Schreibübungen & Co. von Ditsch ================================================================================ Kapitel 3: #18 Euer Zimmer - Home ---------------------------------- Der große Schrank stand schon immer in meinem Zimmer, auch, als wir noch in einer anderen Stadt gewohnt haben, auch als ich mir noch ein Zimmer mit meinen Schwestern geteilt habe. Komisch... damals müssen all unsere Sachen hineingepasst haben und heute fällt es mir schwer, meine ganze Kleidung darin unterzubringen. Dabei hab ich doch im Gegensatz zu den anderen Mädchen aus meiner Bekanntschaft nur so wenig Sachen, dauernd ärgere ich mich darüber, nur so eine geringe Auswahl zu haben. Überhaupt, warum muss es überhaupt so ein großer Schrank sein? Nur in einem Drittel davon liegen tatsächlich meine Klamotten, die anderen zwei Drittel sind mit an Kleiderbügeln aufgehängten Kleidern gefüllt. Und was für Kleider! Da hängen Sachen drin, die ich vor zehn Jahren getragen habe! Direkt neben irgendwelchen Konfirmationsröcken, Blusen und meinem letzten Cosplay. Und der ganze Boden des Schrankes ist voll von allen möglichen Dingen, die sich dort im Laufe der Zeit angesammelt haben. Darunter meine Kuscheltiersammlung. Ha, oh ja, die ist wirklich gar nicht so klein. Ich wollte schließlich mal alle Tiere der Welt als Kuscheltiere besitzen. Kuscheltiere waren mir sowieso immer wichtig. Immer war ich so ängstlich, wenn ich nicht meinen großen Muffel – eigentlich Mufasa, aber so nenne ich ihn nie – gehabt hätte, hätte ich mich wohl nie getraut, überhaupt mit jemandem zu sprechen. Er sitzt jetzt an meinem Bettende, die zerkratzten schwarzen Augen in die Leere starrend. Aus der Ferne scheint er leblos, eben wie ein Kuscheltier, doch wenn ich mein Gesicht in seiner Mähne vergrabe, die schon längst nicht mehr so glänzt, wie sie es wohl mal getan hat, und seinen etwas staubigen Geruch inhaliere, weiß ich, dass er bei mir ist. Er ist der einzige, der immer da ist, wenn ich weine. Ich weiß nicht, wie oft sein Fell schon von meinen salzigen Tränen benetzt wurde. Neben ihm sitzt – oder besser liegt, denn sie ist schon wieder auf den Schnabel gefallen – die noch äußerst glänzende Ente. Und es ist nicht irgendeine Ente – ganz und gar nicht! - es ist die aus der Sendung mit der Maus, für die ich immer noch jeden Sonntag um halb zwölf aufstehe. Meine kleine Schwester schenkte sie mir, bevor ich nach Frankreich fuhr. Die Erinnerung an diese drei Monate lässt mich immer noch erschaudern, doch die Ente mag ich. Sie steht für meinen Traum. Es ist eine merkwürdige Geschichte, wie ich ausgerechnet zu ihr gekommen bin... Einmal beim Spielen von Stadt-Land-Fluss, dem wir die Kategorie „Berufe“ hinzugefügt hatten, fiel mir beim Buchstaben E nur Entenpsychologe ein. Meine kleine Schwester hat das nicht vergessen, deshalb konnte sie an dieser Ente nicht vorbeilaufen, ohne sie zu kaufen. Richte dich auf, meine Liebe, und lass die Flügel nicht hängen – mit ihrem schelmischen Lächeln gelingt es ihr fast immer, mich aufzumuntern. Meine Bücherregale! Ein ganz wichtiger Teil meines Zimmers. Ich verstehe bis heute nicht, wie es Menschen geben kann, die in ihrem Zimmer kein Bücherregal haben. Wie kann man denn leben ohne Bücher? In fast jedem Raum in unserem Haus gibt es Bücherregale, vollgestopft bis oben hin, andauernd müssen wir welche in den Keller tragen, damit wir überhaupt noch Platz haben. Das Regal ist sortiert, auch wenn die Ordnung schon ein wenig durcheinander geraten ist. Ganz oben stehen die Kinderbücher. Einige habe ich schon in den Keller gebracht, aber von diesen konnte ich mich nicht trennen. Jim Knopf, Der Löwe ist los, Der Herr der Diebe... Das ist meine Kindheit. In der obersten Reihe steht auch noch mein Papierfächer mit den fünf Pretty Cures aus der vierten Staffel. Ich habe ihn auf der AnimagiC in Bonn gekauft, weil es so heiß war. Damals trug ich selbst mein Cure-White-Outfit, das jetzt im Schrank hängt. In der Mitte des Regals steht mein Spiegel. Irgendein altes Ding, das ich im Keller gefunden habe. War wohl mal ein Badezimmerspiegel. Davor steht meine bescheidene Kosmetikabteilung. Ein paar Sorten Nagellack, Wimperntusche, Kajal und ein paar Cremes, die ich geschenkt bekommen habe, aber nie benutze. Oh, und der Kamm von Walter. Ein Kamm im asiatischen Stil, ich glaube, er hat ihn mir zum Geburtstag geschenkt. Ich weiß gar nicht, warum Walter an meinem Geburtstag... - ach, doch! Das war kurz bevor meine Schwester zu ihrem Auslandsjahr in Japan aufgebrochen ist! Das war kurz nach meinem Geburtstag, darum haben mir alle Geschenke mitgebracht. Sonst hätte ich wohl nie etwas von Walter bekommen, er hat mir ja kaum Beachtung geschenkt. Ich glaube, es ist ihm nicht einmal aufgefallen... Männer eben. Unsensibel bis zum Geht-nicht-mehr und die Gefühlswelt eines Teelöffels. Ach, und dort, an der Lampe, hängt noch dieser unglaublich niedliche Fisch, der immer auf- und abspringt. Ich habe ihn im Aquarium auf Kreta gekauft, letzten Sommer. Die anderen Bücher... vor allem Fantasy. Ich weiß gar nicht, warum ich so viele Fantasy-Bücher habe. Meine Schwester mochte Fantasy und irgendwie hat sie mich wohl angesteckt. Vielleicht sind auch einfach die Fantasy-Bücher so dick, dass man die anderen kaum sieht. Ich habe auch tolle andere Bücher. Dort natürlich meine Harry Potter-Sammlung... Diese Bücher hatten einen unglaublichen Einfluss auf mich, auch wenn das ein wenig nachgelassen hat. Das sechste Buch fängt an mit: It was nearing midnight and the Prime Minister was reading a long memo that was slipping through his mind... Oder so ähnlich. Ich kann es immer noch auswendig. Bei den anderen weiß ich es nicht so genau, der sechste Band hat sich mir am meisten eingeprägt. Neben den Büchern steht dort noch der Korb, in dem mein selbstgenähter Salamander liegt. Es sind nur zwei zusammengenähte Stoffteile in Salamanderform – oben blau, unten weiß. Auf dem Bauch trägt er das chinesische Zeichen für Drache – Ryû. Ich habe ihn in der sechsten Klasse genäht und die anderen haben mich gefragt, warum ich ihn Ryû-chan genannt habe. Ich denke mal, ich habe nichts gesagt, ich habe ja nie ein Wort mit ihnen gesprochen. Ryû war der Geliebte von Megumi – einer abgewandelten Form von mir in der Geschichte meiner Schwester: Heart Seekers. Ich weiß gar nicht, ob sie eigentlich vorhat, das auch noch mal wieder hervorzukramen. Unten erstmal mein Don-Rosa-Ordner! Don Rosa, der beste Dagobert-Zeichner aller Zeiten! Bei allen anderen ist Dagobert einfach nur ein knausriger alter Mann, aber bei Don Rosa bekommt er einen Charakter, eine Geschichte, Tiefe. Diese Ente ist zum einen bemitleidenswert – zum anderen mein größtes Vorbild. Leute, die Geld ausgeben, verstehen nichts von den wahren Freuden eines Kapitalisten. Ach, und da oben, neben dem Spiegel, hängt ja noch die Zeichnung, die Mandy für mich angefertigt hat. War das auch vor Japan...? Ich glaube schon. Ich im Fangirl-Modus, wie ich Ren anspringe. Sie hat mich so gut getroffen! In dem anderen Regal steht meine Mangasammlung. Mann, die ist ja inzwischen ganz schön groß geworden! Shaman King habe ich fast vollständig, Skip Beat und Special A werden auch immer mehr. Ich liebe diese Serien. Ich mit meinem Romantik-Fimmel, nur weil es bei mir nicht so gut läuft... Oben auf dem Schrank steht das blaue Plakat, das Jessi und Maike für mich gebastelt haben, bevor ich nach Frankreich gefahren bin. Einfach ein paar Sachen, die sie mit mir assoziieren. Es ist schön, so etwas zu haben! Schade eigentlich, dass ich immer weniger mit den beiden zu tun habe, seit sie auf dem Fachgymnasium sind... Dabei sind die Schulen direkt nebeneinander. Aber ich war noch nie besonders gut darin, Kontakt zu anderen zu halten. Gott sei Dank gibt es immerhin das Internet. Dort oben sitzt noch Kisu, das Daisuki-Maskottchen. Ich habe es zum Geburtstag bekommen, bevor wir vor fünf Jahren in den Sommerferien nach Frankreich gefahren sind, ins Elsass. An meinem Geburtstag selbst waren wir noch bei Oma, in dem Haus, das Papa verkauft hat, nachdem sie gestorben ist. Es kommt mir vor wie gestern, dass ich das letzte Mal drin war, aber es ist nun bestimmt schon zwei oder drei Jahre her. Wie doch die Zeit vergeht... Am Schrankpfeiler (das Wort klingt falsch... ich bin nicht gut darin, die richtigen Bezeichnungen zu finden...) hängt meine Kon-Handytasche, in der ich meine Kronkorken sammle. Ich glaube, es sind noch nicht besonders viele. Ich sammle aber auch nicht besonders leidenschaftlich, es war nur so eine fixe Idee. James sammelt sie auch, und James ist cool. Mein CD-Player und meine CD-Sammlung... Für die würde mich jeder auslachen, glaube ich. Die Bambus-Bären-Bande! Die haben wir ja früher rauf und runter gehört. Wenn die Fledermäuse tanzen, dann ist Geisterstunde da! Oder? War das überhaupt die CD...? Ich weiß es gar nicht mehr. Dann eine Candy-Girl-CD. Ich hatte mal drei davon, aber zwei sind mir irgendwie abhanden gekommen. Tobias Regner. Ein DSDS-Sieger! Aber zwei seiner Lieder habe ich immer noch auf meinem mp3-Player, einfach, weil die Texte mich an bestimmte Dinge erinnern, die in der Vergangenheit waren. Ich bin sehr nostalgisch. Dann natürlich noch Roger Cicero. Ich liebe diesen Mann und die Texte, auch wenn die Musik irgendwie immer gleich klingt. Ich seh dein gebrochnes Herz, es grinst von Ohr zu Ohr! Ach, und da auf meinem CD-Ständer liegen ja immer noch die Nick-Hornby-CDs, irgendein englisches Hörbuch. Ich habe mir einmal fünf Minuten angehört, kaum etwas verstanden und es dann wieder weggelegt. Ist bestimmt schon drei oder vier Jahre her, ich weiß gar nicht mehr, von wem ich die überhaupt habe. Das Radio steht da sehr einsam und ich wette, es ist ordentlich verstaubt. Manchmal höre ich mir CDs an (das letzte waren die französischen Hörtexte für die DELF-Prüfung), das Radio an sich benutze ich fast nie. Wann denn auch, wenn ich nie in meinem Zimmer bin? Mein Schreibtisch ist schon wieder ein komplettes Chaos! Da ich meine Hausaufgaben entweder im Wohnzimmer oder in meinem Bett mache, lege ich dort immer alles ab, was ich woanders wegräumen musste. Meine ganzen Zeichensachen liegen da sowieso immer rum – ziemlich unberührt. Meine letzte Zeichnung ist auch schon wieder ein oder zwei Monate her. Ich kann es ja sowieso nicht. Tja, und dort mein Daruma. Sein rechtes Auge trägt einen dicken schwarzen Kullerpunkt, das andere ist weiß. Ich bin ganz froh, dass die Lehne von meinem Stuhl ihn halb verdeckt, sonst könnte ich seinen auffordernden Blick sehen, der sagt: Los! Schreib! Sonst werde ich für immer einäugig bleiben! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)