Sundance von DKelli (KanamexZero) ================================================================================ Kapitel 2: 2. Tag ----------------- A~lso... es kann sein, dass es ein wenig OOC wird u.u Aber es ist halt ziemlich schwierig etwas in der Richtung zu machen ohne dass es out of Character wird. Vielen lieben Dank für's lesen Shitsu *knuffz* -------------- 2. Tag Die Lobby des Hotels ‚Prince’ war hell erleuchtet, was die drei Vampire in ihren cremefarbenen Sesseln aber nicht wirklich störte, denn draußen war es noch dunkel. Es waren kaum noch Leute dort, nur zwei, ein junger und ein älterer Herr, die an der Bar saßen und einen über den Durst tranken. Kein Wunder, schließlich war es schon 4 Uhr morgens. „Okay“, räusperte sich Zero, „um was geht es genau? Bisher hab ich nur mitbekommen, dass ich noch heute Nacht los muss.“ „Hui, du bist ja wirklich so kurz angebunden, wie ich gehört habe“, bemerkte die junge Dame mit dem schwarz-weißen Anzug erstaunt und sah, wie Zeros finsterer Blick auf Kaname fiel, der zufällig (?) dem Barkeeper beim aufräumen zusah. „Ich bin übrigens Velvette, nett dich kennen zu lernen.“ „Ja ja. Ich bin Zero. Also, was gibt’s dieses Mal? Ich will heute noch fertig werden.“ Velvette verzog die Mundwinkel. Gott, war der genervt! Wie hielt Kuran es nur mit ihm aus? Solche Leute verabscheute sie; es gab nichts Schlimmeres, als andauernd gehetzt zu werden. Vampire hatten doch wesentlich mehr Zeit als normale Sterbliche! „Ist ja gut. Ich komme gleich zur Sache: Kennst du das ‚Blue Chateau’? Nein? Dann nicht. Es ist ein Bordell, dass nach außen hin als Bar geschmückt ist. Ist so etwas wie ein Insider.“ Während sie erzählte, kramte sie in ihrer Handtasche, die sie unter ihren Sessel gestellt hatte. „ Ich hab ein Foto mitgebracht…. Ah, hier.“ Mit hochgezogener Augenbraue besah sich Zero das Bild. Ein schmales Hochhaus, ein rotes Leuchtschild mit verschnörkelter Schrift und Fenster mit schweren Vorhängen. Klasse. „Ich habe dort früher gearbeitet. Aber nicht so wie du denkst – ich habe in der eigentlichen Bar gekellnert, aber trotzdem viel mitbekommen.“ „Arbeitest du da immer noch?“ „Nur noch ab und zu… Seit ich zu euch gehöre, kann ich mich nicht ständig unter Menschen begeben“, meinte Velvette schüchtern. „Schlagen denn die Bluttabletten an?“, klinkte sich Kaname plötzlich ein. Velvette lächelte ihn an, froh, dass er sich auch beteiligte. „Ja, zum Glück. Ich danke dir nochmals.“ Ergeben verbeugte sie sich, so weit es in dem Sessel ging. „Und was soll ich in diesem Puff machen?“, unterbrach Zero genervt die Szene. „Wer von den Leuten ist ein Level E Vampir?“ „Es gibt keinen. Noch nicht. Aber die Edelhure Lucille ist auf dem besten Weg dazu. Lucille bevorzugt blutjunge Menschen, die vor Gefühlen und Hormonen nur so strotzen. Sie meint, ihr Blut hätte einen unvergleichlichen Geschmack. Nicht wundern, sie ist halt etwas eigen. Sie hat die Angewohnheit jeden Namen ihrer Opfer zu erfahren und auf einen Fächer zu schreiben.“ Zero tippte sich gedankenverloren an die Schläfe. Seltsames Hobby. „Heißt, sie bekommt als Chefin nur das beste Blut und kann natürlich nicht mehr genug bekommen. Das wird nicht so einfach an sie heran zu kommen.“ „Keine Sorge, ich hab dir schon einen Termin besorgt.“ „Termin?“ Velvette kicherte bei Zeros verwirrtem Gesichtsausdruck. „Du musst nur ganz durch gehen, den Raum und das Kennwort nennen. Lucille gehört Raum 67, das Passwort ist ‚Nameless’.“ Der junge Vampir kramte in seiner Tasche mit der Kleidung. Irgendetwas Passendes musste es doch geben, was sagen sollte: Ich bin jung und wortwörtlich zum anbeißen. Kaname stand an der mannshohen Fensterfront und besah sich die grellhellen Lichter der Großstadt. Er drehte sich nicht um, als er sagte: „Vergiss nicht deinen ‚kleinen Mann fürs Ohr’, damit wir den Kontakt halten können. Außerdem solltest du sie nicht sofort töten, sobald du drinnen bist.“ „Wieso nicht?“ „Wenn du den Raum betreten hast und deine Waffe zückst, wird sie sicherlich schreien oder sich wehren. Da hast du kein Überraschungsmoment. Außerdem könnten, falls sie schreit, Menschen aufmerksam werden und dann wird die Flucht und das Aufräumen zu kompliziert, so wie neulich.“ „Neulich? Ich bitte dich, das war vor drei Monaten. Außerdem war das nicht meine Schuld, dass der Bankier anfängt zu brüllen wie ein gestochener Stier und die ganze Nachbarschaft angerannt kommt!“, verteidigte sich Zero und warf das nächste Shirt beiseite. „Auch egal. Jedenfalls musst du an sie heran kommen. Und deswegen musst du ihr direkt gefallen, sonst kommst du nicht weiter als über die Türschwelle. Nimm das Hemd, was du gerade in der Hand hast“, meinte Kaname, der Zero durch die Spiegelung im Fensterglas beobachtet hatte. „Auf mein schönes Gesicht wird sie nicht hereinfallen, sie ist schließlich selbst ein Vampir.“ Skeptisch musterte sich Zero im Spiegel des Hotelzimmers. Die lockere Jeans mit dem schwarzen Hemd musste genügen. „Dann betör sie mit deinen Reizen.“ „Was für Reize? Sehe ich so aus wie jemand, der schon mal eine Frau mit seinen ‚Reizen’ rumgekriegt hat?“ Zero steckte sich gerade routiniert seinen Stöpsel ins Ohr und befestigte das Mikro an seinem Hemdkragen, sodass es nicht auffiel. Kaname musste leise auflachen und drehte sich um. „Wäre ja schlimm. Gut, dann bleibt nur noch eines.“ „Das da wäre?“ „Aphrodisiakum.“ Aufgeheizte Luft wärmte seine kalten Glieder, als Zero die Bar des ‚Blue Chateau’ betrat, das bis auf den Barmann und zwei Ausländer in einer Sitznische vollkommen leer war. Sofort steuerte er auf den roten Vorhang am Ende des Raumes zu, als es plötzlich leise in seinem Ohr knackte. „Tu mir den Gefallen und mach den Mikro nicht direkt auf volle Lautstärke, das tut ja weh“, flüsterte Zero ohne die Lippen zu bewegen. „Entschuldige, ich mach’s leiser. Und, bist du drin?“ „Du weißt ganz genau, dass ich diese Frage hasse“, grummelte Zero leise, sodass ihn niemand außer Kaname ihn hörte. Am anderen Ende kicherte er. „Darum liegst du ja auch unten.“ Gerade als Zero ihm ordentlich Paroli bieten wollte, sprach ihn ein schmächtiger Junge an, der anscheinend so etwas wie den Aufseher machte, denn er trug eine rote Jacke mit passender Mütze. Ein Page. „Entschuldigen Sie, haben sie eine Reservierung?“ Zero nannte das Zimmer und das Passwort. „Einen angenehmen Aufenthalt wünscht das ‚Blue Chateau’.“ Er rollte mit den Augen und ging durch den Vorhang hindurch. „Okay, bis später“, flüsterte er in sein kleines Mikro, bevor es abnahm und in seine Hosentasche stopfte, damit es nicht entdeckt würde. Angeschaltet blieb es dennoch, für den Fall, dass etwas Unerwartetes passierte. Jetzt hieß es Konzentration. Mit schnellem Blick besah er sich seine Umgebung. Nur ein mit roten Überhängen verzierter Flur. Eine Treppe ins Obergeschoss und ein Hinterausgang. Gut, hier dürften die Leiche einfach heraus zu tragen sein, ohne Spuren zu hinterlassen. Nervös zupfte Zero sich an seinem schwarzen Kragen, um sich zu beruhigen. Doch die Nervosität wollte einfach nicht verschwinden. Was eigentlich gar nicht so schlecht wäre, denn was hatte seine Auftraggeberin gesagt? ‚Lucille bevorzugt blutjunge Menschen, die vor Gefühlen und Hormonen nur so strotzen. Sie meint, ihr Blut hätte einen unvergleichlichen Geschmack.’ Noch einmal durchatmen, klopfen. „Herein.“ Lucilles Zimmer war in sanftes Licht getaucht. Alles war ordentlich aufgeräumt und staubfrei zu sein. „Hallo Kleiner“, begrüßte ihn eine junge Frau. Zeros Mundwinkel zuckten. Kleiner? Vielleicht war sie älter als er, aber immerhin war er nicht so tief gesunken, dass er ein blutsüchtiger Level E Vampir war! „Du brauchst dich nicht schämen und schüchtern sein. Hier ist nichts Gefährliches.“ Außer ihre Vampirhauer und ihr Durst nach Blut, dachte Zero. „Ich bin Lucille.“ Ihre Stimme war gespielt freundlich, wie Zero es schon oft bei Kaname gemerkt hatte. „Willst du einen Drink?“ Sie raffte ihr weißes Schlafkleid hoch und hockte sich vor den Kühlschrank mit eingebauter Minibar. Edel eben. „Nein danke.“ Überrascht hob sie den Kopf. „Du möchtest nichts?“ Mit einem beherzten Schwung knallte sie die Tür der Bar zu. „Seltsam.“ Ihre blauen Augen fixierten Zero, während sie sich ihre seidigen roten Haare über die Schulter strich. „Du bist neu hier, nicht wahr? Ihm war unwohl dabei, denn sein Mikro in der Hosentasche war noch angeschaltet und Kaname hörte sehr wahrscheinlich mit. „Ja.“ „Wusste ich’s doch. Ach komm, sei nicht so und trink doch einen Schluck.“ Ohne seine Antwort abzuwarten holte sie ein Glas aus einem Schrank hervor und goss ihm eine orange Flüssigkeit aus der Bar ein. Graziös stellte sie das Glas auf den gläsernen Couchtisch und wies ihm an, sich zu setzen. „Okay…“ Er ließ sich auf das weiße Sofa fallen und musste mit Unbehagen feststellen, dass Lucille sich nah an seine Schulter schmiegte. Bloß hier weg…! Langsam hob Zero das Glas an die Lippen und versuchte sich auf seinen Auftrag zu konzentrieren. Lucilles Hand legte sich auf sein Bein. „Ich bin wirklich froh, dass ich heute jemanden wie dich hier habe… Sonst kommen immer nur diese notgeilen alten Säcke. Aber du dagegen“, sie streckte sich und sog seinen Geruch ein, „bist wirklich einzigartig.“ Am liebsten hätte Zero die Augen verdreht und ihr gesagt, dass das reif für die Seifenoper wäre, aber er konnte sich beherrschen. Wollte sie ihn mit dieser Mitleidnummer etwa rumkriegen? Wie er so etwas doch hasste. Just in diesem Moment wurde er sich seiner Bloody Rose unter seinem Hemd bewusst. Wenn Lucille sie aus Versehen bemerken würde… Aber das würde sie nicht, denn vorher würde er sie damit zur Strecke bringen. Halt. Nein, ein Schuss wäre zu laut und würde Schaulustige auf den Plan rufen, eindeutig zu riskant. „Willst du noch einen Drink?“, hauchte sie ihm ins Ohr, schmiegte sich näher an ihn. „Ähm, nein danke.“ Zero rutschte unruhig hin und her. Natürlich kam es authentisch rüber, aber ihm war wirklich unwohl in seiner Haut. „Möchten Sie denn nichts trinken?“ Lucille grinste breit. „Doch, aber erst gleich.“ Ihre weißhäutige Hand kraulte ihn unterm Kinn. „Nicht so verklemmt Süßer… Du brauchst nicht aufgeregt zu sein.“ Aufgeregt? Pah. Anscheinend dachte sie das dank der künstlichen Pheromone. „Wenn Sie meinen…“ Ein Kichern erfüllte den Raum. „Du bist süß. Nenn mich Lucy, so nennen mich alle hier.“ Mit einem gierigen Funkeln in den meergrünen Augen umschlang ihr Bein seine Taille. „Und wie heißt du, Kleiner?“, raunte sie. „Und wie alt bist du? Du bist unglaublich hübsch.“ Mit einem Lächeln á la Kaname bezauberte er sie. „Ich werde Zero genannt.“ Betört roch sie an seinem Hals. „Ein seltener Name. Ich denke nicht, dass du wirklich so heißt… Aber wenn ich dir ein Geheimnis von mir verrate, sagst du mir deinen richtigen Namen?“ Während sie Anstalten machte, Zero zu küssen, legte dieser seinen Arm um sie. Plötzlich zuckte sie zusammen und riss die Augen auf. Der Schreck machte sie sprachlos. „Ich heiße wirklich Zero“, antwortete der Weißhaarige kalt und umklammerte ihre Kehle mit eisernem Griff. „Tut mir Leid, zum trinken kommst du nicht mehr.“ Sein Lächeln entblößte seine spitzen Fangzähne. Gerade als Zero die Tür hinter sich schloss, holte er sein Mikrofon wieder hervor und pinnte es sich an den Hemdkragen. „Bin fertig, ruf die Cleaner.“ „Soll ich nicht noch die Teppichreinigung anrufen? Oder hast du dieses Mal nicht so viel gekleckert wie sonst?“ Zero stöhnte. Wieso musste Kaname ihm das auch immer vorhalten? Wenn der Vampir sich wehrte, ging das nie ohne Blutvergießen aus. „Ich hab sie ganz einfach erdrosselt. Also kein Blut.“ „Ich warte am Hinterausgang.“ Leise schloss Zero die Türe hinter sich und trat in die kalte Nachtluft hinaus. Endlich wieder draußen. „Na du fackelst ja nicht lange. Ich hatte mir mehr versprochen“, sagte jemand zu seiner Linken. „Hier.“ Er warf Zero eine grüne Jacke zu. „Zieh die an.“ Zero pflückte sich die Jacke vom Kopf. ‚Hausmeister’ stand da auf einem kleinen aufgenähtem Schild. Perfekte Tarnung. „Hast du die Cleaner schon angerufen?“, fragte er mit umherschweifendem Blick, während er sich die Jacke überzog. Nirgends war eine Menschenseele zu sehen. Auf wenn dies der Hinterhof des Hotels war, konnte man nie vorsichtig genug sein. Kaname trat aus dem Schatten. „Natürlich, solange halten wir hier Wache.“ Er tippte sich an die rote Kappe. In dieser Verkleidung als Page sah er gar nicht schlecht aus, fand der andere Vampir, sagte aber nichts. Routiniert lehnten sie sich beide nebeneinander gegen die Hauswand und behielten ihre Seite des Hofes im Auge. Der kühle Wind pfiff durch ihre Kleider und wirbelte ein paar Blätter auf, aber sonst war alles still. Nur die Autos in der Ferne brummten leise. „Wenigstens hast du dich nicht wieder vorher aus dem Staub gemacht“, bemerkte Zero trocken. Kaname zuckte mit den Schultern. „Ist halt nichts dazwischengekommen.“ Ehe Zero ihm einen Spruch drücken konnte, quietschte die Tür und ein stark geschminktes Mädchen trat in den Hof. Sie bemerkte den ‚Hausmeister’ und den ‚Pagen’ und nickte ihnen zu. „Gute Nacht“, lächelte sie müde und verschwand in Richtung Hauptstraße. Beide sahen der Kleinen nach, bis sie hinter der nächsten Ecke verschwunden war und schwiegen. Manchmal musste man gar nicht miteinender reden und den Frieden stören. Beide hingen ihren Gedanken nach und warteten. Nur ab und zu rieb sich einer der beiden die Hände oder trat von einem Bein aufs andere, denn so langsam wurde es doch kühl. „Hilfe, du musst gleich unbedingt duschen“, murmelte Kaname leise. „Sonst fall ich noch über dich her.“ „Tust du das nicht sonst auch?“, fragte Zero mit belustigtem Unterton. „Aber dank der künstlichen Pheromone merk ich wieder Mal, wie viel Mensch noch in uns Reinblütlern steckt“, brummte der Brünette und steckte die Hände in die Taschen. Fies grinsend drehte Zero sich zu ihm. „Gut zu wissen.“ „Was grinst du?“ „Och, einfach so.“ Geschickt – als wäre es Zufall – verlagerte Zero sein Gewicht so, dass er den Halt verlor und gegen Kaname fiel. „Tut mir Leid“, lachte er leise und lehnte sich wieder an die Wand. Kaname schnaubte: „Ich fass es nicht! Mach das nicht noch einmal, sonst weiß ich nicht, ob ich mich noch beherrschen kann… Und du weißt ja, wie ich dann werde, wenn ich dich anfalle.“ „Mach’s doch“, grinste Zero, überlegte es sich aber sofort wieder anders: „Oder lieber doch nicht… Ich will nicht wieder tagelang nur im Bett liegen oder auf dem Sofa hocken.“ Der andere Vampir nickte zustimmend. „Nur weil du dich dann nicht mehr unter Kontrolle hast und mich durchnimmst, dass ich nicht mehr laufen kann! Und von dem krassen Blutverlust will ich gar nicht erst reden…“ Gerade als Kuran alle Schuld von sich weisen wollte, fuhr ein schwarzer Kombi mit getönten Scheiben in den Hof und kam vor ihnen zu stehen. „Na Jungs, alles fit?“ Zero nickte dem alten Mann, der aus dem Wagen stieg, höflich zu. „Hi Mana. Ging ja echt schnell dieses Mal.“ Der Alte namens Mana winkte seine Leute heran, die von der Ladefläche sprangen, und gänzlich in Schwarz gekleidet ins Haus eindrangen. Dann wandte er sich wieder den beiden anderen zu. „Jau, waren grade in der Nähe am aufräumen“, plauderte er freundlich und kramte derweil nach einer Liste auf seinem Klemmbrett unter seinem Anorak. „Hier unterschreiben“, tippte er mit dem Kugelschreiber in die untere rechte Ecke des gelben Formulars. Während Zero ein paar Häkchen und Kreuze setzte, kam auch Kaname herbei. „Hallo Mana.“ „Na Kuran, wie geht’s dir so?“ Freundschaftlich klopfte ihm der Alte auf die Schulter. „Wo warst du letztes Mal?“ Kaname musste lächeln. Mana war schon ein ulkiger Kauz. Ein rustikaler alter Mann, immer mit dunkelblauer Jacke und seine farblich dazu passende Kappe mit einer aufgenähten pinkfarbenen Fledermaus, was einfach nicht zu seinem Job als Leichenentsorger passte. Er war schon uralt – was eindeutig seine Falten verrieten – und kümmerte sich einen feuchten Kehricht um Reinblütler und gesellschaftliche Unterschiede. Kaname war der einzige Reinblütler, der mit ihm verkehrte; vermutlich konnten andere seiner Art Mana nicht ausstehen. Aber Manas Art war ganz erfrischend neben dem ganzen Hierarchiegetue. „Letztes Mal hatte ich ein Treffen mit einer Kundin.“ Er beugte sich herunter und raunte: „Aber wir müssen dieses Thema vor Zero nicht noch einmal aufrollen, ja?“ Mana gluckste und nahm das ausgefüllte Formular entgegen. Fachmännisch überflog er es. „Aufrollen müssen wir es nicht noch einmal, aber verziehen hab ich dir das noch nicht“, kommentierte Zero das Gespräch pikiert. Der Reinblütler hatte dafür nur ein nachsichtiges Lächeln übrig. „Wir sind fertig“, meldete Mana sich kurz, als er hörte, wie die Türen des Kombis knallten. „Gut, die Leiche ist verladen. Sind dann weg. Macht’s gut Jungs!“ So schnell wie Mana mit seiner Cleanertruppe gekommen, war verschwanden sie wieder im Lichtermeer der Großstadt. „Na dann mal wieder zurück.“ „Und die Klamotten?“, erkundigte sich Zero, der schon dabei war, seine Verkleidung abzulegen. „Behalt sie doch als Andenken.“ Schnell waren die Kostüme in der nächsten Mülltonne verschwunden und Kurs aufs Hotel genommen, das zum Glück nur eine Straße entfernt war. „Was machst du da?“ Ohne die Augen vom Bildschirm zu nehmen, antwortete Zero: „Ich züchte ein Walross.“ Der Andere ignorierte den Kommentar. „Schon wieder am chatten?“ Gelassen stützte sich Kaname auf der Stuhllehne ab und las über die Schulter seines Freundes mit. „Mit wem schreibst du? So viele Smileys und Herzchen… Ich tippe auf ein junges, unschuldiges Mädchen.“ Zero lächelte. „Und was, wenn nicht?“ Kaname schnaubte. „Ich bitte dich. Du bist nicht der Typ, der auf Schwuchtel steht. Geschweige denn, sich freiwillig mit ihnen unterhält.“ Eigentlich erwartete er eine Antwort, doch Zero reagierte nicht und tippte eine Antwort. „Hallo? Erde an Zero!“ Keine Reaktion. Grimmig zog Kaname sich aufs Sofa zurück und starrte durch die Fensterfront. Die Sonne war schon fast gänzlich aufgegangen und er gähnte hinter vorgehaltener Hand. Eigentlich war ja jetzt Zeit zum schlafen – aber seit er mit Zero ständig von einem Ort zum anderen zog, fiel das schlafen irgendwie flach. Dem Weißhaarigen schien das weniger auszumachen. War aber auch kein Wunder, so wie er in der Schule als Guardian am Tag und in der Nacht wie ein junges Reh durch die Gegend gehüpft war… Außerdem war da noch die Sache mit dem Chat, die Zero voll in Beschlag nahm. Verdammt, mit wem redete er eigentlich die ganze Zeit? Mit nachdenklichem Gesichtsausdruck stützte er sich auf die Sofalehne. Hoffentlich laberte Zero mit einem neuen Auftraggeber. Wenn nicht dann…! Er war doch auch noch da! Kaname schaffte es mit Mühe die Augen offen zu halten. Meine Güte, was stellte er sich denn so an? Ziemlich kindisch. Außerdem musste er es doch besser wissen. Sie waren beide von der Sparte ‚einsamer Wolf’ und brauchten ihre Freiheiten. „Verdammt!“, murrte Zero über sein Getippe hinweg. „Da gibt’s doch nicht!“ „Hm?“, machte Kaname schläfrig, machte sich aber nicht einmal die Mühe, die Augen aufzumachen. „Diese ätzende Velvette hat es wirklich geschafft, unsere E-Mailadresse herauszufinden und unzählige Liebesgeständnisse an dich zu schicken!“ Der Brünette versuchte, seine Gedanken ein wenig zu ordnen. Velvette… war doch dieses Mädchen gewesen. Die, die wie ‚Veilchen’ oder eher wie ‚verwelken’ klang… Und sie hatte ihre Mailadresse? Na ja, war auch kein Wunder, wenn man eine eigene Seite hatte… ‚Was regst du dich denn so auf?’, hätte er am liebsten gefragt, aber das hätte Zero noch mehr gereizt. Und im Moment war er einfach zu müde dafür. Er spürte, wie etwas an ihm zerrte. „Was ist denn…“, knurrte Kaname und versuchte blind den Übeltäter von sich zu drücken. „Ah, du bist ja doch wach!“; grinste Zero den blinzelnden Vampir an. Mit versteiften Armen versuchte Kaname sich wieder richtig hinzusetzen, denn er war längs auf die Couch verfrachtet worden. „Wie lange hab ich geschlafen? Wieso liege ich auf dem Sofa?“ Mit der Linken massierte er sich den Hals. Er schmerzte höllisch, aber vielleicht war es auch ein Reflex, denn Zero hatte es schon öfters gebracht, ihn ihm Schlaf zu beißen. „Nicht lange. Drei Stunden oder so. Und du liegst hier, weil du dich immer gehörig wehrst, wenn ich dich ins Bett legen will.“ Der Andere erstarrte. „Was?“ Zero hatte sich an das Fußende gesetzt und zog eine Augenbraue hoch. „Was ‚was’? Wolltest du nicht so lange schlafen oder stört es dich, dass du nicht im Bett liegst?“ Wütend funkelte Kaname ihn an. „Nein. Du hast mich gebissen!“ Er nahm seine Finger von der Stelle, über die er gerade gefahren war. „Du bist echt – “ „Hungrig“, schloss Zero den Satz und zuckte mit den Schultern. „Tut mir Leid“, sagte er, was aber nicht wirklich überzeugend klang. Bevor jedoch das große Unwetter über ihn kam, sprang er auf und hechtete zur Tür. „Bin einkaufen. Ciao!“ Die Tür fiel ins Schloss und war so etwas wie der Startschuss für Kaname aufzustehen und seinem Ärger Luft zu machen. „Dieses Arschloch! Immer dasselbe mit ihm!“ Wütend nahm er ein Kissen vom Sofa und schmiss er wieder darauf. Er atmete nochmals durch und räumte die Decke wieder ordentlich weg. Es war von Vorteil, sich nicht übermäßig aufzuregen, denn man musste weniger aufräumen. Dennoch: Sein Groll war noch nicht verflogen. Die Bisswunden waren nicht tief, aber Kuran wollte sie nicht mit seinem Speichel heilen. Sein Freund sollte sehen, dass er diesen ‚Ausrutscher’ – wie Zero es gern nannte – noch nicht vergessen hatte. Es war okay für ihn, wenn Zero sein Blut trank – aber während des Schlafens zu beißen war unfair. Er war doch keine Tankstelle oder so etwas! Und dann machte sich Zero auch noch aus dem Staub. Ohne triftigen Grund. ‚Einkaufen’, pah. Kanames Blick fiel auf die Einkaufsliste auf dem Couchtisch vor ihm. Dieser schlechte Lügner. Sehr wahrscheinlich war der Weißhaarige eh erst wieder gegen Abend zurück. Bis dahin musste aber noch ein halber Tag ins Land gehen… Nach einigem Suchen hatte er Block und Stift zur Hand. „Sehr geehrter Direktor Kurosu…“ Der Brief war abgeschickt worden, die Sonne war untergegangen und Kaname langweilte sich. Seufzend zog er die Bettdecke ein Stückchen höher, aber ihm war immer noch kalt, denn die Müdigkeit von heute morgen lag wie ein bleiernes Tuch über ihm. Er drehte sich um und starrte auf die Tür, die eigentlich jeden Moment aufgehen sollte. Dieser Scheißkerl, wo blieb er nur? Aber wenn ihm etwas passiert war, hätte er ihm irgendwie eine Nachricht oder ein Zeichen zukommen lassen. Einfach abwarten. Und schlafen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)