Fond Seasons von Lina_Kudo (Zärtliche Jahreszeiten (Seiya&Usagi)) ================================================================================ Kapitel 3: Fuyu Arashi - Wintersturm ------------------------------------ Kapitel 3: FUYU ARASHI Wintersturm Ich stehe vor dem Fenster in meinem Zimmer. Draußen tobt ein heftiger Schneesturm. Die herumwirbelnden Schneeflocken peitschen geräuschvoll gegen das Fenster. Ich schließe meine Augen und lehne meine Stirn gegen die inzwischen beschlagene Glasscheibe. Da draußen so ein gewaltiger Sturm herrscht, komme ich heute nicht mehr aus dem Haus. Und ich bin alleine. Shingo ist bei einem Freund und wird auch dort übernachten. Meine Eltern sind nach langer Zeit endlich mal wieder zusammen ausgegangen, aber das ist auch verständlich. Heute ist schließlich Weihnachten, das Fest der Liebenden. An welchem Tag im Jahr hätten sie sonst einmal ausgehen können, wenn nicht heute? Weihnachten. Das Fest der Liebe … Und meine Liebe nutzt diesen freien Tag, um zu Hause sämtliche Projekte für die Universität fertigzustellen. Zumindest meine offizielle Liebe. »Wenn ich dieses Semester beendet habe, dann haben wir wieder alle Zeit der Welt. Hab keine Angst: Es wird gewiss die Zeit kommen, in der wir wieder jede freie Minute zusammen verbringen können – schließlich steht die Zukunft doch schon sicher fest: Wir werden für immer zusammen sein.« Das hat er mir noch zum Trost gesagt, doch ich empfinde das nicht als Trost. Ich bin nicht wirklich traurig, nicht mit ihn zusammen sein zu dürfen. Ich vermisse seine Nähe und seine Gegenwart nicht. Sie fehlt mir einfach nicht. Ich brauche sie schlicht gesagt nicht. Ich begehre verbotenerweise die Anwesenheit eines anderen. Sehne mich nicht nach der Nähe meiner offiziellen Liebe, sondern nach der Nähe der wahren Liebe meines Herzens. Nach deiner Nähe. Doch du bist nicht hier. Du solltest an diesem Tag auch nicht hier sein. Das ist das Beste für uns alle. Aber warum vermisse ich dich dann trotzdem so entsetzlich? So soll es doch sein: Wenn ich nicht mit Mamoru diesen Tag der Liebenden verbringen kann, dann darf ich es mit keinem anderen feiern. Das ist das einzig Richtige. Doch … Warum fühle ich mich trotzdem so leer? So … ausgelaugt? Ein Klingeln reißt mich aus meinen Gedanken. Mein Herz klopft hörbar schneller. Ich weiß, wer sich hinter der Tür befindet. Es ist garantiert nicht Mamoru. Das spüre ich. Mein Körper reagiert immer ganz anders, wenn du in unmittelbarer Reichweite bist. Ich eile die Treppe zum Flur runter. Renne zur Haustür und schlage sie schwungvoll auf. Schweratmend luge ich mit großen Augen zu dir hoch. Du stehst vor mir. Mit einer kurzen, schwarzen Winterjacke. Dein pechschwarzes Haar ist vereinzelt von dicken weißen Schneeflocken bedeckt. Ein Anblick, der mich innerlich zerschmelzen lässt. Du siehst mich mit deinen Augen an. Sie sind trotz des kühlen tiefen Blaus so wunderbar warm. Allein mit deinem Blick erfüllst du mich mit unendlicher Wärme. Dadurch bemerke ich den kalten Luftzug nicht, der auch mich durch die offene Tür erreicht. »Darf ich rein, Schätzchen? Sonst erfrierst du noch, und das wollen wir ja nicht.« Erst jetzt bemerke ich, dass wir schon minutenlang schweigend an der Tür stehen. Und erst jetzt spüre ich auch die entgegenkommende Kälte. Etwas beschämt blicke ich zu Boden, nicke kurz und trete zur Seite. Lächelnd gehst du ins Haus hinein, ziehst deine Jacke aus und hängst sie an den Kleiderständer. Du trägst ein feuerrotes langärmliges Hemd und dazu eine passende lange schwarze Hose. Bist du dir überhaupt selbst bewusst, wie gut dir die Sachen stehen? Wie gut dir alles steht? Dass du dank deiner Ausstrahlung, deines Aussehens jedes noch so zerfetzte Kleidungsstück zu einem wahren Hingucker machst? Unverblümt beobachte ich dich bei jeder deiner Bewegungen. Sie erscheinen mir so wundervoll, elegant und … einfach nicht von dieser Welt. So göttlich … Selbst wenn du nur schläfst, könnte ich dich mein ganzes Leben lang nur anstarren, ohne dass mir dabei eine einzige Sekunde langweilig wird. Was bist du nur für ein wunderbares Wesen, das mich so verzaubert hat und mich nun dazu veranlasst, schon so zu denken wie ich es gerade tue? So … hingebungsvoll? Ach Seiya, was machst du nur mit mir? Ich biete dir nach einigen Momenten einen Tee an, schließlich will ich eine gute Gastgeberin für dich sein. Auch du sollst dich wohl fühlen. Du siehst mir tief in die Augen, nickst dann kurz. »Danke Schätzchen, sehr gerne. Soll ich dir vielleicht helfen?« Du schmunzelst mich verschmitzt an. Ich schüttele heftig den Kopf. »Nein, du musst natürlich nichts machen, schließlich bist du Gast. Das schaffe ich auch alleine!« Und schon eile ich in die Küche. Was machst du eigentlich hier? Du weißt doch ganz genau, dass Weihnachten nur Liebende gemeinsam verbringen, oder? Oder vielleicht ist gerade das der Grund, warum du hergekommen bist? Woher hast du überhaupt gewusst, dass Mamoru nicht bei mir ist? Viele Fragen schwirren mir währenddessen durch den Kopf, doch ich will sie dir nicht stellen. Ich will dieses schöne Gefühl nicht zerstören, seit du hier eingetroffen bist. Dieses Gefühl, das immer kommt, wenn du bei mir bist, und dann abrupt verschwindet, wenn du mich verlässt. Jedes Mal. Dieses wunderbar warme Gefühl der Geborgenheit, Wärme und … ja, Liebe. Immer wieder möchte ich es festhalten, nie auf dieses Gefühl verzichten müssen, doch … Ich muss. Mir bleibt gar keine andere Wahl. Ich muss dieses Gefühl bei Mamoru finden. Ich sollte. Aber ich tue es nicht. Ich finde das Gefühl von Geborgenheit und Schutz nur bei dir. Dieses Gefühl … von purem Glück. Nur bei dir. Mit einem großen Tablett gehe ich ins Wohnzimmer. Der süße Geruch von Plätzchen und Früchtetee erfüllt das gesamte Wohnzimmer. Du stehst mit dem Rücken zu mir, vor dem Fenster. Genau an der Stelle, wo ich vorhin gestanden bin. Leise stelle ich das Brett auf den Tisch und gehe mit Samtschritten auf dich zu. Nun stehen wir dort, Seite an Seite, und beobachten gemeinsam den Schneesturm, der immer wilder wird. »Heftiger Sturm. Aber mit dem Sturm in meinem Herzen kann er es nicht einmal annähernd aufnehmen.« Ich werde hellhörig, drehe mich zu dir und sehe dich mit großen überraschten Augen an. Du erwiderst meinen Blick nicht, starrst nur mit leeren Augen weiter aus dem Fenster. »Das Leben ist so ungerecht … Findest du nicht auch?« Endlich drehst du dich zu mir um und lächelst mich gequält an. Deine Lippen lächeln, doch deine Augen lächeln nicht mit. Sie zeigen mir, dass du traurig bist. Traurig und verzweifelt. Genau wie ich … Ich mache meinen Mund auf, doch es kommt kein Ton heraus. Meine Kehle ist inzwischen, ohne dass ich es gemerkt habe, staubtrocken geworden. »Er ist der glücklichste Mann der Welt, denn er hat dich. Trotzdem lässt er dich ständig alleine, selbst am Weihnachtsabend. Was würde ich alles tun, um an seiner Stelle sein zu können. Die Gewissheit zu haben, dass du ganz gewiss für immer bei mir bleiben wirst …« Du unterbrichst an dieser Stelle und schluckst. Erschüttert starre ich dich an. Es ist das erste Mal, dass du so direkt über Mamoru sprichst. Bisher haben wir dieses Thema ganz bewusst gemieden. Denn wir können das Schicksal ohnehin nicht ändern. Es hätte sowieso nichts gebracht außer Trauer und Tränen … Und wenigstens in unserer Zweisamkeit wollten wir einfach diese lästige Bestimmung vergessen. Nur die Anwesenheit des anderen genießen. Darüber haben wir nie offen geredet, aber unsere Herzen haben es stumm miteinander vereinbart. Ich traue mich kaum, dich anzusehen, doch ich kann nicht anders. Dein Blick fesselt mich und sagt mir, dass du es ernst meinst. Dass du wirklich alles Erdenkliche tun würdest, um an seiner Stelle sein zu können. »Bist du glücklich mit ihm?« Fassungslos reiße ich meine Augen ein weiteres Mal auf. Ich spüre die aufsteigenden Tränen. Versuche verzweifelt, sie runterzuschlucken. »S- Seiya … Bitte, bitte f- frag mich nicht so etwas …« »Schätzchen …« Du lachst kurz bitter auf. Siehst mir bis in den tiefsten Grund meiner Augen, meiner Seele. Dein Blick versetzt mir eine tiefe Wunde ins Herz. Sie strahlen pure Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit aus. Du hebst deinen Arm und nimmst einzelne meiner hellen Haarsträhnen in deine Hand. Lässt sie langsam durch deine Finger hindurchgleiten. Mit deinem eindringlichen Blick scheinst du mich schier zu durchbohren. »Schätzchen … Ich … Ich habe mich nur von dir ferngehalten, weil ich dachte, dass du mit mir niemals glücklich werden kannst. Doch ich sehe doch, dass du auch mit ihm alles andere als glücklich bist! Und das … kann ich nicht mehr länger ertragen.« Deine Stimme versagt dir am Ende. Dein Gesicht nähert sich mir … Mein Herz klopft wie verrückt, fast schon schmerzhaft gegen meine Rippen. Du wirst doch nicht …? Langsam legst du deine Stirn auf meine Halsbeuge. Warum? Warum Seiya? Warum machst du es mir so schwer? Warum machst du es uns so schwer? Meine Tränen beginnen vereinzelt zu fließen … Das Schicksal … Ist es das, was es immer gewollt hat? Dass zwei sich liebende Menschen so leiden müssen? Macht es ihm Spaß, uns so am Ende zu sehen? Dass wir in unserem Leben nichts mehr haben außer Leid, Kummer und Schmerz? Nur, weil das Schicksal so entschieden hat? Denkt es eigentlich auch an die Gefühle der anderen, bevor es seine Entscheidungen fällt? Du regst dich plötzlich. Schaust zu mir hoch. Deine dunklen tiefblauen Augen dringen in meinen Spiegel der Seele. Es überkommt uns beiden. Ganz vorsichtig näherst du dich meinen Lippen … Ich habe keine Chance, mich zu wehren. Und ich will es auch gar nicht. Ich schließe meine Augen und lasse es einfach geschehen, bis … Endlich. Endlich berühren sich unsere Lippen. Es ist einfach ein … unbeschreibliches Gefühl. Tausende von Schmetterlingen fliegen in meinem Bauch. Mein Herz schlägt hörbar gegen meinen Brustkorb. Ein Glücksgefühl, wie ich es bisher noch nie erlebt habe, durchströmt meinen gesamten Körper. Eine angenehme Gänsehaut durchfährt mich. Ein heißer und zugleich kalter Schauer, der meinen Rücken entlangläuft. Es ist die höchste Ekstase. In diesem Moment ist mir alles egal. Egal, dass ich mit Mamoru eine gemeinsame Zukunft habe. Gleichgültig, dass ich Seiya nicht lieben darf. Die Zeit ist für uns stehengeblieben. Nur wir beide existieren noch. In unserer ganz eigenen Welt, die wir selbst beinahe mühelos erschaffen haben. In unserem Paradies. Dort können wir glücklich sein. Wenigstens für einige Momente … Es ist viel mehr als nur ein einfacher Kuss. Er ist der Beweis unserer Liebe, die nie existieren darf. Doch … sie tut es. So widerwillig, wie sie ist. Dieser Kuss raubt mir den Atem. Im wahrsten Sinne des Wortes. Der Sturm in meinem Herzen wird immer heftiger … Nach schier unendlicher Zeit trennen sich unsere Lippen wieder. Noch ganz benommen sehen wir uns an. Können nicht wirklich glauben, was sich bis eben noch abgespielt hat. »V- Verzeih mir bitte …«, entschuldigst du dich kleinlaut und blickst mit geplagtem Blick zur Seite. Getroffen blicke ich zu Boden. Du … bereust es also, mich geküsst zu haben? Mir diesen Liebesbeweis geschenkt zu haben? Dann schielst du wieder zu mir. Tatsächlich … Es ist eindeutig Reue in deinen Augen herauszulesen. Ein weiterer Stich direkt in mein Herz. Mit etwas zittriger Hand streichst du mir über meine Wange. Über die Tränenspur, die schon leicht getrocknet ist. »Schätzchen … Ich weiß, dass ich dir und mir mit dieser Frage sehr viel zumute, aber bitte verstehe mich: Ich brauche einfach diese Gewissheit. Bitte beantworte mir nur diese eine Frage …« Du schließt kurz deine Augen, bevor du sie wieder öffnest und mich ernst ansiehst. »Liebst du mich?« Der Schock steht mir wie ins Gesicht geschrieben. Vor dieser Frage aus deinem Mund habe ich mich insgeheim am meisten gefürchtet in dieser Zeit. Bitte nicht … »S- Seiya, ich …« Der Kloß in meinem Hals wächst merklich. Ich stocke, weiche deinem Blick verzweifelt aus. Ich spüre deine Finger unter meinem Kinn, die meinen Kopf sanft zu dir drehen, so dass ich dir in die Augen sehen muss. »Antworte mir … bitte …«, flüsterst du fast schon flehend. Ich sehe, wie wichtig dir diese Antwort ist. Obwohl du tief in deinem Inneren doch weißt, dass diese Antwort nichts an unserer Lage ändern wird. Ich öffne leicht meine Lippen, schließe sie jedoch wieder zögerlich. »Schätzchen!« Dein eindringlicher Unterton ist eindeutig, lässt mich erschaudern. Ich kneife mir schmerzlich meine Augen zu, öffne sie wieder und sehe dir tief in die Augen. »Ja … Ja, das tue ich …« Dabei verlässt eine einzige Träne mein rechtes Auge. Du reagiert schnell und küsst sie mir liebevoll weg. Wehmütig lächelst du mich dann an. Streichst mir zärtlich über meinen Kopf. »Danke … Danke, dass du mir ehrlich geantwortet hast.« Instinktiv kralle ich mich in dein Hemd fest. Das hast du jetzt doch nicht wirklich ernst gemeint, oder? Seiya, wieso bedankst du dich für so etwas? Meine Antwort verändert rein gar nichts. Es macht alles nur schwerer, denn nun hast auch du diese bitterliche Gewissheit. Von nun an wird es nur noch unerträglicher werden, keineswegs einfacher. Plötzlich kramst du etwas aus deiner Hosentasche hervor. Eine längere dunkelblaue Schatulle kommt zum Vorschein. Sie glänzt edel und ist mit einer schönen weißen Schleife verpackt. Ich weite überrascht meine Augen, als du sie mir gibst. »Los, mach sie schon auf«, forderst du mich mit deiner sanften Stimme auf. Noch ganz benommen nehme ich das kleine Kästchen vorsichtig an mich, löse die weiße Schleife und öffne die Schatulle zaghaft. Schockiert starre ich die wunderschöne weißgoldene Kette an, die mir entgegenstrahlt. Besonders der rosa-pinke Rosenanhänger, der mir mit all seiner Pracht entgegenfunkelt, verzaubert mich sofort. Die Kette ist … wunderschön. »A- Aber Seiya …« Ich schaue bestürzt zu dir hoch. »D- Das kann ich doch nicht annehmen …« Du blickst mir eine Weile wortlos in die Augen. Nimmst die Schatulle mit der Kette wieder an dich. Packst sanft meine Schultern und drehst mich von dir weg. Liebevoll legst du mir die Kette an. Mein Herz kommt auch Minuten nach unserem Kuss nicht mehr zu seinem normalen Rhythmus zurück. Erst recht nicht, als sich deine Lippen zärtlich meinem linken Ohr nähern. »Sie soll dich immer an meine folgenden Worte erinnern: Egal was passiert … Egal wie du dich entscheiden wirst … Ob du mich nun als Freund, als Geliebter oder gar nicht willst … Ich werde jede Entscheidung akzeptieren und hinter dir stehen. Aber insgeheim … werde ich auf den Tag warten und hoffen. Auf den Tag, an dem wir beide Seite an Seite unserer gemeinsamen Zukunft zuversichtlich entgegenblicken können. Egal wie irreal und hirnrissig das auch klingt: Ich werde auf diesen Tag warten. Ich werde auf dich warten …« Bestürzt drehe ich mich nach deinem Versprechen zu dir um. Lehne meine Stirn melancholisch gegen deine. Unsere Finger verschränken sich ineinander, geben uns Halt. Der Schneesturm draußen hat sich inzwischen gelegt, doch das bekommen wir kaum noch mit, denn … Unser Sturm tobt weiter. Es gibt keinerlei Anzeichen, ob er sich jemals legen wird. Ob wir irgendwann endlich unseren inneren Frieden finden werden … Gemeinsam. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)