Esmes Geschichte von Lesemaus (CarlislexEsme) ================================================================================ Kapitel 14: Im Flugzeug ----------------------- Im Flugzeug „Ist mit Ihnen alles in Ordnung Madam oder soll ich Ihnen etwas zur Beruhigung bringen?“, sprach mich eine der vier Stewardessen an, die sich an Bord befanden und für das Wohlergehen der Passagiere im Flugzeug sorgen sollten. Ein verunglücktes Lächeln brachte ich der höflichen Frau entgegen, es sollte beruhigend wirken, aber innerlich war ich kurz davor beinahe an die Decke zu gehen. Wir standen kurz davor zu starten, die letzten Vorkehrungen wurden gerade getroffen, bevor es losgehen sollte. Es war keine Stunde her, seitdem Carlisle und ich zum städtischen Flughafen mit dem Auto gefahren waren, zusammen eingecheckt hatten, wo es uns an Handgepäck mangelte, da ich selbst ja keine Sachen mehr aus meinem alten Leben außer dem Rucksack besaß und Carlisle anscheinend außer einem Aktenkoffer nichts mitnehmen wollte, und uns ins Terminal begaben. Nun saß ich gefangen zwischen Carlisle und dem Fenster in ein er der hinteren Reihen und wusste nicht wohin mit meinem Magen. Es kribbelte ganz nervös, mir stand der Schweiß auf der Stirn, für Außenstehende sah ich bestimmt so aus, als würde ich jeden Moment umkippen, so fühlte ich mich übrigens auch. „Esme, brauchst du etwas?“, fragte Carlisle noch einmal nach, weil ich auf die Flugbegleiterin nicht weiter geantwortet hatte. „Nein, danke!“, würgte ich gepresst hervor. „Aber ich saß noch nie in einem Flugzeug, geschweige denn, bin schon einmal geflogen. Ich denke das nennt man Flugangst oder?“, fragte ich mehr zu mir selbst, als zu den zwei anderen Personen, die mir ihre Aufmerksamkeit schenkten, beugte mich dabei weiter nach vorne, sodass ich mich mit meinen Armen auf meinen Beinen abstützen konnte. „Ich werde Ihnen trotzdem ein Mittelchen zur Beruhigung geben.“, entschied die Stewardess. „Außerdem werden wir in ein paar Minuten starten, dann dauert es nicht mehr lange und sie haben es überstanden!“, sprach sie mir mit einem solchen Enthusiasmus in der Stimme müde, dass ich mich dazu durchrang ihr ein kleines Nicken zu entgegnen. Es war nicht der Blutmangel, der mich so fertig machte, auch wenn ich zugeben musste, dass ich ein wenig Hunger hatte, aber die paar Stunden Flug, die wir vor uns hatten, hielt ich locker damit aus. Ich hatte schon schlimmeres erlebt in den letzten Tagen, als das ich mich jetzt hängen lassen würde. Leider war ich neidisch auf Carlisle, der so unbeschwert neben mir saß, als würden wir einfach nur spazieren gehen. Was haute diesen Typen überhaupt mal aus den Socken? Bis jetzt hatte ich noch kein Mittel gefunden, vielleicht, so hoffte ich, würde sich das noch in Zukunft ändern. Es war gemein, wenn er immer etwas gegen mich in der Hand hatte und ich nicht gegen ihn. Allein in den letzten Tagen hatte er schon so viele Schwächen an mir kennengelernt, wie noch nie. Carlisle hatte mich extra ans Fenster gesetzt, unsere Reihe war mit drei Sitzen nebeneinander ausgestattet, damit er im äußersten Notfall, falls doch irgendetwas vorfallen sollte, eingreifen konnte, was ich aber nicht glaubte. Selbst wenn ich jetzt Hunger hatte und von mehr als einem Menschen umgeben war, der leckerer roch, so würde ich mich, wenn ich die Wahl hatte, immer noch auf Carlisle stürzen, weil er von allen anderen am verführerischsten duftete und ich saß auch noch direkt neben ihm! Wenn ich wollte konnte ich ihn sogar berühren, aber ich wagte es nicht. Seit unserem Rangkampf war etwas Merkwürdiges in mir passiert. Ich konnte es noch nicht genau definieren, aber ich hoffte es in den nächsten Tagen herauszufinden, auch wenn ich eine leichte Angst dabei verspürte, mehr zu erfahren. Wer wusste schon was es in mir auslösen würde, wenn ich meine Gefühle Carlisle gegenüber erst einmal genauer definieren konnte? Ich war gespannt. Die Stewardess kam zurück und drückte mir zwei Tabletten zusammen mit einem Glas klarem, kühlem Wasser in die Hände. Ich glaubte zwar nicht, dass das Mittel bei mir anschlagen würde, Carlisle sah dementsprechend genauso unüberzeugt aus, als er mir leicht zuzwinkerte, aber ein Versuch war es wert. In einem Schluck zwang ich das Getränk mit den Beruhigungstabletten hinunter und hoffte einfach, dass es wenigstens ein bisschen half. Ich stellte gerade das Glas zurück auf meine Sitzablage, als plötzlich eine Stimme durch die Lautsprecher erscholl, die mich merklich zusammenzucken ließ, was wohl den Arzt dazu veranlasste, beruhigend seine Hand auf meine zu legen und diese zu drücken. Selbst unter Folter hätte ich nicht zugegeben, dass mir das prickelnde Gefühl auf meiner Haut, welches von seiner Berührung ausgelöst wurde, gefiel. Ich musste dringend meine Prioritäten überdenken, wenn das alles nicht in einer einzigen Katastrophe enden sollte. Um nicht weiter so abgelenkt zu werden, konzentrierte ich mich auf die Frauenstimme, die uns die letzten Anweisungen erteilte, bevor es endgültig losging. „Sehr geehrte Damen und Herren. Wir begrüßen Sie herzlich an Bord der Maschine R113 der Fluglinie Pandora. Unsere heutigen Piloten sind Herrn Bloom und Carlson. Der Flug wird voraussichtlich sieben Stunden dauern. Wir bitten Sie spitze oder scharfe Gegenstände sicher zu verstauen und Ihre Sicherheitsgurte anzulegen. Das Dinner wird, wenn gewünscht, um dreizehn Uhr serviert. Nach dem Start stehen Ihnen unsere ausgebildeten Flugbegleiterinnen zur Verfügung. Wir wünschen Ihnen einen angenehmen Flug.“, endete die Durchsage, die mir, da ich sie zum ersten Mal hörte, sehr professionell vorkam, obwohl es nachher, wenn man schon öfter geflogen war, bestimmt langweilig wurde anzuhören, zumindest sah ich das Carlisle an, der anscheinend genervt die Augen verdrehte. Gerade eben so verkniff ich mir ein Kichern. Ich musste noch einige Stunden neben ihm aushalten, da wollte ich ihn nicht unnötig reizen. Mehrere Klicke ertönten, die das Einrasten des Gurtes bestätigten. Carlisle und ich taten es den anderen gleich und zum Glück stellte ich fest, dass der Platz neben dem blonden Arzt leergeblieben war. Ich konnte mich zwar, was meinen Blutdurst anging, beherrschen, wenn man es denn schon so bezeichnen wollte, aber man sollte sich ja nicht übernehmen. Die Gespräche in der gesamten Maschine wurden unterbrochen, als die erste Turbine wie unter einem Schuss aufheulte, dann die andere. Das Flugzeug fing an zu wackeln, zu zittern. Ich spürte es zwar nicht, aber dadurch, dass ich nun einmal am Fenster saß, sah ich wie es rollte. Es rollte über die Rollbahn und nahm stetig an Geschwindigkeit zu. Irgendwann konnte ich es nicht mehr ertragen, ich kniff die Augen zusammen und verkrampfte mich mit meinen Händen an den Armlehnen, als es den Boden unter den Füßen verlor und wir in die Luft abhoben. Auch Carlisles beruhigender Griff um meine Hand konnte daran erst etwas ändern, als die Durchsage der Piloten durch das Flugzeug erscholl. „Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben soeben die Landebahn des Flugplatzes California Beach verlassen und die erste Fluglinie passiert. Sie können sich nun wieder frei bewegen und die Sicherheitsgurte ablegen. Ab nun steht ihnen unser Flugpersonal zur Verfügung. Wir wünschen Ihnen weiterhin einen guten Flug.“ Hörbar atmete ich die angehaltene Luft aus. Ich war sicher, zumindest fürs erste. Um mich etwas zu entspannen lehnte ich mich zurück in meinen Sitz, der sich weich an meinen Rücken schmiegte und zum Schlafen einlud, wenn ich dann hätte schlafen können. So begnügte ich mich damit aus dem Fenster zu sehen, wo sowohl Wolken als auch strahlendblauer Himmel an uns in einer Geschwindigkeit vorbeifegten, wo jeder Vampir sich geschlagen geben hätte, vermutete ich. Mir war zumindest keiner bekannt, der so schnell laufen konnte, nicht einmal Edward und der war schnell, richtig schnell! Die Tabletten, die mir die Stewardess gegeben hatte, halfen wenig, wenn sie denn überhaupt wirkten. „Geht es dir besser, Esme?“, fragte Carlisle behutsam, nahm seine Hand von meiner und ich verfluchte mich selbst dafür, dass ich es schade fand, dass unser Hautkontakt abbrach. „Ein wenig.“, bestätigte ich leise, während mein Blick weiter über die außerhalb des Flugzeugs befindende Landschaft wanderte. Ich sah den Boden nicht mehr, also mussten wir schon die zehntausend Meter überschritten haben. Das Gemurmel um uns herum wurde immer lauter, mehrere Gespräche kamen wieder im Gange, welche zuvor in der spannenden Minute unseres Startes verklungen waren, als hätten die Passagiere die Luft angehalten. Und ich insgeheim auch, während Carlisle zu meiner eignen Zerknirschtheit, munter neben mir saß, als hätte er gerade geschlafen, was natürlich nicht ging, und während des Startes seelenruhig aufgewacht, um sich aufzusetzen. Wie ich ihn um diese Tatsache beneidete. Es vergingen weitere Minuten bis ich mich vollends beruhigt hatte und es wagte, meinen Blick durch die Menge an Fluggästen streifen zu lassen, die sich aufgeregt, fröhlich miteinander unterhielten und sich von den Flughelferinnen und –helfer bedienen ließen, nachdem die roten Leuchten der Anzeigetafel für das Anlegen der Sicherheitsgurte erloschen waren. „Kippst du gleich um?“, fragte mich plötzlich eine Stimme direkt vor mir, dass ich erschrocken aufsah und direkt in das junge Gesicht eines kleinen Jungen mit riesigen blauen Kulleraugen starrte. Waren die süß! „Nein…zumindestens noch nicht.“, lächelte ich unglücklich, was ihn wohl nicht zu gefallen schien, da er einen Schmollmund zog. Anscheinend hatte er damit gerechnet eine dramatische Szene vor die Nase gesetzt zu bekommen. Leider nicht mit mir. Mit vor dem Oberkörper gekreuzten Armen lehnte er auf der Kopfstütze des Sitzes vor mir, während ein anderes kleines Mädchen scheu über seine Schulter lugte, als würden sie etwas verbotenes oder gar gefährliches tun. In meinen Gedankengängen hielt ich inne. Was ist wenn sie wussten was ich war? Wenn sie es instinktiv spürten, es aber nicht zuordnen konnten? Mir wurde abwechselnd heiß und kalt und wäre ich nicht schon tot gewesen, wäre mir gnadenlos der Schweiß aus den Poren gekrochen. Eigentlich mochte ich Kinder, wenn sie mir aber schon so kamen, dass ich mich an Ort und Stelle am liebsten unsichtbar wünschte, konnte das nichts Gutes bedeuten. „Wenn du aus Kalifornien kommst, warum bist du dann so blass?“, fragte der Junge unbeirrt weiter und fing allmählich an mich mit seiner Hartnäckigkeit, die gerade so überhaupt nicht angebracht war, zu nerven. Eigentlich besaß ich ein hohes Maß an Geduld und liebte Kinder über alles, allerdings trug die Enge des Flugzeuges und die damit unweigerliche Distanz bis zum Boden nicht zu meinem Gemüt dazu. „Du siehst aus als hättest du den Tod gesehen.“, stichelte der junge Knabe munter weiter, hatte sogar die Frechheit mir ein Lächeln zu schenken, was fast die komplette Seite seines Mundes ausfüllte. Meine Hände verkrampften sich in der Stuhllehne, bis Carlisle Eingriff und seine Finger der rechten Hand um meine linke wickelte. „Würdet ihr uns kurz entschuldigen? Ihr geht es nicht gut und wir würden gerne kurz ein paar Schritte gehen, danach könnt ihr sie weiterlöchern, einverstanden?“, zog der vom Aussehen her junge Arzt die zwei Kinder geschickt in seinen Bann und sprach dabei so einfühlsam, freundlich und wohlwollend, als hätte er niemals etwas anderes gemacht, als den ganzen Tag mit Kindern zu kommunizieren. In diesem Moment gebührte ihm mein ganzer Respekt. „Natürlich, aber vorher habe ich trotzdem noch eine Frage!“, begehrte er auf, sein Blick wanderte währenddessen wieder zu mir, seine kleinen blauen Augen schienen sich in meine zu bohren, die immer noch von einem kleinen Stück Glas zwischen uns getrennt war. Abwartend sah ich ihn an. Der Kleine musste noch lernen seine Gefühle im Zaun zu halten, die man deutlich von seinem Gesicht ablesen konnte. „Warum trägst du in einem Flugzeug mehrere tausend Meter über den Boden eine Sonnenbrille, obwohl wir mitten durch eine Wolkenbank fliegen?“ Ich schnappte hörbar nach Luft, zu laut für Menschenohren, dass die Kids es nicht mitbekommen hätten. Ein paar Reihen weiter hätte es vielleicht nach einer Empörung geklungen, doch den wissenden Blick der Kids bedeutete mir, dass sie genau wussten, was gemeint war. Bevor ich zu einer Erwiderung ansetzen konnte, wurde Carlisle Griff und sein mahnender Blick um meine Hand fester, bestimmter, bedrohlicher und ich ließ mich nur zu bereitwillig darauf an Flugübelkeit vorzutäuschen und mit ihm einen Abgang zu machen. Fast alleine zog mich Carlisle von meinem Sitz hoch, führte mich mit erstaunlicher Ruhe, die aber nicht auf seinen bestimmten Griff um mich überging, an den einzelnen Sitzreihen vorbei, bis wir zu den Toiletten kamen, die mehrere Kabinen nach hinten bildeten. Eine neben einer anderen. Umgehend verfrachtete er mich in die Hinterste, wo die Chance, dass man uns allzu bald dort aufspüren würde, nachdem er sich umgesehen hatte, dass auch niemand bemerkte, dass wir uns zu zweit in eine Kabine schlichen, da man sonst hätte denken können, wir würden sonst was treiben, nicht wirklich hoch war. Die Fluggäste wollten ihre Ruhe haben, die Kapitäne flogen, die Flugbegleiter kümmerten sich um die Gäste. Keiner würde so schnell darauf aufmerksam werden, dass wir fehlten, wenn die anderen Menschen in den Gängen und Gangways herumlaufen durften. Carlisle stieß mich vorwärts, dass ich schon beinahe in die Kabine stolperte, ehe er nachkam und die Tür hinter uns verriegelte. Laut atmend lehnte ich mich an die Kabinenwand, wohl darauf bedacht ihn nicht zu berühren, was allerdings in dem wenigen Raum, den wir beide hatten, ein echtes Kunststück war. „Sonnenbrille ab!“, entfuhr es dem blonden Arzt unwirsch, sodass seine Stimme beinahe einem gereizten Knurren ähnelte, was mich doch ein wenig verschreckte. Hatte ich ihm irgendetwas getan? Ich konnte doch nichts dafür, dass ich Flugangst hatte, deswegen unternahm ich doch so ungern Reisen, die man nicht auch mit Auto oder Schiff bezwingen konnte! Schließlich kam ich seinem Willen nach und zog mir die Sonnenbrille vom Gesicht, legte sie vorsichtig auf die kleine Kommode, die in dem Waschbecken inbegriffen war und somit ein wenig Stauraum für Gegenstände bildete, die zumindest eine Frau immer mit auf die Toilette nahm. Ich sah nicht in den Spiegel, wusste ich doch, wie rot matt meine Augen leuchten würden, dass musste ich mir nicht unbedingt antun. Forsch wurde mein Kinn mit einer Hand umgriffen und nach oben gedrückt, dass ich Carlisle ansehen musste, während seine Augen wie mit einem Röntgenblick versehen über mich wanderten. Was zum Teufel war sein Problem? Hatte ich einen Fleck im Gesicht oder was?! Gereizt von seinem Schweigen wollte ich ihn schon anfauchen, dies war irgendwie meine erste Reaktion auf ihn, komischer Weise, als er unvermittelt und mit einer schnellen Bewegung seinen Hemdskragen öffnete und ihn herunterkrempelte, dass sein Hals komplett frei lag. Verblüfft schaute ich ihn an. Hatte er jetzt den restlichen Verstand verloren oder leidete er unter Wahrnehmungsstörungen? Eines von beiden musste es unweigerlich sein, sonst würde er sich nicht so komisch geben. Mit einer fließenden Bewegung nahm er seinen Pulli ab, den er, wie die Studenten aus der alten Schule, elegant um die Schultern trug und ihm den Stil eines intelligenten, junges Mannes verlieh, keines von beidem würde ich abstreiten, welchen er anschließend ebenfalls wie meine Sonnenbrille auf der Kommode gleiten ließ, ehe sein Blick meinen einfing, der mir so undeutlich schien, als würde ich ihn das erste Mal sehen. Irgendetwas stimmte mit diesem Kerl nicht und ich würde in arge Schwierigkeiten kommen, wenn ich nicht schnell herausfand, was ihr geschah, bevor es ausartete. Abwehrend hob ich die Arme, was in dieser kleinen Kabine beinahe dazu führte, dass ich seine gut gebaute Brust berührte, die sich dezent, aber deutlich, von seinem Oberteil abhob. „Jetzt warte mal, Carlisle.“, forsch musterte ich ihn. Seine Kiefernknochen waren angespannt, als würde er kräftig die Zähne zusammenbeißen. Seine gesamte Haltung strahlte Anspannung aus. Voll aufgerichtet zu seiner Körpergröße, der Rücken steif und verspannt, die Hände zu Fäusten geballt, bekam ich allmählich das beklemmende Gefühl der Angst, dass er diese unglaubliche angestaute Wut an mir auslösen würde. Er konnte mich zwar nicht ernsthaft verletzen, momentan war immer noch ich diejenige, die mehr Stärke besaß als er, aber das bedeutete nicht, dass es mir nicht kalt den Rücken runter lief. „Was ist mit dir los? Du bist so…du bist so wütend…so kenn ich dich gar nicht!“, versuchte ich mich auszudrücken, ohne ihm dabei allzu sehr auf den imaginären Schlipps zu treten. Vorsichtig wagte ich einen Blick in seine normaler Weise karamellfarbenen Augen, aber sie waren nicht karamellfarben, sie waren alles andere als das: sie waren schwarz. Ich wich den zur Wand der Toilette zurück, als ich diesem bohrenden Blick, der durch mich durch zu gehen schien, begegnete. Es war, als würde mich selbst der Teufel durch diese Augen ansehen. Das war nicht Carlisle, das war nicht der nette, freundliche, immer behutsame Arzt, den ich im Krankenhaus kennengelernt und in den letzten Tagen sogar mögen gelernt hatte, dieses Viech war irgendetwas anderes, nur das nicht, was ich erwartete! Die Situation entglitt mir eindeutig aus den Fingern wie Sand durch ein Sieb, ohne die Möglichkeit es aufzuhalten. „Was ist denn nur los mit dir?“, flüsterte ich hilflos, weil er mir mit diesem undefinierbaren Blick und der angespannten Körperhaltung, die das Gefühl von Wut aus jeder Pore zu sickern schien, eine heiden Angst machte. Eine Angst die ich zuletzt bei Parker verspürt hatte, als er abends von seinen Freunden zurückkam, mit dem kleinen Nachteil zu viel getrunken zu haben. Grundsätzlich hatte dies für mich in Schlägen geendet. Ich konnte und wollte das nicht noch mal zulassen, unser bisheriger Schlagabtausch hatte mir so an sich gut gefallen, da Carlisle eine gewisse Menge tolerierte, aber auch mal härter zupacken konnte. Parker war immer gleich auf die Vollen gegangen, ohne sich um mein Wohlbefinden zu kümmern, selbst als er mich schon grün und blau geschlagen hatte. Dieses emotionale Loch wollte ich nicht noch einmal durchmachen, konnte ich nicht noch einmal durchmachen! Einmal fuhr Carlisle sich durch die Haare, eine nervöse Geste die ich von Edward her kannte, aber bei ihm noch nie gesehen hatte und mir daher auch nicht sicher sein konnte, ob diese Geste auch wirklich von unbekannter Nervosität herbeigeführt war oder doch von einem anderen Gefühl. Ich schluckte nervös, meine Kehle fühlte sich merkwürdig trocken an, als er plötzlich die Distanz zwischen uns überwand und mich förmlich an sich riss, als würde ich mich jeden Moment in Luft auflösen. Seine Hände umfingen mich an Taille und Nacken, pressten mich an seinen Körper, dass kein Blatt mehr zwischen uns passte. Ohne auf meine Widerworte zu achten, führte er mein Gesicht an seine Halsbeuge, welche durch das geöffnete Hemd nicht länger von seinem Kragen verdeckt war. Ich hielt angespannt die Luft an, versuchte an etwas anderes zu denken, als an das frische Blut, was durch seine Adern floss. „Du hast keine Flugangst, Esme!“, erscholl seine kraftvolle Stimme summend an meinem Ohr, was mich den Kopf zwischen die Schultern ziehen ließ. Wie meinte er das denn? Was anderes war es doch nicht. Seit ich denken konnte hatte ich Flugangst besessen! Leicht ging er mit mir vorsichtig ein paar Schritte vorwärts, dass er mich wieder an die Wand nageln konnte, dass ich wirklich nur von ihm freikam, wenn mir der Kragen endgültig platzen würde und dann hätten nicht nur wir beide ein Problem, sondern auch die Fluggesellschaft am Hals, die sie komischer Weise wunderte, warum zwei einfache Leute wie sie eine komplette Toilette ohne größeren Kraftaufwand aus den Angeln heben konnte. „Und was soll es deiner Meinung nach sonst sein?“, nuschelte ich fragend an seiner Halsbeuge, wobei ich so gut wie möglich versuchte den Kopf so zu drehen, dass ichseinen Blutgeruch nicht direkt in der Nase hatte. „Deine Augen sind schwarz.“, flüsterte er mir behutsam ins Ohr, was eine eigenartige Gänsehaut auf meinem Rücken verursachte. „Du musst trinken!“, fuhr er fort, energischer. Seine Hand in meinem Nacken drückte mich näher an seinen Hals. Ich machte mich steif, stemmte die Hände gegen seine Brust, bereit ihn notfalls mit Gewalt von mir zu bugsieren, wenn es notwendig werden sollte! „Ich will aber nicht!“, zischte ich ihn wütend an, gab ihm nebenbei einen gemeinen Tritt vors Schienenbein, was ihn leise fluchen ließ. „Ich werde nicht darüber diskutieren, Esme!“, entfuhr es ihm laut, sodass ich Angst hatte, man würde uns hören. „Ich habe dir schon bei deiner Schwester gesagt, dass du regelmäßiger trinken musst, schwarze Augen sind ein sicheres Anzeichen dafür, genauso wie Nervosität, Anspannung und Stress. Das hast du schon seit wir in diesem gottverdammten Flugzeug sitzen und du wirst auf mich hören, sonst werde ich dir die nächsten Tage zur Hölle machen, dass du dir wünschen wirst bei deiner Schwester geblieben zu sein, außerdem kannst du keine Flugangst haben, da dir als Vampir alle Ängste genommen wurden!“, donnerte er mir entgegen, dass ich vor seiner Autorität instinktiv zurückschreckte. „Du brauchst mich deswegen trotzdem nicht anzuschreien, ich hab es schon beim ersten Mal verstanden!“, fauchte ich nun ebenfalls gereizt zurück und am Ende meiner Geduld, riss mich dabei mit einem Ruck von ihm los, dass ich ihm wieder in die Augen blicken konnte. Schwarz, immer noch schwarz, genau wie damals, als ich mit Edward zusammen am Wohnzimmertisch in Carlisles Haus saß und ebendieser sich entschuldigt hatte, um sich zu verdrücken. Was hatte ich bis jetzt gelernt? Wie Carlisle es eben selbst schon genannt hatte, bekam ein Vampir nur schwarze Augen, wenn er Hunger verspürte. Passierte das so schnell? Ich hatte die dunklen Augen erst bemerkt, als wir schon in der Toilette waren und vorher sah er meines Erachtens normal aus. Man war das frustrierend! Edward, Schwesterherz, wo seit ihr, wenn ich mal Hilfe brauche? Natürlich…nicht da! Prüfend musterte ich seine Augen, dass mittlerweile stechende Gefühl durch den Blutdurst, ja Carlisle hatte Recht mit dem Durst gehabt, geflissentlich ignorierend. Seine Augen waren vollkommen auf mich fixiert, schienen mich nicht mehr loslassen zu wollen. Durch einen inneren Impuls heraus legte ich sanft meine Hand an seine Wange, sprach zusätzlich beruhigend auf ihn ein, wie er es bei mir, zwar ohne größere Erfolge, gemacht hatte. „Es ist alles in Ordnung Carlisle, du kannst dich wieder beruhigen.“, versuchte ich ihn zu beschwichtigen, was mir unverständlicher Weise nur ein weiteres Knurren einbrachte, lauter als zuvor. Irgendwie schaffte ich es mit ganz viel Selbstbeherrschung meine giftigen Kommentare wenigstens für diesen Moment stecken zu lassen, da sie sowieso nichts brachten, außer vielleicht seine Wut noch weiter anzustacheln und genau das tat ich auch. Dann ging plötzlich alles ganz schnell! Ehe ich mich versah hatte mich Carlisle an der Hüfte gepackt, hochgehoben, an die Toilettenwand gepresst und mit einer übernatürlich schnellen Bewegung meine Hände gepackt, um sie ebenfalls an die Wand zu schmettern, was mir als Mensch mehr als nur ein paar blaue Flecke eingebracht hätte. Nahe beugte er sich zu mir, strich mit seiner Nase über meinen Hals, was mir auf eine mir unbekannte Art und Weise gefiel, obwohl ich noch nie wirklich starke Gefühle dem männlichen Geschlecht gegenüber gebracht habe, wenn man meine Vergangenheit bedachte. Verdammt scharfe Zähne gruben sich in die Seite meines Halses, was mich sogleich erschrocken wie auch empört nach Luft schnappen ließ. Ich spürte wie Blut durch die Wunde lief, welches aber sogleich von Carlisle Zunge aufgenommen wurde, wie ein Verdursteter das Wasser. Ich konnte mich kaum durch seinen festen Griff bewegen, aber selbst wenn ich die Möglichkeit dazu gehabt hätte, mein Körper gehorchte mir nicht mehr, als hätte ich meinen eigenen Willen verloren oder wurde durch jemand anderes ferngesteuert. Die Welt fing an vor meinen Augen zu verschwimmen, ob nun von dem Blutverlust oder den überschäumenden Gefühlen, die mich zu überrollen versuchten, konnte ich nicht genau definieren. Es war, als wäre plötzlich in meinem Inneren etwas von der Sparflamme auf ein riesiges Feuer gewachsen, welches mich versuchte in seinen Bann zu fesseln. In meinem Bauch kribbelte es wie hundert Schmetterlinge, ein süßes Ziehen fuhr durch meinen Unterleib. Wie eine Marionette mit nachgiebigem Material sackte ich gegen den Arzt, der sich nun auch nicht mehr die Mühe machte uns an der Wand zu halten, sondern langsam mit mir an dieser hinunterglitt, bis er auf dem Boden kniete zusammen mit mir auf seinem Schoss. „Lass mich los, Carlisle!“, bat ich ihn eindringlich, die Stimme zu einem geflüsterten Ton gesenkt, der ihm die Ernsthaftigkeit in dieser Situation klar machen sollte. Hätte ich ihn angefaucht oder gar angeschrien, was bestimmt mehrere Toiletten weit zu hören gewesen wäre, hätte er bemerkt, dass ich noch vor Stärke trotzte, doch im Moment fühlte ich mich schwächer und schwächer werdend, dass ich kaum noch einen vernünftigen Satz in meinem Kopf formulieren konnte. Ich spürte, wie er seinen Kopf von meinem Hals entfernte, dann wurde es schon schwarz um mich herum. Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als ich das nächste Mal aufwachte, nur dass ich Recht schnell wieder bei klarem Verstand war und nicht mehr den Blutdurst von vorhin verspürte. Auch stellte ich fest, dass ich wieder in meinem Flugplatz saß, ohne die nervigen Kinder vor mir. Benommen fasste ich mir an den Kopf, strich mir einige dicke Haarsträhnen dabei aus dem Gesicht, um meine Umgebung wieder erkennen zu können. Die meisten Passagiere schliefen, als wären wir schon Stunden unterwegs. Bestürzt musste ich feststellen, dass meine Sonnenbrille fehlte, als ich mein Gesicht abtastete, aber sie lag auch nicht auf der Ablage vor mir! Ich erinnerte mich noch daran, was in der Toilette passiert war, danach klaffte ein großes Loch in meinem Gedächtnis. Vorsichtig spähte ich neben mir. Carlisle saß in seinem Sitz wie aus Stein gemeißelt, schien aus dem Fenster zu schauen und doch nichts zu sehen, deswegen unterließ ich es ihn anzusprechen, mit Glück hatte er mein Erwachen gar nicht bemerkt und ich konnte noch ein paar Stunden vor mich hin dösen, bevor das Flugzeug in welcher Stadt auch immer landete. Vorsichtig kuschelte ich mich zu Recht, versuchte so wenig an Bewegungen zu machen wie möglich. Eine Hand packte meine, die auf meiner Sitzlehne gebettet war, was mich wie unter einem Peitschenknall zusammenfahren ließ. Ich schluckte angestrengt, versuchte mir nichts anmerken zu lassen, dass ich nicht mehr wusste, was ich von Carlisle nach dieser Aktion halten sollte. Alle meine Sinne waren aufs schärfste gespannt. „Es tut mir Leid.“, erklang seine leise, melodiöse Stimme, die so voller Reue klang, als hätte er versucht mich umzubringen, was überhaupt nicht der Fall gewesen war. Er empfand Schuld und wenigstens für die nächsten Stunden sollte er diese ruhig haben, bis ich mit ihm mal ein ernstes Wörtchen zu reden hatte. Seine Bemerkung geflissentlich übergehen, kuschelte ich mich tiefer in meinen Platz, leicht zusammengerollt, wie bei einer Katze, dass Gesicht von ihm abgewandt. Ich würde mit ihm über diese Sache reden müssen, dass ließ sich gar nicht anders verhindern, aber bis dahin wollte ich noch ein wenig dösen und sei es auch nur, um mir seiner Gegenwart nicht bewusst zu sein. Die ganze Zeit lag seine Hand weiterhin auf meiner, drückte diese, als müsste ich ihm Halt geben. Ich ließ es zu. Warum auch immer. *************************************************************************** Kapitel Ende So^^ Hier bin ich auch schon wieder mit einem neuen Kapitel. Wie im letzten schon angekündigt, geht es nun langsamer voran, da meine Arbeit wieder angefangen hat, aber ich werde versuchen in Abständen von zwei bis drei Wochen hochzuladen, damit ihr nicht zu lange warten müsst^^ Tja, Carlisle ist in diesem Kapitel ausnahmsweise an die Decke gegangen, anstatt Esme. Für mich war es schwierig dieses Kapitel zu schreiben, da ich Carlisle immer schlecht einschätzen kann, aber ich hoffe es hat euch trotzdem ein wenig gefallen^^ Tja, was soll ich noch weiter erzählen? Ich freue mich schon auf das nächste Kapitel und wünsche euch bis dahin weiterhin viel Spaß, ich habe einen Haufen Ideen für diese FF, also könnt ihr euch schon einmal darauf freuen, dass ein Ende so schnell nicht geplant ist und wir uns noch eine lange Zeit sehen werden^^ Bis dahin wünsche ich euch alles Gute, lasst euch nicht unterkriegen, haltet die Ohren steif, bleibt gesund und munter^^ Liebe Grüße Lesemaus Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)