Unlimited Love von DrShibe (Liebe kennt keine Grenzen) ================================================================================ Kapitel 1: Sakura ----------------- Es ist ein Morgen, der genauso ist wie er gestern war. Und wie er morgen sein wird. Die Welt ist warm und voller Liebe. Die Kirschblütenblätter werden in mein Haar geweht, derselbe Wind, welcher mir über das Haar streicht und durch meine Kleider zieht. „Hotaru!“, rufe ich dem Jungen zu, der auf seinem Fahrrad auf mich wartet. „Da bist du ja endlich Itoe.“, antwortet er lächelnd. „Entschuldigung ich habe verschlafen.“, lächle ich verlegen. „Schon in Ordnung.“, sagt er und setzt mich auf den Gepäckträger seines Fahrrads. „Danke.“, sage ich noch immer lächelnd, seine Anwesenheit macht mich einfach glücklich. „Ich tu’ es gern.“, murmelt er und fährt los. Seit einem halben Jahr sind wir zusammen, seit letztem Herbst. Wir haben Weihnachten zusammen gefeiert und Valentinstag haben wir auch gemeinsam verbracht und zu ‚white Day’ hat er mir auch schon etwas geschenkt. Und bald erleben wir unser erstes Hanami. Ich freue mich so. „Hey, was beginnst du denn zu summen da hinten?“, fragt mich Hotaru. „Ach ich habe nur darüber nachgedacht, dass wir bald unser erstes Hanami erleben.“, sage ich glücklich. „Stimmt ja.“, sagt er und auch seine Stimme klingt dabei so fröhlich. Damals im Herbst. Ich erinnere mich noch genau an den Tag, an dem wir zusammen kamen. „Hey, Hotaru will mit dir reden.“, hat mich ein Freund von ihm angeschnauzt. In meinem Gehirn hat es erst nach einigen Minuten klick gemacht. „Was? Hotaru?“, nur meine Freundin Tomomi wusste davon, dass ich heimlich in ihn verliebt war. „Ja, geh endlich.“; hat mir der Freund von ihm noch einmal gesagt und hat sich dann umgedreht. „Kya! Tomomi! Was er wohl von mir will?“, frage ich und begann um Tomomi herum zu hüpfen. „Du wirst es nie erfahren, wenn du nicht gehst.“, hat sie sanft lächelnd geantwortet. Also bin ich in die Richtung gegangen, wenn nicht eher getorkelt. In die der Freund von ihm gezeigt hatte. „Hotaru-kun?“, sagte ich leise und mich überkamen Zweifel, ob das nicht eher ein übler Scherz war. „Ich bin hier.“, hat es aus einer Ecke geflüstert. Ich bin natürlich sofort auf die Ecke zugelaufen. „Es bist tatsächlich du Itoe.“, hat die Stimme gesagt und sich auf mich abgestützt: „Ich dachte schon du würdest eine Freundin vorschicken, um mich ab zu servieren.“ Hä? Abservieren? Ich ihn? “Aber, damit mir niemand vorwerfen kann ich hätte es nie versucht, bevor wir in die Highschool kommen will ich es dir jetzt einfach sagen: Ich mag dich Itoe, ich mag dich wahnsinnig gern.“, hat es erschöpft aus der Ecke geklungen. „Ich dich auch!“, kam meine abrupte und ziemlich laute Antwort, weshalb ich natürlich sofort wieder rot geworden bin. „Du bist so süss, wenn du rot wirst.“, hat er geflüstert und mich geküsst. Unser erster Kuss schmeckte irgendwie salzig, vielleicht von meinem Angstschweiss, aber die Küsse die darauf folgten, waren das Schönste, was ich jemals gefühlt habe in meinem Leben. „Itoe.“, jedes Mal, wenn er meinen Namen ausspricht, meine ich nur für ihn so genannt geworden bin: „Wir sind in der Schule.“, sagt er und in seiner Stimme klingt ein trauriger Unterton. „Was ist denn?“, frage ich erstaunt. „Ich denke immer daran, wie traurig es ist, wenn du mich wieder loslässt, wenn wir in die Schule kommen.“, sagt er und grinst, so dass ich seine weissen Zähne sehe. „Ich muss dich ja nicht loslassen.“, flüstere ich und greife nach seiner Hand. „Stimmt ja!“, sagt er fröhlich und hält sie fest. Jetzt sieht uns Niemand mehr seltsam an. Letzten Herbst, war es für viele noch unverständlich, dass wir zusammen sind. Vor allem für Hotarus Freunde, alle haben sich lustig über ihn gemacht, besonders dieser eine. „Schau, da kommt das Glühwürmchen mit seiner Flamme.“, hat er immer gesagt. Aber Hotaru hat dies immer ignoriert. „Ich mag dich viel zu sehr, als das ich mich durch das einschüchtern liess.“, hat er immer gesagt und dabei gelächelt. „Ich mag dich auch so sehr.“, habe ich zurück gelächelt. Und wir haben weiterhin Händchen gehalten. „Tomomi.“, begrüsse ich meine Freundin und halte die Hand hoch, welche von Hotarus umschlossen wird, zum Gruss. „Hallo Itoe, euch bekommt man wohl auch nur noch im Doppelpack zu sehen.“, lacht Tomomi. „Entschuldigung.“, sage Hotaru und ich gleichzeitig, machen aber beide keine Anstalten unsere Hände loszulassen. „Itoe, wir müssen in unsere Klasse, oder bist etwa schon mit Hotarus Hand verwachsen?“, sagt Tomomi lachend. „Tschüss Hotaru.“, sage ich leise und küsse ihn auf die Wange, andere Küsse sind bei uns an der Schule verboten, manchmal bekommt man auch schon bei einem Wangenkuss Ärger. „Bis bald Itoe.“, flüstert er und küsst mich ebenfalls auf die Wange. Wir sehen uns gegenseitig nach, bis mich Tomomi umdreht, damit ich nicht in etwas hinein laufe. „Du bist immer noch so in ihn verliebt wie am ersten Tag, nicht wahr?“, fragt mich Tomomi lächelnd. „Ja.“, flüstere ich. Er ist mein ein alles. Ich liebe ihn, das denke ich immer öfter. Ich habe es ihm noch nie gesagt und er mir noch nie. Aber wenn wir zusammen zum Hanami gehen, werde ich es ihm sagen und er mir hoffentlich auch. „Itoe, du bist schon wieder rot.“, sagt Tomomi leise. Nein! Immer wenn ich an ihn denke werde ich rot und da meine Gedanken sich immer nur um ihn drehen, leuchtet mein Gesicht in einem dauerhaften Rot. „’tschuldigung.“, murmle ich. „Bei mir musst du dich nicht entschuldigen, es ist eher so dass es dir vielleicht peinlich ist, wenn du immer rot bist.“, sagt sie lächelnd. „Tomomi?“, frage ich sie leise. „Was ist denn Itoe?“, sagt sie erstaunt.“ „Hast du schon Jemandem gesagt, dass du ihn liebst?“, frage ich peinlich berührt. „Nein, habe ich nicht.“, sagt sie lächelnd: „Ich hatte noch nie die Gelegenheit dazu.“ „Und hat dir schon mal Jemand gesagt, dass er dich liebt?“, frage ich und schaue umher, ob uns auch niemand gehört hat. „Ja, eine Person hat es mir schon Mal gesagt. Aber es war mehr ein Stammeln als ein Reden.“, sagt sie und lacht ihr helles Lachen. „Und was hast du ihm gesagt?“, frage ich weiter und setze mich an unser Pult. „Das ich ihn gern habe, aber nur als Freund.“, antwortet sie ruhig. „Oh.“, antworte ich ruhig: „Das heisst ihr wart vorher Freunde?“, frage ich sie. „Ja, wir waren sehr gut befreundet.“, antwortet sie. „Kenne ich ihn?“, frage ich sie neugierig. „Kaum, er hat es mir auf der Abschiedszeremonie von der Grundschule gesagt.“, sagt sie noch immer lächelnd. „Oh, das ist ja schon fast drei Jahre her.“, sage ich erstaunt. „Ja, kannst du dir vorstellen, dass wir schon bald auf die Highschool kommen?“, fragt sie mich fröhlich. „Ja, ich hoffe wir kommen in dieselbe Schule.“, sage ich glücklich. Die Prüfungen hatten wir schon, wir warten jetzt auf die Ergebnisse. „Ja ich auch.“, antwortet sie und wieder lächelt sie: „Und du wünscht dir bestimmt auch, dass du in dieselbe Schule wie Hotaru zu kommen, nicht wahr?“ „Ja.“, flüstere ich. „Ruhe in der Klasse.“, höre ich die Stimme unsrer Lehrerin. Tomomi und ich verstummen sofort. Unsere Lehrerin ist extrem streng, wenn es ums Plaudern geht. „Heute in der grossen Pause werden die Ergebnisse der Einschulungstests ausgehängt. Bitte benehmt euch beim Nachsehen nicht wie die wilden Tiere und stürmt alle gleichzeitig auf die Aushänge, ja?“, bittet sie uns genervt. Alle beginnen zu kichern. Es weiss jeder genau, dass alle auf das Plakat stürmen werden. Die Stunde will einfach nicht vorbei gehen. Ich sehe auf die Uhr, sie macht: „Tick, tack tick, tack...“ „Itoe, pass gefälligst auf.“, höre ich die Stimme der Lehrerin. „Ja, es tut mir leid.“, sage ich verlegen. „Lies bitte den Text auf Seite 164.“, sagt sie. „Ja, antworte ich und beginne zu lesen: „When the thorn bush turns white that’s, when I'll come home, I am going out to see what I can sow. And I don't know where I'll go, but I don't know what I'll see, but I'll try not to bring it back home with me.” „Das reicht, Tomomi bitte.“, unterbricht mich die Lehrerin. English kann ich ziemlich gut, auf jeden Fall habe ich keinen hässlichen Akzent. „Like the morning sun your eyes will follow me...“, beginnt Tomomi zu aufsagen, es klingt wunderschön wenn sie English redet, es ist auch ihre Muttersprache. Es klingelt zur Pause, vor unsere Klassentüre wartet Hotaru. „Hey Itoe.“, begrüsst er mich. „Hey Glühwürmchen.“, ziehe ich ihn auf. „Du weisst schon, dass dieser Spitzname mich nicht mehr nervt.“, antwortet er und küsst mich auf die Wange. „Weshalb erzählst du es mir denn dann, dass es dir nicht nervt?“, frage ich und küsse ihn auch. Er nimmt eine meine Strähne in die Hand: „Deine Haare sind wunderschön.“, flüstert er dabei und küsst sie. „Deine auch.“, flüstere ich du fahre durch seine kinnlangen Haare. „Ich geh dann mal.“, sagt Tomomi. „Hey, soll ich auch nach deinem Ergebnis sehen?“, fragt Hotaru Tomomi. „Hm? Ja wieso nicht.“, antwortet sie und winkt mir hinterrücks zu. „Musst du mich wirklich schon wieder verlassen?“, frage ich ihn. „Ja, aber ich bin so schnell wie möglich wieder hier.“, sagt er und küsst mich auf die Nasenspitze.“, und streicht über sacht meine Wange. Ich sehe seinem Rücken nach. Zum Glück ist er grösser, als die meisten in der Mittelschule, er kommt ziemlich schnell voran. Ich warte an der Wand gelehnt, mit leicht gerötetem Gesicht. Ich liebe ihn so sehr. Mich spricht niemand an, niemand sieht mich seltsam an, bis Tsuyoshi vorbei kommt. „Ich hoffe, dass er mich nicht vergisst.“, sagt er zu mir und lehnt sich neben mich. „Hi Tsuyoshi.“, sage ich kühl: „Was willst du von mir?“ „Hey ist es so ungewöhnlich mit der Freundin des besten Freundes zu sprechen?“, fragt er. „Vielleicht wenn man Tsuyoshi heisst und die Freundin seines besten Freundes hasst?“, frage ich sarkastisch. „Ich hasse dich doch nicht Itoe.“, sagt er und nimmt mich in den Schwitzkasten: „Immerhin seid ihr wegen mir zusammen.“ „Lass mich los.“, fauche ich und versuche mich zu befreien. „Weshalb Glühwürmchen wohl auf Schwächlinge steht?“, fragt er und lässt mich endlich los. „Hey, lass meine Freundin in Ruhe.“, höre ich Hotarus Stimme. „Hotaru.“, sage ich und laufe auf ihn zu: „und was ist? Sind wir in der gleichen Schule? Und was ist mit Tomomi?“ „Ja, was ist mit Tomomi?“, äfft mich Tsuyoshi nach. „Klappe Tsuyoshi.“, sagt Hotaru und küsst mich schon wieder auf die Wange. „Ihh, könnt ihr das in der Öffentlichkeit, bitte unterlassen.“, sagt Tsuyoshi und macht Kotzgeräusche. „Klappe Tsuyoshi, ich meins ernst!“, sagt Hotaru und küsst mich provozierend erneut. Ich werde schon wieder rot: „Also du bist auf der F-Highschool, Itoe, du Tsuyoshi ebenfalls.“, beginnt Hotaru zu erzählen. „Und was ist mit dir und mit Tomomi?“, frage ich aufgeregt. „Ich bin auch auf der F-Highschool und Tomomi ist auf die E-Highschool gekommen.“, sagt Tsuyoshi. „Was? Auf die E-Highschool?“, frage ich erstaunt, die E-Highschool hat verdammt hohe Anforderungen. „Ja.“, antwortet er: „Aber wenigstens sind wir auf der gleichen Highschool.“ „Nein, das ist doch toll. Ich freue mich für sie. Komm wir gehen sie suchen.“, sage ich und nehme seinen Arm. „Ja.“, sagt er und lächelt so, dass mir gerade zwei Grad wärmer wird. Wir gehen in Richtung Schulhof. „Tomomi!“, rufe ich ihr zu, als ich sie neben ihren Freundinnen entdecke. „Hi Itoe, und? Sind wir in derselben Schule?“, fragt sie mich. Ich schüttle den Kopf: „Nein, du bist nicht in mit mir in der Schule, ich bin in der F-Highschool und du bist in der E-Highschool.“ „Was? Ich bin in die E-Highschool gekommen?“, fragt sie erstaunt. „Ja!“, lache ich und greife nach ihren Händen um mit ihr im Kreis zu hüpfen. Nach einer Weile im Kreis hüpfen, unterbricht uns eine von Tomomis Freundinnen: „Das ist ja so toll!“, sagt sie und umarmt Tomomi. Mir wird schwindlig: „Hotaru?“, murmle ich: „Hilfe!“ Er kommt und fängt mich auf. „Du solltest dich einfach nicht so oft im Kreis drehen.“, lacht er. „Nicht nur mir wird schwindelig, allen würde schwindelig werden, wenn man sich so oft in die gleiche Richtung im Kreis dreht.“, maule ich. „Das ist mir bewusst, aber ich interessiere mich einfach nicht für ‚alle’ sondern nur für dich.“, sagt er und lächelt. Ich werde schon wieder rot: „Weisst du eigentlich wie gern ich dich dafür küssen würde?“, flüstere ich ihm leise ins Ohr. „Dann tu es doch...“, flüstert er zurück. Ich nähere mich seinem Gesicht, bis sich unsere Lippen fast berühren, aber dann lächle ich bloss und küsse seinen Mundwinkel. „Du bist so gemein.“, flüstert er und küsst mich auf die Nase. „Ich weiss.“, antworte ich und lege meine Arme um seine Taille. Ich sehe hinüber zu Tomomi, sie lacht so hell und klar wie immer. Sie hat mich vollkommen vergessen. Ich bin ihr schon lange nicht mehr so wichtig wie früher. Aber zu ihrer Entschuldigung muss ich sagen, dass sie mir auch nicht mehr so wichtig ist. Sie ist nicht mehr die wichtigste Person für mich. Es gibt jetzt Jemanden, den ich noch mehr liebe. Auch wenn ich nie für möglich gehalten habe wie sehr. Mein Herz quillt über vor Liebe, vor Liebe, welche ich für Hotaru empfinde. „Morgen gehen wir zusammen zum Hanami, nicht war?“, frage ich ihn. „Ja.“, sagt er und lächelt auf die Weise wie nur er lächeln kann. So warm, so liebevoll und auch so liebenswürdig. Mich durchfährt ein leichter Schauer. Ein Meer aus Liebe hat sich in mir angestaut. Er hat mir nie gesagt, dass er mich liebt. Was wenn... Aber darüber will ich nicht nachdenken. „Komm, ich bringe dich in die Klasse. Es wird bald klingeln.“, sagt er. „Gut.“, lächle ich und ganz eng aneinander gekuschelt gehen wir zu meinem Klassenzimmer. „Ich mag dich so sehr, meine Itoe.“, flüstert er mir zu und küsst mein Ohr. „Ich mag dich auch, mein Glühwürmchen.“, flüstere ich ihm zu. „Warum bist dun immer so gemein zu mir?“, flüstert er zu. „Weil ich nun mal ich bin und weil ich, ich bin magst du mich, nicht wahr?“, frage ich ihn leise. Meine Augen brennen, bei dieser Frage. Wenn er jetzt nicht antworten kann, dann... „Ja, weil du Itoe bist, weil du meine Itoe bist mag ich dich so sehr.“, antwortet er. „Ja, ich bin deine Itoe und du bist mein Hotaru.“, flüstere ich. „Ich bin dein, ich bin dein Hotaru.“, mit diesen Worten küsst er mich ganz sacht auf den Mund. Ich werde rot. Ich sehe schon wieder seinem Rücken nach, die Hand die er erhebt um mir zu zuwinken. Ich liebe ihn. Meine Lippen fühlen sich heiss an. Es durchströmt mich. „Komm jetzt in die Klasse.“, Tomomi zieht mich an meiner Schulter in die Klasse. Morgen werde ich es ihm sagen. Und eine Antwort erhalten. Morgen. Kapitel 2: Kiku --------------- Es ist ein Morgen, der genauso ist wie er gestern war. Und wie er morgen sein wird. Es durchströmt mich. Diese Kälte, kalt wie Eis, kälter. Viel kälter, so viel kälter. Es verursacht Schmerzen, tief in mir drin, es ist so. Nicht weil ich es spüre, sondern weil ich es weiss. Kälte verursacht Schmerzen, diese Kälte sollte mich umbringen ich weiss es. Ich spüre wie meine Fingerspitzen langsam abfrieren. Ich sehe die Bäume, ihre Blüten sind so wunderschön. Ich friere im April. Die Kirschbäume blühen, ihre Blütenblätter streifen über mein Gesicht. Die Pflaumenbäume blühen auch. So wunderschön. Es ist so kalt. Wie können diese Bäume blühen, in meiner Gegenwart müssten sie sofort verwelken, nein die Blüten müssten einfrieren. Mein Herz es ist nicht so kalt wie Eis, es ist noch viel kälter. Bald hat es den absoluten Nullpunkt erreicht. Es friert meinen ganzen Körper ein. Mein ganzer Körper ist steif, unbeweglich. Ich darf nicht die Möglichkeit haben mich zu bewegen. Ich darf nicht die Möglichkeit haben zu fühlen. Es ist mir verboten. Aber es gibt sowieso kein Gefühl, für welches es sich zu fühlen lohnt. Es darf nichts geben ausser der Kälte. Vorher war da etwas anderes. Da war Wärme in meinem Herzen, glaube ich zumindest. Aber es muss so sein. Ich sehe auf den Blumenstrauss in meiner Hand. Die Blumen passen nicht in diese Jahreszeit. Es sollte sie nicht geben. Sie sind wie ich. Früher fand ich diese Blüten unheimlich, ich fand Chrysanthemen immer unheimlich. Jeder der Gäste hält eine Blume in der Hand, nur wenige einzelne haben einen Strauss bekommen. Ich habe noch drei andere Blumen hinein versteck, ein Adonisröschen, eine Eibenblüte und eine Dotterblume. Es ist meine Nachricht an ihn. Ich weiss, dass er der Blumensprache mächtig war. Vielleicht kann er sie auch jetzt noch lesen, da wo er jetzt ist. „Itoe, möchtest du noch einige Worte sagen?“, beim Klang meines Namens zucke ich unwillkürlich zusammen. Wie immer wenn ihn Jemand ausspricht. Ich merke jetzt, dass ich mich an Tsuyoshis Anzug klammere. Er hat nichts dagegen gesagt. Vielleicht hat er auch nichts gemerkt, vielleicht ist er genauso taub wie ich. Ich trete zwei Schritte nach vorne und sage nichts, stelle ihm nur eine Frage. „Warum? Warum hast du mir nichts gesagt?“ Dann werfe ich den Strauss in das tiefe Loch und trete wieder zurück, stehe wieder neben Tsuyoshi und fasse wieder nach seinem Arm, er lässt es geschehen. Weitere Menschen treten hervor, Menschen deren Gesichter ich nicht kenne. „Warum?“, frage ich jetzt auch ihn. Aber er antwortet mir nicht. Natürlich nicht. Es wäre nicht richtig, jetzt nicht. Aber später, später will ich es wissen. Ich weiss nicht wie lange wir so nebeneinander dort stehen. Einfach so, ohne etwas zu hören, ohne etwas zu merken. Ich spüre wieder nur diese Kälte, als gäbe es keine Wärme auf der Welt, ohne ihn. Ich sehe auf das Bild, welches hinter dem Loch aufgestellt ist. Ohne dich hat diese Welt keine Wärme. Ohne dich ist meine Welt kalt. Ich liebe dich noch immer, Hotaru. Auch wenn du jetzt nicht mehr hier bist. Nicht mehr bei mir bist, obwohl du es mir verschwiegen hast. Mir das wichtigste verschwiegen hast. Ich habe gestern gewartet, die ganze Zeit. Aber du bist nicht gekommen. Du hast mich nicht abgeholt. Und dann, als ich alleine in die Schule gekommen bin, da hat man es überall umhergeflüstert. „Hotaru, er ist tot.“, sie haben es umher getuschelt wie irgendwelcher Klatsch. „Was wohl jetzt mit Itoe los ist?“ Jemand hat mich abgeholt und zusammen mit Tsuyoshi in ein Krankenhaus gebracht. Wir haben nichts mehr gesehen, ausser einer abgedeckten Leiche. „Hotaru ist in der Nacht verstorben.“, klärte man uns auf: „Er hatte einen Herzinfarkt.“ Ich sah den Arzt verständnislos an: „Herzinfarkt?“ Ich sehe hinüber zu Tsuyoshi, er scheint auch geschockt, wenn auch wesentlich weniger als ich. „Wussten sie nichts von seiner Herzinsuffizienz?“, fragte der Arzt erstaunt: „Er hat sie als seine besten Freunde angegeben.“ „Ich wusste davon.“, sagte Tsuyoshi: „Aber er hat mir nicht gesagt, dass es schlimmer geworden ist.“ „Er wollte sie wohl nicht beunruhigen, aber seit letztem Sommer haben sich die Zahl seiner Anfälle erheblich gesteigert.“ „Anfälle?“, ich sah immer noch verständnislos von einem zum anderen. „Würden sie ihre Freundin bitte darüber aufklären?“, bittet der Arzt Tsuyoshi. „Sie ist nicht meine Freundin, sie war ein halbes Jahr lang mit Hotaru zusammen.“, antwortet Tsuyoshi. Hotaru ist tot. Erst jetzt sehe ich die Endgültigkeit in diesem Satz. Hotaru wird nie mehr zu mir zurückkehren. Ich werde nie mehr sein Lächeln sehen. Ich werde ihn nie mehr sehen. „Hotaru.“, flüstere ich leise, die Tränen fliessen erst jetzt. Erst jetzt beginne ich zu trauern. „Tsuyoshi.“, flüstere ich leise: „An dem Tag, als er mir gesagt hat, dass er mich liebt. Hatte er davor einen Anfall?“ Er sieht zu mir hinunter: „Ja.“, flüstert er. „Warum gerade dann?“, frage ich weiter. „Er hat mit sich selbst eine Wette gestellt. Wenn er den nächsten Anfall hat, wird er das Mädchen, das er mag fragen ob es mit ihm zusammen sein will.“, hat Tsuyoshi darauf geantwortet. „Oh“, sage ich überrascht. Wieder kommen mir die Tränen. „Tsuyoshi?“, flüstere ich leise. „Was ist?“, antwortet er. „Darf ich mich an dich lehnen?“, frage ich schwach. „Ja.“, antwortet er, ebenfalls flüsternd. Wir sind beide bloss noch Kinder, ich merke es in diesem Moment. Ich lehne mich an ihn und er legt einen Arm um mich. Wir weinen beide. Wir haben beide verloren, vielleicht wird man in dem Augenblick erwachsen, wenn man realisiert hat, wie sehr man etwas Wichtiges verloren hat. Jetzt stehen wir beide nebeneinander an seinem Grab. „Es ist ein Wunder wie lange er durchgehalten hat.“, flüstert es hinter uns. Mich durchzuckt es erneut, Tsuyoshi sieht zu mir hinunter. „Wieso reden die Leute über Wunder, wenn ein sie am Grab eines 15-jährigen stehen?“, frage ich ihn leise. „Du kannst von den Menschen kein Feingefühl erwarten, Itoe.“, flüstert er zurück. Wir schweigen wieder, niemand hat unsere Unterhaltung mitbekommen. Zeit vergeht, oder auch nicht... Was interessiert es mich noch. Nachdem der Letzte nach vorne getreten ist und etwas gesagt hat, drehe ich mich einfach um. Ich finde es sollte regnen, dieses Wetter passt nicht zu meiner Stimmung. Die Sonne scheint, als gäbe es kein Morgen, vielleicht gibt es ja auch nicht. Ich renne durch die Strassen, man schaut mir nach. Ich bin vollkommen schwarz angezogen. Ich konnte ihm nie sagen, dass ich ihn liebe. Wie sehr ich ihn Liebe. „Mama, Mama! Das Mädchen da macht mir Angst.“, höre ich ein kleines Mädchen sagen. „Geh nicht auf sie zu, das ist so eine Gothic.“, sagt die Mutter ängstlich. Ich halte an und sehe den ängstlichen Gesichtsausdruck der Mutter und beginne hysterisch zu kichern. Die Augen des Mädchens weiten sich vor Schreck. Ich gehe einen Schritt auf die beiden zu, sie weichen vor mir zurück: „Ich bin kein Gothgirl, ich komme gerade von der Beerdigung meines festen Freundes. Hat sie das jetzt beruhigt?“, flüstere ich ihr bedrohlich zu. „Beerdigung? Mama, was ist das?“, fragt das kleine Mädchen. Die Mutter sieht beschämt zu Boden: „Mein herzliches Beileid.“ „Beileid bringt ihn auch nicht zurück, sparen sie sich das!“, fauche ich sie an. Schon wieder beginne ich zu weinen. Nichts bringt ihn zurück, rein gar nichts. Er konnte mir nie sagen, ob er mich liebt. Er hatte nie die Möglichkeit auf meine Liebe zu antworten. „Hotaru, Hotaru, Hotaru...“, ich kann nicht aufhören seinen Namen zu flüstern, wie ein Gebet: „Hotaru, Hotaru, Hotaru...“ Ich renne und renne immer weiter, mein Körper ist es sich gewöhnt. Er liebt es zu rennen, wenn die geschmeidigen Muskeln in meinen Beinen sich an und wieder abspannen. Ich will nur noch rennen, nichts denken: „Hotaru, Hotaru, Hotaru...“, meine Lippen bewegen sich weiter. Und dann komme ich an die Kreuzung, an unsere Kreuzung. Ich sehe hinauf zu dem Kirschbaum, unter dem er immer gewartet hat, nur gestern nicht. „Hotaru...“, flüstert meine Zunge. Ich kann meinen Körper nicht davon abhalten an ihn zu denken, mein Verstand lässt sich durch Vernunft kontrollieren, aber meine Beine, meine Arme, meine Brust, mein Herz, alles lebt für ihn. Warum habe ich es ihm nie gesagt, dass es so ist. Besonders jetzt nach seinem Tod, nach dieser Endgültigkeit. „ES IST ALLES SO UNGERECHT!“, ich schreie so laut, dass die Vögel aus den Bäumen aufschrecken. Ich schlage mir die Hände vor den Mund, aus dem stummen Weinen wird ein gequältes Schluchzen: „Ich würde alles dafür geben ihm zu sagen wie sehr ich ihn liebe, ich würde meine Seele dafür geben, um seine Antwort darauf zu hören. Nur um noch einmal seine Stimme zu hören.“ Wenn ich nicht bald aufhöre zu weinen, werde ich bald keine Tränen mehr haben. Aber ich will hier unter unserem Kirschbaum trauern, nicht an seinem Grab. Ich habe keine Verbindungen zu diesem Ort. Ich lege eine Hand auf die Rinde des Kirschbaums. „Ich wusste, dass du hier bist.“, höre ich Tsuyoshis Stimme. „Ich bin auf ziemlichen Umwegen hierher gekommen.“, flüstere ich. Ich spüre seine Hand auf meiner Schulter: „Aber deine Beine haben dich auch hierher geführt?“ „Dich also auch?“, frage ich zurück. „Er hat diesen Baum geliebt.“, sagt Tsuyoshi. „Warum?“, frage ich ihn leise. „Äh, weil er schön ist?“, sagt er verwirrt. „Du weisst, dass ich nicht das gemeint habe.“, flüstere ich mich und klammere mich schon wieder an ihn. „Ich glaube er wollte dich beschützen.“, flüstert er: „Und als ihr noch nicht zusammen wart, hatte er furchtbare Angst dich zu fragen, weil er das Gefühl hatte, du wirst ihn abblitzen lassen, weil er krank ist.“, hat er gesagt. „Er war ein Idiot.“, flüstere ich „Stimmt, aber wir beide haben diesen Idioten sehr gern gehabt.“, sagt er. „Ich habe es ihm nie gesagt.“, flüstere ich. „Was?“, fragt er erstaunt. „Wie sehr ich ihn geliebt habe.“, flüstere ich. Er sagt nichts. Lange herrscht das Schweigen. „Ich kann dich nicht trösten.“, flüstert er: „Aber ich kann versuchen dir Halt zu geben. Du weisst ich habe dich nie sonderlich gemocht. Aber das nur weil du mir Hotaru weggenommen hast, alles in seinem Leben drehte sich nur noch um dich. Aber du bist jetzt die Einzige, die mich verstehen kann und ich wahrscheinlich auch der Einzige der dich versteht.“ „Ich mochte dich auch nie.“, flüstere ich: „Aber als ich merkte wie sehr Hotaru dich mag, da ist mir klar geworden das du kein schlechter Mensch bist. Ich werde alles versuchen, um dich aufzufangen wenn du nicht weiter kannst. Ich hoffe das du für mich dasselbe tun wirst.“ „Ich werde alles Erdenkliche tun um dich wieder aufzurichten, um Seinetwillen.“, antwortet er. Ich lege meine Hand auf seine Brust: „Weisst du was seltsam ist? Wenn ich Hotaru wieder zurückbekommen würde, wüsste ich nicht wie viele Menschenleben ich dafür aufs Spiel setzen würde. Seltsam wenn man die Gleichheit aller Menschen betrachtet.“ „Menschen sind von etwas höherem ausgesehen gleichwertig, aber wenn man durch die Augen eines Menschen sieht, der fühlt und liebt, der hasst und dem etwas gleichgültig ist. So kann man nie behaupten alle Menschen sind gleichwertig. Nicht dass sie wertvoller sind, aber wenn sie gehen würden würde es einfach mehr Schmerzen für das Herz bedeuten, das Herz glücklich machen, oder ihm völlig einerlei sein. Wie schon gesagt, du kannst nicht einfach die Menschheit als grosse graue Masse sehen.“, antwortet er. „Du bist klüger als ich geglaubt habe.“ „Ich habe noch einiges mehr zu bieten von dem du nichts weisst.“, sagt er etwas fröhlicher. „Du, Tsuyoshi?“, frage ich ihn. „Was ist?“, antwortet er überrascht. „Danke.“, sage ich schwach. „Ich danke dir.“, antwortet er ruhig und umarmt mich sanft. Es ist gut dass er da ist, er versteht mich, er weiss wie ich mich fühle. Den nächsten Tag gehe ich nicht in die Schule. Den übernächsten auch nicht. „Itoe, gehst du morgen wieder in die Schule?“, fragt mich meine Mutter. „Nenn mich nicht so.“, flüstere ich und gehe leblos an ihr vorbei. „Bitte, du kannst nicht ewig nur trauern, dass Leben und die Liebe geht weiter, auch wenn so etwas Schreckliches passiert.“, sagt sie. „Sei still.“, sage ich schwach. „Wie redest du mit deiner Mutter?“, fragt sie entrüstet. „Wie redest du mit einer Mutter?“, frage ich sie eintönig. „Du weisst dass ich nicht das gemeint habe!“, schreit sie. „Man schreit sein eigenes Kind nicht an.“, sage ich energielos. „Du bist nicht mein Kind.“, schreit sie und schüttelt den Kopf: „So wie du jetzt bist, bist du nicht meine Tochter.“ „Von mir aus.“, sage ich gleichgültig und gehe in mein Zimmer. Es ist leer, nur ein Bett, ein Schreibtisch und ein Schrank stehen noch darin. Der Schrank ist fast leer, die meisten meiner Kleider fand ich hässlich. Zu hell, zu viele Rüschen, zu mädchenhaft. Ich trage nur noch dunkle Kleider, schmucklos, einfach. „Itoe! Du wirst morgen in die Schule gehen, hörst du?“, schreit mein Vater sobald er von der Schule nach Hause kommt. „Wenn du meinst.“, flüstere ich teilnahmslos. „Ja, meine ich. Und jetzt räumst du bitte die Kleider wieder in deinen Schrank, hast du mich verstanden?!“, schreit er weiter und bevor ich antworten kann schreit er schon wieder: „Die sind alle noch neu! Du wirst sie nicht einfach wegwerfen! Ist dir das klar?!“ „Du musst mich nicht anschreien, ich verstehe dich gut...“, flüstere ich ruhig. „Wenn man dich nicht anschreit reagierst du gar nicht, man muss dir immer alles drei Mal sagen!“, schreit er weiter. „Sei still.“, sage ich leise. „Sag mir nicht ich soll still sein!“, schreit er. Ich knalle ihm die Türe vor der Nase zu. Er soll mich in Ruhe lassen, genauso wie alle Anderen auch. Dann gehe ich morgen wieder in die Schule, wenn er mich dann in Ruhe lässt, es wird eh niemand mit mir reden wollen. In der Highschool wird es dann wohl auch nicht anders sein. Sie werden mich in Ruhe lassen. Kapitel 3: Yuki no Suzu ----------------------- Träume. Sie machen mir Angst. Ich habe Angst davor einzuschlafen. Was wenn ich nicht mehr aufwache? Wenn ich in meinem Traum gefangen gehalten werde? Ich habe immer Alpträume, ich habe immer denselben Traum. Ich stehe unter dem Kirschbaum, die Blüten sind schon lange verblüht. Ich sehe in den Himmel, aber nach was suche ich in dem hellen Blau? „Komm, wir sollten am ersten Tag nicht zu spät kommen, meinst du nicht?“, höre ich Tsuyoshis Stimme hinter mir. Er vermeidet es mich beim Namen zu nennen. „Ja, ich komme.“, heute ist der erste Tag auf unserer Highschool. Wenigstens sind wir gemeinsam auf die Highschool gekommen, Tomomi ist auf einer mit viel höherem Niveau. Aber, auch wenn sie nicht mit mir auf der Highschool ist, dass stört mich gar nicht so sehr, sie ist in den letzten Monaten in immer weitere Ferne hingesunken. Sie hat mich nicht verstanden, genauso wenig wie jeder andere. „Er war doch nur eine Teenieromanze. Komm endlich drüber weg.“, hat sie gesagt. Ich konnte nicht mit ihr über alles reden. Ich und Tsuyoshi gehen gemeinsam zur der Begrüssungszeremonie. „Seid ihr zusammen?“, fragt uns ein Mädchen. „Eh?“, frage ich erstaunt, ich sehe mir das Mädchen genauer an. Ihre Haare sind blond, gelockt und gehen bis zu ihren Ellenbogen. „Na, ihr seht sehr vertraut aus, ich dachte, vielleicht schon das erste Pärchen entdeckt habe. Wisst ihr, ich interessiere mich für Klatsch und Tratsch dieser Art.“, plappert sie unbekümmert weiter. Ich sehe kurz zu Tsuyoshi, wir haben abgesprochen niemandem von Hotaru zu erzählen, aber was ist, wenn man uns für ein Pärchen hält, haben wir nicht besprochen. „Nein sind wir nicht, wir kennen uns bloss noch von der Mittelschule.“, antwortet Tsuyoshi. Das ist nicht mal eine Lüge. „Oh, schade.“, sagt sie und zieht wieder. „Sie hat uns nicht mal gefragt wie sie heisst.“, stellt Tsuyoshi fest. „Jop.“, sage ich und wir beide gehen weiter. Uns folgen die Blicke, aber besonders ich ziehe sie an. Noch immer trage ich keine Farbe die heller ist als Dunkelrot. Aber meistens trage ich dunkelblau, lila oder schwarz. „Hey, du bist keine Witwe, diese Farben passen nicht zu dir. Zu dir passen helle Farben und romantische Schnitte.“, hat Tomomi gesagt: „Du siehst nicht ‚cool’ genug aus um so einfache Schnitte zu tragen und die dunklen Farben sind langweilig an dir.“ Aber mir war es egal, ich habe mich schon immer so angezogen wie ich mich fühle und im Moment bin ich immer noch in Trauer. „Hätte ich mich anpassen sollen?“, frage ich Tsuyoshi. „Ich habe dir gesagt, dass ich dich immer aufrichten werde und ich glaube, dass die dunklen Kleider dir gut tun, deshalb finde ich gut das du sie trägst. Aber nur solange es dir gut tut.“, antwortet er lächelnd. „Okay.“, antworte ich. Bei der Begrüssungszeremonie erzählt uns der Direktor davon, das man ab dem zweiten Semester Schuluniformen tragen und das auffällig gefärbte Haare und gepiercte Ohren und alle andere Piercings verboten sind. „Dabei wollte ich mir doch violette Strähnchen machen, wie blöd.“, versucht Tsuyoshi mich aufzuheitern. „Ich hasse Schuluniformen.“, flüstere ich. „Das wird schon nicht so schlimm.“, antwortet er. „Mal sehen.“, meine ich betrübt. „Komm Kopf hoch, du weisst, dass er das nicht gewollt hätte.“, sagt er. „Ja, wahrscheinlich.“, antworte ich. „Warst du eigentlich seit seiner Beerdigung an seinem Grab?“, fragt Tsuyoshi mich. Ich schüttle den Kopf. „Ich wünsche allen neuen Schülern viel Spass an der F-Highschool.“, beendet der Direktor seine Begrüssungsrede: „Eure Einteilung hängt in der Eingangshalle.“ „Ohne ihn wird es wohl viel schwieriger daran zu kommen.“, sagt Tsuyoshi. „Ach komm, du bist doch fast gleichgross wie er und kräftiger.“, antworte ich lächelnd. „Das hast du schon lange nicht mehr gemacht.“, sagt er glücklich. „Was?“, frage ich erstaunt. „Na gelächelt.“, antwortet er: „Er würde sich sicher darüber freuen.“ „Ja, wenn du dabei bist, fühle ich mich nicht so allein wie sonst.“, sage ich weniger monoton als sonst: „Gehst du auch für mich nachschauen.“ „Natürlich.“, mault er. „Komm schon es mach dich doch nichts aus. Sei nicht so.“ „Ja, ja ich gehe ja schon.“, sagt er und dreht mir den Rücken zu. Ich lehne mich neben die Eingangstüre. Es erinnert mich an den Tag vor vier Monaten. Nur das ich nicht auf Hotarus Rückkehr warte. „Hey, willst du dir nicht ansehen in welcher Klasse du bist?“, fragt mich ein offensichtlich älterer Schüler. Seine Haare sind schwarz, kurz und verwuschelt. Auf eine seltsame Weise sieht er gut aus. „Ich bin zu klein dafür, ich komm nie nach vorn bis nicht alle weg sind, also hab ich Jemand gebeten ob er es nicht für mich tun will.“, antworte ich knapp. „Du bist wirklich klein.“, stellt er fest. „Wer hören kann ist echt im Vorteil.“, antworte ich eintönig. „Nein, es ist bloss so, dass du älter aussiehst mit deinen dunklen Kleidern.“, antwortet er und lehnt sich neben mich. „Ich sehe älter aus?“, frage ich erstaunt. „Ja, du hast recht, wer hören kann ist echt im Vorteil.“, sagt er lächelnd. „Ich bin noch nie für älter gehalten worden.“, antworte ich leise. „Es ist vor allem dein Gesichtsausdruck, wenn es dir hilft.“, lächelt er. „Ja, den kann man wohl als erwachsen beizeichnen.“, antworte ich. „Hey Kleine!“, höre ich Tsuyoshis Stimme. „Und was ist?“, ich laufe auf ihn zu und höre wie Schritte mir folgen. „Du bist in der 1-A und ich bin in der 1-C, also sind wir gar nicht so weit von einander entfernt.“, sagt er und holt tief Luft. „Ist das wirklich so anstrengend?“, frage ich ihn. „Jop.“, antwortet er lächelnd. „Hey ich bin auch in der 1-A!“ höre ich die Stimme des Jungen, welcher sich mit mir unterhalten hat. „Was du bist ein Erstklässler?“, frage ich ihn. „Wer bist du, wie heisst du und was willst du von uns?“, fragt ihn Tsuyoshi ihn gleichzeitig. „Ich bin Kouhei und von euch will ich eigentlich nichts und um auf deine Frage zu antworten“, er wendet sich zu mir zu: „Ja, du bist nicht die einzige die älter aussieht.“ „Schön dann gehen wir doch jetzt zu unseren Klassen, ist dein Klassenzimmer weit von meinem entfernt?“, frage ich Tsuyoshi. „Unsere Klassenzimmer sind sicher nicht weit von einander entfernt.“, lächelt er und legt den Arm meine Schulter: „Ausserdem weiss ich noch nicht wie ihr heisst.“ „Ich heisse Tsuyoshi und sie...“, er sieht fragend auf mich hinunter. „Mein Name ist Itoe.“, antworte ich auf die lästige Frage, die ich wohl noch oft beantworte muss. „Was für schöne Namen.“, sagt Kouhei und klatscht in die Hände. „Ich würde es unterlassen mich Itoe zu nennen.“, antworte ich ihm und schaue auf den Boden vor unseren Füssen. „Weshalb? Der Name ist doch schön. Hat dich deshalb Tsuyoshi nie bei deinem Namen genannt?“, fragt er, anscheinend hat er aufgepasst. Tsuyoshi nickt an meiner Stelle. „Wie soll ich dich dann nennen?“, fragt er. „Wenn ich das wüsste...“, flüstere ich. „Dann nenne ich dich einfach Yami.“, sagt er. „Wieso Yami?“, frage ich, auch wenn es mich nicht wirklich interessiert. „Wegen deinen Kleidern und deinen Augen.“, antwortet er. „Der Name...“, bemerke ich erstaunt. „Was ist damit?“, fragt mich Tsuyoshi besorgt. „Er gefällt mir.“, fahre ich fort. „Gut, dann ist dein Spitzname von nun an Yami.“, sagt Kouhei und klatscht schon wieder in die Hände. „Das machst du eindeutig zu oft.“, sagt Tsuyoshi ruhig. „Sorry, alte Angewohnheiten wird man nur schwer los.“, lächelt er noch immer so übertrieben freundlich. „Dann würde ich mich beeilen.“, antwortet Tsuyoshi kühl. Nachdem gehen wir schweigend zu unseren Klassenzimmer. Tsuyoshi begleitet uns bis zu unserem Klassenzimmer. „Bis nachher in der Pause.“, sagt Tsuyoshi. „Danke.“, forme ich mit meinen Lippen. Er nickt kurz. „Ist das dein Freund?“, fragt mich Kouhei. „Nein.“, sage ich knapp und setze mich an den zweitäussersten Sitz der zweithintersten Reihe, da merkt niemand wenn ich schlafe. Meine Nächte sind meistens schlaflos, ich habe Angst vor dem Alptraum, wenn ich in meinem fast leeren Zimmer schlafe. Kouhei setzt sich neben mich an den Rand: „Stört es dich wenn ich neben dir sitze.“ Ich schüttle den Kopf und hole mein Etui aus meiner Schultasche. „Hey, dich habe ich doch schon Mal getroffen, bei der Eröffnungszeremonie, nicht wahr?“, höre ich eine bekannte Stimme. Ich sehe auf und blicke in das Gesicht des blond gelockten Mädchens. „Jop.“, antworte ich teilnahmslos. „Darf ich mich neben dich setzten? Ich kenne sonst hier noch niemand.“, sagt sie fröhlich und ohne meine Antwort abzuwarten setzt sie sich neben mich und packt aus. „Mir aus.“, sage ich mehr zu mir selbst als zu sonst irgendwen. Jetzt habe ich schon zwei nervige Menschen im meinen Leben, die mich nicht interessieren, aber sich mit mir unterhalten wollen. Mein einziger Rettungsanker ist Tsuyoshi. Er wird mich immer wieder aufrichten. Ich weiss es. Er hat es mir versprochen und ich glaube ihm. Ich bin so froh, dass wir an derselben Highschool gekommen sind. „Guten Tag, mein Name ist Aoyagi, ich bin von heute an eure Klassenlehrerin, bei Problemen oder Ähnlichem kommt einfach zu mir.“, ihre Stimme klingt fröhlich. Ich sehe hoch, ihr Gesicht sieht jung aus, ich sehe einen Funken von Unsicherheit in ihren Augen. Wahrscheinlich sind wir ihre erste Klasse. Gut, die wird mich nicht so sehr stören. „Also wie wäre es, wenn alle ein Paar Worte zu ihrer Persönlichkeit erzählen.“, sagt sie fröhlich: „Wir fangen in der hintersten Reihe an. Bitte sagen sie auf jeden Fall ihren vollen Namen.“ „Ich heisse Yori Ochia. Ich komme von der P-Mittelschule und meine Hobbys sind Partys organisieren und natürlich auch Party machen.“, fängt die Erste an. Ich höre nicht mehr zu bis Kouhei an die Reihe ist: „Mein Name ist Kouhei Umeko, nein das ist kein Künstlername.“, allgemeines Lachen: „Leider haben meine Eltern es mir verboten über meine Hobbys oder ähnliches zu reden.“ Seine Eltern haben ihm verboten von seinen Hobbys zu erzählen. Ich bin an der Reihe: „Mein Name ist Itoe Kazumi, mein Geburtstag ist am 3. März und mein einziges Hobby ist in meinem Garten zu arbeiten.“ „Du hast am 3. März Geburtstag?“, fragt mich das Mädchen neben mir. Ich nicke, dafür kann ich ja nichts. „Mein Name Youko Mizuki. Ja auch das ist kein Künstlername. Ich mache gerne Musik und treffe mich gerne mit Freunden.“, danach kommt nichts Spannendes mehr. Ich döse ein wenig, um zu schlafen ist es noch zu früh im Schuljahr. Am Anfang muss ich mich gut benehmen, damit ich es mir nicht direkt bei allen Lehrern unbeliebt mache. Ausserdem scheint unsere Klassenlehrerin ziemlich nett und auch noch sehr verunsichert. Man sollte es ihr nicht zu schwer machen. „So, wie schön ich denke wir werden es gut miteinander haben.“, schliesst Frau Aoyagi die Vorstellungsrunde: „Ich unterrichte vor allem Sprachen und Geschichte. Aber vorerst werden wir ein kleines Spiel machen, damit sie das Schulhaus besser kennen lernt. Teilt euch bitte in Zweierteams auf.“ „Hey, gehen wir zusammen?“, fragt mich Kouhei. „Warum nicht...“, antworte ich gelangweilt, vielleicht kennt er sich ja aus. „Hey, ich will mit Itoe zusammen gehen.“, sagt Youko neben mir und hält mich am Arm fest. Wieder zucke ich beim Klang meines Namens zusammen. „Erstens habe ich sie zuerst gefragt und zweitens mag sie ihren Namen nicht.“, sagt Kouhei und lächelt Youko übertrieben freundlich an. „Schon, aber ich hab noch mit niemandem ausser dir gesprochen.“, sagt sie und sieht auf den Boden. „Was?“, frage ich erstaunt, ich dachte sie wäre überhaupt nicht schüchtern. „Ich wollte nur das Mädchen ansprechen, dass am interessantesten aussieht.“, sagt sie betrübt: „Ich hasse es fremde Leute ansprechen, deshalb wollte ich mich mit dem Mädchen anfreunden, dass wahrscheinlich am beliebtesten wird.“ Am beliebtesten? Ich? „Bist du sicher, dass ich das Potenzial dazu habe?“, frage ich sie. „Du bist das Mädchen, um welches am meisten spekuliert wird, was an der Mittelschule los war und du hast einen so coolen Gesichtsausdruck.“, schwärmt Youko von mir. „Äh, danke.“, sage ich. „Also mit wem gehst du denn hin?“, fragt mich Kouhei. „Mir egal...“, sage ich und gehe zu Tür: „Sonst gehe ich allein und ihr zusammen.“ „Nein, das wäre doch eine reine Verliersituation.“, sagt Youko: „Entscheide dich bitte!“ „Gut, dann gehe ich mit dir Youko, solange du mich nie mehr Itoe nennst.“, stelle ich eine Bedingung. Von Kouhei habe ich dieses Versprechen schon. „Das ist gemein.“, sagt Kouhei. „Das Leben ist gemein, gewöhn dich dran.“, sagt Youko und zieht mich mit. Ich sehe noch mal über die Schulter und sehe den Gesichtsausdruck von Kouhei, er ist anders als sonst. Viel zu... Ernst. „Zuerst müssen wir die Sporthalle finden komm...“, Youko zieht mich mit. Ob die anderen das wohl auch machen, ob wohl auch Tsuyoshi am umher laufen ist. „Dieser Junger von der Begrüssungszeremonie, wie heisst der?“, fragt mich Youko. „Tsuyoshi.“, antworte ich gelangweilt. Wieder gehen wir irgendwohin, sie fragt mich nicht einmal ob ich weiss wo es liegt. Plötzlich treffen wir auf zwei andere Mädchen, Youko versteckt sich halb hinter mir. „Hey, ihr seid in unserer Klasse, nicht wahr?“, spricht mich die grössere von beiden an. Ihre Haare sind rotbraun und kurz, die Augen von einem ähnlichen braun wie die Haare. „Ja.“, antworte ich knapp. „Kennst du Kouhei schon von der Mittelschule, Itoe?“, fragt sie mich. Die andere steht daneben und weiss nicht wohin mit ihren Augen, obwohl sie nicht sonderlich gross überragt sie mich noch um ein, zwei Zentimeter. „Nein, wir sind uns zufällig über den Weg gelaufen.“, antworte ich desinteressiert. „Oh, na ja ich dachte bloss weil ihr euch von Anfang an so gut verstanden habt.“, sagt das Mädchen, welches ich glaube Moe heisst. „Es war mehr Zufall.“, antworte ich. „Hey, Youko, du interessierst dich doch für Klatsch hast du gesagt, oder? Soll ich dir mal etwas erzählen? Eigentlich sollten wir noch einen anderen Jungen in der Klasse haben, aber er ist kurz nach der Einteilung gestorben, wusstet ihr das?“ Er wäre in meine Klasse gekommen. Ich spüre wie mir die Tränen kommen, dabei dachte ich, ich hätte keinen mehr. „Ja.“, sage ich leise: „Ich wusste davon.“ „Warum hast du mir nichts davon gesagt?“, fragt mich Youko und sieht beleidigt aus. „Weil ich nicht gern darüber sprechen wollte...“, antworte ich kühl. Ich spüre den Blick des Mädchens, sie sieht mich durchdringend an: „Schade.“, sagt sie gekünstelt mädchenhaft: „Ich dachte ich wäre die einzige die etwas davon wusste, ich habe die Lehrerin dabei belauscht, als sie darüber gesprochen hat.“ „Ich war mit dem Jungen auf der gleichen Mittelschule, aber wir waren nicht in derselben Klasse.“, antworte ich und lächle traurig: „Aber die Nachricht vom Tod des Jungen hat die ganze Schule erschüttert.“ Wir gehen weiter, niemand spricht mich mehr an. „Meine Theorie ist aufgegangen, jetzt kann ich schon mit zwei Mädchen sprechen, ohne dass ich sie einfach so ansprechen muss.“, sagt Youko fröhlich. „Schön für dich.“, sage ich und gähne, die frische Luft macht mich müde. „Memo an mich selbst: Es ist tatsächlich so wie man es mir erzählt hat. Das Mädchen, sie ist seelenlos.“ Kapitel 4: Kei -------------- Ein Spiegel Ich hasse es hinein zu sehen. Das ist nicht Itoe, dieses Gesicht kann nicht zu mir gehören. Das ist nicht das Gesicht welches Hotaru geliebt hat. Ich gehe heute wieder zur Schule, später am ersten Tag ist nicht viel passiert. Es ist genauso wie vorher, die Schule ist langweilig und meine Mitschüler nerven mich. „Hey.“, begrüsst mich Tsuyoshi. „Hallo.“, antworte ich. „Darf ich dich mal etwas fragen?“, fragt er mich. „Weshalb nicht.“, antworte ich interesselos. „Seit Hotaru tot ist, bist du... Warst du schon mal an seinem Grab?“, fragt er mich und sieht mich durchdringend an. „Nein.“, sage ich leise. Ich erinnere mich nicht einmal an die Form seines Grabsteins. „Du weisst wahrscheinlich nicht mehr wie der Grabstein aussieht, oder?“, fragt mich Tsuyoshi. „Woher...?“, frage ich ihn. „Ich auch nicht.“, sagt er und blickt auf den Boden. „Oh.“, sage ich und lächle, wir sind uns in dieser Hinsicht wirklich ähnlich. „Gehen wir nach der Schule zusammen hin?“, fragt er mich. Ich wende den Blick von ihm ab. Ich hasse diesen Ort wirklich. „Bitte, wir müssen ja nicht lange da sein.“, sagt Tsuyoshi. „Von mir aus.“, er ist mir wichtig geworden in den letzten Monaten. Nicht nur als Rettungsanker und als Freund von Hotaru, sondern auch seine Persönlichkeit. Wir gehen in die Schule, noch hat sich noch nicht alles normalisiert. Es ist eher noch schlimmer geworden, jetzt schauen uns auch schon die älteren Mitschüler schief an. Was mir besonders an mir aufgefallen ist, ist dass mein Gesicht immer mehr an Ausdruck verliert. Was die meisten anfangs als coolen und erwachsenen Gesichtsausdruck angesehen haben, sieht für mich wie ein Puppengesicht aus. Die eher bleiche Haut, da ich mich die ganzen Sommerferien in meinem Zimmer verkrochen habe, die dunklen Augen im Gegensatz zu der Haut. Ich habe etwas abgenommen, die Wangenknochen treten deutlicher hervor. Ich bin etwas gewachsen, meine Beine sind länger geworden. Mein kindliches Aussehen verschwindet zusammen mit meinem kindlichen Verhalten. Die Itoe welche Hotaru gemocht hatte, war eben so tot wie er selbst. Bitter, aber war. Als wir die Eingangshalle betreten, kommt Kouhei schon wieder auf mich zu. Er schlingt die Arme um meinen Hals, aber ich komme nicht zum protestieren. „Du bist so ungerecht Yami-chan, gestern bist du einfach weggelaufen. Warum bist du so gemein zu mir?“ „Erstens, lass mich los. Zweitens, lass das Chan. Drittens fass mich nicht an, wenn ich dir nicht die Erlaubnis dafür gebe. Wenn du diese Regeln befolgst, bin ich vielleicht ein weniger netter.“ „Ja danke!“, sagt Kouhei fröhlich und lässt mich los. Langsam begreife ich, dass ich um in Ruhe gelassen werden will, Bedingungen stellen muss. „Bis nachher.“, verabschiede ich mich von Tsuyoshi, als wir bei meinem und Kouheis Klassenzimmer ankommen. „Ja. Du weisst noch was wir nach der Schule machen, oder?“, fragt mich Tsuyoshi überflüssigerweise. Ich nicke und gehe ins Klassenzimmer. „Ui, habt ihr ein Date?“, fragt mich Kouhei. „Nein, sei still.“, sage ich genervt. „Hast du schlechte Laune? Muss ich dich aufheitern?“, fragt mich Kouhei traurig. „Willst du mich wirklich aufheitern?“, frage ich ihn übertrieben heiter. „Natürlich!“, sagt er fröhlich. „Dann lass mich in Ruhe.“, sage ich kalt und setze mich an meinen Platz. „Yami!“, sagt er traurig: „Wann wirst du denn netter?“ „Wenn ich Lust habe.“, antworte ich und packe meine Schulsachen hervor. „Hey, warum nennt der Typ dich Yami.“, fragt mich Youko und setzt sich neben mich. „Weil ich meinen Namen hasse, weisst du doch.“, antworte ich ihr. „Darf ich dich auch Yami nennen?“, fragt sie mich. „Tu dir keinen Zwang an.“, antworte ich und beuge mich über mein Aufgabenbuch, seid ich jeden Nachmittag in meinem Zimmer verbringe, vergesse ich meine Hausaufgaben nie. Niemand spricht mich an. Ich mag unsere Lehrerin, sie hat irgendetwas von einem Reh. Ihre Augen sind gross und braun und immer voll von Sorgen. Auch wenn sie diese immer gut verstecken kann. Ich warte nach dem Unterricht neben der Tür, natürlich werde ich von den meisten wieder angestarrt. „Was das ist eine Erstklässlerin?“, fragt ein Mädchen und sieht zu mir hinüber: „Sie ist klein, aber sie sieht nicht wie 15 aus.“ Ich bin es satt, vielleicht sollte ich ein T-Shirt kaufen auf dem steht: „Vorsicht bissig, wird wütend, wenn Sie sie ansprechen oder über sie reden.“ „Du bist noch hier Yami.“, höre ich Kouheis Stimme. „Sieht so aus.“, antworte ich. Das T-Shirt hab ich dringend nötig. „Also hast du doch ein Date nach der Schule.“, sagt Kouhei und macht einen Hundeblick: „Aber nicht mit mir, das ist so gemein von dir, Yami.“ „Ich habe kein Date.“, sage ich genervt. „Triffst du dich mit Youko-chan?“, fragt er mich. „Nein.“, antworte ich, bitte Tsuyoshi komm bald. „Was machst du dann?“, Kouheis Gesicht ist meinem jetzt ganz nah. „Geht dich nichts an.“, antworte ich. „Hey, wir können gehen!“, höre ich Tsuyoshi rufen, ich sehe in seine Richtung, er winkt mir zu, „Tschüss Kouhei.“, antworte ich und gehe auf Tsuyoshi zu. „Kann ich nicht mitkommen?“, fragt Kouhei. „Nein.“, antworte ich streng, aber ich fühle mich schon wieder ein bisschen besser. „Du bist immer noch so gemein.“, mault Kouhei und zieht von dannen. „Ich habe Angst.“, gestehe ich Tsuyoshi leise. „Wovor? Davor, dass er ein Wiederkehrer ist und sich an dir rächen will, weil du ihm das letzte halbe Jahr seines Lebens verschönert hast?“, fragt Tsuyoshi. „Bist du dir sicher?“, frage ich ihn leise. „Bei was?“ „Das ich ihm sein letztes halbes Jahr, wirklich versüsst habe.“, antworte ich. „Wenn er die Zeit mit dir nicht genossen hätte, hätte er nicht so viel davon geopfert.“, antwortet Tsuyoshi: „Er wusste, dass er nicht ewig leben würde, wieso sollte er also seine Zeit mit etwas verschwenden, dass er nicht mag?“ „Danke.“, antworte ich. „Nicht dafür. Ich habe mich auch oft gefragt, ob es nicht besser wäre, wenn er das letzte halbe Jahr nicht mehr in die Schule gegangen wäre. Wenn er eine Weltreise, oder Ähnliches gemacht hätte.“, antwortet er und verschränkt die Arme hinter dem Rücken: „Aber anscheinend hat ihm das normale Leben bei uns besser gefallen.“ „Ja, ich glaube ich sollte nicht so viel nachdenken, was wäre wenn... Vielleicht hätte er mir nie gestanden, dass er mich mag, wenn er keinen Druck verspürt hätte. Vielleicht hätte er mich überhaupt nie gemocht. Ich kann die Zeit nicht zurückdrehen, ich kann nur versuchen meine Zukunft in den Griff zu bekommen.“, ich werde immer leiser: „Das ist auf jeden Fall, was ich versuche mir einzureden, dass mein Leben, einfach so wieder weitergehen kann.“ „Dein Leben wird nie mehr so wie vorher und dein Leben wird niemals einfach. Aber ich denke es lohnt sich trotzdem weiter zu machen, auch wenn es schmerzt.“, antwortet und sieht in den Himmel. „Es würde mir wie ein Flüchten vorkommen, wenn ich mich jetzt umbringen würde.“, stelle ich fest. „Es würde ihn verletzen, wenn er daran Schuld war, dass du stirbst.“, sagt Tsuyoshi. „Ja, wahrscheinlich.“, antworte ich und lächle. „Nein, ganz sicher.“, antwortet er. Wir gehen schweigend weiter. Wir stehen vor dem Friedhof, ich beginne zu zittern. „Vielleicht sollten wir Blumen kaufen gehen?“, frage ich Tsuyoshi. „Hast du genug Geld?“, fragt er mich. „Nein...“, ich habe mir neue Kleider kaufen müssen. „Dann müssen wir wohl mit leeren Händen gehen müssen.“, sagt er und greift nach meiner Hand. Ich drücke sie fest. Es ist tröstlich. „Weisst du noch, wo sein Grab liegt?“, frage ich ihn. „Ja. Ich der Weg dorthin hat sich in mein Gehirn eingebrannt.“, antwortet er und führt mich dorthin. Ich stehe vor einem schmucklosen Grabstein aus weissem Marmor. Eingraviert sind bloss seinen Namen und ein Abschiedssatz: „Hotaru hat Licht in das Leben aller Personen gebracht, die ihm wichtig waren.“ „Glühwürmchen.“, flüstere ich leise „Der Satz, sagt er die Wahrheit?“ „Ja, er passt genau.“, sage ich und lächle. „Für dich auch?“ „Er hat Licht in mein Leben gebracht, deins auch Tsuyoshi?“, sage ich und mir wird warm ums Herz. „Was ist mit mir?“, fragt Tsuyoshi. „Ob er nicht auch Licht in dein Leben gebracht hat.“, frage ich ihn erneut. „Natürlich, aber wie kommst du darauf?“, fragt er. „Du hast mich doch gefragt.“, antworte ich erstaunt. „Nein. Habe ich nicht.“, antwortet er. „Sei nicht so kindisch Tsuyoshi. Wer denn sonst? Es ist ja niemand hier.“, sage ich und sehe mich um. „Tut nicht so, als wäre ich nicht da.“, höre ich dieselbe Stimme wie vorhin. Diese Stimme, ich kenne diese Stimme. „Das kann nicht sein.“, keucht Tsuyoshi. „Das ich euch Mal friedlich nebeneinander sehe. Dafür musste wohl auch zuerst Jemand sterben.“, sagt die Stimme wieder. Mir kommen die Tränen, aber wenn Tsuyoshi es auch hört, kann es keine Illusion sein. „Hey Itoe, lange nicht gesehen.“, sagt die Stimme, die Stimme welche meinen Namen so sanft ausspricht, sie darf meinen Namen ausspricht. Ich sehe in die Richtung der verblühten Pflaumenbäume, unter einem steht ein Junge, ein grosser Junge. Vielleicht 15 Jahre alt. „Hotaru.“, flüstere ich. Warum? Warum tut mir mein Herz das an. Er wird wieder verschwinden, sobald ich meine Augen schliesse. Ich gehe einen Schritt auf ihn zu, ich strecke die Hand nach ihm aus. Und plötzlich wird mir schwarz vor Augen. „Ho-ta-ru.“, flüstere ich und meine Beine knicken unter mir weg. „Itoe!“, schreit Hotarus Stimme. Mein Unterbewusstsein hat seine Stimme perfekt gespeichert. Als ich meine Augen das nächste Mal aufschlagen, hält mich Tsuyoshi im Arm und sieht mich besorgt an. „Was ist passiert?“, frage ich schwach. „Gott sei Dank, ihr ist nichts passiert.“, sagt Jemand, aber Tsuyoshis Lippen bewegen sich nicht. Über mich beugt sich ein schönes Gesicht. Ich starre es an und ich merke wie sich meine Augen vor Schreck weiten. „Äh...“, sage ich und mir wird schon wieder schwarz vor Augen. „Du transparenter Idiot! Willst du sie schon wieder zu Tode erschrecken?“, sagt Tsuyoshi wütend und stösst seine Hand durch den Körper des schönen Jungen. Ich starre sie beide an und merke wie mein Körper wieder ganz schwach wird. „Wer ist hier der Idiot? Du bist der, der sie zu Tode erschreckt.“, sagt der schöne und ein wenig durchsichtige Junge. Aber ich werde nicht mehr in Ohnmacht fallen, viel zu sehr will ich bei diesem einen Idiot bleiben. „Ho-ta-ru.“, flüstere ich und merke wie sich mir eine Träne in mein Auge stiehlt. „Meine Itoe.“, flüstert er und beugt sich noch weiter über mich. „Du bist tot.“, sage ich sachlich: „Und wieso liege ich in seinen Armen?“, frage ich weiter und schaue auf Tsuyoshis Arme, die mich festhalten. „Das eine hat mit dem anderen zu tun.“, antwortet Hotaru: „Du hast doch gesehen wie Tsuyoshis Schlag durch mich durch ging, nicht wahr?“, fragt mich Hotaru. Ich nicke und versuche aufzustehen. „Lass das, ich bin zwar nicht glücklich darüber, dich in seinen Armen zu sehen, aber du bist noch zu schwach um aufzustehen.“, sagt Hotaru. Ich sehe ihn erstaunt an, er ist doch wohl nicht eifersüchtig. „Aber um zurück zum Thema zu kommen, ich habe keinen Körper. Ich bin bloss ein Geist. Ich kann nichts berühren, ich fasse durch alles hindurch.“, antwortet er und kommt mit der Hand ganz nah an meinem Gesicht ist, ich warte auf die Berührung, welche ich die letzen Monaten so vermisst habe, aber sie setzt aus. Stattdessen fühle ich einen warmen Schauer. Ich sehe auf die Stelle, Hotarus Hand verschwindet in mir. Meine Augen weiten sich. Er ist durchlässig und ich sehe das Sonnenlicht durch in durch scheinen. „Du bist ein Geist.“, stelle ich fest. „Itoe, es tut mir so unendlich leid. Das ich dir nichts gesagt habe. Ich hatte einfach solche Angst.“, flüstert Hotaru. „Es ist schon okay.“, sage ich und kann nicht verhindern, dass meine Stimme noch immer teilnahmslos klingt. Ich schlage mir die Hand vor den Mund. Hotaru, ich kann es ihm sagen, ich kann mit ihm reden. Wieso geht es mir noch nicht besser. „Itoe...“, flüstert er noch leiser. „Es tut mir leid, aber ich kann nichts dagegen tun. Ich bin schon so, seit du tot bist. Und jetzt ist alles so unwirklich, dass du wieder da bist. Wie ein Traum, aus dem ich nicht erwachen will.“, sage ich und schluchze schon wieder. Was wenn es nur ein Traum ist? Wird mein sowieso schon angeknackstes Herz, das überleben? „Es ist kein Traum, ich war noch nicht hier, als ihr das letzte Mal da war. Das tut mir so leid. Ich wollte dich beschützen, solange ich lebe. Ich wollte dich und dein Lächeln beschützen und jetzt bin ich der Grund, dass es verschwunden ist.“, antwortet Hotaru. Endlich lässt mich Tsuyoshi mich aufrichten. „Ich lass euch mal allein.“, sagt er und verschwindet lautlos. „Ich und Tsuyoshi, wir geben uns gegenseitig Halt. Aber ich denke, ich brauche ihn mehr, als er mich.“, sage ich leise. „Ich finde es schön, dass du und er sich so gut verstehen.“, sagt Hotaru und lächelt schwach: „Auch wenn ich eifersüchtig auf ihn, dass er dich berühren kann und ich nicht.“ „Du kannst dich nicht mit ihm vergleichen Hotaru. Er ist nicht du, er ist ein Freund, nicht mein Freund.“, sage ich und stehe jetzt um ihm direkt in die Augen sehen zu können. „Ich weiss, aber ich bin nun mal auf alle eifersüchtig, welche noch länger Zeit mit dir verbringen dürfen, als ich.“, antwortet er und seine Hand schwebt über meinem Kopf: „Du bist immer noch so klein, meine Itoe. Du siehst ganz anders aus, als damals.“ „Ich weiss, es tut mir leid“, antworte ich und senke meinen Blick. „Was tut dir leid?“, fragt er mich. „Das ich nicht mehr deine Itoe bin. Ich bin nicht mehr die gleiche, die ich war, als du noch gelebt hattest.“, ich erkenne mein Gesicht nicht im Spiegel... „Du bist nicht mehr meine Itoe? Was heisst das, hast du dich schon wieder verliebt? Warst du deshalb so geschockt?“, fragt er mich und seine Stimme klingt gekränkt. „Nein!“, sage ich erstaunt und sehe zu ihm herauf: „Aber ich erkenne mich selbst kaum. Ich bin nicht mehr die Itoe, die mit dir zusammen war. Ich kann meinen alten Namen nicht mehr hören. Ich bin nicht Itoe.“, sage ich und entferne mich ein zwei Schritte von ihm. „Was redest du denn da Itoe?“, fragt mich Hotaru und sieht mich verwirrt an: „Itoe bleibt Itoe, auch wenn du dich äusserlich und innerlich veränderst. Es ändert sich nichts daran, dass du ein liebenswertes und liebevolles Mädchen bist. Du hast keine Ahnung wie gern ich dir den Kopf anheben würde und dich zu küssen.“ „Ich will dich berühren.“, flüstere ich und mir laufen schon wieder die Tränen über die Wangen. „Bitte, ich will nicht dass du weinst.“, sagt er leise und seine Hand fährt durch die Stelle, an der ich weine. „Ich will nicht etwas tun, was du nicht willst dass ich das tue.“, flüstere ich und lege die Hand auf seine Brust, oder besser gesagt: ich bleibe kurz davor in der Luft stehen. „Dann hör auf so seltsame Sachen erzählen. Itoe ist Itoe, damit du das nie vergisst, auch wenn ich tot bin.“, sagt Hotaru und küsst mich, oder fast. „Itoe, der Friedhof schliesst bald, wir müssen gehen.“, höre ich Tsuyoshis Stimme. „Ich komme.“, sage ich: „Ähm, Hotaru das mag jetzt seltsam klingen, aber darf ich durch dich hindurch gehen?“ Er kichert leise: „Ja, das wäre sicher eine lustige Erfahrung.“ Ich atme einmal tief durch und gehe dann vollkommen durch ihn hindurch. Es ist warm, nicht so wie man es sich erzählt, keine kalten Schauer, sondern nur Wärme. Er ist pure Wärme. „Ich mag dich so gerne, meine Itoe.“, flüstert er leise und auf eine seltsame Art verletzt es mich tief in mir drin. Er hat mir nie gesagt, ob er mich liebt. Ich hab ihm nie gesagt, dass ich ihn liebe. Aber ich bin zu feige es zu sagen. „Ich mag dich auch so gerne, Hotaru.“, sage ich und es hört sich an wie eine Lüge. Ich drehe mich um und greife schon wieder nach Tsuyoshis Ärmel. Ich bin so feige. „Du hast es ihm nicht gesagt, oder?“, fragt mich Tsuyoshi, als wir den Friedhof verlassen. Ich schüttle den Kopf und schaue in den Himmel. „Und was ist, wenn er morgen nicht mehr da ist?“, fragt mich Tsuyoshi. „Ich hab mich damit abgefunden. Ich bin nicht mutig genug um den ersten Schritt zu machen.“, sage ich, spüre aber schon wieder, wie eine Träne über meine Wange rollt: „Ups.“, sage ich kindlich, aber dann beginne ich richtig zu weinen. „Sag es ruhig Tsuyoshi ich weiss es selbst auch.“, flüstere ich. „Du bist so ein Idiot.“, sagt er und nimmt mich in den Arm. „Ich weiss.“, antworte ich ihm. „Memo an mich selbst: Anscheinend kümmert sich die Seele des Junges um das Mädchens. Ich werde diese Entwicklung weiterhin beobachten.“ Kapitel 5: Ren -------------- Die Nacht. Ich liege wach. Die ganze Nacht, mache ich kein Auge zu. Meine Augen stehen die ganze Zeit offen. Mir läuft eine Träne über meine Wange, eine nach der anderen. Bin ich so traurig? „Guten Morgen Yami.“, begrüsst mich Kouhei, als ich mich auf meinen Platz setze. „Morgen.“, murmle ich und packe meine Sachen aus. „Deine Augen sind ganz rot.“, stellt Kouhei fest: „Und deine Wimpern sind verklebt, hast du geweint?“ „Wenn es dich etwas angehen würde, würde ich es dir vielleicht verraten, aber so.“, antworte ich und senke den Blick, es muss ja nicht jeder wissen, dass mir die ganze Nacht durch Tränen über die Wangen geperlt sind. Der Hass, welchen ich auf mich selbst verspüre, ist gewachsen und er wächst und wächst immer weiter. Wie Giftefeu, der immer weiter in die Höhe wächst und das ganze Sonnenlicht irgendwann verdunkelt. Irgendwann wird es kein Licht mehr in meinem Herzen geben. Warum ich es ihm nicht gesagt habe... Ich bin so ein Feigling. „Hey, Yami Schatz. Wie geht es dir denn heute?“, fragt mich Youko mit einem Lächeln auf den Lippen, welches aber gleich wieder verschwindet, als sie mir ins Gesicht sieht. „Anscheinend nicht besonders.“, gibt sie sich selbst die Antwort und setzt sich hin. „Nicht wirklich.“, sage ich sarkastisch und sehe wieder auf meinen Tisch. ‚Und was ist, wenn er morgen nicht mehr da ist?’, verfolgt mich Tsuyoshis Stimme. Ich bekomme sie nicht aus meinem Kopf. Ich habe solche Angst, meine einzige Chance verspielt zu haben. „Willst du nicht die erste Stunde blaumachen und in das Krankenzimmer gehen? Du siehst aus, als hättest du dringend ein wenig Schlaf nötig.“, schlägt Youko besorgt vor. „Schon gut.“, antworte ich und lege den Kopf auf das Pult: „Ich kann es mir nicht leisten zu schwänzen, ich bin nur durch sehr viel lernen, auf diese überdurchschnittliche Highschool gekommen. Und in Mathe bin ich besonders schlecht.“ „Aber du siehst wirklich nicht gut aus.“, murmelt Youko und macht sich daran die Hausaufgaben von ihrer anderen Banknachbarin abzuschreiben. Ich passe in Mathe so gut es geht auf, mein Blick verschwimmt immer wieder vor meinen Augen. Manchmal wird es mir auch schwarz vor den Augen. Als es zur nächsten Stunde klingelt stehe ich zu schnell auf. Alles dreht sich und sieht verzerrt aus, ich keuche, ich bekomme nicht mehr genug Luft. Ich versuche den drohenden Sturz abzufangen aber mein Bein knickst ab. „Itoe.“, höre ich die Stimme von Youko. „Es ist alles in Ordnung.“, keuche ich und suche nach Halt. Plötzlich fühle ich den Boden unter meinen Füssen nicht mehr. „Ich bringe sie ins Krankenzimmer.“, sagt Kouhei: „Bitte entschuldigt mich und vor allem Itoe bei dem Lehrer.“ „Ja, mach ich.“, höre ich Youko sagen: „Ich nehme ihre Schultasche mit, oder willst du sie nehmen?“ „Ich nehm sie.“, höre ich Kouhei plötzlich spüre ich sanfte Auf- und Abbewegungen. „Mein Name ist nicht Itoe, sie hiess so.“, flüstere ich leise. „Ich weiss, aber dein Körper reagiert am besten auf den Namen Itoe. Er ist es sich gewöhnt.“, antwortet Kouhei ruhig. „Ich bin nicht sie.“, flüstere ich noch leiser. „Aber du wirst schon wieder zu ihr werden, glaub mir.“, antwortet Kouhei immer noch so ruhig. „Verrätst du mir wie?“, frage ich immer noch flüsternd. „Nicht jetzt. Später.“, antwortet er, noch immer mit dieser viel zu ernsten Stimme, es erinnert mich an den ersten Tag hier, an diesen Blick. „Weshalb bist du überhaupt umgekippt?“, fragt mich wieder der alte Kouhei. „Vielleicht weil ich fast nicht geschlafen habe in letzter Zeit.“, rate ich. „Das wird es wahrscheinlich sein.“, sagt Kouhei und langsam sehe ich sein Gesicht wieder. „Oder weil ich fast nichts gegessen habe in letzter Zeit.“, stelle ich weitere Vermutungen auf. Kouhei sieht mich bestürzt an: „Was hast du denn mit dir angestellt?“ „Oder, weil ich zu viel Stress in der Schule und mit meinen Eltern habe.“, rätsle ich weiter. „Es ist ein Wunder, das du so lange durchgehalten hast.“, sagt Kouhei verblüfft. Ich zucke zusammen, ich erkenne diesen Satz und hasse ihn. „Hör auf von Wundern zu sprechen.“, sage ich leise. Ich wünschte Tsuyoshi wäre hier, schiesst es mir durch den Kopf. „Ich muss in die nächste Stunde. Ich sehe in der Pause nach die, ruh dich aus.“, sagt Kouhei und ich höre seine sich entfernende Schritte. Ich drehe mich auf den Rücken, ich bemerke erst jetzt, dass er auf ein Bett gelegt und zugedeckt hat. Ich lege mir beide Handrücken auf die Augen, sie kühlen meine Augen. Und verstecken die bitteren Tränen die ich weine. Ich hatte Recht, ich bin nicht Itoe. Aber wer bin ich dann? Ich bin so leer, wie eine Hülle ohne Inhalt. Vielleicht bin ich ja genau das, eine Hülle ohne Inhalt. Kouhei sagte er könnte mich wieder zu Itoe machen. Zu der Itoe, die ich früher war. Youko wird geschockt sein, wie wertlos ich bin, wenn ich wieder Itoe bin, denke ich und kichere leise. Ich erinnere mich wieder daran, was Hotaru gesagt hat. Itoe bleibt Itoe. Aber das ist nicht wahr, er hat mich nicht so erlebt wie alle anderen. Sogar Youko kennt mich besser als Hotaru, vielleicht kennt er Itoe, aber mich kennt er nicht. Aber er denkt wir sind ein und dieselbe. Ich kann schon wieder nicht schlafen. Ich wälze mich hin und her, aber es bringt nichts. „Hey.“, höre ich eine bekannte Stimme. Ich blicke auf und sehe in Tsuyoshis Gesicht. „Hey.“, antworte ich. „Du bist angeblich in Mathe umgekippt.“, sagt Tsuyoshi und setzt sich auf den Stuhl, welcher neben dem Bett steht. „Ja.“, antworte ich und drehe mich wieder um, als ich seinen durchdringenden Blick spüre. Er weiss schon lang, dass etwas nicht mit meinem Leben stimmt. „Wollen wir heute nachsehen, um zu beweisen, dass ich gelogen habe?“, fragt er mich ernst. „Was ist wenn du nicht gelogen hast, was wenn er weg ist?“, frage ich und drehe mich wieder um ihm in die Augen zu sehen. „Dann wüssten wir wenigstens beide die Antwort.“, sagt er und senk den Blick: „Ist es nicht besser Gewissheit zu haben?“ „Vielleicht.“, antworte ich und füge an: „Aber wenn man keine Gewissheit hat, kann man sich immer noch etwas vorlügen.“ „Willst du wirklich eine Lüge leben? Und was ist, wenn er tatsächlich noch da ist, wenn er nicht bloss ein Hirngespinst war? Was wenn er auf uns wartet?“, fragt Tsuyoshi mich und sieht mir fest in die Augen. „Wenn er auf uns wartet?“, frage ich schwach, ich will ihn nicht verletzen, niemals. „Lass uns heute noch einmal gehen und wenn er da ist, oder auch wenn er nicht da ist kannst du auch wieder essen und schlafen.“, sagt er und streichelt mir über den Kopf. „Woher...?“, frage ich erstaunt. „Kouhei ist ein Plappermaul, aber jetzt muss ich wieder gehen, bitte tu mir einen Gefallen und schlaf ein wenig.“, sagt Tsuyoshi und steht auf. „Als hätte ich Macht über den Schlaf.“, flüstere ich und drehe mich auf die Seite um nicht sehen zu müssen wie er geht. Ich will nicht, dass er geht, ich will nicht verlassen werden. Mein jetziges Ich mag Tsuyoshi viel lieber, als es Itoe getan hat. Soll ich mich selbst auch Yami nennen? Frage ich mich unwillkürlich. Bin ich Yami? Ich fühle mich so, als hätte ich keinen Namen verdient. Auch nicht Dunkelheit, aber ihn kann ich wenigstens tragen, ohne das Gefühl zu haben, irgendetwas zu haben, was ich nicht verdient habe. Itoe, die mit Liebe gesegnete, schon als Itoe noch sie selbst war, wollte sie nach seinem Tod ihren eigenen Namen nicht mehr tragen Für sie gab es keine Liebe mehr, nach seinem Tod. Aber vielleicht wird es ja für mich Liebe geben, wenn ich noch in diesem Körper bin, welcher eigentlich Itoe gehört. Aber sie ist weg, wohin auch immer und geblieben bin ich, zusammen mit ihren Erinnerungen und ihrem Schmerz. Aber was ist denn gegangen. Oder ist Itoe tatsächlich noch da? Bleibe ich immer Itoe, egal was passiert? So wie Hotaru es mir gesagt hat. Ich will Itoe sein. Der Gedanke kommt mir ganz plötzlich. Ich will nicht Yami sein, sondern die Itoe in die sich Hotaru verliebt hat. Aber ich kann den Namen Itoe nicht tragen, dafür dass ich in diesem Körper bin kann ich nichts, aber ich darf ihren Namen nicht auch noch klauen. Ich will nichts mehr denken ich will bloss noch schlafen. In meinem Traum erscheint eine grosse Frau, ihre Haut ist weiss wie Schnee und ihre Haare sind lang und schwarz. Irgendwie stimmen ihre Proportionen nicht so wirklich, ihr Hals ist zu lang und zu dünn und die Arme sind unter den Ärmeln ihres langen weissen Kleides verborgen. „Yuki Onna?“, höre ich mich selbst fragen. Die Frau lächelt, ihr Gesicht scheint ausgezehrt, aber ihr Lächeln ist warm. Sie streckt mir eine Hand entgegen, ich strecke ebenfalls den Arm aus, aber ich kann sie nicht berühren. Wie bei Hotaru. Die Frau lächelt erneut. Ich sehe erst jetzt, dass über ihr ganzes Gesicht feine Narben verlaufen. „Wer sind Sie?“, höre ich mich fragen. Ich erwache beim Klang meines Handys. Langsam öffne ich die Augen und sehe auf das Display, Tomomi steht da. Sie ruft mich an. Wie lange habe ich schon nichts mehr von ihr gehört. Ich nehme ab: „Hallo?“ „Hi, ich bin’s.“ Ihre Stimme klingt so vertraut. „Ich weiss.“, antworte ich und schlucke. „Wie geht es dir?“, fragt sie. „Nicht besonders, ich bin wohl krank, bin umgekippt in Mathe.“, antworte ich knapp. „Oh, gute Besserung. Ich habe gehört du hast dich ziemlich verändert.“, antwortet sie. „Du konntest es ja nicht sehn.“, antworte ich bissig. „Hey, es tut mir leid, okay? Aber du hast dich auch kein bisschen um unsere Freundschaft gekümmert.“, sagt sie wütend. „Du weisst genau wieso, oder? Du kannst es dir gar nicht vorstellen wie es für mich ist.“, antworte ich. „Nein, das kann ich wirklich nicht. Aber du hast dich auch vor Hotarus Tod nie gekümmert. Ich war dir egal.“, antwortet Tomomi und ihre Stimme klingt brüchig. „Tomomi mir tut es auch furchtbar leid. Ich war keine gute Freundin. Wir sollten uns treffen, für mich war es nicht leicht, auch vor... na ja du weisst schon. Aber ich kann das einfach nicht am Telefon besprechen.“ „Okay, wann kannst du?“, fragt Tomomi. „Morgen nach Schule hole ich dich ab.“, antworte ich. „Bis dann.“ „Ich freue mich.“ Sie hat aufgelegt. Es tut gut mit ihr zu reden, ich wollte ihr sowieso mal alles sagen. Sie war von klein auf meine beste Freundin und sie war immer liebevoll und wusste was in mir vorgeht. Genau wie ich sie verstanden habe. Wann hat sich das geändert? Erst nachdem ich mit Hotaru zusammen gekommen bin? Nicht schon vorher?
Ist nicht vorher schon irgendetwas vorgefallen. Aber was? Was hat mich so verändert, dass wir uns nicht mehr so nah waren wie früher. Ich habe keine Erinnerung daran. Aber vielleicht ist sie irgendwo tief in mir drin. „Sind sie Fräulein Kazumi?“, höre ich die Stimme einer Frau. „Ja.“, antworte ich schwach. „Ich bin die Schulkrankenschwester. Darf ich dich duzen?“, die Frau sieht jung aus, so um die fünfundzwanzig. „Natürlich.“, antworte ich fein lächelnd. „Du siehst wirklich nicht so aus, als würdest du schwänzen, ich dachte bloss, weil du schon so lang schläfst, aber dann wärst du ja kaum noch hier.“, sagt sie freundlich und setzt sich neben mein Bett. „Wieso noch hier?“, frage ich erstaunt. „Na ja, die Schule ist seit einer dreiviertel Stunde aus.“, sagt sie freundlich. „Was?!“, frage ich und springe auf, allerdings taumle ich und falle sofort zurück in mein Bett. „Langsam, du solltest nichts überstürzen.“, sagt die Schwester. „Es tut mir leid aber ich muss ganz dringend hier weg.“, sage ich und stürze wirklich nach draussen. „Hier nimm das noch mit.“, sie wirft mir einen Regenschirm zu: „Mein Name ist übrigens Kanon.“ „Danke Kanon.“, sage ich und renne aus dem Gebäude. Meine Augen suchen nach ihm, den Regenschirm habe ich schon aufgespannt, obwohl ich noch unter dem Vordach stehe. Der Regen strömt wolkenbruchartig herab und ich sehe kaum noch den Weg, der aus der Schule heraus führt, aber da unter dem Baum steht ein Schatten. „Tsuyoshi.“, rufe ich laut Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)