Resurrection, damnit! von LeS ================================================================================ Kapitel 14: Der Ausreißer ------------------------- Die folgenden Tage waren vergangen, ohne dass etwas Auffälliges geschehen war. Den Fragen nach dem Angreifer und ob Subaru schon etwas Neues herausgefunden hatte, wurde keine Beachtung geschenkt. Nicht mal zum Dank dafür, dass das Ritualgewand tatsächlich wieder mehr als nur porentief rein geworden war. Statt ihm zu antworten hatte Subaru die Flucht nach vorn ergriffen und ihn geküsst. Seishirou gewöhnte sich schneller an den ständigen Körperkontakt, als er sich an den Katzenkörper gewöhnt hatte. Sie schliefen jeden Tag miteinander und in den ersten paar Tagen verlor Seishirou das Zeitgefühl. Subaru kam nach Hause, schlief mit ihm, ging wieder, kehrte zurück, und schlief wieder mit ihm. Vielleicht musste Subaru nachholen, was er bisher verpasst hatte im Leben. Vielleicht mussten sie es beide. Seishirou betrachtete sich nachdenklich im Spiegel. Subaru hatte darauf bestanden, dass eine Katzenwäsche nicht ausreichte. Obwohl es Seishirou jedes Mal schauderte, wenn er sich unter die Dusche stellte, zog er es dennoch durch. Letzten Endes hatte er danach wenigstens das Gefühl, wirklich sauber zu sein, auch wenn das Wasser sich scheußlich auf den fellbesetzten Ohren und dem Schwanz anfühlte. Die Haut zwischen seinen Beinen war stark gerötet und geschwollen. Er grinst sein Spiegelbild kopfschüttelnd an. „Die Jugend von heute kennt weder Maß noch Anstand“, murmelte er und zog sich einen Kimono seiner Mutter über. Unterwäsche trug er keine – das vertrug sich mit seinem Schwanz nicht gut, wie er herausgefunden hatte. Da Subaru ihn nicht rauslassen wollte, und Subaru auf die Bitte, ihm dann doch wenigstens Unterwäsche zu kaufen peinlich berührt reagiert hatte, hatte Seishirou sich für den einfachsten Weg entschieden. Die Kimonos seiner Mutter passten ihm wie angegossen. Er machte sich auch nicht jedes Mal die Mühe, den Obi korrekt zu binden. Subaru schob ihm oft genug einfach den Stoff über die Hüften, wenn er heimkam und sie sich nach zwei kurzen Blicken plötzlich in der Horizontalen wieder fanden. Er öffnete das Kippfenster und verließ das Badezimmer. Zwar wusste er nicht genau, was Subaru heute arbeiten musste, aber die Ankündigung hatte „warte nicht auf mich mit dem Essen“ gehießen. Es würde also noch eine Weile dauern, bis sein Herrchen zurückkehrte… Seishirou ließ sich auf den Fenstersims sinken und starrte nach draußen. Immer noch war der Garten voller Schnee. Über Nacht war sogar noch mehr hinzugekommen. Das lag wohl weniger an der Jahreszeit als an der Beschaffenheit des Hauses, dachte er und lehnte die Stirn an die kühle Fensterscheibe. Noch immer hatte er keinen guten Plan, wie es weitergehen sollte. Subaru hatte ihm zum Nachdenken auch keine Zeit gelassen. Meist schlief Seishirou, solange Subaru weg war und erwachte, wenn er Essen roch oder merkte, dass ihn jemand entkleidete. Seltener war er früher aufgewacht. Dann hatte er sich um die Wäsche gekümmert. Den Rest besorgte das Haus ja letztendlich selbst: Essenreste auf Tellern und in Töpfen verschwanden kurioserweise nach ein paar Stunden. Seishiriou ahnte, was es damit auf sich hatte, war aber nie so sehr daran interessiert gewesen das Geheimnis ganz zu lüften. Und jetzt, mit der Gehirnkapazität einer Katze und der Unfähigkeit Magie zu wirken, hatte er dazu auch nicht mehr die nötigen Fähigkeiten. Er seufzte und fuhr die Krallen aus, kratzte über die Scheibe und sah zu, wie sich der Schaden von allein reparierte. Dieses Haus trieb ihn noch in den Wahnsinn. Einen klaren Gedanken zu fassen, wenn man nicht einmal an die frische Luft durfte, war für ein Tier scheinbar noch schlimmer als für einen Menschen. Aber auch darüber mit Subaru zu diskutieren lohnte nicht. Seishirou sah sich um. Ein Bücherregal stand in der Ecke. Es gab keinen Fernseher. Zwar eine Couch, ziemlich groß, und einen Couchtisch, auf dem eine Schale mit Süßigkeiten stand, von denen er immer mal wieder gerne naschte, aber Beschäftigung gab es keine. Nicht mal Mäuse oder Ratten, denen er hätte nachjagen können. Draußen hüpften bunte Vögel durch den Schnee. Sie stachen mit ihren grellen Farben wie Tintenkleckse auf weißem Papier heraus. Seishirou neigte den Kopf. Seine Ohren zuckten. Er befeuchtete die Lippen und linste zur Terrassentür. Subaru war nicht da. Er würde so schnell nicht zurückkehren. Niemand würde etwas mitbekommen. Das Schutzschild des Hauses war seit dem ersten Angriff aufgefrischt und Subaru achtsamer geworden. Seishirou erhob sich, legte die Hand auf die Klinke und drückte sie herunter. Eiskalte Luft peitschte in sein Gesicht. Er lächelte und schloss die Tür hinter sich. Es waren genug Menschen in dem Garten vergraben. Deren Einfluss musste nicht unbedingt ins Haus gelangen. Soviel Vorsichtsmaßnahmen waren gerade noch vertretbar. Hätte er seine Magie noch besessen, hätte er die Türe offen stehen lassen. Er setzte sich unter den blühenden Kirschbaum in den Schnee. Es dauerte nicht lange bis die bunten Vögel sich ihm näherten. Er zog die langen Ärmel über seine Hände um die Krallen zu verbergen. Er wollte sie nicht jagen. Blutspuren hätten ihn nur verraten. Die Rinde des Baums war warm. Das letzte Mal, als er die Essenz der begrabenen Seelen gespürt hatte, kurz bevor er zur Rainbow Bridge aufgebrochen war, waren sie in heller Aufregung gewesen. Nun schienen sie in einem sanften Rhythmus zu schweben. Einige schienen zu schlafen. Hokutos Essenz war deutlich vernehmbar. Eine Blüte fiel hinab. Er öffnete die Hand und fing sie auf. Sie war heller als die anderen, die noch an den Ästen hingen. Er strich mit dem Daumen über die Blütenblätter. Hokuto war wohl zufrieden damit, wie die Dinge nun liefen. Seishirou schnaubte, konnte sich aber ein Grinsen nicht verkneifen. Ja, das wunderte ihn nicht. Wäre sie noch am Leben, dachte er, würde ich mich jetzt wohl vor zu Catgirls passenden Verkleidungen kaum retten können. Er lachte leise und zerdrückte die Blüte in der Hand. Dann schloss er die Augen und horchte. Zunächst störte es ihn, dass die Vögel sich auf seiner Schulter und seinen Beinen niederließen – sein Jagdinstinkt hielt ihn dazu an, sie zu packen und zu zerreißen, doch er beherrschte sich – er fand aber schon nach kurzer Zeit zur Ruhe. Ja, Hokuto wäre entzückt gewesen. Womöglich auch etwas entsetzt, im rein positiven Sinne, dass ihr lieber Bruder eine ausgewachsene Libido besaß. Seishirou schmunzelte bei dem Gedanken, obwohl die Kälte sich langsam in seine Glieder und Knochen fraß. Selbst seine Schädeldecke schien zu frieren. Er schüttelte sich um sich aufzuwärmen. Ein heiseres Kreischen. Heißer, tiefer, ziehender Schmerz durchzuckte seine linke Schulter. Ein Vogel zwitscherte. Seishirou öffnete die Augen. Der Vogel fiel tot zu Boden. Aus seiner Schulter kam ein Schwall Blut. Er sog scharf den Atem ein und stützte sich mit dem unverletzten Arm ab. Als er sich umwandte, sah er ein kleines Wesen aus Ton mit sternförmigem Körper. Statt Augen hatte es eine einzige große Zunge. Statt Händen hatte es Klingen. Von diesen tropfte Blut. Seishirou wich zurück, versuchte auf die Beine zu kommen und fiel über eine Wurzel. Er fluchte und stierte den Eindringling an. „Wie schafft man es mehr als einmal in das Reich der Sakurazukamori einzudringen?“ Die kleine Figur streckte die Zunge heraus. Zähne wie von einem Hai wurden entblößten. Die Figur setzte zum Sprung an. Seishirou duckte sich, drehte den Kopf weg. Eine warme Magiewelle brodelte direkt vor ihm, traf ihn aber nicht. Er blinzelte und sah Subaru vor sich stehen. Die Figur zerbrach in viele tausend Scherben, die zu Staub wurden und sich schließlich in Luft auflösten. Ein Stück Papier blieb zurück. Bevor Seishirou einen Blick darauf werfen konnte, schnappte Subaru danach und stopfte es in seine Manteltasche. Dann drehte sich Subaru um. „Ich habe dir gesagt, du sollst das Haus nicht verlassen.“ Seishirou hätte einen gequälten, traurigen, mitleidigen Blick erwartet. Subaru sah mit Hass und Enttäuschung in den Augen zu ihm herab. Seishirou sank tiefer in den Schnee. Subaru packte ihn und zog ihn auf die Beine, schob ihn zurück ins Haus und knallte die Türe zu. Das Glas splitterte und regenerierte sich sofort wieder. Seishirou setzte sich auf den Heizkörper. Er hielt die Wunde. Vor Schmerz pochten Muskeln und Fleisch. Seine Nerven explodierten unter der Belastung. „Ich weiß, was du gesagt hast. Aber ich bin eine Katze. Ich brauche nun mal Auslauf.“ „Sieh dich an! Sieh nur, wie du aussiehst!“ Subaru deutete nicht etwa auf die verletzte Schulter, er zeigte auf den Boden, wo eine breite Blutspur Seishirous Weg markierte. „Ich hat in meinem Leben schon schlimmere Verletzungen. Einmal, da wurde mir ein Auge ausgestochen.“ „Halt den Mund.“ Subarus Kopf schien zu kochen. Adern standen an seiner Stirn hervor. Er war wütend. Er war ernsthaft wütend. Seishirou beobachtete ihn mit unverhohlener Bewunderung. Natürlich hatte er Subaru schon oft mit schlechter Laune erlebt, aber nie in dermaßen in Rage. Subaru wandte sich ab und ging ins Bad. Kurze Zeit später kehrte er mit Desinfektions- und Verbandsmaterial zurück. Er sprach kein Wort, während er Seishirou verarztete. Nicht mal, als Seishirou ihn darauf hinwies, dass er den Verband falsch anlegte. Obwohl er den guten Rat befolgte, was Seishirou mit hochgezogenen Augenbrauen quittierte. Erst als die Wunde vollständig versorgt war und Subaru die Utensilien beiseite gelegt hatte, schien er wieder seine Stimme zu finden. „Du wirst nie wieder dieses Haus verlassen.“ Seishirou seufzte. „Subaru-kun.“ „Gib mir deine Hände.“ Seishirou zog eine Augenbraue hoch. „Wozu?“ „Gib sie mir einfach.“ Subaru lächelte. Dann streckte er seine Hände aus. Seishirou versuchte noch, seine eigenen wegzuziehen, aber die Verletzung hatte ihn lahm gemacht. Er zuckte zusammen, als Subarus Finger sich um seine Handgelenke schlossen. Seine Augen weiteten sich, als ihm klar wurde, was Subaru aller Wahrscheinlichkeit nach vorhatte. „Nein“, flüsterte er. Dann, bestimmter, lauter: „Nein, Subaru-kun.“ Er lachte, fassungslos. Dann drehte er sich abrupt weg. Subarus Griff war beeindruckend eisern. Seishirou wand sich, versuchte das Stechen in seiner Schulter zu ignorieren. Er spürte, wie der Verband einnässte. Er fauchte, als Subaru ihn dicht an sich heranzog. Subaru hielt ihn mit einem um die Taille geschlungenen Arm fest. Die andere Hand lag flach über Seishirous. Seine Handrücken rissen auf. Er konnte es nicht sehen, aber er spürte den schneidenden Schmerz, der ihn für einen Moment sogar seine Schulter vergessen ließ. „Nein, Subaru. Nein.“ Er versuchte nach ihm zu treten, doch es war schon zu spät. Subaru nahm seine Hand zurück, legte jetzt auch den anderen Arm um Seishirous Taille. Subaru presste das Gesicht in Seishirous Nacken. Seishirou betrachtete zitternd die Pentagramme. „Was fällt dir eigentlich ein?“ Er schoss herum und starrte Subaru mit verengten Augen an. „In diesem Haus gibt es keine Handschuhe, außer die, die ich immer bei mir trage. Falls du also noch einmal versuchen solltest, das Haus zu verlassen, werde ich es sofort merken.“ Subaru ließ ihn los und stand auf. „Leg dich jetzt hin und ruh dich aus. Ich habe noch etwas zu erledigen.“ Seishirou schüttelte ungläubig den Kopf. Nur schwer konnte er sich von dem Anblick der glühenden Pentagramme lösen. „Bist du wahnsinnig geworden?“ „War das nicht genau deine Absicht?“ Subaru beugte sich noch einmal herunter und küsste ihn. Seishirou starrte ihn mit gerunzelter Stirn an. Dann verschwand Subaru in einem roten Blütenrausch. Seishirou blickte die leere Stelle an, wandte sich wieder den Pentagrammen zu und strich ihre Konturen nach. Subaru hatte genau die gleiche Technik angewandt, die er vor Jahren bei Subaru benutzt hatte. Subarus Magie mochte etwas reiner sein, aber das war daran auch schon der einzige Unterschied. Auf wackligen Beinen fand Seishirou ins Schlafzimmer. Er legte sich ins Bett, rollte sich zusammen, die Ohren angelegt, und zog die Decke über den Kopf. Im schwülen Dunkel leuchteten die Pentagramme auf. War das hier wirklich Teil seines großen Plans gewesen? Sein Plan hatte von Anfang an nicht so funktioniert, wie er sich das – wenigstens bewusst – ausgemalt hatte. War das nun der Preis, den er dafür zahlen musste? Er hatte den Tod durch Subarus Hand gewählt und anscheinend war dadurch kein bisschen seiner Schuld abgegolten. Er rieb sich die Stirn. Er musste schlafen. Die Müdigkeit saß ihm ebenso tief in den Knochen wie die Kälte und der Schmerz. Wenn sich Subaru tatsächlich soviel von ihm abgeguckt hatte, dann konnte er die Hoffnung begraben, jemals seine letzte, von seinen Ahnen gestellte Aufgabe erfolgreich auszuführen. Seine Augen brannten vor Erschöpfung. Er fiel in einen traumlosen Schlaf und ließ das Haus an seiner Wunde arbeiten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)