Barbarossas Bart von Papenstiehl (Eine kuriose Geschichte mit Magik) ================================================================================ Kapitel 2: Rotbart ------------------ Leo lernt viel Neues, aber einiges davon kommt ihm seltsam vor. Auch der Doktor merkt, das etwas nicht stimmt... ------------ Die nächsten Stunden verbrachten sie mit lernen. Und Essen. Essen war das Beste, was Leo Lecter bisher passiert war. Kurz nachdem Sie einen Namen für ihn gefunden hatten, rief der Doktor ‚Schwester Rosi’, eine Frau. Das erkannte Leo, auch ohne dass man es ihm sagen musste. Zu den Begriffen ‚Arzt’ und „Schwester“ formte sich das Bild eines weißen Kittels vor ihm. Doch weder Papenstiehl noch Rosi trugen einen solchen. Papenstiehl hatte einen grünen hm…Pullover an, Schwester Rosi ein rotes hm…Hemd. Rosi hatte Ihre langen, rotbraunen Haare zu einem Zopf gebunden und grinste Leo an. Sie war etwa doppelt so breit wie der Doktor und fast nur halb so groß. Seinen selbst gefundenen Namen „Leo Lecter“ bedachte Sie mit einem „ungewöhnlich, aber schön“. Auf die Frage nach seinem Alter schätzen Rosi und der Doktor ihn auf vermutlich um die 20. Dann gab es Essen und es war eine Sensation! Dieses Wort fiel ihm ein, als er die ersten Bissen nahm. Nicht alle Wörter vielen ihm auf Anhieb ein. Manche versteckten sich in dunklen Nischen und Ecken, waren schwer zu erkennen und noch schwerer dazu zu bewegen ans Licht zu kommen. Aber dieses hatte sich ihm geradezu aufgedrängt. Rosi nannte das Essen ‚Kartoffelbrei mit Erbsen und Soße’. Für Leo war es das Beste, was er je gegessen hatte (natürlich war es bisher auch das Einzige, abgesehen von dem Stück Schokolade vorher). Jeder einzelne Bissen zerging auf Leos Zunge in einer tausendfachen Vielfalt von Geschmäckern und mit jedem Bissen kamen neue Eindrücke und Erinnerungen an Speisen, Gewürze und Geschmacksrichtungen. Es war ein wahres Fest. Nur persönliche Erinnerungen kamen nach wie vor keine. Nur Wörter, Bilder und Zusammenhänge zu Allgemeinwissen. Doch Leo spürte etwas in sich. Das Wort dafür war hm…Hoffnung. Leo hoffte darauf, sich bald an etwas mehr als nur unpersönliche Wörter erinnern zu können. An sein Leben und alles was damit zu tun hatte. An die Menschen, die darin vorkamen. Und an die Dinge, die er erlebt hatte. Ob die Erinnerungen daran langsam mit der vergehenden Zeit hereingeplätschert kommen würden, so als öffne sich ein kleiner Spalt? Oder würde ihm das ‚Alte’ auf einen Schlag wieder einfallen, würde er andersherum er durch einen Spalt ins Meer der Erinnerungen fallen? Wäre der Verband nicht gewesen, er hätte sich kräftig gegen den Kopf gehauen, nur um zu probieren, ob das etwas nutzte. Vermutlich nicht. „Wann kann ich mich wieder erinnern?“ fragte er den Doktor, der während Leo mit Essen beschäftigt gewesen war, mindestens drei Zigaretten geraucht, dabei aus dem Fenster gestarrt und sich durch diverse Papiere geblättert hatte. Papenstiehl drehte sich zu Leo um und presste die nächsten Wörter aus seinem Mund, während er gleichzeitig tief ein- und ausatmete: „Tja…wir wissen nicht wer… ähm… oder was die Amnesie – Ihren Gedächtnisverlust – verursacht hat. So lange das nicht geklärt ist, lässt sich nur schwer abschätzen… hm… wie hm... lange es dauern wird, bis...“ Er stoppte, als er Leos Gesichtsausdruck sah, der offensichtlich alles andere als freudig war und fügte schnell dazu: „…bis wir mehr wissen.“ Dann lächelte er. „Aber ich bin mir sicher, das wird schon. Sie sind ein gesunder junger Mann Leo und Sie werden sicher bald genesen. Vielleicht in äh… zwei oder drei Wochen, vielleicht auch in äh… einem… äh… oder zwei Monat, oder… hm… hm…“ Papenstiehl schien noch etwas sagen zu wollen, sah abwesend aus dem Fenster und überlegte es sich anders: „in jedem Fall müssen wir erst herausfinden, was genau es verursacht hat. So lange ist es das Beste, wenn Sie so viel wie möglich lernen, um sich zu erinnern.“ Er wich Leos Blick aus und fixierte etwas neben dem Bett. Leo wollte weiter nachfragen, doch in dem Moment kam Schwester Rosi herein und erstickte seinen Versuch etwas zu sagen mit ihrer schnellen und zackigen Art zu reden im Keim: „Sie sind schon fertig mit dem Essen? Kein Wunder so gut wie es Ihnen geschmeckt hat. Mir würde es auch hervorragend schmecken, wenn ich noch nie etwas anderes gegessen hätte. Warten Sie ab, bis sie mal etwas richtig Gutes probieren!“ Sie verdrehte die Augen nach oben. „Obsttorte! Einfach Göttlich. Aber ich hab auch noch etwas für Sie. Hier bitte:“ Sie nahm Leo die leeren Teller ab und klatschte ihm ein Trinkbehältnis auf sein Tablett. Er kam nicht umhin, Rosis Drängen nachzugeben und sofort von dem dampfenden Getränk zu kosten, welches sie ‚Kümmelkaffee’ nannte und dessen Geschmack ihm bereits in Form eines starken Geruchs aus der Tasse vorauseilte. Die heiße Flüssigkeit entfachte abermals ein Feuerwerk des herrlich aromatischen Geschmacks auf seinem Gaumen. Diesmal jedoch löste es in seinem Kopf etwas anderes aus, als das Essen vorher. Er konnte sich zwar an Kümmel und Kaffee im Einzelnen erinnern, doch die Kombination von Beidem war komplett neu für ihn. Bisher hatte er sich bei allem Neuen daran erinnert, dass er es früher bereits einmal gekannt hatte: entsprechende Bilder, Wörter, Bedeutungen und Eindrücke erschienen in seinen Gedanken. Aber Etwas das er anscheinend auch vorher noch nicht gekannt hatte, löste keine Erinnerungen und Assoziationen in ihm aus, war also quasi doppelt neu. Wie der Kümmelkaffee. Solche Dinge nannte Leo von nun an ‚Neu-Neu’. Während er den leckeren Kümmelkaffee trank und darüber sinnierte, was Neu und Neu-Neu zu bedeuten hatten, ging zuerst Rosi und kurz darauf auch der Doktor mit einem „bin gleich wieder da“ aus dem Raum. Leo war nun zum ersten Mal alleine. Sein Blick wanderte durch das Zimmer und viel auf die Zeitung des Doktors, die neben dem Bett am Boden lag. Darauf stand in Großbuchstaben: BITTERE NIEDERLAGE! FANS FORDERN RÜCKTRITT, NATIONALTRAINER SUCHT ENTSCHULDIGUNGEN: “Wir haben in der zweiten Hälfte einfach nicht mehr ins Spiel gefunden, der Gegner hat uns keinen Raum gelassen.“ Daneben abgebildet war das Bild eines Mannes mit weit aufgerissenem Mund, der offenbar aus Leibeskräften schrie. Mehr Text konnte Leo nicht lesen, denn die Zeitung lag in einiger Entfernung und der Rest war zu klein gedruckt. Was waren wohl diese Entschuldigungen und wo konnte der Trainer sie finden? Leo dachte angestrengt nach. Einen kurzen Moment lang sah es aus, als würden sich die Buchstaben auf der Zeitung bewegen, hin und her rutschen. Aber wie sollte das möglich sein? Oder erinnerte er sich bloß nicht daran, dass so etwas möglich war? Wahrscheinlich musste er sich einfach erst von dem Schlag auf den Kopf erholen. Der Doktor kam wieder. In seinen Armen trug er eine Kiste voll mit unterschiedlichen Dingen. Er stellte Sie ab, fischte ein Blatt Papier heraus und trug fein säuberlich L-E-O L-E-C-T-E-R in eine Zeile darauf ein. Der Anblick irritierte Leo. Er wusste nicht so recht, was er von ‚seinem’ Namen in geschriebener Form halten sollte. „Sooo, noch meine Unterschrift drauf und dann hätten wir das größte Übel schon erledigt.“ murmelte Papenstiehl mit halb geschlossenen Lippen und die frische Zigarette dazwischen bewegte sich synchron dazu mit. Dann tippte er das Blatt im unteren Teil kurz mit seinem Stift an, um es sofort zusammenzufalten und in seiner Hosentasche verschwinden zu lassen. Leo war verwundet. Ging eine Unterschrift nicht anders? Aber was wusste er schon… Bevor er nachfragen konnte, hielt ihm der Doktor einen quadratischen gelben Zettel und einen Stift unter die Nase. "Erkennen Sie das?" "Ja, man kann damit schreiben." "Sehr gut. Aber ich meine etwas anderes. Passen Sie auf." Mit einem Tipper hielt Papenstiehl den Stift genau in die Mitte des Papiers. Zuerst entstand nur ein Punkt, der immer größer und größer wurde, je mehr sich die Tinte ins Papier sog. Doch dabei blieb es nicht: zwar verweilte die Spitze des Stifts in der Hand des Doktors weiter in der Mitte des Zettels, doch der Punkt begann sich immer weiter auszudehnen, wurde immer größer - weit größer als die kleine Spitze des Stiftes eigentlich verursachen hätte können - und schließlich wuchsen feine Linien aus dem Punkt in der Mitte heraus, ohne das der Stift sich dabei bewegte. Die Linien zogen selbstständig über das ganze Papier, schlängelten sich wie dünne Fäden hin und her, übereinander und quer durcheinander, bildeten Muster und Formen, tanzten auf dem Papier. Stück für Stück entstand ein immer klarer werdendes Bild. Die Linien kamen langsam zur Ruhe, immer mehr von ihnen blieben an ihrer momentanen Position liegen. Leo erkannte schließlich was sie darstellten: eine Blume. Genauer gesagt eine hm…Blüte. Genau in diesem Moment als Leo es erkannte, zog der Doktor den Stift zurück und das Gebilde aus Linien und Formen erstarrte völlig. Nichts bewegte sich mehr, die geschwungenen Linien und Striche blieben alle dort, wo sie gerade waren. Das Bild war fertig. "Hervorragend. Das ist mir gut gelungen, nicht wahr, Leo?“ Papenstiehl wartete nicht auf eine Antwort. „Wissen Sie nun, was das ist? Und ich meine damit nicht die Ochsenblume hier auf dem Bild." Leo schüttelte den Kopf mit offenem Mund und weit geöffneten Augen, die auf das Bild der Blume gerichtet waren. Seine Finger fuhren über die Zeichnung, versuchten die Linien zu verwischen oder zu verschieben. Doch sie ließen sich nicht verändern, blieben so, wie sie waren. "Was ist das?“ "Es ist ein Denkzettel. Sie denken an etwas und es erscheint als Bild auf dem Zettel. Die Linien formen sich aus Ihren Gedanken, es sind sozusagen Gedankenlinien. Man benutzt es um sich an Dinge zu erinnern. Damit man sie nicht vergisst. Aber man kann es auch einfach nur zum Spaß machen." Papenstiehl grinste. "Probieren Sie es!" Noch bevor der Doktor zu Ende gesprochen hatte, griff Leo bereits nach dem Stift und ließ sich ein neues Stück Papier in die Hand drücken. "Eventuell fällt es Ihnen schwer, an etwas Konkretes zu denken, da Sie noch nicht viel kennen. Aber vielleicht lässt sich etwas Unterbewusstes hervorlocken. Lassen Sie die Gedanken einfach..." Papenstiehl machte eine weite Handbewegung und hatte plötzlich wieder eine Zigarette in der Hand, "...fließen." Sachte berührte Leo mit dem Stift das Papier. Ein Punkt entstand und wuchs langsam in die Größe. Er dachte an nichts Bestimmtes, blickte nur auf den Denkzettel. Nach kurzer Zeit sprossen bereits die ersten Linien aus dem Punkt heraus, schlenkerten wie Fahnen im Wind ziellos auf und ab, als suchten sie nach einem Muster. Es kamen immer mehr Linien hinzu, die nach Halt suchend hin und her trieben, ohne konkrete Formen zu bilden. Als der Zettel fast vollständig mit Ihnen ausgefüllt war, berührte der Doktor Leos Hand. "Das reicht." Die Linien kamen abrupt zum Stillstand. Es sah aus wie eine Sonne mit wild durcheinander rankenden Strahlen. Papenstiehl nickte, während er Leos Denkzettel betrachtete: "Gut." "Was hat das zu bedeuten?" Leo drehte den Zettel hin und her, konnte jedoch nicht viel mit dem Bild anfangen. "Das, was ich vermutet hatte". Der Doktor nahm einen tiefen Zug von der Zigarette und blies den Rauch Richtung Decke. "Ihr Unterbewusstsein kann keinen konkreten Gedanken formen, da Sie nichts haben, woran Sie sich erinnern können.“ Asche rieselte von der Kippe zum Boden. "Es wird eine Weile dauern, bis Sie sich wieder an etwas Persönliches erinnern können." Der Doktor verwischte die Asche am Boden mit seinem Schuh. "Bis dahin sollten Sie die Zeit damit verbringen, möglichst viel zu lernen, um sich wieder erinnern zu können." Lernen… Leo blickte in den Tunnel. Dunkelheit blickte zurück. So viel Raum war noch schwarz. Es gab noch so viel mit neuen Erinnerungen zu füllen und die Schwärze zu füllen fühlte sich gut an. Die Neuen Dinge fühlten sich gut an (vor Allem das Essen). "Gut." sagte Leo. "Gut. Gut ist sehr gut. Das ist die richtige Einstellung.", nickte ihm Papenstiehl zu, "umso mehr Sie Neues lernen, desto schneller werden Sie sich erinnern können." "An den Denkzettel kann ich mich aber immer noch nicht erinnern. Ich erinnere mich kein bisschen daran, nicht einmal eine vage Vorstellung ist da, oder im Entferntesten etwas Ähnliches." Leo überlegte. Der Zettel gehörte definitiv in die Kategorie Neu-Neu, zum Kümmelkaffee. "Die anderen Sachen, zum Beispiel die Kleidungsstücke oder die Möbel, habe ich gleich erkannt, mir sind nur die Namen dazu nicht sofort eingefallen. Bei dem Zettel kann ich mich aber an gar nichts erinnern. Es kommt mir vor, als hätte ich so etwas noch nie gesehen." "Hm…“ Der Doktor kratzte sich am Kinn, wirkte abwesend. „Mooment…“ Aus der Kiste kramte er ein Buch hervor. Auf dem Einband prangte das Bild eines alten Mannes mit einem roten Bart, der so intensiv rot leuchtete, als würde er in Flammen stehen. „Wer ist das, Leo?“ „Ein alter Mann mit rotem Bart?“ sah er den Doktor fragend an. Mehr viel ihm dazu nicht ein, kein Name erschien vor seinem inneren Auge und auch kein Bild. „Hm.“ kratzte sich der Doktor an der Stirn. „Ihnen fällt wirklich nichts dazu ein? Gar… nichts??“ „Nein. Gar nichts. Keine Ahnung wer das sein soll.“ „Ok. Moment…“ Nach kurzem überlegen schnappte sich der Doktor die Zeitung und blätterte hastig darin hin und her, bis er gefunden hatte, was er suchte. „Da! Wer ist das?“ Er zeigte auf ein Schwarz-Weiß-Bild, welches einen jungen Mann mit gelockten dunklen Haaren und einem Fußballtrikot zeigte, ähnlich dem, das Leo hatte und auf dem Leopold Lechmann stand, nur das dieses hier die Nummer 8 statt der 11 hatte. Irgendwoher schien Leo das Gesicht zu kennen. Er sah sich in dem Tunnel seiner Gedanken um, lugte hinter bereits vorhandene Dinge und in dunkle Ecken, auf der Suche nach einem Namen. Doch es kam keiner. „Ich erkenne ihn, ich habe ihn schon mal gesehen, da bin ich mir ganz sicher. Aber mir fällt kein Name ein.“ „OK.“ Der Doktor atmete tief aus. Wieder holte er das Buch mit dem rotbärtigen Alten darauf hervor: „Er kommt Ihnen nicht bekannt vor. Kein klitzekleines bisschen?“ Leo überlegte noch einmal kurz, doch es war zwecklos. Nur Schwärze war da. „Nein, kein bisschen. Ich müsste lügen, wenn ich ja sagen würde.“ „Ist schon gut. Ich weiß Ihre Ehrlichkeit zu schätzen. Warten Sie bitte kurz.“ Innerhalb weniger Sekunden war der Doktor aus dem Raum verschwunden und seine Schritte entfernten sich schnell von der Türe. Was hatte das zu bedeuten? Leo wusste es nicht, er hatte keine Erfahrung, mit der er die Situation vergleichen konnte. Während er zur Tür sah, durch die der Doktor verschwunden war, fiel sein Blick wieder auf die Zeitung. Er stutze. Dort stand in großen Lettern: ENDLICH! NATIONALTRAINER GAB SOEBEN SEINEN RÜCKTRITT BEKANNT. In einer dringenden Pressekonferenz gab der unter Druck geratene Trainer der Nationalmannschaft bekannt, dass er ab sofort nicht mehr zur Verfügung steht. Daneben das Bild eines schreienden Mannes. Hatte er vorhin nicht etwas anderes gelesen? Wurde vorhin nicht gerade erst nach dem Rücktritt des Trainers verlangt? Aber die Zeitung lag mit der Titelseite nach oben. Mit der gleichen Titelseite, wie vorher, als er zum Ersten Mal darauf geblickt hatte. Oder hatte sein Gedächtnis hm…Fehler? Vielleicht war die Verletzung an seinem Kopf schlimmer als angenommen. Statt sich weitere Gedanken darüber zu machen, die ihn nur tiefer in die Schwärze des Tunnels führten, wollte Leo lieber etwas Neues lernen, um die Schwärze mit Sinn zu füllen, bis der Doktor zurück kam. Er brauchte sich nicht lange umsehen: das Buch mit dem Bild des rotbärtigen Mannes darauf lag direkt neben ihm. Neugierig auf dessen Inhalt schlug er die schweren Seiten auf, die mit großen Buchstaben und großen bunten Bildern gefüllt waren. Offenbar handelte es sich um ein Buch für Kinder. Zwar verstand er vieles nicht von dem was da stand, aber er war begierig darauf, so viel Neues wie möglich zu lernen. Wahllos begann er mittendrin zu lesen: ’…Und so stellte sich die Allianz ihrer größten Herausforderung: der Schlacht im Tal der Stürme. Die verräterischen Kontermagier befanden sich in ihrem Rücken und die gefürchteten Soldaten der Moffen mit ihrer gewaltigen Streitmacht direkt vor ihnen. Die Soldaten der Moffen hatten sich aus allen Teilen des Reiches gesammelt, um die Kräfte der anderen Welt ein für allemal zu vernichten. Sie hatten die schrecklichsten Waffen geschmiedet die man kannte und die verdorbensten Söldner angeheuert, die sich für Geld kaufen ließen. Im Tal der Stürme sollte es zur großen finalen Schlacht kommen, die das Schicksal der anderen Welt für immer bestimmt hat. Die Befehlshaber der Armee des Feuers berieten sich und beschlossen, zuerst die Moffen anzugreifen, um den Attacken der Kontermagier zu entgehen. Doch ER stellte sich gegen diese Entscheidung. In der Vergangenheit hatte er seinen scharfen Verstand bereits mehrmals eingesetzt, um die Pläne seiner Feinde zu durchschauen. Und auch diesmal war ER überzeugt, dass die Kontermagier einen hinterhältigen Angriff planten, mit dem sie die Armee des Feuers überrumpeln wollten, sobald sie sich im Kampf mit den Moffen befanden. Durch den Einsatz der sagenumwobenen und gefürchteten ‚Todesmaschine’, die angeblich 1.000 Mann mit einem Schlag vernichten konnte, wären die Kontermagier in der Lage, beide Armeen auf einmal zu zerschlagen. Die anderen Anführer waren jedoch skeptisch. Sie glaubten nicht an die Existenz der Maschine und verlangten einen Beweis. ~ Im nächsten Kapitel erfahrt ihr, wessen Blut fließt und wie ER an seinen allseits bekannten Namen kommt…“ Leo wollte umblättern um weiter zu lesen und zu erfahren wer ‚er’ war, doch von draußen erklangen Stimmen, die näher kamen. Als er hochblickte, kam der Doktor gerade wieder in den Raum. Auf Papenstiehl’s Stirn hatte sich eine dünne, klare Flüssigkeit gebildet, hm…Schweiß und seine dicken langen Haare waren noch stärker durcheinander wie zuvor. Hatte das etwas zu bedeuten? „Was ist los Doktor? Stimmt etwas nicht?“ „Ja - äh nein.“ die Stimme des Doktors klang unruhig und holprig, als hätte er seinen Mund nicht unter Kontrolle und er schüttelte seinen Kopf „Alles in Ordnung.“ Selbst um die Kippe auf dem Tisch kümmerte Papenstiehl sich nicht mehr, er bedachte sie keines Blickes, während sie stetig vor sich hin qualmte. Ihr Rauch reizte Leo wieder in der Nase, doch diesmal war es ausschließlich unangenehm. Papenstiehl holte zwei Gegenstände hervor. In der einen Hand hielt er etwas längliches so fest umklammert, das Leo seine Knöchel weiß hervortreten sah, den Gegenstand aber nicht erkennen konnte. In der anderen hielt er eine hm…Brille, die jedoch viel zu groß war für das, was Leo mit dem Wort ‚Brille’ verband. Mindestens doppelt so groß, wenn nicht sogar noch mehr. Zudem konnte man nicht hindurch sehen – zumindest von Leos Seite aus nicht – denn die Gläser waren komplett schwarz. Mit einer Hand fummelnd setzte der Doktor die Brille auf, ignorierte das sie völlig schief saß und drehte mit seinen Fingern an ihrer Seite an irgendetwas herum. Leo musste lachen, denn als Papenstiehl mit der schief sitzenden, schwarzen, übergroßen Brille seinen Kopf immer näher an Leos Kopf heranbewegte, aber gleichzeitig versuchte, mit seinem Körper Abstand zu ihm zu bewahren, resultiert dies darin, dass er sich viel zu weit vorbeugte und hastig auf dem Bett abstützen musste, wobei er unverständliche Flüche ausstieß. „Was wird das Doktor, soll ich erraten was das ist?“ Schließlich nahm Papenstiehl die Brille ab. „Ähm…“. Er schluckte. „Was ist? Was haben sie gesehen? Ist alles in Ordnung mit mir?“ Leos gutes Gefühl bei der Sache verschwand allmählich. Die Haut des Doktors war eigenartig weiß geworden. Blass nannte man es. „Machen Sie sich keine Sorgen.“ Papenstiehl sah ihn nicht an beim sprechen. „Das wird schon wieder. Halten Sie mal.“ Er drückte Leo die große Brille in die Hände und zitterte dabei leicht. „Wir nehmen eine komplexe Untersuchung vor. Um Ihnen zu helfen. Nichts Schlimmes. Nein, nichts Schlimmes. Es ist ganz schnell erledigt, machen Sie sich keine Gedanken darüber.“ Dann rief er nach draußen: „Rosi! Eine Acht.“ Mit einer einzigen, geschmeidigen Handbewegung packte der Doktor Leos Arm und drückte ihm einen spitzen, stechenden Gegenstand in die Haut. Es geschah so unerwartet, dass er noch nicht einmal aufschrie, geschweige denn etwas dagegen machen konnte. Da er nicht gesehen hatte was der Doktor ihm da in den Arm gesteckt hatte, begriff er auch nicht, was nun passierte. „Sehr gut.“ hörte er Papenstiehl von der Seite durchatmen. Seine Stimme klang nun nicht mehr unruhig, sondern eher hm…erleichtert. Leo unterdessen versuchte sich zu bewegen, gab seinen Armen und Beinen den Befehl sich anzuheben, aufzustehen. Doch es gelang ihm nicht, er bekam nicht mehr als ein kurzes Zucken und Zappeln zustande, wie ein Fisch auf dem Trockenen. „Schlafen Sie.“ Papenstiehl atmete tief aus. „Schlafen Sie schön.“ Während er das sagte, verschwammen die Konturen des Raumes Stück für Stück vor Leos Augen. Zäh und träge, wie in Zeitlupe, kam das Wort müde in den Tunnel seiner Gedanken gerutscht. Seine Sinne nahmen den Raum um ihn herum war, als hätte ihn jemand unter Wasser getaucht. Dumpf und weit entfernt. Und obwohl sein Herz laut und aufgeregt in seiner Brust pochte – es klang, als käme dieses Pochen von irgendwo tief unter ihm und mit jedem Schlag erzitterte der Boden – vielen ihm die Augen immer weiter zu. „Schlaaaaafen Sieee Leoooooo“ hallte die Stimme des Doktors in seinem Kopf wieder. Der verschwommene, wabernde grüne Umriss namens Philipp Papenstiehl verließ den Raum, zog die Tür hinter sich zu. Kurz darauf hörte Leo ein dumpfes 'Klaaaack-Klaaaaack'. Das Wort „zugesperrt“ plumpste geräuschlos in den Tunnel und wirbelte eine Staubwolke auf, die Leo komplett einhüllte. Seine Augen wurden schwer. Zu schwer um sie offen zu halten, viel zu schwer. Dunkelheit umschloss ihn. Leo schlief ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)