. „Ich bin Vigor“, sagt er schließlich; „Vigor, der Vampir.“ Yuri muss lachen: „Hahaha, Vampir? Das ist ja komisch...“ „Glaubst du mir nicht?“, fragt er. Sie reagiert, indem sie einfach ihren Zeigefinger in seinen Mund steckt. Überrascht blickt er sie an. Sie fühlt ihm mit ihrem Finger durch den gesamten Mundraum, irgendwie ist es einfach nicht eklig für sie. Sogar irgendwie angenehm, denn seine Mundhöhle ist warm und feucht. Dann entdeckt sie die verlängerten Eckzähne, und bittet ihn, den Mund zu öffnen. Als er das tut, nickt Yuri und ruft: „Ich glaube dir. Mit solchen Beißerchen kannst du ja nur ein Vampir sein, hehe!“ „Du hast keine Angst?“, fragt Vigor irritiert, aber man kann Yuri ansehen, dass sie sich nicht fürchtet. „Ich bringe dich nach Hause“, entscheidet der Vampir, und die beiden machen sich auf den Weg. So hat Yuri Vigor kennengelernt. Durch seinen mutigen Einsatz hat sie jede Furcht vor Vampiren verloren, im Gegenteil, sie findet sie sympathisch und interessant. So kommt es, dass sie sich nicht nur mit ihm anfreundet, sondern auch nach und nach in ihn verliebt. Dass er kein Mensch ist, ist ihr dabei egal. Sie unternehmen viel miteinander, zum Beispiel geht Yuri mit ihn seine Wohnung oder er besucht sie bei sich zu Hause. Ihren Eltern verschweigt sie vorerst, dass er ein Vampir ist. Sie würden sich dann nur Sorgen machen, obwohl das gar nicht von Nöten ist. Vigor erzählt Yuri eine Menge über Vampire, über ihre besonderen Fähigkeiten, und dass es seine Spezialfähigkeit ist, Menschen in Tiere zu verwandeln. Er erklärt außerdem, dass es Vampirjäger gibt, die von der katholischen Kirche bezahlt werden, damit sie alle existierenden Vampire auslöschen. Und letzten Endes spricht er mit ihr über die Curser-Gesellschaft, eine Vereinigung von Vampiren, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, irgendwann den Planeten von der Menschheit zu befreien, damit die Vampire dort in Frieden leben können. Und auch, dass er dieser Organisation angehört. Yuri erschrickt, als sie das hört, aber Vigor kann sie schnell wieder beruhigen, indem er ihr versichert, dass er aus dieser Gruppierung austreten wird. Seit er sie kennengelernt hat, hasst er die Menschen nämlich nicht mehr und wünscht ihnen weder Tod noch Verderben. So kommt es, dass Vigor in den nächsten Tagen für Yuri nicht zu erreichen ist, aber als er eines Abends schwer verletzt vor ihrer Tür steht, ist sie außer sich vor Sorge. „Was ist passiert?! Warum siehst du so aus? Wer hat dir das angetan???“, ruft sie. „Curser“, bringt Vigor geschwächt hervor; „Sie haben abgelehnt... Da kann man... wohl nicht so einfach austreten... Ich bin so dumm...“ „Du bist gar nicht dumm!“, antwortet Yuri. „Sie werden mich töten, wenn sie mich finden...“, keucht er. Dann werden sie ihn eben einfach nicht finden! Aber wo könnte man ihn denn verstecken? Bei ihr zu Hause wäre das kaum möglich, das würde ihren Eltern auffallen. Da kommt ihr eine Idee. „Kannst du gehen?“, fragt sie ihn. „Ja, kann ich... Habe es ja auch hierhin geschafft...“ Yuri zieht sich schnell Schuhe an und nimmt seine Hand: „Komm mit!“ Sie läuft mit dem schwer atmenden Vigor durch die Stadt. Als sie mit ihm an ihrem Zielort angelangt ist, ist es schon dunkel geworden. „Was? Café 'Lexy'?“, stöhnt Vigor als er das Gebäude vor sich sieht. „Das Café hat einen Keller, wo wir alte Möbel und sowas abstellen... Da kann ich dich verstecken. Zum Glück hat es jetzt schon geschlossen...“ Sie gehen zur Tür und Yuri schließt sie auf. Vigor folgt ihr zu einer hölzernen Tür an der hinteren Wand: „Möchtest du nicht das Licht einschalten?“, fragt er. „Ach was“, winkt Yuri ab; „Ich kenne das Café in und auswendig!“ Die beiden gehen durch die Tür und die Treppe runter, sodass sie sich im Keller wiederfinden. „Hier kannst du bleiben“, sagt Yuri; „Ich gehe mal oben schauen, ob irgendwo Verbandszeug ist, ich glaube, du blutest noch...“ Sie geht wieder nach oben, und schaltet dieses mal das Licht an. Er hat ernsthafte Schwierigkeiten, denkt sie. Aber es tut ihr gut, dass sie ihm helfen kann. So wie er ihr vorher geholfen hat. Weil sie unter dem Tresen kein Verbandszeug findet, geht sie in die Küche, um dort nachzuschauen. Sie untersucht einen Schrank nach dem anderen, als sie plötzlich hört, wie die Tür nach draußen sich öffnet, und daraufhin wieder schließt. Yuri bleibt wie angewurzelt stehen. Sie hat vergessen, die Tür wieder abzuschließen, nachdem sie reingekommen sind. Auch die Holztür geht knarrend auf. Yuri rennt aus der Küche, um nachzuschauen, wer eingedrungen ist, aber er ist schon niemand mehr zu sehen, als sie im Gästebereich ist. Wer auch immer da gekommen ist, er oder sie muss nach unten gegangen sein. Nach unten... Zu Vigor?! Mit einen Mal sprintet Yuri los, die Treppe runter und sieht wie Vigor von einem fremden Mann an die Wand gedrängt wird. Der Mann, viel größer als Vigor, trägt schwarze Sachen und einen schwarzen Hut, mehr kann Yuri in der Dunkelheit nicht erkennen. Der Fremde lacht: „Hahaha! Da ist ja unser kleiner Verräter... Bis jetzt dachte ich ja, dass die Fähigkeit von Sense nutzlos ist, aber dadurch konnte ich dich finden!“ „Ich sterbe lieber, als dass ich mich euch Mördern weiter anschließe!“, brüllt Vigor voller Protest. „Dann stirb du nur“, antwortet der Mann gleichgültig und packt mit seiner Hand in die noch blutende Wunde von Vigor. Dieser unter Höllenqualen auf, dann sieht er Yuri und ruft: „Yuri! Hau ab, schnell!!!“ Aber sie steht nur wie angewurzelt da. Sie kann doch jetzt nicht verschwinden, und ihm diesen Typen überlassen? Aber was soll sie machen, was nur?! Der Fremde steckt seine Hand zurück. „Das ist erledigt. Du bist gleich tot... Hmm... Wer ist das denn?“ Er schaut sich Yuri an, und kommt ihr näher. Hinter ihr legt Vigor mit seiner letzten Kraft seine Hände übereinander, und richtet sie auf die beiden. Als der Fremde das bemerkt, springt er schnell zur Seite. Ein gleißender Blitz, und Yuri merkt, wie sich ihr Körper verändert. Im ersten Moment wird ihr sehr schwindlig, und ihr wird schwarz vor Augen. Sie merkt, dass sie hinten etwas hat, was sie bewegen kann... Einen Schweif?! Auch sind ihre Ohren scheinbar höher angesetzt, was hat Vigor nur gemacht? „Verdammt... Meine Kraft... reicht nicht mehr...“, flüstert er und bricht zusammen. Dann wendet sich der Fremde wieder Yuri zu. „So ein Idiot“, lacht er; „Dir Tierohren zu geben, wird auch nicht helfen.“ Tierohren? Hat er sie etwa in ein Tier verwandelt? Aber sie ist doch noch ein Mensch... Der Mann kommt ihr immer näher. Er ist sicher ein Vampir, denkt Yuri. Plötzlich bemerkt sie die stärke Kraft in ihren Beinen. Blitzschnell läuft sie rückwärts und springt mit einem Satz die Treppe hoch. Das kann sie wohl, durch die Verwandlung... Sie rennt schnell aus dem Café, bis sie bei einem Parkplatz hinter den Gebäuden der Stadt eine Pause macht. Ist Vigor wirklich tot? Das kann doch nicht wahr sein? Er hat seine letzte Kraft gebraucht, um sie zu retten. Ohne die zusätzliche Schnelligkeit hätte sie es bestimmt nicht geschafft, zu entkommen. Aber vielleicht hätte sie gegen ihn kämpfen sollen? Wäre sie ihm überhaupt gewachsen gewesen. Tränen fließen ihr über die Wangen. Er hat Vigor einfach umgebracht, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte. Diese Cursers sind böse... Wenn sie einfach so Menschen und gute Vampire töten! Und sie hat es nie geschafft, ihm ihre Liebe zu gestehen. Aber sie fühlt, dass er es wusste, dass er es die ganze Zeit gewusst hat. Sie muss weiterleben, denkt sie. Weiterleben, um gegen die Cursers zu kämpfen, um andere vor ihnen zu beschützen. Nach einiger Zeit steht sie auf und trottet nach Hause. Wann wohl die Verwandlung nachlässt... Keisuke merkt gar nicht, wie ihm der Mund offen steht. „Genau so war es...“, seufzt Yuri; „Die Verwandlung hat immer noch nicht nachgelassen. Ich frage mich, ob sie das überhaupt noch tut. Meinen Eltern habe ich danach alles erzählt, ich konnte sie nicht anlügen. Und irgendwie muss man das hier ja erklären, oder?“, sagt sie und deutet lächelnd auf ihre Ohren. „Und Vigor? Ist er gestorben...?“, fragt Keisuke vorsichtig. „Sie sind beide am nächsten Tag nicht mehr im Keller gewesen. Dafür aber... eine riesige Blutlache...“ Keisuke versteht schon. Aber der Vampir, der ihn getötet hat, kommt ihm nicht bekannt vor. Wie viele von diesen Cursers gibt es eigentlich? „Es ist ja gar nicht so schlecht, ein Fuchs zu sein, wenn man es so nennen kann! Ich kann schneller laufen, sehr hoch springen, und habe mit meinen Ohren ein gutes Gehör. Daher wusste ich auch damals deinen Namen, weißt du noch? Ich habe den alten Mann mit dem Präsident der Provitas reden gehört. Über dich.“ Jetzt wird Keisuke einiges klar. So ist sie also in diese ganze Situation gekommen... Sie scheint mindestens genauso viele Probleme zu haben wie er. Jetzt streckt Yuri ihre Arme aus und gähnt laut. „Ah, es ist gut, wenn man mit jemandem darüber reden kann. Hast du etwas, worüber du mit mir reden möchtest?“ Keisuke schüttelt den Kopf. Eigentlich gäbe es da schon einige Dinge, die er ihr gerne erzählen würde, aber zweifelt stark daran, dass sie ihm helfen kann. Also warum sollte er sie damit belasten? Plötzlich krabbelt sie zu Keisuke herüber und drückt ihm einen Kuss auf die Wange. Er bekommt einen Schreck, und sieht sie fragend an, doch sie lächelt nur. Warum macht sie denn sowas? Außer Miho hat noch nie jemand sowas bei ihm gemacht. „Ach, nur so!“, ruft Yuri und fängt an, zu kichern. Keisuke spürt, wie er rot wird. Vorschau auf Kapitel 15: Sie ist schön, hat eine gute Figur und ein selbstbewusstes Auftreten. Kein Mann kann ihrem Charme widerstehen. Wird der Vampir der Versuchung standhalten? Wer sich müht, einen Schein zu wahren, kann sich selbst vergessen. Kapitel 15: Die schöne Lure Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)